Götzenit
Götzenit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung NaCa6Ti(Si2O7)2OF3[1] und ist damit ein Natrium-Calcium-Titan-Silikat mit zusätzlichen Sauerstoff und Fluorionen. Strukturell gehört das Mineral zu den Gruppensilikaten (Sorosilikate).
Götzenit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Chemische Formel | NaCa6Ti(Si2O7)2OF3[1] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Silikate und Germanate – Gruppensilikate (Sorosilikate) |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
9.BE.22 (8. Auflage: VIII/C.12) 56.02.05.04 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | triklin |
Kristallklasse; Symbol | triklin-pinakoidal; 1 |
Raumgruppe | P1 (Nr. 2)[2] |
Gitterparameter | a = 9,67 Å; b = 5,73 Å; c = 7,33 Å α = 90,0°; β = 101,0°; γ = 101,3°[2] |
Formeleinheiten | Z = 1[2] |
Zwillingsbildung | lamellare Zwillinge nach {001}[3] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 5 bis 6[4] |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 3,03 bis 3,14; berechnet: [2,84][3] |
Spaltbarkeit | vollkommen nach {100}, gut nach {001}[3] |
Bruch; Tenazität | spröde |
Farbe | farblos, weiß, honiggelb |
Strichfarbe | weiß |
Transparenz | durchsichtig |
Glanz | Fettglanz |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nα = 1,651 bis 1,662[5] nβ = 1,653 bis 1,665[5] nγ = 1,659 bis 1,672[5] |
Doppelbrechung | δ = 0,008 bis 0,010[5] |
Optischer Charakter | zweiachsig positiv |
Achsenwinkel | 2V = gemessen: 38 bis 74°; berechnet: 62 bis 68°[5] |
Da bei natürlichen Götzeniten ein Teil des Calciums durch Natrium und ein Teil des Fluors durch Hydroxidionen diadoch ersetzt sein kann und um die Anordnung der chemischen Bestandteile zueinander besser darstellen zu können, wird die Zusammensetzung auch mit der Kristallchemische Strukturformel Ca4(Ca,Na)2NaTi[(F,OH)4|(Si2O7)2][2] oder Na(Na,Ca)4Ca2Ti[(O,F)2|(Si2O7)2][4] dargestellt.
Götzenit kristallisiert im triklinen Kristallsystem und entwickelt meist nadelige bis prismatische Kristalle mit fettähnlichem Glanz auf den Oberflächen, kommt aber auch in Form körniger Mineral-Aggregate und lamellarer Kristallzwillinge vor. In reiner Form ist Götzenit farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch weiß erscheinen und durch Fremdbeimengungen eine honiggelbe Farbe annehmen, wobei die Transparenz entsprechend abnimmt.
Etymologie und Geschichte
Erstmals entdeckt wurde Götzenit zusammen mit Combeit 1954 am Mount Saheru, dem Südgipfel des Vulkans Nyiragongo nahe Goma (Provinz Nord-Kivu) in der Demokratischen Republik Kongo und beschrieben 1957 durch Thure Georg Sahama und Kai Hytönen. Sie benannten das Mineral nach dem deutschen Ostafrikaforscher und Gouverneur der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika Gustav Adolf von Götzen, der 1894 als erster Weißer den Nyiragongo und den Mount Saheru bestieg.[6]
Typmaterial des Minerals wird im Natural History Museum in London, England (Katalog-Nr. 1957,702), dem Königlichen Museum für Zentral-Afrika in Tervuren, Belgien (Katalog-Nr. RGM8037) und dem National Museum of Natural History in Washington, D.C., USA (Katalog-Nr. 142981) aufbewahrt.[3]
Klassifikation
Bereits in der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Götzenit zur Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Gruppensilikate (Sorosilikate)“, wo er zusammen mit Hainit, Kochit, Mosandrit, Nacareniobsit-(Ce), Rinkit und Rosenbuschit die „Mosandrit-Rosenbuschit-Reihe“ mit der System-Nr. VIII/C.12 bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Götzenit ebenfalls in die Abteilung der „Gruppensilikate (Sorosilikate)“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der Struktur der Silikatgruppen, der möglichen Anwesenheit zusätzlicher Anionen und der Koordinationszahl der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Si2O7-Gruppen mit zusätzlichen Anionen; Kationen in oktaedrischer [6] und größerer Koordination“ zu finden ist, wo es nur noch zusammen mit Hainit, Kochit und Rosenbuschit die „Rosenbuschitgruppe“ mit der System-Nr. 9.BE.22 bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Götzenit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Gruppensilikate: Si2O7-Gruppen und O, OH, F und H2O“ ein. Hier ist er zusammen mit Dovyrenit, Fersmanit, Mosandrit, Nacareniobsit-(Ce), Rinkit und Roumait in der „Mosandrit und verwandte Arten“ mit der System-Nr. 56.02.05 innerhalb der Unterabteilung „Gruppensilikate: Si2O7-Gruppen und O, OH, F und H2O mit Kationen in [4] und/oder >[4]-Koordination“ zu finden.
Kristallstruktur
Götzenit kristallisiert triklin in der Raumgruppe P1 (Raumgruppen-Nr. 2) mit den Gitterparametern a = 9,67 Å; b = 5,73 Å; c = 7,33 Å; α = 90,0°; β = 101,0° und γ = 101,3° sowie eine Formeleinheit pro Elementarzelle.[2]
Bildung und Fundorte
Götzenit bildet sich in vulkanischen Gesteinen wie beispielsweise Nephelinit, aber auch metamorph in Hornfels und Marmor. Je nach Fundort können als Begleitminerale unter anderem Aegirin, Apatit, Cancrinit, Combeit, Fersmanit, Fluorit, Pektolith und Titanit auftreten.
Als seltene Mineralbildung konnte Götzenit nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden, wobei bisher (Stand 2014) rund 20 Fundorte bekannt sind.[7] Neben seiner Typlokalität Mount Saheru am Nyiragongo fand man das Mineral in der Republik Kongo nur noch in den sogenannten Bingo-Karbonatiten (Bingu Carbonatite) in der Region Kivu.
In Deutschland wurde Götzenit bisher nur im Steinbruch Fohberg bei Bötzingen in Baden-Württemberg sowie an mehreren Orten um Mendig, Daun, Roth und dem Laacher See in der rheinland-pfälzischen Vulkaneifel gefunden.
Weitere bisher bekannte Fundorte sind unter anderem der Steinbruch Poudrette am Mont Saint-Hilaire und der Mont McGerrigle in der Gemeinde La Haute-Gaspésie in Kanada, Werner Bjerge in der grönländischen Provinz Tunu, der Steinbruch Vispi bei San Venanzo (Umbrien) in Italien, der Ruri-Komplex in der kenianischen Provinz Nyanza, die Steinbrüche von Aris nahe Windhoek in Namibia, Lowosero-Tundra und mehrere Berge (Eweslogtschorr, Koaschwa, Kukiswumtschorr in den Chibinen auf der russischen Halbinsel Kola sowie Norra Kärr in der schwedischen Gemeinde Jönköping).[8]
Siehe auch
Literatur
- Thure Georg Sahama, Kai Hytönen: Götzenite and Combeite, Two New Silicates from the Belgian Congo. In: Mineralogical Magazine. Band 31, Nr. 238, September 1957, S. 503–510 (minersoc.org [PDF; 316 kB]).
- E. Cannillo, F. Mazzi, G. Rossi: Crystal structure of Götzenite. In: Soviet Physics - Crystallography. Band 16, Nr. 6, 1972, S. 1026–1030 (arizona.edu [PDF; 461 kB]).
- Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 694 (Erstausgabe: 1891).
Weblinks
Einzelnachweise
- IMA/CNMNC List of Mineral Names; March 2014 (PDF 1,5 MB; Götzenite S. 68)
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 577.
- Götzenite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org [PDF; 72 kB]).
- Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. 6. vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2014, ISBN 978-3-921656-80-8.
- Mindat - Götzenite
- Th. G. Sahama, Kai Hytönen: Götzenite and Combeite, Two New Silicates from the Belgian Congo. In: Mineralogical Magazine. Band 31, Nr. 238 (September 1957), S. 503–510 (PDF 316,7 kB)
- Mindat - Anzahl der Fundorte für Götzenite
- Fundortliste für Götzenit beim Mineralienatlas und bei Mindat