Dorf-Güll
Dorf-Güll ist ein Ortsteil der Stadt Pohlheim im mittelhessischen Landkreis Gießen.
Dorf-Güll Stadt Pohlheim | |
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Höhe: | 185 (184–199) m ü. NHN |
Fläche: | 7,64 km²[1] |
Einwohner: | 1317 (31. Dez. 2018)[2] |
Bevölkerungsdichte: | 172 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 31. Dezember 1970 |
Postleitzahl: | 35415 |
Vorwahl: | 06404 |
Geografische Lage
Dorf-Güll liegt am Obergermanischen Limes am Rande der Wetterau in Mittelhessen. Im Ort treffen sich die Landesstraßen 3131 und 3135. Im Westen verläuft die Bundesautobahn 5.
Geschichte
Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Dorf am 3. Mai 799 im Lorscher Codex.[3] 1210 wird eine Kapelle im Dorf erwähnt. Die heutige Evangelisch-reformierte Kirche wurde im Jahr 1737 gebaut. 1904 kam eine eigene Schule dazu. Im Jahre 1939 gehörte der Ort zum Landkreis Gießen und hatte 433 Einwohner.
Die Gemeinde Pohlheim wurde am 31. Dezember 1970 im Zuge der Gebietsreform in Hessen durch freiwilligen Zusammenschluss der Gemeinden Dorf-Güll, Garbenteich, Grüningen, Hausen, Holzheim und Watzenborn-Steinberg gegründet.[4][5] Für Dorf-Güll wurde, wie für die übrigen ehemaligen Gemeinden von Pohlheim, ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung gebildet.[6]
Historische Namensformen
In erhaltenen Urkunden wurde Dorf-Güll unter den folgenden Namen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[1]
- in duabus villis Gullen et Bercheim (um 750/802), deutsch: in den beiden Dörfern Gullen und Bercheim [2. Hälfte XII Jh., Codex Eberhardi 1 II S. 205 = Urkundenbuch des Klosters Fulda 1, Nr. 361]
- in Gullen Gullenere marca (799), in der Gullener Mark [2. Hälfte XII Jh., Codex Laureshamensis III, Nr. 2968=3763c]
- in Gullinen (in Gulliner marca) (804) [2. Hälfte XII Jh., Codex Laureshamensis III, Nr. 2963=3764d]
- Gulle (1151) [Mainzer Urkundenbuch 2,1, Nr. 159]
- Gulle (1152) [MGH Diplomata Könige 10, Friedrich I. : Appelt T. 1, Nr: 38]
- in Oberngulle (1210) [Urkundenbuch des Klosters Arnsburg 3, Nr. 5]
- de Gulle (1330), deutsch: von Gullen [Wyss, Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei 2 540]
- Güll, Dorf-
Territorialgeschichte und Verwaltung
Die folgende Liste zeigt im Überblick die Territorien, in denen Dorf-Güll lag, bzw. die Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[1][7][8]
- vor 1803: Heiliges Römisches Reich, Kurfürstentum Mainz, Unteres Erzstift, Oberamt Höchst und Königstein, Amt und Kellerei Vilbel und Rockenberg, Gebiet der Abtei Arnsburg
- ab 1803: Heiliges Römisches Reich, Fürstentum Solms-Braunfels (durch Reichsdeputationshauptschluss), Amt Hungen
- ab 1806: Rheinbund, Großherzogtum Hessen (durch Rheinbundakte), Oberfürstentum Hessen, Amt Hungen (des Fürstentums Solms-Braunfels)[9]
- ab 1815: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Amt Hungen (des Fürsten Solms-Braunfels)[10]
- ab 1820: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Amt Hungen (Patrimonialgericht: Standesherrliches Amt Wölfersheim des Fürsten Solms-Braunfels)
- ab 1822: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landratsbezirk Hungen (Trennung zwischen Justiz (Landgericht Hungen; 1822 gingen die Rechte des „standesherrlichen Amts Wölfersheim“ an das Landgericht über, wo sie im Namen der Standesherren ausgeübt wurden) und Verwaltung)[11]
- ab 1841: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Hungen
- ab 1848: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Regierungsbezirk Friedberg
- ab 1852: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landkreis Gießen
- ab 1867: Norddeutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landkreis Gießen
- ab 1871: Deutsches Reich, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landkreis Gießen
- ab 1918: Deutsches Reich, Volksstaat Hessen, Provinz Oberhessen, Landkreis Gießen
- ab 1945: Amerikanische Besatzungszone, Groß-Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Gießen
- ab 1949: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen (seit 1946), Regierungsbezirk Darmstadt, Kreis Gießen
- am 31. Dezember 1970 Eingliederung von Dorf-Güll als Stadtteil in die Stadt Pohlheim.
- ab 1977: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen Regierungsbezirk Darmstadt, Lahn-Dill-Kreis
- ab 1979: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Gießen
- ab 1981: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Gießen, Landkreis Gießen
Gerichte seit 1803
In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für die Provinz Oberhessen wurde das Hofgericht Gießen als Gericht der zweiten Instanz eingerichtet. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen und somit war für Dorf-Güll ab 1806 das „Patrimonialgericht der Fürsten Solms-Braunfels“ in Hungen und später Wölfersheim zuständig. Das Hofgericht war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Die zweite Instanz für die Patrimonialgerichte waren die standesherrlichen Justizkanzleien. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt.
Mit der Gründung des Großherzogtums Hessen 1806 wurde diese Funktion beibehalten, während die Aufgaben der ersten Instanz 1821–1822 im Rahmen der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung auf die neu geschaffenen Land- bzw. Stadtgerichte übergingen. Ab 1822 ließen die Fürsten Solms-Braunfels ihre Rechte am Gericht durch das Großherzogtum Hessen in ihrem Namen ausüben. „Landgericht Hungen“ war daher die Bezeichnung für das erstinstanzliche Gericht das für Dorf-Güll zuständig war. Auch auf sein Recht auf die zweite Instanz, die durch die Justizkanzlei in Hungen ausgeübt wurde verzichtete der Fürst 1823.[12] Erst infolge der Märzrevolution 1848 wurden mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 die standesherrlichen Sonderrechte endgültig aufgehoben.[13] Durch die Neuordnung der Gerichtsbezirke in der Provinz Oberhessen mit Wirkung vom 15. Oktober 1853[14] kam Dorf-Güll zum Landgericht Lich.
Anlässlich der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1879, infolgedessen die bisherigen großherzoglich hessischen Landgerichte durch Amtsgerichte an gleicher Stelle ersetzt wurden, während die neu geschaffenen Landgerichte nun als Obergerichte fungierten, kam es zur Umbenennung in „Amtsgericht Lich“ und Zuteilung zum Bezirk des Landgerichts Gießen.[15] Am 1. Juni 1934 wurde das Amtsgericht Lich aufgelöst und Dorf-Güll dem Amtsgericht Gießen zugeteilt.[16] In der Bundesrepublik Deutschland sind die übergeordneten Instanzen das Landgericht Gießen, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sowie der Bundesgerichtshof als letzte Instanz.
Einwohnerentwicklung
Dorf-Güll: Einwohnerzahlen von 1830 bis 1967 | ||||
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Jahr | Einwohner | |||
1830 | 350 | |||
1834 | 365 | |||
1840 | 349 | |||
1846 | 379 | |||
1852 | 396 | |||
1858 | 371 | |||
1864 | 395 | |||
1871 | 359 | |||
1875 | 381 | |||
1885 | 407 | |||
1895 | 411 | |||
1905 | 402 | |||
1910 | 424 | |||
1925 | 437 | |||
1939 | 433 | |||
1946 | 757 | |||
1950 | 740 | |||
1956 | 609 | |||
1961 | 612 | |||
1967 | 660 | |||
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: [1] |
Religionszugehörigkeit
Quelle: Historisches Ortslexikon[1]
• 1830: | 350 evangelische Einwohner |
• 1961: | 493 evangelische, 115 römisch-katholische Einwohner |
Erwerbstätigkeit
Quelle: Historisches Ortslexikon[1]
• 1961: | Erwerbspersonen: 151 Land- und Forstwirtschaft, 105 Prod. Gewerbe, 21 Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, 39 Dienstleistungen und Sonstiges |
Vereine
In Dorf-Güll gibt es eine Vereinsgemeinschaft, die aktiv das Dorfleben mitgestaltet. Dorf-Güll zählt 13 Vereine, unter anderem die Freiwillige Feuerwehr, einen Gesangsverein, einen Sportverein und die Tragerlfreunde.[17]
Söhne und Töchter des Ortes
- Heinrich Sames (1865–1939), hessischer Landtagsabgeordneter (DDP)
Einzelnachweise
- Dorf-Güll, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 17. April 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Zahlen und Daten. Einwohner-Struktur. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Webauftritt. Stadt Pohlheim, archiviert vom Original am 16. April 2019; abgerufen im April 2019.
- Minst, Karl Josef [Übers.]: Lorscher Codex (Band 5), Urkunde 2968, 3. Mai 799 – Reg. 2662. In: Heidelberger historische Bestände – digital. Universitätsbibliothek Heidelberg, S. 41, abgerufen am 7. Mai 2019.
- Zusammenschluss von Gemeinden zur Gemeinde „Pohlheim“, Landkreis Gießen vom 6. Januar 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr. 4, S. 140, Punkt 165 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,3 MB]).
- Karl-Heinz Gerstemeier, Karl Reinhard Hinkel: Hessen. Gemeinden und Landkreise nach der Gebietsreform. Eine Dokumentation. Hrsg.: Hessischer Minister des Inneren. Bernecker, Melsungen 1977, DNB 770396321, OCLC 180532844, S. 307.
- Hauptsatzung. (PDF; 97 kB) § 6. In: Webauftritt. Gemeinde Pohlheim, abgerufen im August 2020.
- Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause's Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, DNB 013163434, OCLC 162730471, S. 12 ff. (google books).
- Wilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins : vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band 3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, OCLC 165696316, S. 21 f., 438 (Online bei google books).
- Neuste Länder und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und die freien Städte. Band 22. Weimar 1821, S. 424 (online bei Google Books).
- Georg W. Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt 1830, S. 135 (online bei Google Books).
- Theodor Hartleben (Hrsg.): Allgemeine deutsche Justiz-, Kameral- und Polizeifama, Band 2, Teil 1. Johann Andreas Kranzbühler, 1832, S. 271 (online bei Google Books).
- Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren vom 7. August 1848. In: Großherzog von Hessen (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1848 Nr. 40, S. 237–241 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 42,9 MB]).
- Bekanntmachung vom 4. Oktober 1853,
1) die Aufhebung der Großherzoglichen Landgerichte Großkarben und Rödelheim, und die Errichtung neuer Landgerichte zu Vilbel und Altenstadt, ferner die Verlegung des Landgerichtssitzes von Altenschlirf nach Herbstein;
2) die künftige Zusammensetzung der Landgerichts-Bezirke in der Provinz Oberhessen betreffend. (Hess. Reg.Bl. S. 640–641) - Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1879 Nr. 15, S. 197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 17,8 MB]).
- Verordnung über die Umbildung von Amtsgerichtsbezirken vom 11. April 1934. In: Der Hessische Staatsminister (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1934 Nr. 10, S. 63 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 13,6 MB]).
- Vereinsgemeinschaft Dorf-Güll (Memento vom 23. Januar 2015 im Internet Archive)
Literatur
- Literatur über Dorf-Güll In: Hessische Bibliographie[1]
- Suche nach Dorf-Güll In: Archivportal-D der Deutschen Digitalen Bibliothek
Weblinks
- Geschichte der Ortsteile. In: Webauftritt der Stadt Pohlheim
- Dorf-guell.de (mit Hinweisen zum Wappen)
- Dorf-Güll, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Info: Bitte auf Vorlage:HessBib umstellen, um auch nach 2015 erfasste Literatur zu selektieren!