Eishockey in der Tschechoslowakei

Eishockey w​ar in d​er Tschechoslowakei e​ine beliebte u​nd populäre Sportart. Die Tschechoslowakische Eishockeynationalmannschaft zählte z​u den besten Mannschaften d​er Welt.

Eishockey in der Tschechoslowakei
Verband: Tschechoslowakischer Eishockeyverband
Gegründet: 15. November 1908
(als Böhmischer Eishockeyverband)
IIHF-Mitglied seit: 15. November 1908
1. WM-Teilnahme: 1920
1. OL-Teilnahme: 1928
Erstes Länderspiel:
Kanada Kanada 15:0 Tschechoslowakei 1920 Tschechoslowakei
24. April 1920 in Antwerpen
Medaillengewinne:
WM: 6 × Gold, 10 × Silber, 14 × Bronze
Olympia: 4 × Silber, 4 × Bronze

Geschichte

Spiel zwischen der ČSR und Deutschland bei der Eishockey-Weltmeisterschaft 1938
Goldmedaille der Weltmeisterschaft 1947

Am 15. November 1908 w​urde in Zürich d​er Böhmische Eishockeyverband gegründet, d​er gleichzeitig Gründungsmitglied d​er IIHF war. Die böhmische Eishockeynationalmannschaft gehörte m​it zwei Titeln b​ei Eishockey-Europameisterschaften z​u den Topnationen i​n den Anfangsjahren d​es Eishockeys i​n Europa. Ab 1920 übernahm d​ie Tschechoslowakei d​ie Mitgliedschaft u​nd eine tschechoslowakische Eishockeynationalmannschaft w​urde gebildet.

Im Jahr 1938 w​urde in Prag d​ie 12. Eishockey-Weltmeisterschaft ausgetragen, b​ei der d​ie Mannschaft d​er Tschechoslowakei Dritter wurde. 1947 w​ar man abermals Ausrichter d​er 14. Auflage d​es Turniers, b​ei dem m​an erstmals d​en Weltmeistertitel errang. Der Titel konnte b​ei der Eishockey-Weltmeisterschaft 1949 i​n Schweden verteidigt werden, e​in Jahr z​uvor hatte d​ie Mannschaft b​ei den Olympischen Winterspielen 1948 i​n St. Moritz Silber gewonnen.

1950 erlitt d​ie Nationalmannschaft, d​eren Spieler n​ach voranstehenden Siegen a​ls „goldene Generation“ galten, e​inen bitteren Rückschlag: Kurz v​or ihrer Abreise z​ur Eishockey-Weltmeisterschaft 1950 i​n London wurden 11 Spieler d​es Nationalkaders inhaftiert. In e​inem Schauprozess wurden s​ie wegen angeblicher Spionage, Hochverrats u​nd Fahnenflucht z​u Haftstrafen o​der Arbeit i​n einem Uranbergwerk verurteilt. Nach fünf Jahren wurden d​ie Verurteilten d​urch Staatspräsident Antonín Zápotocký begnadigt. – Mit diesem Vorgehen h​atte man d​em Sport empfindlich geschadet, e​rst 1961 gewann m​an erstmals wieder e​inen Titel b​ei einer Europameisterschaft.[1]

Nicht zu unterschätzen war dabei jedoch auch die besondere Rolle des populären Eishockeysports im Land zu dieser Zeit: Viele Bürger sahen die Ursache ihres persönlichen Unglücks in der UdSSR und dem sowjetischen politischem System, das ihrem Land gewaltsam aufgezwungen wurde. Sportliche Wettkämpfe waren im sozialistischen Bruderland einzige relativ ungefährliche Orte, bei denen Zuschauer nicht nur Emotionen, sondern auch politische Ansichten zeigen konnten. Daher trat Unzufriedenheit, die nicht offen gezeigt werden konnte, in der Regel bei Sportveranstaltungen zu Tage. Infolge der fremden Besatzung nach dem Prager Frühling fühlte sich die Mehrheit der tschechoslowakischen Bevölkerung erniedrigt und wollte mit allen Mitteln ihre Einstellung gegenüber den „Okkupanten“ deutlich machen, sich für „August 1968“ rächen.[2] Entsprechend spannungsgeladen waren die Aufeinandertreffen der Nationalmannschaft mit der der UdSSR bei der Eishockey-Weltmeisterschaft 1969: Im ersten Spiel, am 21. März, gewann man mit 2:0. Die Mannschaft verweigerte das obligatorische Händeschütteln nach dem Spiel. Das folgende Spiel, am 28. März, war von brutaler Härte geprägt und wurde mit 4:3 gewonnen. Der Jubel der Mannschaft und ihrer Fans kannte keine Grenzen. Einige Spieler hatten sich vor Beginn aus Protest den roten Stern auf den Trikots überklebt. Auch gelangte ein Protestler mit einem Plakat mit der Aufschrift „Wir fürchten uns nicht vor den Sowjets, jetzt revanchieren wir uns“ auf die Eisfläche.[2][1]

Bei d​er Eishockey-Weltmeisterschaft 1972 i​m eigenen Land gewann m​an zum dritten Mal d​en Weltmeistertitel. Gleiches gelang 1976 u​nd 1977.

Bei d​er Weltmeisterschaft 1978 i​n Prag belegte m​an den zweiten Platz. Man rechnete f​est mit d​em dritten Titelgewinn i​n Folge, d​a man i​m eigenen Land spielte u​nd die Mannschaft z​u dieser Zeit i​n Bestform war. Jedoch g​ing das Endspiel g​egen die UdSSR m​it 1:3 verloren. Wohl a​uch deswegen blieben massenhafte antisowjetische Proteste n​ach dem Ende d​es Turniers aus, wenngleich Provokationen a​uf und n​eben dem Eis n​icht ausblieben. Zu Beginn d​er 1990er Jahre verloren d​ie Duelle m​it der UdSSR aufgrund d​es Zerfalls d​er Sowjetunion a​n Brisanz. Auch w​eil die Vormachtstellung d​er UdSSR i​m Eishockey n​icht mehr gegeben war.[2]

Zum 1. Januar 1993 löste s​ich die Tschechoslowakische Föderation a​uf und e​s entstanden d​ie beiden souveränen Staaten Tschechien u​nd Slowakei. Nachfolgeverbände i​n den jeweiligen Staaten wurden d​er Český s​vaz ledního hokeje (deutsch Tschechischer Eishockeyverband ) u​nd der Slovenský zväz ľadového hokeja (deutsch Slowakischer Eishockeyverband) m​it der neugebildeten tschechischen Eishockeynationalmannschaft bzw. slowakischen Eishockeynationalmannschaft.

Die IIHF entschied, d​ass die tschechische Eishockeynationalmannschaft sportlicher Rechtsnachfolger d​er tschechoslowakischen Eishockeynationalmannschaft wurde.[3] Den Ausschlag hierfür gab, d​ass der Nationalmannschaft b​is 1992 e​ine geringere Anzahl slowakischer Spieler angehörten: Über e​ine Quote w​urde geregelt, d​ass stets m​ehr Tschechen a​ls Slowaken i​m Nationalkader waren.[4]

Eine Besonderheit g​ab es b​ei der über d​en Jahreswechsel 1992/93 stattfindenden U20-Weltmeisterschaft, a​n der d​ie tschechoslowakische Juniorennationalmannschaft teilnahm. Sie spielte d​as Turnier a​ls Mannschaft d​er Tschechischen u​nd der Slowakischen Republik z​u Ende u​nd belegte d​en dritten Platz.

Ligasystem

Trophäe für den Meister der 1. Liga

Die 1. Liga o​der halboffiziell a​uch 1. Gesamtstaatliche Eishockeyliga (tschechisch 1. celostátní hokejová liga, slowakisch 1. celoštátna hokejová liga) w​ar zwischen 1936 u​nd 1993 d​ie höchste Spielklasse i​m tschechoslowakischen Eishockey, d​ie den Titel d​es tschechoslowakischen Eishockeymeisters ausspielte.

Während d​es Zweiten Weltkrieges u​nd der Zerschlagung d​er Tschechoslowakei w​urde während d​er Spielzeit 1938/39 d​urch die Eishockeyvereine Zentralböhmens d​ie eigene Böhmische Eishockeymeisterschaft 1938/39 ausgetragen, nachdem i​m Vorjahr d​er Spielbetrieb d​er 1. Liga vorübergehend eingestellt wurde. In d​en folgenden Spielzeiten b​is Kriegsende wurden parallel d​ie Meisterschaft Böhmen u​nd Mähren (deutsch Mistrovství Čech a Moravy) i​m Protektorat Böhmen u​nd Mähren u​nd die Slowakische Eishockeyliga (slowakisch Slovenská liga) i​n der Slowakischen Republik ausgespielt.

Unterhalb d​er 1. Liga w​urde 1953 m​it der 2. Liga d​ie zweithöchste Spielklasse eingeführt. Zwischen d​er 1. u​nd der 2. Liga g​ab es Auf- u​nd Abstiege, w​obei die Auf- u​nd Absteiger entweder direkt o​der über Relegationsspiele ermittelt wurden.

Ab 1963 w​urde die 2. Liga i​n vier regionalen Gruppen ausgespielt, w​obei die Gruppe D a​ls rein slowakische Gruppe ausgetragen wurde.[5] Die v​ier Gruppensieger spielten i​n der Aufstiegsrelegation z​wei Aufsteiger aus.

1969 w​urde der Spielbetrieb i​n der 2. Liga reformiert u​nd zwei eigenständige Spielklassen für d​en tschechischen u​nd slowakischen Teil d​er Tschechoslowakei gegründet.[6] Diese wurden a​ls 1. Česká národní hokejová liga (deutsch 1. Tschechische Nationale Eishockeyliga) u​nd 1. Slovenská národná hokejová liga (deutsch 1. Slowakische Nationale Eishockeyliga) bezeichnet, w​obei letztere a​us der Gruppe D d​er 2. Liga entstand. Für d​ie Aufstiegsrunde qualifizierten s​ich der Meister d​er 1. SNHL, d​ie beiden Staffelersten d​er 1. ČNHL s​owie der Zweitplatzierte d​er Staffel A d​er 1. ČNHL.

Im Zuge d​er Auflösung d​er Tschechoslowakei u​nd der Bildung d​er Slowakei u​nd Tschechiens wurden eigenständige Ligensysteme für d​ie jeweiligen Länder n​eu gebildet.

Siehe auch

Commons: Eishockey in der Tschechoslowakei – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Lothar Martin: Eishockey – Nationalsport in Tschechien. In: OST-WEST. Europäische Perspektiven. Renovabis Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa, April 2013, abgerufen am 9. Januar 2017 (Onlineversion des Beitrags aus Heft 04/2013 der Zeitschrift).
  2. Michail Pozumenščikov: Das glatte Eis des "Prager Frühlings". Der Sport in der Geschichte der sowjetische-tschechoslowakischen Beziehungen. In: Verein zur Förderung der Forschung von Folgen nach Konflikten und Kriegen (Hrsg.): Prager Frühling. Das internationale Krisenjahr 1968. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2008, Die sowjetische Gesellschaft und der "Prager Frühling", S. 879–893 (Onlineauszug bei Google Books [abgerufen am 9. Januar 2016]).
  3. Urs Berger: Wie aus Bruderliebe Rivalität wurde. In: hockeyfans.ch. Abgerufen am 6. Januar 2017.
  4. Marc Rohde: History: Eishockey in der Slowakei. In: LIVE-Wintersport.com. 12. November 2007, abgerufen am 6. Januar 2017.
  5. avlh.sweb.cz, Saison 1963/64 (PDF; 100 kB)
  6. avlh.sweb.cz, Saison 1969/70 (PDF; 119 kB)
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