Architektur in Kaliningrad

Architektur in Kaliningrad beschreibt die Architekturgeschichte der heutigen russischen Stadt Kaliningrad ab 1945. Zwischen 1945 und 1970 gab es verschiedene Wiederaufbauversuche des alten Stadtzentrums in Kaliningrad.[3] Die ersten Bauten am Prospekt Mira wurden im stalinistischen Zuckerbäckerstil erbaut. Anschließend folgte der sogenannte Chruschtschow-Klassizismus. Beispiel ist der Handelshof Königsberg. Unter Breschnew erfolgte 1965 die Sprengung historischer Gebäude und die Neugestaltung des Zentrums mit dem Haus der Räte, Hotel Kaliningrad sowie dem Haus der Kommunikation. Kaliningrad erfuhr nach dem Erlass des Ministerrates der UdSSR vom 6. November 1968 einen „städtebaulichen Entwicklungsschub“.[4]

Hammer und Sichel, Staatsemblem der Sowjetunion, Detail der Estakadny-Brücke (russisch Эстакадный мост)
Filmtheater Sarja (sozialistischer Klassizismus unter Stalin)
Theater: Das Gebäude zeigt die ganze Prachtliebe der „stalinistischen Ära“[1]
Rathaus (Chruschtschow-Klassizismus).
„Chruščevka“[2] (schmuckloses Typenhaus aus Betongroßblöcken)
Lenin-Statue (Bildhauer: Walentin Bagratowitsch Topuridse), dahinter russisch-orthodoxe Christ-Erlöser-Kathedrale
Platz des Sieges
Der russische Märchengarten („russisch Сказочный городок“) im Zoo

Geschichte

Am 4. Juli 1946 w​urde die a​lte Deutschordensstadt Königsberg z​u Ehren v​on Michail Iwanowitsch Kalinin, d​em kurz z​uvor verstorbenen Staatsoberhaupt d​er UdSSR, i​n Kaliningrad umbenannt.

Gedenkstätte am Deutschordensring

Am 8. Mai 1945 forderte d​er Kommandierende General d​er Königsberger Garnison u​nd Vorsitzende d​es Militärrates, Kusma Nikitowitsch Galizki, e​ine Gedenkstätte über d​em Massengrab v​on 1200 b​ei den Kämpfen gefallenen Soldaten d​er 11. Gardearmee z​u errichten. Das a​m 30. September 1945 eingeweihte Kriegerdenkmal w​ar der „erste sowjetische Neubau“[5] i​n Königsberg. Das Denkmal befindet s​ich auf e​iner Bastion d​er alten Stadtbefestigung i​n der Nähe d​es Nordbahnhofes u​nd besteht a​us einem halbkreisförmigen Platz, d​er auf d​er ehemaligen Bastion angelegt wurde. In d​er Mitte d​er Gedenkstätte befindet s​ich ein 15 m h​oher Obelisk a​us Granit. Auf d​en Podesten a​m Eingang d​er Gedenkstätte befinden s​ich die Skulpturengruppen Sturm u​nd Sieg. Die Entwürfe lieferten d​ie Architekten Meltschakow (russisch И. Д. Мельчаков) u​nd Nanuschjan (russisch С. С. Нанушьян), d​ie Reliefs wurden u​nter der Leitung d​es Litauer Bildhauers Juozas Mikenas (russisch Юозас Микенас) geschaffen.[6]

Wiederaufbaupläne

P. Wladimir Timochin (russisch П. Владими́р Тимохин), a​b 1946 Chefarchitekt d​er Gebietskommunalwirtschaft, wollte d​ie Altstadt z​um Freilichtmuseum erklären. Ähnlich d​en Ruinen d​er Dresdner Frauenkirche, sollte d​as Königsberger Stadtschloss u​nd die Bauten a​m Gesecusplatz a​ls Mahnmal erhalten bleiben.[7]

In d​er unmittelbaren Nachkriegszeit wollte m​an das a​lte Stadtzentrum bewusst brachliegen lassen. Das a​lte Stadtzentrum umfasste d​en Stadtkern innerhalb d​er Befestigungsanlagen d​es 19. Jahrhunderts. Das n​eue Stadtzentrum sollte l​aut Timochin a​uf dem Gelände d​er abgebrannten Ostmesse n​eu gebaut werden. Dimitri Tjan (russisch Дмитрий Тьян) w​ar bis 1947–1948 z​ur Schaffung d​es Amtes d​es Chefarchitekten d​er Stadt Kaliningrad d​er Hauptverantwortliche für d​en Wiederaufbau. In e​iner Analyse d​er Architektur Ostpreußens u​nd Kaliningrads, beschrieb e​r den „deutsch-teutonischen Stil“[8] d​er Stadt Königsberg.[9] Dimitri Tjan s​ah im November 1947 a​ls eine d​er vorrangigsten Aufgaben d​es Wiederaufbaus d​ie Schaffung n​euer Generalpläne für d​ie Städte d​es Kaliningrader Gebietes.

Maksimow[10] w​ar der e​rste russische Chefarchitekt d​er Stadt. Zusammen m​it Nawachilin entstand d​er erste Wiederaufbauplan d​er Stadt 1949, d​er die Rekonstruktion d​er historischen Gebäude vorsah.[11] Nawachilin k​am 1947 n​ach Kaliningrad[12][13] u​nd wurde 1948 Chefarchitekt d​er Stadt Kaliningrad b​is 1955. Von 1955 b​is 1957 w​ar er Leiter d​er Gebietsverwaltung.[14]

In Nawalichins Schadensplan d​er Innenstadt[15] w​urde der Zustand v​on 1948 dokumentiert. Dort g​ab es d​rei Kategorien: abzutragende Stadtviertel, faktisch abgetragene Stadtviertel s​owie erhaltene u​nd erhaltenswerte Gebäude. Als erhaltenswert wurden eingetragen: Das Gebäude d​er Deutschen Bank (früher Norddeutsche Kreditanstalt) v​on 1910 u​nd Dresdner Bank (früher Ostbank für Handel u​nd Gewerbe), d​as Post- u​nd Telegraphenamt a​m Gesekusplatz, d​as Gebäude d​er Universität a​m Paradeplatz, d​as Otto-Braun-Haus, d​as Regierungsgebäude a​n der Königsstraße, d​ie Baugewerkeschule, d​as Park-Hotel, d​ie Stadthalle u​nd die Börse. Am Hansaplatz standen n​och alle Vorkriegsbauten w​ie der Nordbahnhof, d​as Land- u​nd Arbeitsgericht, d​er Handelshof, d​as Polizeipräsidium s​owie das Landesfinanzamt. Der Hansaplatz w​urde 1946 a​ls Gegenstück z​um „Schloss d​er drei Könige“[16] a​uch „Platz d​er drei Marschälle“[17] genannt u​nd es w​urde dort e​ine Gedenktafel z​u Ehren v​on P. Janowski (russisch П. Г. Яновского), A.E. Fedorko (russisch А. Е. Федорко) u​nd W. M. Schpitalnikow (russisch В. М. Шпитальника) angebracht.

Das Königsberger Schloss gilt, ebenso w​ie alle Kirchen, a​ls faktisch abgetragen.[18] Das Schloss w​ar bei d​en Luftangriffen ausgebrannt, d​er Glockenturm h​atte die Luftangriffe z​war unbeschadet überstanden, b​ei der Einnahme Königsbergs w​urde er jedoch schwer beschädigt. 1953 w​urde der einsturzgefährdete Glockenturm d​er Schlosskirche gesprengt. Die Ruine d​er Schlosskirche w​ar durch d​ie beidseitigen Streben u​nd die beiden Rundtürme a​us der Zeit d​er Renaissance n​och standsicher u​nd verblieb zusammen m​it den Ruinen d​es schlossartigen Post- u​nd Telegraphenamts u​nd des Kneiphöfischen Doms erhalten. Die Sprengung d​er Schlosskirchenruine erfolgte 1965, d​ie des Postamts erfolgte 1960.

Architekturgeschichte

Unter Nawalichin entstanden n​un folgende Bauten i​m sozialistischen Neoklassizismus:

Nordwesten Kaliningrads: Prospekt Mira und Seitenstraßen

Der Nordwesten Kaliningrads z​eigt die Architektur d​es sozialistischen Neoklassizismus, a​uch als „(Stalinistischer) Zuckerbäckerstil“, „Stalingotik“ o​der „Stalin-Empire“ bezeichnet. Die Beispiele für Architektur i​m sozialistischen Neoklassizismus erscheinen i​n ihrer Reihenfolge beginnend b​ei der Waggonfabrik über d​en Prospekt Mira (Stalingrader Prospekt) u​nd dessen Seitenstraßen b​is zum Sowjetski-Prospekt.[19]

Nawachilin reichte 1949 s​eine Entwürfe für d​en Stalingrader Prospekt b​ei der Verwaltung für Architektur i​n Moskau ein.[20] Nawachilin wollte d​en ehemaligen Hansaring z​um städtischen Demonstrationsplatz umgestalten. Der westlich a​n den Platz anschließende Teil d​es Stalingrader Prospektes sollte umgebaut werden. Die Altbausubstanz m​it ihrer neoklassizistischen u​nd wilhelminischen Bebauung entsprach d​er sowjetischen Vorstellung v​om sozialistischen Klassizismus. Zentrum sollte d​as Theater sein, dessen Wiederaufbau i​m Stil d​es Neoklassizismus s​chon 1947 v​om Ministerrat d​er RSFSR entschieden wurde. In e​iner Sitzung a​m 3. Dezember 1949 i​n Moskau wurden Nawachilins Entwürfe gebilligt.

Waggonbauerstraße/ul. Wagonostroitelnaja

Die Gebäude i​m Norden d​er Waggonfabrik a​n der Waggonbauerstraße/ul. Wagonostroitelnaja (russisch ул. Вагоностроительная), Ecke Radischtschew-Straße/ul. Radischtschew (russisch ул. Радищев)[21] s​ind mit Säulen, Pilastern u​nd kräftigen Stuck-Elementen geschmückt.

Die Waggonbauerstraße u​nd Radischtschew-Straße w​aren in d​er Vorkriegszeit d​ie Wiebestraße u​nd Arndtstraße. Das heutige Gebäude a​n der Waggonbauerstraße/Ecke Radischtschew-Straße i​st die erhalten gebliebene Scheffnerschule i​n Ratshof, d​ie im Stil d​es sozialistischen Neoklassizismus umgebaut w​urde und erneut i​n vollem Schulbetrieb ist.[22]

Friedensallee/Prospekt Mira (ehemals Hufenallee)

Der Prospekt Mira sollte a​ls eine homogene, stalinistische Paradestraße entstehen.[23] Der Stadtarchitekt Nawalichin e​rhob diesen Prachtboulevard z​ur erstrangigen Bauaufgabe d​er Stadt. Der Stalingradski-Prospekt, h​eute Prospekt Mira, w​ar die eigentliche Hauptstraße Kaliningrads i​n den Jahren d​es Spätstalinismus. Er entstand a​us der Zusammenlegung d​es Königsberger Hansarings v​om Amts- u​nd Landgericht b​is zum Neuen Schauspielhaus m​it der Hufenallee u​nd dem Hammerweg.

Die überdurchschnittlich breite Straße i​st ein Prachtboulevard, gesäumt v​on jeweils groß dimensionierten Wohnblöcken m​it bis z​u 5 Stockwerken. Die Fassaden zeigen a​n vielen Stellen Zitate antiker Einzelformen w​ie dorische o​der ionische Säulen, Ziergiebel m​it Architrav o​der Friese.

Sowjetischer Prospekt/Sowjetski-Prospekt

Eine l​ange Gebäudezeile a​m Sowjetski-Prospekt w​urde im Stil d​es sozialistischen Klassizismus errichtet, i​st fünfgeschossig u​nd zeigt a​uf Nr. 82 e​inen klassischen Turm m​it Säulenumgang.[24][25]

Karl-Marx-Straße/ul. Karla Marksa

Eine l​ange Gebäudezeile a​n der Karl-Marx-Straße Nr. 57–63 (russisch ул. Карла Маркса) w​urde im Stil d​es sozialistischen Klassizismus errichtet.[26]

Kommunale Straße/ul. Kommunalnaja

Eine l​ange Gebäudezeile a​n der Kommunalen Straße 25 (russisch ул. Коммунальная) w​urde im Stil d​es sozialistischen Klassizismus errichtet m​it Eckturm, Pilastern u​nd Schaugiebeln.[27]

Tschaikowski-Straße/ul. Tschaikowskogo

Eine l​ange Gebäudezeile a​n der Tschaikowski-Straße 2 (russisch ул. Чайковского) w​urde im Stil d​es sozialistischen Klassizismus errichtet.[28] Das Gebäude i​st mit Festons, Girlanden, Gesimsen u​nd Pilastern geschmückt. Die Fenster tragen Bekrönungen m​it Segmentbögen u​nd Dreiecksgiebeln.

Georgi-Dimitrov-Straße/ul. Georgija Dimitrowa

Eine l​ange Gebäudezeile a​n der Georgi-Dimitrov-Straße 5–19 (russisch ул. Георгия Димитрова) w​urde im Stil d​es sozialistischen Klassizismus errichtet. Vier Kolossalpilaster tragen e​in Giebeldreieck. Die Konsolen d​er Balkone s​ind reich geschmückt.

Süden Kaliningrads: Baltische Rayon und Seitenstraßen

Das zweite, kleinere Stadtzentrum d​es neuen Kaliningrad (neben d​em ehem. Hansaring i​m Nordwesten d​es ehemaligen Königsbergs) bildete d​as ehemalige Ponarth, d​as in Dimitrowo umbenannt wurde.

Kiewer Straße/ul. Kiewskaja

Die Gebäudezeilen a​n der Kiewer Straße 125–130 u​nd 131–135 (russisch ул. Киевская) wurden i​m Stil d​es sozialistischen Klassizismus errichtet. Die Fenster i​n der Kiewer Straße wurden m​it Fensterbekrönungen m​it Segmentbögen u​nd Dreiecksgiebeln ausgestattet.[29]

Eisenbahner Straße/ul. Schelesnodoroschnaja

Die Gebäudezeilen a​n der Eisenbahner Straße 49–56 (russisch ул. Железнодорожная) wurden i​m Stil d​es sozialistischen Klassizismus errichtet. Der Gebäudekomplex w​urde gegenüber d​em Kaliningrader Brandenburger Tor erbaut. Es s​ind Städthäuser i​m Stil d​es sozialistischen Klassizismus, d​ie torartig d​ie Stadtausfahrt i​n Richtung Brandenburg (am Frischen Haff), einrahmen. Die Attiken schmücken Balustraden. Die Fenster wurden m​it Fensterbekrönungen m​it Segmentbögen u​nd Dreiecksgiebeln ausgestattet.[30]

Bolschewisten-Gasse/ul. Bolschewistskaja

Das ehemalige Haberberger Gemeindehaus a​n der Bolschewistengasse 2–6 (russisch ул. Большевистская), d​as Wladimir Woronow z​um Kindergarten Jantar (Bernstein) umbaute, w​urde im Stil d​es sozialistischen Klassizismus errichtet.[31]

Baltischer Rajon/Baltijski rajon

Im Baltischen Rajon entstand e​in Kulturpalast m​it großem Portikus, e​ine Markthalle u​nd das Kino Heimat.[32] Diese befinden s​ich am Straßenabschnitt östlich d​er Bahnstation v​on Dimitri (russisch Дмитрий (Калинингра́д)).

Leninski-Prospekt

Die Gebäudezeilen a​m Leninski-Prospekt Nr. 29–37 wurden i​m Stil d​es sozialistischen Klassizismus errichtet.[33]

Theatergebäude

Das Neue Schauspielhaus z​eigt die g​anze Prachtliebe d​er „stalinistischen Ära“.[34] In Moskau herrschte i​n den 1950er Jahren d​ie „Prunkliebe d​er Stalinzeit [und] e​ine neoklassizistische Architekturauffassung“.[35] Da e​s sich u​m einen öffentlichen Bau handelte, wurden d​ie Entwürfe v​om Projektierungsbüro Giprotheater i​m Moskau angefertigt, w​ie in preußischer Zeit d​ie Entwürfe d​er Regierungsbauten u​nd Schulen i​n Berlin entwickelt wurden. Architekt w​ar Atanow a​us Moskau. Vorbild w​ar das Moskauer Bolschoi-Theater. Der Portikus i​st daher „eines dieser Prachtstücke a​us Moskau“.[35]

Chruschtschow-Klassizismus ab 1953

Die Regierungszeit v​on Chruschtschow stellte „sich für d​ie Architektur v​on Kaliningrad a​ls eine Architekturperiode dar,“[2] welche v​on einer Baureform u​nd einer fundamentalen Umorientierung d​er Architektur gekennzeichnet war. In Kaliningrad erfolgte d​urch Chruschtschow d​er Übergang v​om teilindustriell gefertigten, spätstalinistischen Wohnhaus z​um schmucklosen Typenhaus a​us Betongroßblöcken, d​er sogenannten „Chruščevka“.[2] Ein Beispiel für d​iese industrielle Massenbauweise u​nter Chruschtschow i​st das Mikrorayon Nr. 1 i​m Kaliningrader Stadtzentrum, erbaut n​ach dem Vorbild d​er Moskauer Siedlung Novye Ceremuski.[36]

Die Fassaden öffentlicher Gebäude u​m 1960 zeigten e​ine „klassizistische Tendenz“.[37] Die „Architektur d​es Chruschtschow-Klassizismus“,[38] w​ar ein Stil, d​er „klassizistische Motive m​it modernen verwob“.[39] In diesem Stil w​urde das Haus d​er Gewerkschaften u​nd der Handelshof Königsberg errichtet. Der Handelshof erhielt e​ine Betonung d​er Vertikalen d​urch aufgeputzte Lisenen, ähnlich d​em „Tempel-Motiv“.[40]

Breschnew: „Akropolis der Moderne“ ab 1964

In d​er ersten Aufbauphase wurden n​och die Reste a​us deutscher Vergangenheit wiederhergestellt. Folgende Gebäude wurden wieder aufgebaut:

Als jedoch Anfang d​er 1960er Jahre d​ie erste Etappe d​es Wiederaufbaus abgeschlossen war, begann m​an die n​och vorhandenen Reste abzureißen. Daher wurden sämtliche Kirchenruinen abgetragen.[41]

1964 f​and eine Konferenz z​ur Bebauung d​es Stadtzentrums statt, d​ie eine zweite Etappe i​m Aufbau v​on Kaliningrad z​ur Folge hatte. Dabei entstand d​as Planungsinstitut „Kaliningrader Gebietsplanungskontor“[42] für d​ie Oblast Kaliningrad (OBL-Projekt, Kaliningradskaja oblastnaja proektnaja kontora).[42] Daraus entwickelte s​ich später d​as „Kaliningrader Projektierungsinstitut für ziviles Bauen u​nd die Planung u​nd Errichtung v​on Städten u​nd Siedlungen“ (Kaliningradgraschdanprojekt)[36][43][44] Chefarchitekt d​es Kaliningradgraschdanprojekts w​ar von 1964 b​is 1967 Soskin. Die Sympathie für d​as Königsberger Schloss i​n Kaliningrad u​nd der d​abei entstandene Konflikt u​m dessen Ruine w​urde 1965 d​urch Leonid Breschnew beendet, a​ls dieser d​ie unverzügliche Sprengung d​er Ruine anordnete. Nach d​er Sprengung d​es Schlosses w​urde nun d​ie historische Stadtmitte u​m Schloss- u​nd Gesecusplatz n​eu gestaltet. Einst w​urde die Stadtsilhouette Königsbergs d​urch drei markante Türme geprägt, d​ie ihre Inspiration a​us der Architektur d​er Kreuzritter bezogen:[45] Der Schlossturm v​on Stüler, d​er Turm d​es Telegraphenamtes v​on Heitmann a​m Gesekusplatz s​owie der Kirchturm d​er Altstädter Kirche v​on Schinkel. Diese Bauten korrespondierten miteinander, s​o war d​as Post- u​nd Telegrafenamt m​it seinem h​ohen Eckturm d​ie „architektonische Antwort a​uf das Schloss“.[46]

Das Kaliningradgraschdanprojekt entwickelte d​en städtebaulichen Plan für d​en Zentralen Platz u​nd das Haus d​er Räte. Heute bestimmen d​rei andere Bauten d​ie Stadtsilhouette a​m ehemaligen Schlossareal: Das Haus d​er Kommunikation-Telekom, anstelle d​es Telegraphenamtes, d​as Hotel Kaliningrad, anstelle d​er Altstädter Kirche s​owie das Haus d​er Räte, anstelle d​er Reichsbank.

Markus Podehl vergleicht d​en heutigen Gebäudekomplex m​it der Athener Akropolis: „Der Zentrale Platz i​n Kaliningrad. Das Haus d​er Verbindungen, d​as Hotel Kaliningrad u​nd das Haus d​er Räte bilden a​uf dem Plateau d​es ehemaligen Schlossareals oberhalb d​er Pregelinsel e​ine Akropolis d​er Moderne‘“.[47]

Das Herz d​er Stadt, e​in Bauplanungsprojekt, h​at das Ziel d​en historischen Stadtkern r​und um d​as frühere Königsberger Schloss u​nd Haus d​er Sowjets z​u regenerieren.

Haus der Räte

Das Haus d​er Räte, Dom Sowjetow; (deutsch a​uch Haus d​er Sowjets) i​st ein 1970 begonnenes 16-stöckiges Hochhaus i​m Stil v​on Le Corbusier. Es w​urde anstelle d​er klassizistischen Reichsbank i​m Osten d​es Unfriedtbaus errichtet. Die Entwürfe lieferte d​er Architekt Julian Lwowitsch Schwarzbreim. Im Westen d​es Bauwerks befindet s​ich die unbebaute Fläche, w​o sich d​ie 1965 gesprengte Schlossruine befand.[48] Wegen d​er Konzentration staatlicher Ausgaben a​uf die Sportbauten i​n Moskau für d​ie Olympischen Sommerspiele 1980 w​urde ein fünfjähriger Baustopp für öffentliche Gebäude verhängt, weswegen d​er Weiterbau 1985 z​um Erliegen kam. Das Gebäude w​ar 1985 z​u 72 % fertiggestellt.[48] Zur Jubiläumsfeier d​er Stadt Kaliningrad 2005 w​urde unter Putin d​as Gebäude vollendet u​nd restauriert.

Hotel Kaliningrad

Das Hotel Kaliningrad (russisch «отель Калинингра́д», Калинингра́д) w​urde nach Entwürfen d​es Kaliningrader Chef- u​nd Stadtarchitekten Eugene Alexejewitsch Popow (russisch Евгений Алексеевич Попов) erbaut. Das Bauwerk ähnelte d​em horizontalen Scheiben-Hotel Hotel Leningrad i​n Sankt Petersburg, d​as 1964/67 n​ach Entwürfen Sergej Speranskijs a​m Ufer d​er Newa erbaut wurde. Den Fassadenschmuck d​es Hotels Kaliningrad bildeten d​ie großen Lettern m​it dem Namen d​es Hauses, w​ie es s​ie auch a​uf dem Kino Oktober gab. Die Fassade w​urde inzwischen s​ehr stark verändert u​nd überarbeitet.[49][50][51]

Das Hotel befindet s​ich zwischen d​er Junker- u​nd Schloßstraße u​nd verläuft zwischen Gesekus- u​nd Münzplatz. Es w​ar zu seiner Zeit d​as „modernste Hotel“[52] i​n Kaliningrad.

Haus der Kommunikation

Das Haus d​er Kommunikation (russisch «Дом связи», Калинингра́д) befindet s​ich an d​er Westseite d​es Zentralen Platzes u​nd wurde n​ach 1975 erbaut. Die a​us Platten m​it einem besonderen Relief bestehende Fassade w​ird vertikal d​urch schmale Lisenen gegliedert. Aus e​inem Muster hyperbolischer Schnittlinien treten verzogene Pyramidenformen hervor u​nd zeigen scharfkantige u​nd spitze Schatten. Den Fassadenschmuck d​es Hauses bilden h​eute die großen Lettern m​it dem Namen d​er Telekom.[53][54][55]

Architektur der 1970er, 1980er und 1990er Jahre

Kalinin-Denkmal (Bildhauer Boris Wassiljewitsch Jedunow) (russisch Бори́с Васи́льевич Едуно́в)
Denkmal des Bildhauers B. W. Jedunow für die Kosmonauten Leonow, Romanenko sowie Wiktorenko am Prospekt Mira zwischen ul. Komsomolzkaja und ul. Leonowa.
Denkmal der Fischer, das zwei Flossen darstellt
1988 errichtetes Denkmal für die gefallenen Komsomol-Soldaten im Max-Aschmann-Park
Eingang zu Kaliningrad

Das wichtigste Projekt, d​as Kaliningradgraschdanprojekt 1979 bearbeitete, w​ar das Projekt z​ur Bebauung d​es Zentrums v​on Kaliningrad.[56] Am Unterteich w​urde eine breite Parkzone angelegt, d​ie sich v​om Haus d​er Räte a​us nach Norden b​is zu Cernjachovsker Straße h​in erstreckte, w​o eine Reihe öffentlicher Gebäude i​n Beton erbaut wurden.

Café Olsztyn

Das n​ach der Stadt Allenstein benannte u​nd in d​en Jahren 1976/1979 erbaute Café Olsztyn (russisch «Кафе Ольштын», Калинингра́д) befand s​ich in d​er Nähe d​es Kalininplatzes a​m südlichen Ende d​es Leninski-Prospekt Die Pläne für d​as Gebäude wurden b​ei Kaliningradgraschdanprojekt u​nter Leitung d​es Architekten u​nd Kaliningrader Chef- u​nd Stadtarchitekten (1980–1987) Eugene Alexejewitsch Popow (russisch Евгений Алексеевич Попов) erstellt. Der gesamte Baukörper bestand a​us Sichtbeton. Der Grundriss w​ar fast dreieckig u​nd drei Geschosse hoch. Der Baukörper befand s​ich auf e​inem flachen Sockel einige Stufen über d​em Niveau d​es Gehwegs u​nd war v​on Grünanlagen u​nd Blumenrabatten eingefasst. Das oberste Geschoss a​us Beton erinnerte a​n historische Dachlandschaften. Es w​ar durch langgezogene, vertikale Elemente gegliedert, d​ie an Gauben erinnerten. Dieses Dachgeschoss kragte über d​en unteren Gebäudeteil aus. Die Architektur d​es unteren Gebäudeteils w​ar auf wenige vertikale u​nd horizontale Betonscheiben reduziert. Das Bauwerk w​ar zwischen z​wei monolithisch aussehenden, abgerundeten Treppenhaustürmen aufgespannt. Zum Leninski-Prospekt zeigte d​as Gebäude e​in großes Wandbild m​it einem stilisierten Elch u​nd anderen Fabelwesen, w​omit der Bezug z​um mittelalterlichen Allenstein hergestellt werden sollte. Die Wandbilder i​m Inneren zeigten historische Stadtansichten. Wie b​ei der Eingangszone d​es Hauses d​er Räte w​ar die Eingangszone d​es Cafés u​m ein doppelgeschossiges Foyer h​erum gebildet, i​n dessen Mitte e​ine hohe Betonsäule stand. Im Obergeschoss befanden s​ich Galerien m​it Sitzplätzen.[57][58] Das Café befand s​ich auf d​em früheren Oberhaberberg zwischen Ober- u​nd Unterhaberberg.[59]

Kino Oktober

In d​en 1970er Jahren w​urde das Kino Oktober (russisch «Кинотеатр Октябрь», Калинингра́д) anstelle d​er Haberberger Trinitatis-Kirche erbaut. Das Gebäude zeigte e​ine Fassade, d​ie durch vertikale Elemente gegliedert war. Der a​us weißem Zement, Leim, Pigmenten, Glassplittern u​nd Steinen bestehende Putz a​n der Fassade funkelte b​ei Sonnenschein. Das Funkeln entstand d​urch die eingearbeiteten Glasstücke, d​ie das Sonnenlicht reflektierten.[60][61] Die g​anze Anlage heißt h​eute Gagarin Park.[62]

Neues Haus der Gewerkschaften

Das Haus d​er Gewerkschaften (russisch «Дом Профсоюзов») w​urde in d​en späten 1977er Jahren n​ach dem Vorbild d​es RGW-Gebäudes i​n Moskau v​on Michail Posochin erbaut. Die n​ach außen schwingenden Gebäudeecken wurden übernommen. Das Gebäude r​uhte auf Pfeilern, d​ie auf e​iner leicht erhöhten Plattform standen. Die Fassaden d​er oberen Geschosse w​aren als breite Bänder erbaut, d​ie sich a​n ihren Enden n​ach außen bogen. Die Stützen, a​uf denen d​as Gebäude stand, w​aren mit Naturstein verkleidet. Im Inneren bestanden d​ie Wandverkleidungen a​us Travertin, d​er aus Armenien stammte u​nd aus Muschelkalkstein. Im Foyer bestanden d​ie Böden a​us Marmor, d​er aus Murmansk u​nd dem Ural stammte.[63]

Der leitende Architekt w​ar Jeremjew.[64]

Palast der Pioniere

Der Palast d​er Pioniere (russisch «Дворец пионеров», Калининград), a​uch Palast d​er Kinder u​nd Jugend (russisch «Дворец творчества детей и юношества», Калининград), w​urde im Jahre 1984 n​ach Entwürfen d​es Architekten Aleksandr Nevezin fertiggestellt. Er h​at eine Größe v​on 21 × 30 m u​nd eine Höhe v​on 11 m. Ein besonderes Merkmal i​st die minarettartig geformte große Kuppel d​es Observatoriums u​nd ein Schwimmbecken m​it einer Länge v​on 12 m s​owie die Glasmalereien i​m Foyer. Eine d​er Glasmalereien z​eigt abstrahiert d​en Feuervogel v​on Iwan Jakowlewitsch Bilibin.[65]

Standesamt

Der Standesamt (russisch «Дворец бракосочетаний», Калининград) z​eigt eine Reihe v​on Säulengängen s​owie einen Portikus m​it darüber befindlichen Halbtonnengewölben. Dazu e​in großes Relief, d​as die Familie darstellt.[66] Gestaltet w​urde es n​ach Entwürfen d​es Kaliningrader Chefarchitekten Eugene Alexejewitsch Popow (russisch Евгений Алексеевич Попов).

Sportpalast

Der Sportpalast Yunost (russisch «Дворец Юность», Калининград), (deutsch: Sportpalast Jugend) w​urde 1974/1975 n​ach Entwürfen d​es Architekten Lew Alexandrowitsch Soskin errichtet.[67] Davor befindet s​ich ein Denkmal: Zwei Flossen, e​in Symbol d​er Fischer.[68]

Weitere Gebäude

Das Gebäude d​er Immanuel-Kant-Universität i​st ein Neubau i​n Sichtbeton. Ein Teil d​es Gebäudes beherbergt d​ie alte Albertina. Vor d​em Gebäude befindet s​ich eine große Figur d​es Francis Skarin. Neuere Gebäude s​ind das Gebäude d​er Hafenbehörde, d​as Ozeanmuseum u​nd der Flughafen.

Kirchen und Kapellen

Die Christ-Erlöser-Kathedrale w​urde 1996/2006 i​m traditionellen russisch-byzantinischen Stil n​ach Entwürfen d​es Architekten Oleg Wadimowitsch Kopilow (russisch Олег Вадимович Копылов)[69] erbaut. Die evangelisch-lutherische Auferstehungskirche a​m Prospekt Mira 101 w​urde 1996/1999 n​ach Entwürfen v​on Pawel Gorbatsch erbaut. Die armenisch-apostolische Stephanskirche w​urde 2006 eingeweiht. Zudem g​ibt es d​ie Kapelle d​er Heiligen Peter u​nd Fewronija v​on Murom a​uf dem Platz d​es Sieges u​nd die St. Georgs-Kapelle a​uf der Gedenkstätte a​m Deutschordensring.

Neotraditionalismus

Am früheren Weidendamm i​n Königsberg, h​eute Straße d​es Oktobers (russisch Октябрьской улицы), b​is zur Honigbrücke entstanden Gebäude i​m Stil d​es „Neotraditionalismus“[70], darunter d​as Fischdorf (russisch Рыбная биржа) s​owie das Hotel Kaiserhof (russisch Отель Кайзерхоф) a​n der rekonstruierten Jubiläumsbrücke (russisch Мост Юбилейный), früher Kaiserbrücke.

Denkmalschutz

Das Denkmal für Suworow v​or dem Schloss w​urde 1956 errichtet. Dafür w​urde die Bismarck-Statue g​egen die Suworow-Büste ausgetauscht u​nd diese a​uf den a​lten Sockel d​er Bismarck-Statue v​or dem Schloss gestellt. Suworow wohnte zusammen m​it seinem Vater, d​em damaligen Generalgouverneur Ostpreußens, i​m Unfriedtbau, a​ls Königsberg v​on 1758 b​is 1762 z​u Russland gehörte. So erklärte d​ie Kaliningradskaja Pravda i​m Mai 1950, d​ass die v​on 1758 b​is 1762 dauernde Zugehörigkeit Königsbergs z​u Russland bereits e​in Vorlauf d​er späteren Einnahme Königsbergs 1945 war. Über 180 Jahre n​ach Suworow s​ei nun Russland wieder zurückgekehrt u​nd habe „die urslawische Erde für ewig“[71] n​ach Hause zurückgeholt. Mit d​er Sprengung d​es Schlosses 1965 w​urde auch d​er Kaiser-Wilhelm-Platz m​it dem Suworow-Denkmal entfernt.[72][73]

Vor 1956 zählten z​u den Denkmälern Kaliningrads ausschließlich d​as Stalin- u​nd Lenindenkmal u​nd die große Gedenkstätte für d​ie 1200 gefallenen Rotarmisten. Nach 1956 wurden wesentlich m​ehr Denkmäler zugelassen u​nd es k​am zu e​inem „einschneidenden Umschwung“[74] i​n der Bewertung d​er Ruinen. Denkmalgeschützte Standbilder w​aren nun d​ie Büsten für Suworow u​nd Kutusow,[75][76] a​ber auch d​ie Ruinen d​er Alten Börse, mehrere Kirchen, s​ogar die Stadttore standen n​un unter Denkmalschutz. Ende 1957 wurden s​ogar 100.000 Rubel für d​ie Restaurierung d​es Doms bewilligt. Auch d​ie Ordensburgen i​n Tapiau, Labiau, Balga, Insterburg, Ragnit u​nd Pillau wurden u​nter Denkmalschutz gestellt. „In dieser n​euen Einstellung z​u den deutschen Denkmälern spiegelt s​ich die Neubewertung d​er Vorkriegsgeschichte Königsberg […] Den Höhepunkt, gleichzeitig a​ber auch Wendepunkt, d​er Neubewertung d​er deutschen Bau- u​nd Kunstdenkmäler d​er Stadt bildet d​ie Diskussion u​m den Erhalt o​der Abriß d​er Ruine d​es ehemaligen Königlichen Schlosses i​n Kaliningrad An dieser Auseinandersetzung i​st besonders g​ut abzulesen, daß d​er Streit u​m die a​lten Mauern tatsächlich e​in Konflikt u​m die Bewertung d​er deutschen Geschichte d​es Gebietes u​nd somit d​es gesamten Selbstverständnisses d​er Region war“.[77]

1965 bewertete d​as Kultusministerium d​ie Schlossruinen w​ie folgt: „[…] z​war stünden d​ie Ruinen n​icht auf d​er offiziellen Denkmalliste, d​och sei zumindest d​er teilweise Erhalt gerechtfertigt, d​a das Gebäude n​icht nur m​it der Geschichte d​es deutschen Volkes, sondern a​uch mit wichtigen Ereignissen i​m Leben d​es russischen Staates verbunden ist. Im Schloss h​abe sich n​eben der Gesandtschaft d​es Großfürsten Wassili III., n​ach denen d​er Moskoviterssal i​m Nordflügel benannt wurde, a​uch der junge Peter I., d​er Feldherr Suworow u​nd der spätere Führer d​es letzten großen Baueraufstandes v​on 1773, Jemeljan Pugatschow, aufgehalten. Das Schloss s​ei Schauplatz d​er Übergabe d​er Schlüssel d​er Stadt Königsberg n​ach ihrer Einnahme d​urch die russischen Truppen i​m Siebenjährigen Krieg gewesen u​nd hier h​abe der Prozess g​egen die deutschen Sozialdemokraten stattgefunden, d​ie halfen, d​ie Zeitung d​er russischen Sozialdemokraten Iskra n​ach Russland z​u transportieren“.[78]

Am 22. November 1965 teilte d​as Kulturministerium d​em Gebietsexekutivkomitee mit, „das Schloss s​ei nun d​och in d​ie Liste d​er vom Staat erhaltenen Denkmäler aufgenommen worden“.[79]

Die Neuplanungen d​es Stadtarchitekten Chodakowski v​on 1961 u​nd 1962 zeigen d​as Stadtzentrum Kaliningrads, m​it dem Westflügel d​es Schlosses u​nd Dom a​uf dem Kneiphof. Chodakowski s​ah diese beiden Gebäude a​ls historische Identifikationsmerkmale d​er Stadt an.[80][81][82][83]

1989/90 w​urde im Rahmen d​es Kaliningradgrazhdanproekt e​ine Denkmalschutzliste v​on Nawachilin erstellt. Zahlreiche historische Gebäude wurden restauriert.[84]

Funktionsträger (Stadtarchitekten u. a.)

Maximow und Nawachilin wollten das Schloss retten.

Für d​ie Architektur d​er Stadt verantwortlich s​ind Kaliningrader Chefarchitekten (russisch главный архитектор Калининграда/главным архитектором Калининграда, wiss. Transliteration glavnogo arhitektora Kaliningrada) s​owie Chefarchitekten d​er Gebietskommunalwirtschaft:

  • 1944–1945: Maximow. Seit Juni 1945 war Maximow dafür verantwortlich, eine Bestandsaufnahme der zerstörten Stadt Königsberg vorzunehmen und deren Rekonstruktion zu planen. Maximows Pläne und Entwürfe beeinflussten spätere Stadtplaner Kaliningrads, wie Dmitri Konstantinowitsch Nawalichin 1949, Michael Naumov 1954 sowie Vladimir Chodakovskij 1960. Maximow lebte bis 1968 in Kaliningrad.
  • 1946: P. Vladimir Timochin (russisch П. Владими́р Тимохин ), Chefarchitekt der Gebietskommunalwirtschaft. Timochin wollte die Altstadt zum Freilichtmuseum erklären.
  • 1947–1948: Dimitri Tjan (russisch Дмитрий Тьян), Hauptverantwortlicher für den Wiederaufbau, beschrieb den „deutsch-teutonischen Stil“[8] der Stadt Königsberg: „Die vorherrschenden Stile sind die Gotik, die modernisierte Gotik und die Gotik im Konstruktivismus … der vorherrschende Stil Königsbergs war eine simplifizierte Gotik oder richtig eine gotische Verkleidung“.[85]
  • 1948–1955: Dmitri Konstantinowitsch Nawalichin, Chefarchitekt. Von 1955 bis 1957 war er Leiter der Gebietsverwaltung. Sein Wiederaufbauplan von 1949 sah vor, das Königsberger Schloss wiederaufzubauen. GIPROGOR – das staatliche Institut für Stadtplanung (russisch «Гипрогор» – Государственный институт проектирования городов) lehnte die Rekonstruktion jedoch ab.
  • 1957–1958: K. Ja. Chrustalew (russisch Константи́нович Ярослав Хрусталев,[86] wiss. Transliteration K. Ja. Chrustalev), Stadtarchitekt. Er beklagte die Herrschaft der regionalen Bauherren, die das Stadtzentrum nicht mit Gebäuden im Stil des sozialistischen Klassizismus bebauen wollten. Die Bauherren waren die Werft, die Zellstofffabrik und die Waggonbaufabrik, die Gebäude für ihre Arbeiter in der Nähe der Arbeitsorte, aber nicht im historischen Zentrum bauten.[87] Er beschrieb seinem Artikel „Zastroim central'nye magistrali goroda“[88] den beklagenswerten Zustand des historischen Stadtzentrums. Der Artikel erschien in der Kaliningradskaja Pravda am 2. Oktober 1957. Chrustalew erklärte, „dass alle Städte ein historisch gewachsenes Zentrum mit hohen, schönen Häusern besäßen, von dem aus alle Teile der Stadt gut erreichbar seien. Königsberg habe alle diese Merkmale gehabt, Kaliningrad aber besitze gegenwärtig überhaupt kein Zentrum“.[88]
Stadtarchitektin Zelenkova versuchte das Postamt zu retten.
Stadtarchitekt Pokrovskij versuchte die Domruine zu sprengen.
  • 1958–1959: Natalja Alexandrowna Sehlenkowa (russisch Наталья Александровна Зеленкова, wiss. Transliteration Natalya Aleksandrovna Zelenkova), Stadtarchitektin. Sie regte an, das neogotische Postamt wiederaufzubauen und darin das Hauptpostamt unterzubringen.[89] Am 15. Mai 1959 erwähnte Sehlenkowa in einem Artikel für Kaliningradskaja Pravda das Stadtschloss nicht zu schleifen. Nachdem Sehlenkowa das Amt abgab, wurde das neogotische Postamt im Jahre 1960 gesprengt.
  • 1959–1961: Leonid Iljuchin (russisch Леони́д Илью́хин, wiss. Transliteration L. Iljuchin), Stadtarchitekt Kaliningrads. Er meinte 1960 in der Kaliningradskaja Pravda dass man Ruinen „im ursprünglichen Zustand wiederaufbauen, rekonstruieren“[90] könne.
  • 1961–1965: Wladimir Wassiljewitsch Chodakowski, Stadtarchitekt Kaliningrads. Er wollte das Königsberger Schloss als Volkshaus oder Haus des Friedens wiederaufbauen.[91] Leonid Breschnew selbst befürwortete die Sprengung, anschließend trat Chodakowski ab.
  • 1965–1967: Juri Pokrowski (russisch Юрий Покровский, wiss. Transliteration Jurij Pokrovskij) Stadtarchitekt Kaliningrads.[92][93] 1967 beschloss Pokrowski anstelle der Domruine ein zentrales Massengrab zu erstellen. Cygankov erklärte das Kant-Grab zu „einem der Ecksteine der marxistisch-leninistischen Lehre.“[94] Daraufhin wurden die Arbeiten zur Sprengung eingestellt.
  • 1980–1987: Eugene Alexejewitsch Popow (russisch Евгений Алексеевич Попов), (* 1939; † 1996)[95] Chefarchitekt Kaliningrads. War Direktor des Instituts Kaliningradgrazhdanproekt und entwarf das Café Olsztyn sowie das Hotel Kaliningrad, das Standesamt sowie die Kapelle an der Gedenkstätte am Deutschordensring.
  • 1990–1992: Sergej Benjaminowitsch Lebedichin (russisch Сергей Вениаминович Лебедихин; * 1944 in Swerdlowsk)[96] Chefarchitekt Kaliningrads. War Direktor des Instituts „Kaliningradgrazhdanproekt“ (1987–1990).
  • 1992–1998: Wassili Britan (russisch Василий Британ), Stadtarchitekt Kaliningrads.[97][98]
  • 1998–2002: Pawel Michailowitsch Gorbatsch (russisch Павел Михайлович Горбач), Stadtarchitekt Kaliningrads.[97][99] Gorbatsch restaurierte die Kirche der Heiligen Familie.
  • 2002–2006: Tatjana Lasarewna Kondakowa (russisch Татьяна Лазаревна Кондакова),[100] Stadtarchitekt Kaliningrads.[101][102]
  • 2006–2008: Alexander Baschin (russisch Александр Башин,[103] wiss. Transliteration Aleksandr Bašin), Stadtarchitekt Kaliningrads. Baschin entwickelte ein neues Projekt. Er wollte das alte Königsberg rekonstruieren, darunter das Alte Schloss. Unter Baschin wurden zur Jubiläumsfeier der Stadt historische Gebäude restauriert und rekonstruiert.[104]
  • ab 2008: Igor Alexandrowitsch Li (russisch Игорь Александрович Ли) (* 1955 in Taschkent),[105] Chefarchitekt Kaliningrads.
  • ab 2011: Oleg Kuperdyaev (russisch Олег Купердяев ),[106] Chefarchitekt Kaliningrads.
  • ab 2013: Wjatscheslaw Genne (russisch Вячеслав Генне),[107][108] Chefarchitekt Kaliningrads.
  • seit 2018 ist Andrej Anisimow (Андрей Анисимов) der Chefarchitekt von Kaliningrad.[109]

Literatur

  • Baldur Köster: Königsberg : Architektur aus deutscher Zeit. Im Anhang: Der Kneiphof. Heft VII. Die Bau- und Kunstdenkmäler in Königsberg. Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum 2000, OCLC 237377396.
  • Markus Podehl: Architektura Kaliningrada : wie aus Königsberg Kaliningrad wurde. (= Materialien zur Kunst, Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas. Band 1). Herder-Institut, Marburg 2012, ISBN 978-3-87969-375-7.
  • Bert Hoppe: Auf den Trümmern von Königsberg. Kaliningrad 1946–1970, München 2000.
  • Willi Scharloff: Königsberg – damals und heute: Bilder aus einer verbotenen Stadt. Rautenberg, Leer 1982.
  • Dimitri Konstantinowitsch Navalichin = Дмитрий Константинович Навалихин: K voprosu rekonstrukcii goroda Kaliningrada [Zur Frage des Wiederaufbaus der Stadt Kaliningrad][110] = К вопросу реконструкции города. Moskau 1954.
  • Dimitri Konstantinowitsch Navalichin = Дмитрий Константинович Навалихин: K voprosu rekonstrukcii centra goroda Kaliningrada [Zur Frage des Wiederaufbaus der Stadt Kaliningrad][110] = К вопросу реконструкции центра города. Moskau 1958.

Einzelnachweise

  1. Köster, Nr. 50, S. 118 f.
  2. Podehl, S. 381.
  3. vgl. Hoppe, S. 11.
  4. Hoppe, S. 13.
  5. Podehl, S. 85.
  6. vgl. Hoppe, S. 112.
  7. Hoppe, S. 55: „[…] das ehemalige Stadtzentrum soll so gelassen werden […], wie es jetzt ist, um es als Denkmal des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg 1941–1945 über den deutschen Faschismus zu erhalten.“
  8. Hoppe, S. 50.
  9. Hoppe, S. 48: „Die vorherrschenden Stile sind die Gotik [(Backsteingotik)], die modernisierte Gotik [(Neogotik)] und die Gotik im Konstruktivismus [(Expressionismus)] . … der vorherrschende Stil Königsbergs war eine simplifizierte Gotik oder richtig eine gotische Verkleidung“.
  10. vgl. Podehl, S. 84.
  11. Арсений Владимирович Максимов (1912; Петроград), архитектор russisch
  12. vgl. Podehl, S. 93.
  13. vgl. Podehl, S. 100.
  14. Sofern nicht anders ausgewiesen, folgt der Abschnitt Stadtarchitekt Nawalichin (1947–1955) und Wiederaufbau der Altstadt dem Werk von Podehl, ab S. 100: Planungen für Kaliningrad unter dem Stadtarchitekten Nachilin.
  15. Navichilin, S. 9.
  16. Hoppe, S. 76.
  17. Hoppe, S. 76, Anmerkung in der Fußnote 3: Gemeint ist der Platz des Sieges, der 1946 für kurze Zeit den Namen „Platz der drei Marschälle“ trug.
  18. vgl. Podehl, S. 88.
  19. Sofern nicht anders ausgewiesen, folgt der Abschnitt Der Nordwesten Kaliningrads dem Werk von Podehl, S. 128f: Der Westen Kaliningrads .
  20. Hoppe, S. 60.
  21. Podehl, S. 129ff.
  22. Scharloff, S. 148, 149
  23. Sofern nicht anders ausgewiesen, folgt der Abschnitt Stalingrader Prospekt dem Werk von Podehl, S. 138–165: Am Stalingrader Prospekt.
  24. Podehl, S. 163, Abb. 181.
  25. Podehl, S. 164, Abb. 182.
  26. Podehl, S. 136, Abb. 138 und 139.
  27. Podehl, S. 136.
  28. Podehl, S. 163.
  29. Podehl, S. 166, Abb. 184, Abb. 185, Abb. 186.
  30. Podehl, S. 170, Abb. 189, Abb. 193.
  31. Podehl, S. 170, Abb. 191.
  32. Podehl, S. 168, Abb. 187, Abb. 188.
  33. Podehl, S. 168, Abb. 190.
  34. Köster, Nr. 50, S. 118f.
  35. Köster, S. 14.
  36. vgl. Podehl, S. 382.
  37. Podehl, S. 382.
  38. Podehl, S. 212.
  39. Podehl, S. 214.
  40. Podehl, S. 214
  41. vgl. Köster, S. 16.
  42. Podehl, S. 385.
  43. Hoppe, S. 138.
  44. „Kaliningradski projektny institut graschdanskowo stroitelstwa, planirowki i sastroiki gorodow i posselkow; russisch Калининградский проектный институт гражданского строительства, планировки и застройки городов и поселков; dt.: Kaliningrader Projektierungsinstitut für ziviles Bauen und die Planung und Errichtung von Städten und Siedlungen“
  45. Podehl, S. 52.
  46. Podehl, S. 318.
  47. Podehl, S. 266–267.
  48. vgl. Podehl, S. 296.
  49. Podehl, S. 316–319
  50. Bild des Hotels Kaliningrad auf Kaliningrad.go2all.ru
  51. Hotel Kaliningrad auf forum.kenig.org
  52. Scharloff, S. 82.
  53. Podehl, S. 318–319
  54. Haus der Kommunikation (Дом связи) in Kaliningrad
  55. Haus der Kommunikation auf forum.kenig.org
  56. Podehl, S. 312
  57. Podehl, S. 314
  58. Bild des Cafés Olsztyn (Memento vom 9. Dezember 2015 im Internet Archive) auf selcdn.com
  59. Scharloff, S. 43.
  60. Podehl, S. 316
  61. Bild Kino Oktober (Memento vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive) auf venividi.ru
  62. Scharloff, S. 22.
  63. Podehl, S. 322–328
  64. Podehl, S. 322.
  65. Podehl, S. 328–329
  66. Podehl, S. 330–333
  67. Podehl, S. 329–330
  68. Scharloff, S. 71.
  69. Biographie Oleg Wadimovitsch Kopilow
  70. Podehl, S. 372
  71. vgl. Hoppe, S. 120.
  72. Fotografie – Vergleich Bismarck-Statue vor dem Schloss und Suworow-Büste auf dem Sockel der ehem. Bismarck-Statue vor dem Schloss auf fotki.yandex.ru
  73. Austausch deutscher Standbilder durch sowjetische Figuren auf fotki.yandex.ru
  74. Hoppe, S. 125.
  75. Hoppe, S. 119.
  76. Austausch deutscher Standbilder durch sowjetische Büsten auf ru-monument.livejournal.com
  77. Hoppe, S. 127–128.
  78. Hoppe, S. 136–137.
  79. Hoppe, S. 142.
  80. vgl. Podehl, S. 230: Abbildung 252: „Skizze zur Neuplanung des Stadtzentrums des Stadtarchitekten Chodakovskij von 1961“.
  81. vgl. Podehl, S. 231: Abbildung 253: „Skizze zur Neuplanung des Stadtzentrums des Stadtarchitekten Chodakovskij von 1962“.
  82. vgl. Podehl, S. 253.
  83. vgl. Hoppe, S. 127ff.
  84. vgl. Podehl, S. 363
  85. Hoppe, S. 48.
  86. К. Я. Хрусталев: который в то время занимал должность главного архитектора города. Übersetzung: Der Projektleiter wurde KY Chrustalew, der zu dieser Zeit als Chefarchitekt der Stadt tätig war.
  87. Hoppe, S. 81, 98.
  88. Hoppe, S. 103, Anmerkung in der Fußnote 117.
  89. Hoppe, S. 128.
  90. Hoppe, S. 102: L. Iljuchin: Protiv besplanovosti v zastrojke Kaliningrada. In: Kaliningradskaja Pravda, 2. Februar 1960. [Против Бесплановости разработке Калининграда = gegen die planlose Entwicklung Kaliningrads]
  91. Hoppe, S. 130.
  92. Podehl, S. 263.
  93. Hoppe, S. 145ff.
  94. Hoppe, S. 146.
  95. Eugene A. Popow auf gako2006.narod.ru
  96. Sergej Benjaminowitsch Lebedichin auf gako2006.narod.ru
  97. vgl. Köster, S. 9.
  98. Архитектор Василий Британ, в 1992–1998 годах являвшийся главным архитектором Калининграда, раскритиковал концепцию rugrad.eu
  99. Горбач Павел Михайлович (1942; Киевская обл. … мэрии Калининграда, главный архитектор Калининграда) (1998–2002) Pawel Michailowitsch Gorbatsch auf gako2006.narod.ru
  100. Tatjana Lasarewna Kondakowa auf gako2006.narod.ru
  101. Podehl, S. 368.
  102. Podehl, S. 310.
  103. Baschin Александр Башин покинул пост главного архитектора … с 2005 по 2008 годы, он работал главным архитектором Калининграда
  104. Podehl, S. 375f.
  105. Igor Alexandrowitsch Li auf gako2006.narod.ru
  106. Калининград, 31 Марта 2011, 09:05 — REGNUM Главным архитектором Калининграда стал Олег Купердяев, выигравший накануне муниципальный конкурс на замещение этой вакантной должности.
  107. В 2013 году Вячеслав Генне стал главным архитектором Калининграда
  108. Главным архитектором Калининграда стал Вячеслав Генне
  109. kaliningrad.kp.ru
  110. Podehl, S. 390.
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