Glas-Recycling
Als Glas-Recycling wird das Sammeln und stoffliche Wiederverwerten von gebrauchtem Glas bezeichnet, wobei das Altglas in der Glasschmelzwanne eingeschmolzen wird. Die Wiederbefüllung von Gläsern ist demgegenüber ein direkteres Verfahren der Wiederverwendung.
Glasherstellung
Glas wird hauptsächlich aus Quarzsand (Siliciumdioxid) hergestellt. Quarzsand macht 12 % der Erdkruste aus. Weitere Bestandteile von Glas sind Kalk, Asche, Dolomit und Soda. Glas kommt bei einer Vielzahl unterschiedlicher Produkte zum Einsatz: Verpackungen, Geschirr, Fenster, Bauglas, Spiegel, optische Geräte, Geräte für chemisch-technischen Anwendungsbereich und viele andere mehr.
Glasrecycling gilt als die Urform moderner Kreislaufwirtschaft. Die Herstellung von Glas aus alten Scherben spart Rohstoffe und vor allem Energie – das Aufschmelzen des Ausgangsstoff-Gemisches erfordert weniger Zeit und geringere Temperaturen.
Dank Glasrecycling und dem Einsatz moderner Technologien sank der Energieeinsatz bei der Glasherstellung seit 1970 um 77 %.[1] Es gibt Hinweise dafür, dass bereits im antiken Rom Glas recycelt wurde. Vor der südtürkischen Küste entdeckten Forscher ein rund 1000 Jahre altes Schiff mit Altglas als Ladung.
In Österreich beispielsweise wird seit Mitte der 1970er Jahre systematisch aus privaten Haushalten sowie Gewerbe- und Industriebetrieben Altglas (gebrauchte Glasverpackungen) gesammelt. Über 80 % der Glasverpackungen, die in Österreich auf den Markt kommen, werden gesammelt und wiederverwertet.
Übersicht über die Recyclingquoten in anderen Staaten bietet FEVE.[2]
Altglas-Aufbereitung
Die Einsammlung von Altglas erfolgt im Allgemeinen durch Einwurf in öffentliche Glascontainer, wobei nach Farben getrennt wird. In Deutschland wird hierbei zwischen Weiß-, Grün- und Braunglas unterschieden. Sonderfärbungen wie etwa Blau- oder Rotglas werden mit dem Grünglas erfasst.[3] In Österreich werden bei der Sammlung lediglich ungefärbte Glasverpackungen (Weißglas) und gefärbte Glasverpackungen (Buntglas) unterschieden. Die Farbtrennung ist wichtig für den Recyclingprozess, denn eine grüne Sektflasche beispielsweise führt zu ungewollten Farbstichen im Schmelzprozess für farbloses Glas. Umgekehrt führt die Zugabe von farblosem Glas bei einer Schmelze für buntes Glas zu Glasfehlern und auch unerwünschten Farbänderungen des fertigen Produktes.[4] Buntglas wird für Produkte eingesetzt, für die Lichtschutz erforderlich ist (z. B. Milch, Medikamente und Bier). Mittlerweile ist es möglich, auch farblich gemischte Scherben mit Hilfe elektro-optischer Sortiermaschinen zu trennen; durch eine vorherige getrennte Erfassung der verschiedenfarbigen Glassorten wird allerdings auch hier das Sortierergebnis verbessert.
In Österreich werden jährlich mehr als 200.000 t gebrauchte Glasverpackungen gesammelt, das sind rund 700 Millionen Stück.[5]
In Deutschland werden jährlich rund 2 Millionen t Recyclingglas gesammelt.[6] Die Recyclingquote beträgt 87 %[7] und in der Schweiz 94 %.[8]
Die gesammelten Glasverpackungen sind Rohstoff für die Produktion neuer Glasverpackungen. Ihr Anteil kann 60–90 % am Rohstoffgemenge im Glaswerk sein (bei Grünglas etwa 90 %, bei Weißglas etwa 60 %). In Österreich wird Glas in den Glaswerken der Vetropack Austria GmbH in Pöchlarn/NÖ und Kremsmünster/OÖ sowie der Stölzle Oberglas GmbH in Köflach/STMK recycelt.
Die gebrauchten Glasverpackungen werden eingeschmolzen und zu neuen geformt (bottle-to-bottle-Recycling ohne Qualitätsverlust). Vor der Schmelze wird der Glasabfall händisch sowie maschinell von falschen Glasarten, Glasstücken der falschen Farbe und Fremdstoffen befreit. Im Recyclingprozess können zwischen 3 und 7 Prozent des Altglases wegen Verunreinigungen nicht wieder aufbereitet werden. Dieses Material wird zum Beispiel zu Blähglasgranulat verarbeitet.[9] Dieser Leichtfüllstoff wird in Produkten der Trockenmörtel- und bauchemischen Industrie, in Akustikplatten, in massiven Wandbaustoffen sowie in der Altbausanierung verwendet.
Prozess der Aufbereitung von Altglas für die Produktion von neuen Glasverpackungen
- Abtrennung von Eisenteilen mit Magnetscheider
- Erfassung größerer Fremdstoffe per Hand
- Zerkleinerung auf 15 mm im Brecher
- Sieben auf Lochsiebrinne, dabei werden Fremdstoffe, die leichter als Glas sind, abgetrennt.
- Entfernung lichtundurchlässiger Materialien (z. B. Keramik, Aluminium, Kunststoffverschlüsse) mittels optischer Verfahren
- Nachsortierung per Hand
- Erfassung restlicher eisenhaltiger Stoffe mittels Magnetscheider
- Farbtrennung
- abschließende Kontrolle
- Einschmelzung – Neugießung
- Aufbereitetes Weißglas
- Aufbereitetes Grünglas
- Aufbereitetes Braunglas
- Aufbereitetes Buntglas
Probleme beim Glasrecycling durch Verunreinigungen
Glasprodukte, die nicht in Altglas-Sammelbehälter gehören (sogenannte Fehlwürfe, zum Beispiel Laborgläser, Glas von Backofentüren, Mikrowellenherden, Glaskannen von Kaffeemaschinen oder hitzebeständiges Glas, das oftmals in den Deckeln von Kochgeschirr verarbeitet ist), können manchmal weder vom menschlichen Auge noch von optischen Geräten erkannt werden. Sie gelangen in die Schmelze und können Maschinenschäden anrichten und Produktionsstillstände verursachen. Auch Glasarten mit Zusatzstoffen, wie etwa Bleiglas (bleioxidhaltiges Glas, sogenanntes „Bleikristall“), und normale Trinkgläser sind in der Altglassammlung unerwünscht, da sie die Glaszusammensetzung langfristig verändern, da sie meist chemische Zusätze zur Verbesserung der optischen Eigenschaften enthalten, die für Verpackungsglas jedoch unerwünscht sind.[10] Ebenfalls sehr problematisch sind Stücke von Spiegelglas.
Probleme bereiten weiter Keramik, Steine, Porzellan, die, obwohl zu kleinen Stücken gebrochen, wegen des höheren Schmelzpunktes nicht aufgeschmolzen werden. Sie verursachen dann Glasfehler durch lokale Spannungsüberhohung im Glasartikel und führen zum Bruch der neuen Glasverpackungen schon bei der Fertigung oder beim Befüllen.
Bewertung
Vorteile von Glasrecycling
Für 1 m³ Primärrohstoff müssen 7 m³ Gestein abgebaut werden. Der Einsatz von gebrauchten Glasverpackungen reduziert den Bedarf an Primärrohstoffen und schont den Naturraum. Gebrauchte Glasverpackungen brauchen zum Schmelzen niedrigere Temperaturen und daher weniger Energie als das Gemenge an Primärrohstoffen (Quarzsand, Kalk, Dolomit und Soda). Dies hat auch eine Reduktion der CO2-Emissionen zur Folge.[11]
- Glasrecycling ist ökologisch vorteilhafter als die Neuproduktion, da der Schmelzpunkt von reinem Quarz bei 1700 °C liegt und das Schmelzen (Läutern) aus frischen Rohstoffen daher sehr energieaufwändig ist.
- Das Einschmelzen von sortenreinem Altglas ist in jedem Fall sinnvoll, da der Altstoff zu 100 % in das Produkt eingeht. Zum Erschmelzen von Glas aus Rohstoffen würde bis zu 25 % mehr Energie benötigt.
- Recycling-Code-70 (GL) für farbloses Glas
- Recycling-Code-71 (GL) für grünes Glas
- Recycling-Code-72 (GL) für braunes Glas
Wiederverwenden oder Einschmelzen?
Meistens ist die Energiebilanz von Mehrwegflaschen um einiges besser als beim Einschmelzen (Recycling).[12] Welche Option energetisch und ökologisch sinnvoller ist, hängt von vielen Faktoren ab:
- Länge des Transportweges (wobei Altglas zunächst günstiger zu transportieren ist)
- Aufwand der Aufbereitung (etwa Sortieren/Reinigung/Spülen gegenüber Einschmelzen und Neuformung)
- Wiederbefüllung ist nur bei standardisierten Formen möglich
- (Kosten für) Energieträger, etwa Erdgas, Wasser und Strom
Nationales
- Deutschland: Grüner Punkt
- Österreich: Austria Glas Recycling
- Schweiz: VetroSwiss
Verschiedenes
Der niederländische Unternehmer und Bierbrauer Alfred Heineken entwickelte die „WOBO“ („world bottle“, deutsch: „Weltflasche“), eine Bierflasche mit annähernd rechteckigem Querschnitt, die nach Gebrauch mit Mörtel gefüllt als Baustoff dienen sollte. Die Idee kam ihm, als er 1960 die Karibikinsel Curaçao besuchte und den Strand übersät mit leeren Bierflaschen fand, da das Zurücksenden zu den Brauereien für die Inselbewohner zu teuer gekommen wäre. Heineken wollte damit die Bierflaschen recyceln und zugleich ein günstiges Baumaterial für die verarmten Unterschichten der Insel schaffen. Die Idee kam über das Konzeptstadium und die Herstellung einiger Musterflaschen nicht hinaus.[13]
Film
- Wie aus Scherben Flaschen werden. Dokumentarfilm, Deutschland, 2017, 28:30 Min., Buch und Regie: Stefan Radüg und Jennifer Kopka, Produktion: Kamera Zwei, NDR, Reihe: Wie geht das?, Erstsendung: 24. Mai 2017 bei NDR, Inhaltsangabe von NDR, Online-Video von NDR.
Weblinks
Einzelnachweise
- Deutsche Umwelthilfe, Informationsblatt 9730-050.
- Latest Glass Packaging Recycling Rate Steady at 76%. Abgerufen am 22. März 2021.
- Richtig Glasrecyceln. www.was-passt-ins-altglas.de, abgerufen am 21. Januar 2021.
- Hans Jebsen-Marwedel: Glastechnische Fabrikationsfehler. 4. Auflage, S. 214, 232 f.
- Nachhaltigkeitsbericht mit Umwelterklärung 2007 der Austria Glas Recycling GmbH.
- Warum Glas recyceln? Initiative der Glasrecycler im Aktionsforum Glasverpackung im Bundesverband Glasindustrie e. V., abgerufen am 6. Januar 2012.
- Recycling-Zahlen :: Aktionsforum Glasverpackung. 26. Februar 2015, abgerufen am 22. März 2021.
- Stephan Dietrich: Die Recycling-Lüge. In: Infosperber.ch. 28. Oktober 2019, abgerufen am 18. November 2019.
- Was ist Blähglas und wofür wird es verwendet? 4. August 2016, abgerufen am 22. März 2021.
- Webseite der Stadt Gallen zum Glasrecycling (online), abgerufen am 14. April 2013.
- Umwelterklärung 2006 der Austria Glas Recycling GmbH (PDF; 1,7 MB) (Memento vom 31. März 2010 im Internet Archive)
- Stephan Dietrich: Altglas: Glas-Recycling hat schlechte Ökobilanz. In: beobachter.ch. 12. Juli 2019, abgerufen am 3. August 2019.
- Paul Petrunia: The Heineken WOBO (World Bottle). In: archinect.com, 26. September 2007 (englisch).