Falk Harnack
Falk Harnack (* 2. März 1913 in Stuttgart; † 3. September 1991 in Berlin) war ein deutscher Regisseur, Drehbuchautor und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.
Familie
Falk Erich Walter Harnack war der jüngste Sohn der Malerin Clara Harnack (1877–1962), geborene Reichau, und des Literaturwissenschaftlers Otto Harnack (1857–1914), ein Neffe des Theologen Adolf von Harnack (1851–1930) und des Professors der Pharmakologie und physiologischen Chemie Erich Harnack (1852–1915), Enkel des Theologen Theodosius Harnack (1817–1889) und der jüngere Bruder des Juristen und Widerstandskämpfers Arvid Harnack (1901–1942) sowie ein Cousin von Ernst von Harnack (1888–1945), der wie sein Bruder ein Opfer des Naziregimes wurde. Seinen Vater, der 1914 Suizid beging, lernte er nicht mehr kennen. Seine Schwester Inge (1904–1974) war von 1922 bis 1930 mit Johannes Ilmari Auerbach und ab 1931 mit dem Violinisten Gustav Havemann, einem Verwandten Robert Havemanns, verheiratet. Seine Schwägerin, Mildred Harnack-Fish, Ehefrau von Arvid, ist die einzige amerikanische Zivilperson, die wegen Widerstands gegen das Naziregime hingerichtet wurde.
Leben
Schon sehr früh kam Falk Harnack durch seinen Bruder Arvid mit dem Humanismus in Verbindung, durch den er auch Kontakt zu Menschen bekam, die später zur Widerstandsgruppe Rote Kapelle gehörten. Diese Bekannten machten einen großen Eindruck auf ihn, so dass die Propaganda der NSDAP an ihm abprallte. Nach dem Schulbesuch in Weimar, bei dem er auch seine Schulfreundin und spätere Verlobte Lilo Ramdohr in den Kreis seiner im nahen Jena wohnenden Familie einführte, absolvierte er 1932 das Abitur. 1933 nahm er sein Studium auf, zunächst in Berlin, ab April 1934 in München.
Harnack beteiligte sich als Student schon im Mai 1934 an einer Flugblattaktion gegen den NS-Studentenbund an der Universität München. 1936 promovierte er bei Artur Kutscher über den Dramatiker Karl Bleibtreu und ging im Folgejahr an das Nationaltheater Weimar und das Landestheater Altenburg, wo er bis 1940 als Regisseur arbeitete. Danach wurde er zur Wehrmacht eingezogen.
1942, als er sich in Chemnitz befand, nahmen Mitglieder der Münchner Widerstandsgruppe Weiße Rose, vor allem Hans Scholl und Alexander Schmorell, durch die Vermittlung der gemeinsamen Bekannten Lilo Ramdohr, Kontakt zu ihm auf. Über ihn wollten sie Verbindung zu den Berliner Widerstandskreisen um seinen Bruder Arvid und Harro Schulze-Boysen sowie zu Hans von Dohnanyi herstellen.[1] Er hätte zudem derartige Verbindungen über seine entfernteren Verwandten Klaus und Dietrich Bonhoeffer vermitteln können. Doch noch im selben Jahr wurde die Gruppe um Falks Bruder verhaftet, und viele von ihnen wurden hingerichtet, darunter am 22. Dezember 1942 Arvid und am 16. Februar 1943 dessen Ehefrau Mildred, eine gebürtige US-Amerikanerin.
Falk Harnack hatte im Februar 1943 auch Kontakt zu Sophie und Hans Scholl. Nachdem die Geschwister Scholl und weitere Mitglieder der „Weißen Rose“ verhaftet und hingerichtet worden waren, schien ihn das gleiche Schicksal zu ereilen. Doch überraschend wurde er vom Volksgerichtshof München am 19. April 1943 aus Mangel an Beweisen und wegen „einmalig besonderer Verhältnisse“[2] freigesprochen.[3]
Im August 1943 wurde er von seiner bisherigen Wehrmachtseinheit ins Strafbataillon 999 nach Griechenland abkommandiert.[4] Als er im Dezember verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht werden sollte, gelang ihm dank der Hilfe seines Vorgesetzten, Leutnant Gerhard Fauth, die Flucht. Er schloss sich der griechischen Partisanenbewegung ELAS an. Zusammen mit Gerhard Reinhardt gründete er das Antifaschistische Komitee Freies Deutschland und wurde dessen Leiter.
Als er nach Kriegsende nach Deutschland zurückkehrte, erfuhr er, dass mehrere Angehörige seiner Familie, nämlich sein Cousin Ernst von Harnack, die Verwandten Klaus und Dietrich Bonhoeffer sowie der Schwager Hans von Dohnanyi, noch im Frühjahr 1945 von der SS ermordet worden waren. Seine berufliche Tätigkeit als Regisseur und Dramaturg nahm er zuerst am Bayerischen Staatsschauspiel München auf. 1947 ging er an das Deutsche Theater Berlin.
Von 1949 bis 1952 war er künstlerischer Direktor bei der DEFA. In dieser Zeit drehte er dort den Film Das Beil von Wandsbek nach einem Buch von Arnold Zweig. Die Ereignisse, die in diesem Film geschildert werden, sind unter der Bezeichnung „Altonaer Blutsonntag“ in die Geschichte eingegangen. Als es mit der SED zu Auseinandersetzungen über diesen Film kam, verließ er 1952 die DDR und ging nach West-Berlin. Ursprünglich war er auch als Regisseur für den Film Der Untertan vorgesehen, aber dazu kam es nicht mehr.
In den ersten Jahren arbeitete er für die Produktionsfirma CCC-Film und war neben Helmut Käutner und Wolfgang Staudte der wichtigste Regisseur des deutschen Nachkriegsfilms.[5] Ab Ende der 1950er Jahre war er fast nur noch für das Fernsehen tätig. Zu vielen seiner Filme schrieb er auch die Drehbücher. Von 1962 bis 1965 war er leitender Regisseur beim neu gegründeten ZDF. In den folgenden Jahren war er freischaffend tätig. Neben Unterhaltungsfilmen drehte er auch anspruchsvolle Filme, die teilweise die Zeit des Nationalsozialismus und den Kampf dagegen zum Thema hatten. So schuf er 1955 den Kinofilm Der 20. Juli, der sich mit dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler beschäftigte.[6] Dieser Film wurde 1956 mit dem Deutschen Filmpreis in der Kategorie „Filme, die zur Förderung des demokratischen Gedankens beitragen“ ausgezeichnet. Bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin 1961 war er Mitglied der internationalen Jury. 1962 drehte er für das Fernsehen den Film Jeder stirbt für sich allein nach dem gleichnamigen Roman von Hans Fallada, in dem es um den Widerstand kleiner Leute geht, nämlich um das Ehepaar Anna und Otto Quangel (Edith Schultze-Westrum und Alfred Schieske), die am Ende scheitern und hingerichtet werden.
Falk Harnack war mit der Schauspielerin Käthe Braun verheiratet, die auch des Öfteren in seinen Filmen zu sehen war. Er starb im September 1991, nach einer langen schweren Krankheit.
Sein schriftlicher Nachlass befindet sich im Archiv der Akademie der Künste in Berlin.[7]
Auszeichnungen (Auswahl)
- 1940: Goethe-Medaille des Deutschen Nationaltheaters Weimar
- 1952: Ehrennadel der DEFA in Gold
- 1959: Silberne Ehrennadel der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger
- 1977: Ehrenurkunde der VVN-BdA
- 1983: Filmband in Gold in der Kategorie: „Langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film“
- 1989: Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
Filmografie
- 1951: Das Beil von Wandsbek
- 1954: Roman eines Frauenarztes
- 1955: Der 20. Juli
- 1956: Nacht der Entscheidung
- 1956: Anastasia, die letzte Zarentochter
- 1957: Wie ein Sturmwind
- 1958: Unruhige Nacht
- 1959: Arzt ohne Gewissen
- 1959: Der Fall Pinedus (Fernsehfilm)
- 1960: Der Prozess (Fernsehfilm)
- 1961: Die Marquise von Arcis (Fernsehfilm)
- 1962: Jeder stirbt für sich allein (Fernsehfilm)
- 1963: Die Wölfe (Fernsehfilm)
- 1964: Manchmal spielt der Himmel mit (Fernsehfilm)
- 1964: Pamela (Fernsehfilm)
- 1964: Ein Frauenarzt klagt an
- 1965: Und nicht mehr Jessica (Fernsehfilm)
- 1965: Der Gärtner von Toulouse (Fernsehfilm)
- 1966: Weiß gibt auf (Fernsehfilm)
- 1966: Die Ersten und die Letzten (Fernsehfilm)
- 1966: Wer rettet unseren Ackerknecht (Fernsehfilm)
- 1967: Ein Schlaf Gefangener (Fernsehfilm)
- 1967: Kampf um Kautschuk (Fernsehfilm)
- 1968: Die schwarze Sonne (Fernsehfilm)
- 1968: Unwiederbringlich (Fernsehfilm)
- 1970: Ferdinand Graf von Zeppelin – Stunde der Entscheidung (Fernsehfilm)
- 1970: Peenemünde (Zweiteiliger Dokumentarfilm, Fernsehfilm)
- 1971: Das Ding an sich und wie man es dreht (Fernsehfilm)
- 1971: Ein Fall für Herrn Schmidt (Fernsehfilm)
- 1973: Der Astronaut (Fernsehfilm)
- 1973: Der Tote vom Pont Neuf (Fernsehfilm)
- 1974: Der Verfolger (Fernsehfilm)
- 1974: Silverson (Fernsehfilm)
- 1975: Hier ruht George Dillon (Fernsehfilm)
- 1976: Erika (Schauspiel nach Ursula Krechel, Fernsehfilm)
Theater (Regie)
- 1938: Ernst Martin/Michael Gesell: Bengalische Zukunft (Deutsches Nationaltheater Weimar)
- 1952: William Shakespeare: Wie es euch gefällt – (Theater am Schiffbauerdamm Berlin)
- 1955: Klaus Hubalek: Herr Nachtigall (Komödie Berlin)
Hörspiele
- 1946: Bolwieser
- 1972: Androklus und der Löwe (nach George Bernard Shaw) – mit Wilfried Herbst, Hanns Ernst Jäger, Käthe Braun
Literatur
- Armin Ziegler: Dramaturg des Widerstands – Falk Harnack und die Geschichte der „Weißen Rose“. Ein Beitrag zur „Weiße-Rose-“ Forschung. Broschiert, 35 Seiten Text und 21 Seiten Dokumente, Selbstverlag, September 2005.
- Lilo Fürst-Ramdohr: Freundschaften in der Weißen Rose. Verlag Geschichtswerkstatt Neuhausen, München 1995, ISBN 3-931231-00-3.
- Falk Harnack: Die Dramen Carl Bleibtreus. Eine dramaturgische Untersuchung. (Germanische Studienhefte 199), Kraus-Reprint, Nendeln/Liechtenstein 1967.
- Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Band 2, Dölling und Galitz Verlag, München u. Hamburg 2001, ISBN 3-933374-95-2, S. 43.
- Hans Coppi, Jürgen Danyel, Johannes Tuchel: Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Edition Hentrich, Berlin 1994, ISBN 3-89468-110-1, S. 117.
- Günter Jordan: Der Verrat oder der Fall Falk Harnack. In: apropos: Film 2004 – Das Jahrbuch der DEFA-Stiftung. Bertz Verlag. ISBN 3-929470-29-2
- Gottfried Hamacher et al. (Hrsg.): Gegen Hitler. Deutsche in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung „Freies Deutschland“. Kurzbiografien (PDF; 873 kB) Dietz, Berlin 2005, ISBN 3-320-02941-X, S. 76 (Reihe: Manuskripte/Rosa-Luxemburg-Stiftung; Bd. 53).
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 3: F – H. Barry Fitzgerald – Ernst Hofbauer. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 540 f.
- Arthur Wohlgemuth, Danielle Krüger: Falk Harnack – Regisseur. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 19, 1992.
Weblinks
- Literatur von und über Falk Harnack im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Falk Harnack in der Internet Movie Database (englisch)
- Kurzbiografie der Gedenkstätte Deutscher Widerstand
- Filmplakate und Biographie von Falk Harnack, 4. November 2017
- Falk-Harnack-Archiv im Archiv der Akademie der Künste, Berlin
- Biografien von Mitgliedern der Widerstandsgruppe Rote Kapelle (englisch)
Einzelnachweise und Anmerkungen
- Michael Verhoeven: Mitglieder der Weißen Rose. Rede der Weiße-Rose-Gedächtnisvorlesung 2017; ab Minute 47:30 zu Falks Infos zu geplantem Putsch von Kreisen in der Wehrmacht (20. Juli) und einem etwaigen Waffenstillstand an der Ostfront, sofern die Deutschen eigentätig das Hitler-Regime hätten stürzen können. Stream auf lrz.de (Abgerufen am 14. Mai 2021)
- Nachlass Falk Harnack in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin; siehe auch Kurzbiografie der Gedenkstätte Deutscher Widerstand
- ZEIT Geschichte 4/09 - Deutscher Widerstand
- books.google.de
- 23.55 Uhr ZDF. In: Berliner Zeitung, 16. Juli 1996
- filmreporter.de
- Falk-Harnack-Archiv Bestandsübersicht auf den Webseiten der Akademie der Künste in Berlin.