André François-Poncet

André François-Poncet (* 13. Juni 1887 i​n Provins, Département Seine-et-Marne; † 8. Januar 1978 i​n Paris) w​ar ein französischer Germanist, Politiker u​nd Diplomat, Botschafter Frankreichs i​m Deutschen Reich (1931–1938) s​owie einziger französischer Hoher Kommissar i​n Deutschland v​on 1949 b​is 1955.

André François-Poncet
André François-Poncet (auf der untersten Stufe stehend) als Botschafter in Berlin, vor ihm Ministerpräsident Pierre Laval und Außenminister Aristide Briand, Oktober 1931
André François-Poncet (links) mit Erhard Milch, Aufnahme aus dem Jahr 1937

Leben und Werk

François-Poncet w​ar Sohn e​ines ehemaligen Richters a​m Pariser Appellationshof. Er besuchte Schulen i​n Meaux u​nd im badischen Offenburg s​owie die Pariser Lycéen Carnot u​nd Henri IV. Anschließend studierte e​r 1907 b​is 1910 Germanistik a​n der École normale supérieure s​owie in München, Heidelberg u​nd Berlin. Seine Dissertation schrieb e​r 1909 über Goethes Wahlverwandtschaften. Danach w​ar er Studienrat i​n Montpellier u​nd Dozent a​m Polytechnikum. Nachdem e​r als Reserveoffizier i​m Ersten Weltkrieg verwundet worden war, t​rat François-Poncet 1917 i​n den Dienst d​es französischen Außenministeriums u​nd kam a​ls Presseattaché n​ach Bern. Nach Kriegsende w​ar er a​ls Beobachter i​m besetzten Rheinland u​nd später i​n Berlin tätig.

François-Poncet war von 1928 bis 1931 Unterstaatssekretär für Unterricht, Kunst und Volkswirtschaft. Ab August 1931 bis 1938 vertrat er sein Land als Botschafter in Berlin. Poncet war eine der treibenden Persönlichkeiten, die sich für eine Wirtschaftsverständigung der deutschen und französischen Industrie einsetzten.[1] Nach Harry Graf Kessler war der Gedanke Poncets dabei, „daß die deutsche Schwerindustrie in der französischen Militärmacht eine Stütze gegen ihre Arbeiter finden könnte, um ihren Lebensstandard herunterzudrücken und billiger produzieren zu können.“[2] Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 betrieb er eine flexible Deutschlandpolitik, die zwischen Verständigung und Konfrontation schwankte. Auch dem NS-Staat wollte er ursprünglich eine kontrollierte Aufrüstung zugestehen. Als dieser Plan scheiterte, bemühte er sich um eine gegen Deutschland gerichtete Allianz. François-Poncet kehrte aber bald zu einer Verständigungspolitik zurück. Von ihr versprach er sich eine verbesserte Sicherheit Frankreichs. 1938 bis 1940 war er Botschafter im faschistischen Italien. In Rom versuchte er, über Benito Mussolini Einfluss auf Adolf Hitler zu nehmen.

1940 gehörte er kurzzeitig dem Nationalrat an und war nach der Niederlage Frankreichs ständiger Berater des Vichy-Regimes. Als Kolumnist im Le Figaro vertrat er in Vichy stets die Politik Pétains und verteidigte die Entwicklung Deutschlands während des Nationalsozialismus. Nach der deutschen Besetzung Vichy-Frankreichs (11. November 1942) wurde François-Poncet 1943 von den Deutschen verhaftet und auf Schloss Itter relativ komfortabel interniert.[3] Im Herbst 1943 wurde er in das Hotel Ifen in Hirschegg im Kleinen Walsertal verlegt. Bis Anfang Mai 1945 wurde er dort gefangen gehalten. Seine Erlebnisse schildert er in Carnets d'un Captif, die 1952 erschienen.

Nach d​em Zweiten Weltkrieg beriet François-Poncet a​b 1948 d​en französischen Militärgouverneur i​m besetzten Deutschland u​nd die französische Regierung. Von 1949 b​is 1955 arbeitete e​r als Hoher Kommissar seines Landes i​n der Bundesrepublik Deutschland, w​o er a​uf Schloss Ernich residierte. Nach Auflösung d​er Alliierten Hohen Kommission i​m Mai 1955 bekleidete e​r noch b​is September d​ie Funktion d​es Botschafters i​n Bonn.[4] Mitglied d​er Académie française (Fauteuil 18) w​ar er s​eit 1952; ferner v​on 1955 b​is 1967 Präsident d​es französischen Roten Kreuzes. Von 1955 b​is 1960 fungierte e​r als Präsident d​es französischen Rats d​er Europäischen Bewegung. Sein Sohn Jean François-Poncet w​urde unter Valéry Giscard d’Estaing v​on 1978 b​is 1981 französischer Außenminister.

Schriften (Auswahl)

  • Souvenirs d’une Ambassade à Berlin. Librairie Ernest Flammarion, Paris
    • Als Botschafter im „Dritten Reich“. Die Erinnerungen des französischen Botschafters in Berlin, September 1931 bis Oktober 1938. Übers. Erna Stübel. Florian Kupferberg, Mainz 1947
  • Carnets d’un captif. Librairie Arthème Fayard, Paris 1952
    • Tagebuch eines Gefangenen : Erinnerungen eines Jahrhundertzeugen. Hrsg. von Thomas Gayda. Aus dem Franz. von Barbara Sommer, Geneviève Unger-Forray. Berlin : Europa-Verlag, 2015
  • Der Weg von Versailles nach Potsdam. dt. 1964

Literatur

  • Hans Manfred Bock: Zur Perzeption der frühen Bundesrepublik Deutschland in der französischen Diplomatie: Die Bonner Monatsberichte des Hochkommissars André François-Poncet 1949 bis 1955. Francia, 15, 1987, S. 579–658
  • Claus W. Schäfer: André François-Poncet als Botschafter in Berlin (1931–1938). Oldenbourg, München 2004 ISBN 978-3-486-56844-8 perspectivia.net
  • Ein Zeuge tritt ab. In: Der Spiegel. Nr. 10, 1955 (online Biografie; Titelgeschichte).
  • Herr Hitler will den Frieden retten. Das doppelte Spiel Englands im Sommer 1939. In: Der Spiegel. Nr. 38, 1964 (online).
  • Jean-Marc Dreyfus (Hrsg.): Geheime Depeschen aus Berlin. Der französische Botschafter François-Poncet und der Nationalsozialismus. Deutsch von Birgit Lamerz-Beckschäfer. WBG, Darmstadt 2018, ISBN 978-3-534-26966-2.
Commons: André François-Poncet – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Guido Müller: Europäische Gesellschaftsbeziehungen nach dem Ersten Weltkrieg, Das Deutsch-Französische Studienkomitee und der Europäische Kulturbund, München 2005, S. 265.
  2. Harry Graf Kessler: Tagebücher 1918-1937. Komplettausgabe. Eintrag 9. Dezember 1931.
  3. Volker Koop: In Hitlers Hand. Sonder- und Ehrenhäftlinge der SS. Böhlau Verlag, Wien 2010, ISBN 978-3-412-20580-5, 295 Seiten.
    Augusta Léon-Jouhaux: Prison pour hommes d’État. Denoël/Gonthier, 1973.
  4. Helmut Vogt: Wächter der Bonner Republik. Die Alliierten Hohen Kommissare 1949–1955. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2004, ISBN 3-506-70139-8, S. 246–250
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