Fluor-Uvit
Das Mineral Fluor-Uvit ist ein häufiges Ringsilikat aus der Turmalingruppe mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung CaMg3(Al5Mg)(Si6O18)(BO3)3(OH)3F.
Fluor-Uvit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Chemische Formel | CaMg3(Al5Mg)(Si6O18)(BO3)3(OH)3F |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Silikate und Germanate |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
9.CK.05 (8. Auflage: VIII/C.08) 61.03b.01.03 |
Ähnliche Minerale | Dravit, Elbait, Uvit, Magnesio-Lucchesiit, Schörl |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | trigonal |
Kristallklasse; Symbol | 3/m |
Raumgruppe | R3m (Nr. 160)[1][2] |
Gitterparameter | a = 15,949(1) Å; b = 7,188(1) Å[2] |
Formeleinheiten | Z = 3[2] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 7,5[1] |
Dichte (g/cm3) | berechnet: 3,043[3], gemessen: 2,96–3,06[1] |
Spaltbarkeit | nicht beobachtet[3] |
Farbe | ocker, braun bis schwarz, farblos, grün, gelb[1] |
Strichfarbe | hellbraun bis weiß[1] |
Transparenz | transparent bis durchscheinend |
Glanz | Glasglanz[3] |
Radioaktivität | - |
Magnetismus | - |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nω = 1,638[1] nε = 1,619[1] |
Doppelbrechung | δ = 0,019 |
Optischer Charakter | einachsig negativ[1] |
Fluor-Uvit kristallisiert mit trigonaler Symmetrie und bildet meist schwach gefärbte, grünlich-bräunliche Kristalle von wenigen Millimetern bis Zentimetern Größe. Die Kristalle sind je nach Fundort prismatisch, mit deutlicher Streifung auf den Prismenflächen in Längsrichtung, oder isometrisch pyramidal und können sehr flächenreich sein. Anhand äußerer Kennzeichen ist Fluor-Uvit nicht von ähnlich gefärbten, anderen Mineralen der Turmalingruppe zu unterscheiden. Wenn gefärbt zeigt Fluor-Uvit einen Pleochroismus von farblos oder gelblich-braun nach intensiv gelb-braun oder grün. Wie alle Minerale der Turmalingruppe ist Fluor-Uvit pyroelektrisch und piezoelektrisch.[4][1]
Fluor-Uvit ist der typische Turmalin in Skarnen und anderen kontaktmetamorphen, magnesiumreichen Gesteinen und weltweit verbreitet. Bei den meisten als Uvit bezeichneten Turmalinen handelt es sich um Fluor-Uvit. Die Typlokalität sind Flußsedimente in der Provinz Uva (Sri Lanka).[1]
Etymologie und Geschichte
Die ersten Turmaline, die als eigenständiges Mineral erkannt wurden, brachten Anfang des 18. Jahrhunderts holländische Edelsteinhändler von Ceylon nach Europa.[5][6] Chemische Analysen folgten gegen Ende des Jahrhunderts. So bestimmte der Louis-Nicolas Vauquelin, Professor für Chemie und Dokimasie in Paris, 1798 die Zusammensetzung eines grünen Turmalins aus Ceylon und zeigte, dass es sich um calciumreichen Turmalin handelte.[7] Nahezu eisenfreie Calcium-Magnesium-Turmaline aus den bekannten Mineralfundstellen De Kalb, Gouverneur (New York) und Hamburgh (New Jersey) analysierte Robert Baird Riggs vom United States Geological Survey knapp 90 Jahre später. Sie wiesen die höchsten Fluorgehalte all seiner Analysen auf.[8]
Im 19. Jahrhundert wurden neben chemischen Analysen auch zahlreiche Untersuchungen zur Morphologie der Turmaline veröffentlicht. V. von Worobieff fasste im Jahr 1900 viele davon zusammen und ergänzte genaue Beschreibungen der komplexen Kristallform einiger brauner Turmaline aus der Provinz Uva auf Ceylon. Er dokumentierte Flächen von insgesamt rund 100 verschiedenen Formen und an einem Kristall mit besonders komplexer Kristallform allein 56.[4] Die Definition des Minerals Uvit sollte sich aber noch über 100 Jahre hinziehen.
Den Namen Uvit prägte Wilhelm Kunitz 1930 an der Universität Halle-Wittenberg. Er untersuchte die Mischkristallreihen der Turmaline. Für die Beschreibung calciumreicher Dravite führte er das hypothetische Calcium-Analog von Dravit (H8Ca2Mg8Al10Si12B6O22) mit dem Namen Uvit ein. Den Namen wählte er nach der Provinz Uva (Sri Lanka), der ersten bekannten Herkunft von Calcium-Magnesium-Turmalinen.[9]
Die zahlreichen Analysen calciumreicher Turmaline wurden weitere 47 Jahre ignoriert, bis Pete J. Dunn und Mitarbeiter vom Department of Mineral Sciences der Smithsonian Institution in Washington, D.C. erneut eine systematische Untersuchung der Calcium-Magnesium-reichen Turmaline verschiedener Vorkommen vornahmen und Uvit als Mineral mit der Zusammensetzung CaMg3(Al5Mg)B3Si6O27(OH,F)4 von der International Mineralogical Association (IMA) anerkennen ließen. Die vom Kunitz untersuchten Proben waren verloren gegangen und so wählten sie einen neuen, gut untersuchten Uvit-Einkristall aus Sri Lanka als Neotyp.[1]
Anders als die Endgliedzusammensetzung von Kunitz erlaubt die von Dunn für Uvit vorgeschlagene Formel sowohl Hydroxidionen (OH) wie auch Fluor (F) als Anion und der Uvit aus Sri Lanka sowie die von Dunn untersuchten Uvite aus Franklin (New York) waren sehr reich an Fluor.[1] Ende der 1990er Jahre wurde die Nomenklatur der Turmaline überarbeitet und die Besetzung der W-Anionenposition mit F, (OH) und O wurde zu einem der drei Hauptkriterien zur Benennung von Mineralen der Turmalingruppe.[10] Uvit wurde 2010 mit einem neuen Typmaterial aus Brasilien als Name für OH-reiche Ca-Mg-Turmaline gewählt.[11] Für das F-betonte Typmaterial aus Ceylon und Franklin (New Jersey) wurde 2011 der Name Fluor-Uvit eingeführt.[12]
Klassifikation
In der strukturellen Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) gehört Fluor-Uvit zusammen mit Uvit und Feruvit zur Untergruppe 1 der Calcium-Gruppe in der Turmalinobergruppe.[12][13]
Da Fluor-Uvit erst 2011 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet. Einzig im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch an dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz orientiert, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VIII/E.19-88. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Abteilung „Ringsilikate“, wo Fluor-Uvit zusammen mit Adachiit, Bosiit, Chrom-Dravit, Chromo-Aluminopovondrait, Darrellhenryit, Dravit, Elbait, Feruvit, Fluor-Buergerit (ehemals Buergerit), Fluor-Dravit, Fluor-Elbait, Fluor-Liddicoatit (ehemals Liddicoatit), Fluor-Schörl, Fluor-Tsilaisit, Foitit, Lucchesiit, Luinait-(OH), Magnesio-Foitit, Maruyamait, Olenit, Oxy-Chromdravit, Oxy-Dravit, Oxy-Foitit, Oxy-Schörl, Oxy-Vanadiumdravit, Povondrait, Rossmanit, Schörl, Tsilaisit, Uvit, Vanadio-Oxy-Chromdravit und Vanadio-Oxy-Dravit die „Turmalin-Gruppe“ bildet (Stand 2018).[14]
Auch die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[15] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik kennt den Fluor-Uvit nicht. Es wäre hier entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „[Si6O18]12−-Sechser-Einfachringe mit inselartigen, komplexen Anionen“ zu finden, wo es zusammen mit Chrom-Dravit, Dravit, Elbait, Feruvit, Fluor-Buergerit, Liddicoatit, Magnesio-Foitit, Olenit, Povondrait, Rossmanit, Schörl, Uvit und Vanadium-Dravit die „Turmalingruppe“ mit der System-Nr. 9.CK.05 bilden würde.
Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Fluor-Uvit ebenfalls in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Ringsilikate: Sechserringe“ ein. Hier ist er als Uvit zusammen mit Liddicoatit, Hydroxyuvit und Feruvit in der „Liddicoatit-Untergruppe“ mit der System-Nr. 61.03b.01 innerhalb der Unterabteilung „Systematik der Minerale nach Dana/Silikate#61.03b Ringsilikate: Sechserringe mit Boratgruppen (Calciumhaltige Turmalin-Untergruppe)“ zu finden.
Chemismus
Fluor-Uvit ist das F-- Analog von Uvit und hat die idealisierte Zusammensetzung [X]Ca[Y]Mg2+3[Z](Mg2+Al5)([T]Si6O18)(BO3)3[V](OH)3[W]F, wobei [X], [Y], [Z], [T], [V] und [W] die Positionen in der Turmalinstruktur sind.[12]
Fluor-Uvit bildet Mischungsreihen mit Uvit, Fluor-Dravit und Magnesio-Lucchesiit, entsprechend der Austauschreaktionen:
- [X]Ca2+ + [Z]Mg2+ = [X]Na+ + [Z]Al3+ (Fluor-Dravit)[9][1][16]
- [W]F- = [W](OH)- (Uvit)
- 3[Y]Mg2+ + [Z]Mg2+ = [Y](Li+2Al3+) + [Z]Al3+ (Fluor-Liddicoatit)
- [Z]Mg2+ + [W]F- = [Z]Al3+ + [W]O2-(Magnesio-Lucchesiit)[17]
Kristallstruktur
Fluor-Uvit kristallisiert mit trigonaler Symmetrie in der Raumgruppe R3m (Raumgruppen-Nr. 160) mit 3 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Die Gitterparameter eines fast reinen Fluor-Uvit a = 15,949(1) Å, c = 7,188(2) Å.[2]
Die Struktur ist die von Turmalin. Calcium (Ca2+) wird auf der von neu Sauerstoffen umgebenen [X]-Position eingebaut und Silicium (Si4+) besetzt die tetraedrisch von 4 Sauerstoffionen umgebene T-Position. Magnesium (Mg2+) und Aluminium (Al3+) verteilen sich relativ gleichmäßig auf die oktaedrisch koordinierten [Y]- und [Z]-Positionen. Die Anionenpositionen [W] ist mit Fluor belegt.
Eigenschaften
Farbe
Reiner Fluor-Uvit ist farblos, kann aber durch die gleichen Mechanismen wie Dravit verschiedene Farben annehmen.[18][19][20] Eisen (Fe2+)-Titan (Ti4+)-Wechselwirkung verursacht die häufige braune Farbe und in sehr geringer Konzentration eine gelbe Färbung.[21][22] Einbau von Vanadium (V3+) oder Chrom (Cr3+) bewirkt eine intensive grüne Farbe und Fe2+-Fe3+-Wechselwirkungen schließlich färben Turmaline dunkelblau bis schwarz.[23]
Bildung und Fundorte
Uvitische Turmaline sind typisch für Skarne und kontaktmetamorphe ultrabasische Gesteine und weltweit recht verbreitet.[24] Gängige Begleitminerale sind Calcit, Dolomit, Epidot, Tremolit, Apatit, Skapolit und Magnesit.[25]
Typlokalitäten sind die Flußsedimente in der Provinz Uva auf Sri Lanka und die Marmore bei Franklin im Franklin Minenbezirk im Sussex County (New Jersey), USA.
Verwendung
Wie die anderen Minerale der Turmalingruppe wird auch Fluor-Uvit bei entsprechender Qualität in Bezug auf Reinheit, Transparenz und Farbe als Schmuckstein in facettierter Form verwendet.[26][27]
Weblinks
- Fluor-Uvit. In: Mineralienatlas Lexikon. Stefan Schorn u. a., abgerufen am 21. Juli 2021.
- Fluor-Uvite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 10. März 2021 (englisch).
- David Barthelmy: Uvite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 21. Juli 2021 (englisch).
- American-Mineralogist-Crystal-Structure-Database – Uvite. In: rruff.geo.arizona.edu. Abgerufen am 21. Juli 2021 (englisch).
Einzelnachweise
- Pete J. Dunn, Daniel Appleman, Joseph A. Nelen, Julie Norberg: Uvite, a new (old) common member of the tourmaline group and it's implications for collectors. In: The Mineralogical Record. Band 8, 1977, S. 100–108 (englisch, rruff.info [PDF; 2,9 MB; abgerufen am 19. Juli 2021]).
- Daniel J. MacDonald and Frank C. Hawthorne: The Crystal Chemistry of Si = Al Substitution in Tourmalin. In: The Canadian Mineralogiste. Band 33, 1995, S. 849–858 (englisch, rruff.info [PDF; 814 kB; abgerufen am 21. August 2021]).
- Fluor-Uvit. In: Mineralienatlas Lexikon. Stefan Schorn u. a., abgerufen am 21. August 2021.
- V. von Worobieff: XVI. Krystallographische Studien über Turmalin von Ceylon und einigen anderen Vorkommen. In: Zeitschrift für Kristallographie - Crystalline Materials. Band 33(1-6), 1900, S. 263–454 (us.archive.org [PDF; 10,2 MB; abgerufen am 2. August 2021]).
- Schmidt, Johann Georg: Curiöse Speculationes bey Schlaf-losen Nächten : Werden in Unterschiedlichen Gesprächen fürgestellet, Und handeln von allerhand curiösen sowohl politischen, theologischen, medicinischen, physicalischen, und dergleichen Dingen; also Daß ein ieder curiöser Liebhaber etwas zu seiner Vergnügung darinnen finden wird. Chemnitz ; Leipzig 1707, S. 269–271 (digitale-sammlungen.de [abgerufen am 5. September 2020]).
- Paul Hermann: Catalogus Musei Indici, Continens varia Exotica, tum Animalia, Tum Vegetabilia, Nativam Figuram servantia, Singula in Liquore Balsamico asservata. Vivie, Lugduni Batavorum 1711, S. 30 (Latein, sachsen.digital).
- L. N. Vauquelin: Analyse de la Tourmaline de Ceylan, ou Tourmaline Verte. In: Journal des Mines. Band 9, 1798, S. 477–479 (französisch, books.google.de [abgerufen am 26. Juli 2021]).
- Robert Baird Riggs: The analysis and composition of tourmaline. In: Bulletin of the United States Geological Survey. Band 55, 1889, S. 19–37 (englisch, books.google.de [abgerufen am 12. Juli 2021]).
- Wilhelm Kunitz: Die Mischungsreihen in der Turmalingruppe und die genetischen Beziehungen zwischen Turmalinen und Glimmern. In: Chemie der Erde. Band 4, 1930, S. 208–251 (rruff-2.geo.arizona.edu [PDF; 2,3 MB; abgerufen am 12. Juli 2021]).
- Frank C. Hawthorne and Darrell J. Henry: Classification of the minerals of the tourmaline group. In: European Journal of Mineralogy. Band 11, 1999, S. 201–215 (englisch, researchgate.net [PDF; 3,6 MB; abgerufen am 12. Oktober 2020]).
- C. M. Clark, F. C. Hawthorne, and J. D. Grice: Uvite, IMA 2000-030a. CNMNC Newsletter, April 2010, page 377. In: Mineralogical Magazine. Band 74, 2010, S. 375–377 (englisch, rruff.info [PDF; 70 kB; abgerufen am 19. Juli 2021]).
- Darrell J. Henry, Milan Novák (Chairman), Frank C. Hawthorne, Andreas Ertl, Barbara L. Dutrow, Pavel Uher, and Federico Pezzotta: Nomenclature of the tourmaline-supergroup minerals. In: The American Mineralogist. Band 96, 2011, S. 895–913 (englisch, rruff.info [PDF; 617 kB; abgerufen am 13. Dezember 2020]).
- Darrell J. Henry, Barbara L. Dutrow: Tourmaline studies through time: contributions to scientific advancements. In: Journal of Geosciences. Band 63, 2018, S. 77–98 (englisch, jgeosci.org [PDF; 2,2 MB; abgerufen am 12. August 2020]).
- Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
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- Michael R. W. Peters: Mineralgruppe Turmalin (mit Bildbeispielen geschliffener Uvite). In: realgems.org. 30. November 2016, abgerufen am 10. März 2021.