Guillaume Gillet (Architekt)
Guillaume Marie-Paul Gillet (* 20. November 1912 in Fontaine-Chaalis; † 23. September 1987 in Paris) war ein französischer Architekt und Stadtplaner.
Leben
Gillet wurde 1912 als Sohn des Kunst- und Literaturhistorikers Louis Gillet geboren. Er studierte an der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris bei Emmanuel Pontremoli und Auguste Perret und schloss das Studium 1937 mit einem Diplom ab. Mit René Coulon baute er anschließend den Pavillon für den Glashersteller Saint-Gobain bei der Weltfachausstellung 1937 in Paris.
1939 wurde er eingezogen und geriet während des Zweiten Weltkriegs schon 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er wurde im Offizierslager VI-A in Soest inhaftiert. Dort malte er mit Kollegen die Französische Kapelle aus. Nach der Rückkehr im Jahr 1945 kehrte Gillet nach Paris zurück und machte sich selbständig. Auf Betreiben seines früheren Lehrers Pontremoli nahm er 1946 am Prix de Rome teil und gewann. Bis 1950 hielt er sich dann mit diesem Stipendium in Rom auf.
Nach seiner Rückkehr nach Frankreich wurde er mit dem Wiederaufbau von Sisteron beauftragt. Bei der Weltausstellung 1958 in Brüssel durfte Gillet gemeinsam mit dem Ingenieur Bernard Laffaille den französischen Pavillon und den der Stadt Paris gestalten. 1959 wurde er beratender Architekt für das französische Justizministerium, für das er zwischen 1959 und 1975 mehrere Justizvollzugsanstalten baute und 1979 die École nationale de la magistrature in Bordeaux. Außerdem beriet er die Baubehörden der Départements Alpes-de-Haute-Provence, Bouches-du-Rhône und Hautes-Alpes. Als leitender Architekt der öffentlichen Gebäude und Paläste Frankreichs war er damit beauftragt, einige französische Gebäude in Rom umzubauen, darunter der Palazzo Farnese, die Villa Medici und die Villa Bonaparte. Außerdem beriet er als Architekt die Städte Paris (8. Arrondissement), Cannes, das Fürstentum Monaco und Antibes.
Zwischen 1953 und 1971 lehrte Gillet an der École nationale supérieure des Beaux-Arts Architektur. 1957 wurde er Mitglied der Académie royale d’architecture, deren Präsident er von 1970 bis 1973 war. Außerdem war er 1983 Präsident der Académie des Beaux-Arts, wo er seit 1968 Mitglied war.
Gillet wurde in der von ihm entworfenen Kirche Notre-Dame de Royan bestattet.
Auszeichnungen
1959 wurde er zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.
Werke
- 1940: Ausmalung der Französischen Kapelle in Soest im Kriegsgefangenenlager Oflag VI A
- 1955–1957: Wasserbehälter „La Guérinière“, Caen (denkmalgeschützt)
- 1956–1960: Wohnkomplex „Blagis“ mit 1600 Wohnungen, Bagneux (mit André Gomis und Vladimir Bodiansky, 2010 abgerissen)
- 1957: Basikila in Syrakus (nicht ausgeführter Entwurf)
- 1958: Pavillon für Frankreich und Paris, Weltausstellung Brüssel
- 1958 Kirche Notre-Dame de Royan (denkmalgeschützt)
- 1958–1972: Stadtplanung des Viertels Édouard-Anselle, Roubaix
- 1961–1975: Stadtplanung des Viertels Trois-Ponts, Roubaix
- 1962: Kapelle der Einsamkeit, Vieux-Condé (denkmalgeschützt)
- 1963–1967: Haftanstalt, Gradignan
- 1963–1970: Collège Coucy-le-Château
- 1964: St.-Thérèse-Kapelle, Vieux-Condé (denkmalgeschützt)
- 1964–1966: Collège Meaux
- 1966: Haftanstalt, Muret
- 1966: Stadion im Bois de Vincennes (nicht ausgeführter Entwurf)
- 1967: Kirche Saint-Crépin, Soissons
- 1967: Französisches Bildungsministerium (nicht ausgeführter Entwurf)
- 1967–1969: Kirche Saint-Joseph-Travailleur, Avignon
- 1968: Haftanstalt, Fleury-Mérogis
- 1968–1970: FINA-Tankstellen in Lyon, Antibes und Morainvilliers
- 1968–1970: Collège Bagneux
- 1969: Fußgängerbrücke, Le Havre
- 1969–1970: Ausbau der Haftanstalt, Fresnes
- 1970–1972: Collège Montrouge
- 1970–1974: Kongresszentrum Palais des congrès und Hôtel Concorde La Fayette (heute Hôtel Hyatt Regency Paris Étoile), Paris
- 1971 Centre Georges-Pompidou, Paris (nicht ausgeführter Entwurf)
- 1971: Stadtplanung Wohnviertel (ZAC) Folie-Couvrechef, Caen
- 1971–1972: École nationale de la magistrature, Bordeaux
- 1975: Flughafen Lyon Saint-Exupéry
- 1984: Opération Tête Défense (nicht ausgeführter Entwurf)
- 1984: Opéra Bastille, Paris (nicht ausgeführter Entwurf)
Literatur
- Rosemarie Richner: Projet de recherche, note de synthèse. L'Architecture des années 50: histoire d'une œuvre, l'église Notre-Dame de Royan de 1954 à nos jours, architecte G. Gillet. Université Lyon-I; Ecole nationale sup. des bibliothécaires, 1990,
- Geschichtswerkstatt Französische Kapelle: Das Oflag VI A, Gefangen in Westfalen: Die Geschichte der französischen Kriegsgefangenen in Soest. Soest, 2000
- Geschichtswerkstatt Französische Kapelle e.V. Soest: Die Französische Kapelle in Soest: Heimat – Heilige – Hintergründe, Soest 2004
- Guillaume Gillet 1912-1987, Architekt Maler Literat: Die Französische Kapelle in Soest, Kultur in der Kriegsgefangenschaft. Ausstellungskatalog, Wilhelm-Morgner-Haus, Soest, 2000.
- christelle Frapier: Guillaume Gillet (1912–1987): un exemple de collaboration architecte-ingénieurs. Université de Paris, 2001
- Nicolas Nogue, Rose Gillet, Isabelle Debette: Guillaume Gillet: architecte, peintre, écrivain: 1912-1987. Royan: Royan culture, 2002
- Franck Delorme: Guillaume Gillet. 1912-1987. Un architecte des Trente Glorieuses. Colonnes, Nr. 25, Juni, 2009
- Corinne Bélier, Franck Delorme: Guillaume Gillet. Architecte des Trente Glorieuses, Ausstellung, Cité de l'architecture et du patrimoine, 2009
- Franck: Delorme: Guillaume Gillet et le gothique moderne, In: "Le Point riche", Nr. 8, Juni 2010
- Franck Delorme: L'église Notre-Dame de Royan: Guillaume Gillet et le gothique moderne. Le Festin, Bordeaux, 2012
- Franck Delorme: Guillaume Gillet. Editions du Patrimoine, Paris, 2013