Grodziszcze (Świdnica)
Grodziszcze (deutsch Gräditz, bis 1930 Königlich-Gräditz, polnisch historisch Grodec) ist ein Dorf in der Landgemeinde Świdnica (Schweidnitz) im Powiat Świdnicki (Kreis Schweidnitz) in der Woiwodschaft Niederschlesien in Polen.
Grodziszcze Gräditz | |||
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Basisdaten | |||
Staat: | Polen | ||
Woiwodschaft: | Niederschlesien | ||
Powiat: | Świdnica | ||
Gmina: | Świdnica | ||
Geographische Lage: | 50° 48′ N, 16° 33′ O | ||
Einwohner: | 893 | ||
Postleitzahl: | 58-112 | ||
Telefonvorwahl: | (+48) (+48)74 | ||
Kfz-Kennzeichen: | DSW | ||
Wirtschaft und Verkehr | |||
Straße: | Świdnica–Wrocław | ||
Nächster int. Flughafen: | Breslau | ||
Lage
Der Ort liegt 11 km südwestlich der Kreisstadt Świdnica (Schweidnitz) und 50 km südwestlich der Bezirkshauptstadt Breslau.
Geschichte
Grodziszcze gilt als uralte Siedlungsstätte, deren Ursprung bis in die Jungsteinzeit zurückreicht. 1193 wurde der Ort als Grodec in Besitz des Breslauer Sandstiftes erstmals urkundlich erwähnt. Der Ortsname leitet sich vom altslawischen Wort gradu für Kastell ab.[1] Bei Ausgrabungen auf einem Hügel bei Grodziszcze hinter der Peile konnten Überreste eines Rundwalls nachgewiesen werden. Des Weiteren wurden dort Urnenscherben und Knochenreste entdeckt.[2] Das zur Sicherung der Südgrenze des Herzogtums Schlesien errichtete Kastell, war vermutlich identisch mit der in der Papstbulle von 1155 erwähnten Kastellanei Gramolin. Zum Schutz vor Angriffen entstand gegen Ende des 13. Jahrhunderts als Nebensiedlung das Vorwerk Kreisau.
Im Zuge der Ostkolonisation wurde der fortan Gräditz genannte Ort durch deutsche Siedler neu erschlossen. Die Kastellanei wurde durch das deutschrechtliche Weichbild ersetzt. Die militärischen Aufgaben übernahm nachfolgend die Stadt Schweidnitz. Nach der Teilung des Herzogtums Breslau gehörte Gräditz zum Herzogtum Schweidnitz. Mit diesem zusammen fiel es nach dem Tod des Herzogs Bolkos II. erbrechtlich an die Krone Böhmen. 1288 stiftete Herzog Heinrich IV. von Breslau für das Domkapitel Heilig-Kreuz zwei Pfründen. Seitdem führte der Kapital-Anteil den Namen Königlich-Gräditz.
Ober-Gräditz gehörte seit 1470 den Herren von Seidlitz, seit 1607 Melchior von Gellhorn; 1614 Heinrich von Peterswalde; 1620 Friedrich von Kuhl; seit 1720 den Herren von Dresky. Nieder-Gräditz besaß seit 1655 eine Frau von Tschirnhaus; 1694 Adolph von Seidlitz; 1718 der kaiserliche Amtsassessor zu Jauer Johann Friedrich von Lamprecht; 1733 Anna Kunigunda von Dresky, geb. Baronin von Erben; 1742 Ernst Heinrich von Dresky; 1755 Otto Gottfried von Lieres und Wilkau.[3]
Die Pfarrkirche St. Anna in Königlich-Gräditz ist seit 1259 belegt.[4] Während der Reformationszeit wurde sie protestantisch und nach 1653 den Katholiken zurückgegeben. Die mehrheitlich evangelischen Einwohner hielten sich zunächst zur Friedenskirche vor Schweidnitz.[5] 1742 gestattete König Friedrich II. den evangelischen Gemeinden Gräditz, Faulbrück, Kreisau und Wierischau im Fürstentum Schweidnitz, in Ober-Gräditz ein neues Bethaus zu erbauen, mit eigenem evangelischen Prediger und Schulmeister.
Nach dem Ersten schlesischen Krieg fiel Gräditz 1741/42 mit dem größten Teil Schlesiens an Preußen. Die alten Verwaltungsstrukturen wurden aufgelöst und Gräditz in den Landkreis Schweidnitz eingegliedert, mit dem es bis 1945 verbunden blieb. 1785 zählte der Kapital-Anteil Gräditz eine katholische Kirche, eine Pfarrwohnung, ein Schulhaus, 26 Bauern, sechs Gärtner, 68 Häusler und 673 Einwohner. Ober-Gräditz enthielt eine evangelische Kirche, ein Schulhaus, ein Vorwerk, neun Gärtner, zwölf Häusler, eine Wassermühle und 117 Einwohner. Nieder-Gräditz ein Vorwerk, elf Gärtner und 70 Gärtner. Die Kolonie Gräditz besaß 1785 30 Häuserstellen und 72 Einwohner. Im napoleonischen Befreiungskrieg befand sich 1813 in Gräditz das Hauptquartier der preußisch-russischen Koalitionsarmee. Dabei wohnte der preußische König Friedrich Wilhelm III. in der Pastorei, der russische Zar Alexander I. auf dem Schloss und der russische Großfürst Konstantin im katholischen Pfarrhaus. 1874 erhielt die evangelische Kirche von Ober-Gräditz einen Turm aus Backstein.[6] Die Glocke aus französischen Geschützen gegossen, war ein Geschenk Kaiser Wilhelms an den Grafen von Moltke.[7]
1874 lebten in Gräditz 1755 zumeist evangelische Einwohner, unterteilt in Königlich- oder Kapital-Gräditz, Ober-, Kolonie- sowie Unter-Gräditz.[8] Gräditz bildete einen eigenen Amtsbezirk. 1895 zählte Königlich-Gräditz 157 bewohnte Häuser, ein Backhaus, eine Brauerei, zwei Schulhäuser und 1353 Einwohner, davon 763 Protestanten und 590 Katholiken. Am 30. September 1928 wurde Nieder-Gräditz nach Kreisau eingemeindet. 1939 umfasste Gräditz 334 Haushaltungen mit 1.146 Einwohnern.[9] Bis 1945 befand sich in Gräditz ein jüdisches Zwangsarbeitslager. Es bestand seit 1941, wurde Anfang November 1943 geschlossen und von 1944 bis 1945 kurzzeitig wieder in Betrieb genommen.[10] Ein weiteres Lager befand sich in Faulbrück.[11]
Als Folge des Zweiten Weltkriegs fiel Gräditz mit dem größten Teil Schlesiens 1945 an Polen. Nachfolgend wurde es durch die polnische Administration in Grodziszcze umbenannt. Die deutschen Einwohner wurden, soweit sie nicht schon vorher geflohen waren, vertrieben. Die neu angesiedelten Bewohner stammten teilweise aus Ostpolen, das an die Sowjetunion gefallen war. Nach 1945 wurde die evangelische Kirche abgerissen, nur ein Nebengebäude und Relikte der Grenzmauer blieben erhalten. Der ehemalige evangelische Friedhof außerhalb des Dorfes dient heute als Pfarrfriedhof.[12] Von 1975 bis 1998 gehörte Grodziszcze zur Woiwodschaft Wałbrzych.
Sehenswürdigkeiten
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Johann G. Knie: Alphabetisch-statistisch-topograph. Übersicht der Dörfer, Flecken, ... der königl. Preußischen Provinz Schlesien (etc.) 2., verm. Aufl. Graß, 1845 (google.de [abgerufen am 3. Dezember 2020]).
- Beiträge zur Siedlungskunde im ehemaligen Fürstentum Schweidnitz. E. Wohlfarth, 1907 (google.de [abgerufen am 27. November 2020]).
- Friedrich Albert Zimmermann: Beiträge zur Beschreibung von Schlesien: Fünfter Band. bey Johann Ernst Tramp, 1785 (google.de [abgerufen am 27. November 2020]).
- Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands. Böhlau Verlag, 1966 (google.de [abgerufen am 27. November 2020]).
- J. Berg: Die Geschichte der schwersten Prüfungszeit der evangelischen Kirche Schlesiens und der Oberlausitz d.i. der Zeit von Einführung der Reformation bis zur Besitznahme Schlesiens durch König Friedrich den Großen: ein Beitr. zur Erklärung der gegenwärtigen äussern Zustände derselben u. zur Darlegung ihrer Rechte u. Ansprüche ... Selbstverl. d. Verf, 1857 (google.de [abgerufen am 27. November 2020]).
- Verein für Schlesische Kirchengeschichte: Jahrbuch für schlesische Kirchengeschichte. Verlag "Unser Weg.", 1983 (google.de [abgerufen am 27. November 2020]).
- Der Kreis Schweidnitz : nach seinen physikalischen, statistischen und topographischen Verhältnissen : ein Beitrag zur Förderung der Heimatskunde für Schule und Haus - Silesian Digital Library. Abgerufen am 27. November 2020.
- Regierungsbezirk Breslau: Amts-Blatt der Regierung in Breslau: 1874. Amtsblattstelle, 1874 (google.de [abgerufen am 27. November 2020]).
- Gräditz (Kreis Schweidnitz) – GenWiki. Abgerufen am 27. November 2020.
- Gräditz (Grodziszcze) (Männerlager). Abgerufen am 27. November 2020.
- Georg Tessin: Verbände und Truppen der Deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939 - 1945: Verzeichnis der Friedensgarnisonen 1932 - 1939 und Stationierungen im Kriege 1939 - 1945 / bearb. von Christian Zweng. Wehrkreise XVII, XVIII, XX, XXI und besetzte Gebiete Ost und Südost. Bd. 16. Teil 3. Biblio-Verlag, 1997, ISBN 978-3-7648-0941-6 (google.de [abgerufen am 27. November 2020]).
- Oficjalna strona Urzędu Gminy w Świdnicy - Grodziszcze - historia wsi. Abgerufen am 27. November 2020 (polnisch).
- Hans Lutsch: Die Kunstdenkmäler des Reg.-Bezirks Breslau. W. G. Korn, 1887 (google.de [abgerufen am 27. November 2020]).
- Verein für Schlesische Kirchengeschichte: Jahrbuch für schlesische Kirchengeschichte. Verlag "Unser Weg.", 1983 (google.de [abgerufen am 27. November 2020]).