Axion
Das Axion ist ein hypothetisches Elementarteilchen ohne elektrische Ladung und mit Spin Null, das eine Lösung des Problems wäre, dass theoretische Überlegungen zwar eine Verletzung der CP-Symmetrie in der Quantenchromodynamik (QCD) forderten, diese aber nicht beobachtet wurde. Eine solche CP-Verletzung würde für das Neutron ein elektrisches Dipolmoment von bis zu vorhersagen,[1] stattdessen wurde selbst bei noch keines gemessen.
Bisher (Stand 2020) konnte das Axion, das auch ein Kandidat für Dunkle Materie ist, nicht gefunden werden. Im Jahr 2019 wurde über die Beobachtung eines Quasiteilchen-Analogons eines Axions in einem Weyl-Halbmetall berichtet.[2][3]
Theoretischer Hintergrund
Im Gegensatz zur schwachen Wechselwirkung sind bei der starken Wechselwirkung die diskreten Symmetrien C (Ladungsumkehr, der Austausch aller Teilchen durch ihre Antiteilchen), P (Parität, Raumspiegelung) und T (Zeitumkehr) ungebrochen. Eine Konsequenz ist das verschwindende elektrische Dipolmoment des Neutrons.
Insbesondere ist damit auch die Kombination CP eine ungebrochene Symmetrie. Die grundlegende Theorie der starken Wechselwirkung, die Quantenchromodynamik, sagt aber, wie Gerardus ’t Hooft 1976 fand, einen CP-verletzenden Anteil in Form nichtstörungstheoretischer Konfigurationen von Vakuumfeldern (Instantonen) voraus. Genauer führte 't Hooft diesen CP-verletzenden nichtstörungstheoretischen Term in der QCD-Wirkung ein, um ein anderes Problem (von Steven Weinberg -Problem genannt) zu lösen,[4][5] handelte sich damit aber ein neues Problem ein, das als Starkes CP-Problem (strong CP problem) bekannt wurde.
Der Zusatzterm zur Lagrangedichte von ’t Hooft hatte einen Vakuumwinkel als Parameter, und das Problem war zu erklären, warum dieser so klein war.[6] Roberto Peccei und Helen Quinn schlugen die Existenz einer zusätzlichen globalen, spontan gebrochenen chiralen Symmetrie vor (Peccei-Quinn-Symmetrie), die den Vakuumwinkel zum Verschwinden bringt.[7] Diese neue Symmetrie führt über das Goldstonetheorem zu einem neuen Nambu-Goldstone-Boson. Dieses neue leichte, schwach wechselwirkende Teilchen nannte Frank Wilczek 1978 nach dem amerikanischen Waschmittel Axion (unabhängig davon führte es auch Steven Weinberg ein).
Es gibt zum einen das Modell des stärker wechselwirkenden KSVZ[8] und zum anderen das des weniger stark wechselwirkenden DFSZ-Axions[9].
Kandidat für dunkle Materie
Axionen werden, neben den Neutrinos und den ebenfalls nur postulierten WIMPs und MACHOs, als mögliche Kandidaten zur Lösung des Problems der dunklen Materie gehandelt.[10] Falls Axionen einen Großteil der dunklen Materie darstellen, ergaben Gitter-QCD-Berechnungen zur Masse der Axionen Massewerte von 50 bis 1500 Mikroelektronenvolt – und damit bis zu zehn Milliarden Mal leichter als das Elektron.[11][12]
Nachweisexperimente
Diverse Experimente versuchen mit verschiedenen Methoden, Axionen nachzuweisen.
Laborexperimente
Bei den Laborexperimenten handelt es sich um „Licht durch die Wand“-Experimente, bei denen ein Laserstrahl ein Magnetfeld passiert und danach durch eine Wand blockiert wird. Auf der anderen Seite der Wand befindet sich ein auf dem Strahl senkrecht stehendes Magnetfeld gleicher Stärke und am Ende dieses Feldes ein auf die Laserquanten (Photonen) kalibrierter Detektor.
Der Trick besteht darin, dass durch den Primakoff-Effekt mit Hilfe eines virtuellen Photons durch den Magneten vor der Wand ein Axion entstehen soll, das auf der anderen Seite der Wand durch den umgekehrten Effekt wieder in ein Lichtquant übergeht. Das ankommende Licht interagiert mit dem Magnetfeld und fluktuiert in eine andere Form, die sich durch die Wand hindurch ausbreiten kann. Hinter der Wand treten erneut Fluktuationen des neuen Zustands zurück zum ursprünglichen Charakter auf. Teile der Photonen könnten also die Wand „umgehen“, so dass diese detektierbar wären. Ein Nachweis der Photonen hinter der Wand würde das kurzzeitige Vorhandensein des Lichts in Form von Axionen belegen. Veränderungen an den Feldern wirken sich auf die detektierte Lichtmenge aus. Dies würde Rückschlüsse auf die Details der Axion-Umwandlung zulassen.
Helioskope
Helioskope suchen nach Axionen, die im Sonneninnern entstehen könnten.
Kristalline Detektoren
Innerhalb eines elektrischen Feldes ist die Axion-Photon-Kopplung kohärent, falls die Bragg-Gleichung erfüllt ist. Bekannte Experimente sind SOLAX, COSME und DAMA.
Primakoff-Teleskope
Bei den Primakoff-Teleskopen wird durch Nutzung des Primakoff-Effekts nach Axionen gesucht (siehe CAST-Experiment am CERN-Forschungszentrum). Durch den Primakoff-Effekt würde ein Axion in einem äußeren Magnetfeld, z. B. bei CAST im Feld eines LHC-Prototyp-Magneten mit 9 Tesla Stärke, in ein Photon mit Energien im keV-Bereich umgewandelt. Dieses kann dann in Teilchendetektoren wie einer CCD nachgewiesen werden.
Mößbauer-Teleskope
Hierbei würde das Axion durch resonante Anregung eines Atomkernes nachgewiesen, ähnlich wie die Anregung durch Photonen beim Mößbauer-Effekt. Eine erste Generation des Experiments ist im Aufbau.
Haloskope
Haloskope suchen nach etwaigen Axionen aus dem Halo der Milchstraße.
ADMX
Bei der US Large-Scale Axion Search (ADMX)[13] handelt es sich um eine Kollaboration. Beteiligt sind:
- das Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL),
- das Massachusetts Institute of Technology (MIT),
- die University of Florida (UF),
- das Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL),
- das Fermi National Accelerator Laboratory (FNAL),
- die University of Chicago und
- das Vereinigte Institut für Kernforschung (Institute for Nuclear Research), Moskau.
Das Experiment ist am Lawrence Livermore National Laboratory aufgebaut. Bei seinem Bau wurden Erfahrungen aus den beiden vorherigen Experimenten, dem University of Florida Experiment und dem Rochester Fermilab Brookhaven Experiment (RBF), berücksichtigt.
Die Ziele des Experiments sind
- die Güte des Experiments so weit zu steigern, dass sich KSVZ-Axione aus unserem Halo nachweisen lassen und
- den Massenbereich von 1,3 μeV/c² < ma < 13 μeV/c² komplett zu durchsuchen.
Das ADMX-Experiment benutzt einen sogenannten Sikivie-Detektor (nach Pierre Sikivie, der viele Nachweisexperimente zum Axion vorschlug). Hierbei wird über den Primakoff-Effekt ein Axion innerhalb eines statischen Magnetfeldes erzeugt. Die erzielbare Wellenlänge des Photons wird dabei durch die Resonanzfrequenz, d. h., die Größe, des Behälters begrenzt: der verwendete Zylinder ist 1 m lang und hat einen Durchmesser von 0,5 m. Das durch einen supraleitenden Solenoid (Elektromagnet) zur Verfügung gestellte Magnetvolumen, beträgt B02·V < 11 T2m3.
Festkörper-Analogon des Axions
Wie auch bei anderen hypothetischen Elementarteilchen wurden Analoga in Festkörpern gesucht. Über ein Analogon des Axions berichtete 2019 eine Forschergruppe um Johannes Gooth (Max-Planck-Institut für chemische Physik fester Stoffe, Tübingen) in Nature.[3] Als topologische Phase in einem Weyl-Halbmetall war es schon 2010 von Shou-Cheng Zhang und Kollegen vorhergesagt worden.[14] In Weyl-Halbmetallen bilden die Elektronen Quasiteilchen, die sich wie Weyl-Fermionen verhalten. Sie haben Ähnlichkeit mit topologischen Isolatoren. Bei dem Weyl-Halbmetall handelte sich um die Tantal-Selen-Verbindung (TaSe4)2, bei der sich die Weyl-Fermionen bei Abkühlung auf −11 Grad Celsius in Ladungsdichtewellen sammelten. Eine Mode dieser Welle (sliding mode, Phason) bildete das Analogon des Axions, wie durch das ähnliche Verhalten unter elektrischen und magnetischen Feldern nachgewiesen wurde. So zeigte sich ein großer positiver Beitrag zur magnetischen Leitfähigkeit bei parallelen elektrischen und magnetischen Feldern entsprechend dem Axion-Beitrag zur chiralen Anomalie.
Literatur
Originalaufsätze:
- G. ’t Hooft: Symmetry Breaking through Bell-Jackiw Anomalies. In: Physical Review Letters. Band 37, Nr. 1, 5. Juli 1976, S. 8–11, doi:10.1103/PhysRevLett.37.8.
- G. ’t Hooft: Computation of the quantum effects due to a four-dimensional pseudoparticle. In: Physical Review D. Band 14, Nr. 12, 15. Dezember 1976, S. 3432–3450, doi:10.1103/PhysRevD.14.3432 (Erratum Band 18, 1978, S. 2199).
- R. D. Peccei, Helen R. Quinn: CP Conservation in the Presence of Pseudoparticles. In: Physical Review Letters. Band 38, Nr. 25, 20. Juni 1977, S. 1440–1443, doi:10.1103/PhysRevLett.38.1440.
- R. D. Peccei, Helen R. Quinn: Constraints imposed by CP conservation in the presence of pseudoparticles. In: Physical Review D. Band 16, Nr. 6, 15. September 1977, S. 1791–1797, doi:10.1103/PhysRevD.16.1791.
- Steven Weinberg: A New Light Boson? In: Physical Review Letters. Band 40, Nr. 4, 23. Januar 1978, S. 223–226, doi:10.1103/PhysRevLett.40.223.
- F. Wilczek: Problem of Strong P and T Invariance in the Presence of Instantons. In: Physical Review Letters. Band 40, Nr. 5, 30. Januar 1978, S. 279–282, doi:10.1103/PhysRevLett.40.279.
- John Preskill, Mark B. Wise, Frank Wilczek: Cosmology of the invisible axion. In: Physics Letters B. Band 120, Nr. 1, 6. Januar 1983, S. 127–132, doi:10.1016/0370-2693(83)90637-8.
Bücher:
- Markus Kuster, et al.: Axions - theory, cosmology, and experimental searches. Springer, Berlin 2008, ISBN 978-3-540-73517-5.
Weblinks
Einzelnachweise
- Der Wert hängt von einem Parameter ab, dem Vakuumwinkel, der von Null bis variiert; das Problem lässt sich auch so formulieren, dass zu erklären ist, warum der Vakuumwinkel verschwindet.
- Axionen: Verzweifelt gesuchtes Teilchen in Festkörper aufgetaucht. Abgerufen am 12. Oktober 2019.
- J. Gooth et al.: Axionic charge-density wave in the Weyl semimetal (TaSe4)2I. In: Nature. Nr. 575, Oktober 2019, S. 315–319, doi:10.1038/s41586-019-1630-4 (englisch).
- Die Lagrangedichte der QCD besitzt im Fall der fast masselosen u- und d-Quarks (chiraler Grenzfall) eine -Symmetrie (U (2) ist die unitäre Matrix in zwei Dimensionen, die die beiden Quarks ineinander transformiert, A steht für axial, V für Vektor), deren axialer Anteil durch Quark-Antiquark-Kondensate im Vakuum spontan gebrochen wird, was zu vier Nambu-Goldstone-Bosonen führt, von denen aber nur drei mit den auf der üblichen Massenskala der QCD fast masselosen Pionen identifiziert werden können, das vierte leichte Goldstoneboson wird nicht beobachtet.
- R. D. Peccei: The strong CP problem and axions. (PDF) Juni 2015, abgerufen am 14. Oktober 2020 (Vorlesungsfolien, Invisibles 2015 Workshop, Madrid).
- Der Vakuumwinkel erhält noch einen Beitrag von der schwachen Wechselwirkung aus der Diagonalisierung der Kobayashi-Maskawa-Matrix; das Problem bleibt aber bestehen.
- Chiral bedeutet hier chirale Transformation der Quarkfelder, also die gleiche Symmetrie die oben als axiale Symmetrie bezeichnet wurde, unter Einführung eines neuen Phasenwinkels.
- KSVZ ist ein Akronym aus den Namen der Autoren zweier wissenschaftlicher Artikel:
1. Jihn E. Kim: Weak-Interaction Singlet and Strong CP Invariance. In: Physical Review Letters. Band 43, Nr. 2, 9. Juli 1979, S. 103–107, doi:10.1103/PhysRevLett.43.103.
2. M. A. Shifman, A. I. Vainshtein, V. I. Zakharov: Can confinement ensure natural CP invariance of strong interactions? In: Nuclear Physics B. Band 166, Nr. 3, 28. April 1980, S. 493–506, doi:10.1016/0550-3213(80)90209-6. - DFSZ ist ein Akronym aus den Namen der Autoren zweier wissenschaftlicher Artikel:
1. Michael Dine, Willy Fischler, Mark Srednicki: A simple solution to the strong CP problem with a harmless axion. In: Physics Letters B. Band 104, Nr. 3, 27. August 1981, S. 199–202, doi:10.1016/0370-2693(81)90590-6.
2. A. P. Zhitnitskii: Possible suppression of axion-hadron interactions. In: Sov. J. Nucl. Phys. (Engl. Transl.). Band 31, Nr. 2, 1. Februar 1980, S. 260–267 (osti.gov – Original in Yad. Fiz. Band 31, 1980, S. 497–504). - John Preskill, Mark B. Wise, Frank Wilczek: Cosmology of the invisible axion. In: Physics Letters B. Band 120, Nr. 1, 6. Januar 1983, S. 127–132, doi:10.1016/0370-2693(83)90637-8.
- S. Borsanyi u. a.: Calculation of the axion mass based on high-temperature lattice quantum chromodynamics. In: Nature. Band 539, Nr. 7627, November 2016, S. 69–71, doi:10.1038/nature20115.
- Supercomputer liefert Steckbrief von Dunkler Materie. DESY, 2. November 2016, abgerufen am 14. Oktober 2020.
- Webseite zur ADMX (englisch)
- Rundong Li, Jing Wang, Xiao-Liang Qi, Shou-Cheng Zhang: Dynamical axion field in topological magnetic insulators. In: Nature Physics. Band 6, Nr. 4, April 2010, S. 284–288, doi:10.1038/nphys1534.