Ernst Melchior
Ernst Melchior (* 26. Juni 1920 in Villach, Kärnten; † 5. August 1978 in Rouen, Frankreich) war ein österreichischer Fußballspieler. Der rechte Flügelstürmer galt als einer der erfolgreichsten und populärsten Spieler der frühen österreichischen Nachkriegszeit. Er war insbesondere für seine Schnelligkeit und Geradlinigkeit als Stürmer bekannt.
Ernst Melchior | ||
Personalia | ||
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Geburtstag | 26. Juni 1920 | |
Geburtsort | Villach, Österreich | |
Sterbedatum | 5. August 1978 | |
Sterbeort | Rouen, Frankreich | |
Position | Stürmer | |
Herren | ||
Jahre | Station | Spiele (Tore)1 |
1940–1946 | Villacher SV | |
1946–1954 | FK Austria Wien | 158 (122) |
1954–1958 | FC Rouen | 158 | (70)
1958–1959 | FC Nantes | 35 | (16)
Nationalmannschaft | ||
Jahre | Auswahl | Spiele (Tore) |
1946–1953 | Österreich | 36 (16) |
Stationen als Trainer | ||
Jahre | Station | |
1963–1964 | Beşiktaş Istanbul | |
1967 | Fortuna Düsseldorf | |
1968–1969 | Club Africain Tunis | |
1969–1972 | Jeunesse Esch | |
1969–1972 | Luxemburg | |
1972–1975 | FC Rouen | |
1 Angegeben sind nur Ligaspiele. |
Das Eindringen in eine Wohnung im Zuge des Novemberpogrome 1938 gegen Juden (als 18-Jähriger) gestand Melchior im Zuge eines Gerichtsverfahrens.[1]
Karriere
In Österreich
Ernst Melchior begann seine Fußballkarriere bei seinem Heimatverein Villacher SV. – Erstmals größere Aufmerksamkeit wurde ihm zuteil, als er bei einem Vergleichsmatch der Verbandsauswahlen von Kärnten und Wien am 9. Juli 1940 in Klagenfurt, welches 3:3 endete, alle Treffer der Gastgeber erzielte. Darunter befand sich ein »Jahrhunderttor«, welches er 5 Sekunden nach Anstoß zur ersten Hälfte erzielte von dem alle Zeitungen berichteten. Schon damals wurde er im Wiener Jargon (wie es eben durchwegs aus deren Sicht die »Provinzler« waren und sind) als der »Gscherte« tituliert, und der Wiener Internationale Willi Schmaus kommentierte: »Kaum kummt der Gscherte vur, schiaßt er schon a Tor«, übersetzt: »Kaum kommt der Gscherte nach vor, schießt er schon ein Tor« (Quelle: Broschüre „Nach_Spielzeit“, herausgegeben von Mitarbeitern des Kärntner Landesarchivs). 1946 wurde der Stürmer überraschend von Eduard Bauer für das Länderspiel am 14. April gegen den „Erzrivalen“ Ungarn aufgestellt. Erstmals seit Franz Fuchsberger, der 1936 vom SV Urfahr einberufen wurde, spielte ein Amateur aus den Landesligen in der österreichischen Fußballnationalmannschaft. Ernst Melchior konnte bei seinem Debüt den Treffer zum 2:2 anlässlich des 3:2-Siegs über die Magyaren beisteuern und erweckte so das Interesse zahlreicher Wiener Profivereine. Dies entwickelte sich zu einem Zweikampf zwischen Rapid und Austria, die beide versuchten, Ernst Melchior für sich zu gewinnen.
Im August 1946 kam er schließlich, gemeinsam mit seinem weniger bekannten jüngeren Bruder Otto (Jahrgang 1922), zu den Veilchen, wo er alsbald ein Fixleiberl hatte. Diese Übertritte stellen faktisch die ersten bekannten Transfers aus dem Bundesland Kärnten zu einem Klub der höchsten österreichischen Spielklasse dar. In insgesamt 158 Meisterschaftsspielen erzielte Ernst Melchior 122 Tore für die Veilchen und konnte drei Mal österreichischer Meister werden. Der ihm erstmals schon 1940 zugewiesene, wenig einfallsreiche Spitzname „G’scherter“ erlebte seine „Wiedergeburt“. Er blieb ihm zeit seines Lebens, aber vielleicht konnte, trotz des eigentlichen negativen Hintergrunds, dieser Ausdruck für ihn schon wieder als positiv angesehen werden. In der Nationalmannschaft schoss der Villacher einige wichtige Tore für das Team, sein bekanntestes in der 26. Spielminute beim 1:0-Sieg in Glasgow über Schottland, als er – im Zusammenspiel mit Theodor Wagner (bekannt als „Turl Wagner“) – mit scharfem Schuss ins linke Eck traf. Es handelte sich dabei an diesem Mittwoch, 13. Dezember 1950, um den ersten Sieg eines kontinentaleuropäischen Teams über die Schotten in ihrem Land; großen Anteil am Erfolg hatte dabei vor allem auch Tormann Walter Zeman. Weiters traf er auch, u. zw. am 28. November 1951, zum 0:1 nach 50 Sekunden in der zweiten Spielhälfte nach Zuspiel von Ernst Ocwirk, beim 2:2 in Wembley gegen England neben seinem Klubkollegen Ernst Stojaspal, der mit einem Handpenalty in der 79. Spielminute den Ausgleich fixierte (Quellen: „Arbeiterzeitung Wien“ vom 14. Dezember 1950 und 29. November 1951, jeweils Seite 8). Sein letztes Ländermatch bestritt der am 29. November 1953 in Lissabon beim 0:0 gegen Portugal.
In Frankreich
Während der Saison 1953/54 ging er nach Frankreich, wo er als Spieler und Trainer tätig war, und verpasste somit die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1954. Er spielte dort für den FC Rouen, der zwischen 1953 und 1958 aber immer nur einen Mittelfeldplatz in der Division 2 (zweite Liga) belegte. Dies änderte sich auch nicht in der Saison 1958/59, als Ernst Melchior aus der Normandie zum FC Nantes in die Bretagne wechselte. Immerhin hat er es in den sechs französischen Jahren auf 193 Punktspieleinsätze gebracht (158 für Rouen, 35 für Nantes), und ohne seine zahlreichen Tore wären seine Klubs mit Sicherheit in größere Nöte geraten: er traf in der Liga 70 Mal für den FC Rouen und 16 mal für den FC Nantes. Im französischen Pokal stand er im März 1954 mit Rouen im Viertelfinale, musste sich aber dem Erstdivisionär Olympique Marseille mit 2:3 beugen.
Trainer
Nach Ende seiner aktiven Karriere schlug Melchior die Trainerlaufbahn ein und betreute unter anderem Beşiktaş Istanbul (1963/64), Fortuna Düsseldorf (Juli bis Dezember 1967), die tunesische Mannschaft Club Africain (7/1968 – 6/1969), weiters Jeunesse Esch (11/1969 – 6/1972) sowie praktisch gleichzeitig das Nationalteam Luxemburgs vom 12. Oktober 1969 bis 26. April 1972. Anschließend war er noch bis Juni 1975 beim FC Rouen tätig. Zwischenzeitlich war er Mitte der 1960er-Jahre auch in seiner Kärntner Heimat bzw. im angrenzenden Osttirol, welches ebenfalls unter die Agenden des Kärntner Fußballverbandes fällt, tätig: Vorerst, ab 5. August 1964, für die WSG Radenthein[2], welche in der zweithöchsten Spielklasse, der Regionalliga Mitte spielte. Er war da, mittlerweile 44-jährig, auch noch als Spieler (zumindest in Aufbaumatches) im Einsatz, aber in der Regionalligameisterschaft wirkte er nur noch als Trainer. Ganz passte dann das Verhältnis in Radenthein nicht (die Erwartungen wurden trotz prominenter Transfers nicht erfüllt), so dass es schon nach einem Jahr zur Trennung kam.[3] Danach wurde er – noch eine Stufe tiefer in der Kärntner Landesliga – ab Sommer 1966 vom SV Rapid Lienz als Trainer verpflichtet.
1978 starb er, gerade 58-jährig, nach langer, schwerer Krankheit in seiner französischen Wahlheimat. Im Jahr 2001 wurde in der Wiener Leopoldstadt (2. Bezirk) die Ernst-Melchior-Gasse nach ihm benannt.
Quellen: Internetseiten „weltfußball“, „Austria Wien Archiv“ und Liste der Trainer von Luxemburg auf „Équipe du Luxembourg de football — Wikipedia“ sowie „WSG Radenthein Homepage“ (ältere Version, nicht mehr abrufbar) und „Rapid Lienz Archiv“ bzw. „Osttiroler Bote, Lienz“.
Erfolge
- 3 × Österreichischer Meister: 1949, 1950, 1953
- 2 × Österreichischer Vizemeister: 1952, 1954
- 2 × Österreichischer Pokalsieger: 1948, 1949
- 1 × Österreichischer Pokalfinalist: 1947
Einzelnachweise
- Die Pogromnacht der Verwüstung 1938 – Bekannter Fußballer unter den Tätern orf.at, 9. November 2016, abgerufen 10. November 2016
- „Melchior bei Radenthein“; POS. Spalte 5, dritte Überschrift. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 7. Juli 1964, S. 12 (Die Internetseite der Arbeiterzeitung wird zurzeit umgestaltet. Die verlinkten Seiten sind daher nicht erreichbar. – Digitalisat).
- „Ernst Melchior ging – Adi Dorfer kam“ in »Neue Zeit Klagenfurt«, Nr. 172 vom 30. Juli 1965, Seite 7