Altwürttemberg
Als Altwürttemberg bezeichnete man ab dem Reichsdeputationshauptschluss im Jahre 1803 das bisherige Herrschaftsgebiet Württembergs im Unterschied zu Neuwürttemberg, in dem die zahlreichen territorialen Zugewinne – vor allem östlich und südlich Altwürttembergs – zusammengefasst wurden.
Geographische Struktur
Altwürttemberg setzte sich aus denjenigen Gebieten zusammen, die bereits vor 1803 zum Herzogtum Württemberg gehört hatten und zeitgenössisch oft dem schwäbischen Dialekt gemäß als Wirtenberg (oder auch Wirtemberg) ausgesprochen und beschrieben wurde: Dazu zählten neben der vormaligen Grafschaft Württemberg in der Kernregion am Mittleren Neckar die hinzugewonnenen Grafschaften von Calw, Mömpelgard, Tübingen, Urach und Vaihingen, die Herrschaften Heidenheim und Teck, das erbliche Reichslehen Grüningen sowie zahlreiche kleinere Herrschaften und nicht zuletzt die vielen geistlichen Territorien, die die Herzöge Ulrich und Christoph im Zuge der Reformation säkularisiert und eingezogen hatten.
Unabhängige Inseln im württembergischen Territorium waren die Reichsstädte Heilbronn, Esslingen am Neckar, Weil der Stadt, Reutlingen und das gebietsreiche (siehe gleichnamiges Adelsgeschlecht) Ulm am Südostrand sowie einige weltliche Herrschaften, deren Orte auf Georg Gadners Übersichtskarte von 1596 als rote Punkte markiert sind. Bis 1803 war Württemberg eines der wenigen protestantischen Territorien, die im Schwäbischen Reichskreis Sitz und Stimme hatten.
Politische Struktur
Seit 1477 gab es in Württemberg bereits eine Universität in Tübingen. Ihr Gründer, Graf Eberhard im Bart, wurde 1495 zum Herzog erhoben. Nach dem Aufstand des Armen Konrads trat 1514 der Tübinger Vertrag in Kraft, der die Verfasstheit Württembergs jahrhundertelang prägen sollte. So hatte das Herzogtum bis 1805 eine von Bürgertum und „Prälaten“ geprägte Ständeversammlung, die die Rechte und Fiskalpolitik des Herzogs einschränkte,[1] jedoch seit der Reformation keinen ständisch organisierten Adel mehr, weil die ehemals landsässigen Adelsgeschlechter weitgehend katholisch geblieben waren, sich dem Kaiser direkt unterstellt hatten und sich als Reichsritter nicht mehr dem württembergischen Herzog verpflichtet sahen.[2]
Von 1803 bis zur endgültigen Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806 gab es kurzzeitig einen eigenständigen Staat Neuwürttemberg mit Regierungssitz in Ellwangen, in dem die Landstände bzw. die Ständeversammlung Altwürttembergs keine Mitspracherechte hatten. Beide Staaten regierte der Kurfürst und Herzog Friedrich I. von Württemberg in Personalunion, bis er diese dank Napoleon zum Königreich Württemberg zusammenfassen und dabei die lästige Ständeverfassung Altwürttembergs „staatsstreichartig“ aufheben konnte.[3] Die politische Differenzierung in Alt- und Neuwürttemberg war von nun an hinfällig, wurde gelegentlich aber noch zur regionalen Abgrenzung genutzt.
So stand Altwürttemberg im 20. Jahrhundert Pate bei der Benennung des Stromversorgers Kraftwerk Altwürttemberg AG (KAWAG) und der von Karl Joos gegründeten Bezirksbaugenossenschaft Altwürttemberg eG. Als Altwürttemberger wurde außerdem eine heute vom Aussterben bedrohte Pferderasse bezeichnet.
Literatur
- Walter Grube: Stände in Württemberg. In: Von der Ständeversammlung zum demokratischen Parlament. Theiss, Stuttgart 1982, S. 31–50
- Wolfgang von Hippel: Wirtschafts- und Sozialgeschichte. In: Meinrad Schaab, Hansmartin Schwarzmaier (Hrsg.) u. a.: Handbuch der baden-württembergischen Geschichte. Band 3: Vom Ende des alten Reiches bis zum Ende der Monarchien. Hrsg. im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Klett-Cotta, Stuttgart 1992, ISBN 3-608-91467-6, S. 486, 519, 722.
- Bernhard Mann: Württemberg 1800 bis 1866. In: Meinrad Schaab, Hansmartin Schwarzmaier (Hrsg.) u. a.: Handbuch der baden-württembergischen Geschichte. Band 3: Vom Ende des alten Reiches bis zum Ende der Monarchien. Hrsg. im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Klett-Cotta, Stuttgart 1992, ISBN 3-608-91467-6, S. 241 f., 246–251, 254–256, 265–266, 269–275, 287, 295, 330.
- Dieter Mertens: Württemberg. In: Meinrad Schaab, Hansmartin Schwarzmaier (Hrsg.) u. a.: Handbuch der baden-württembergischen Geschichte. Band 2: Die Territorien im alten Reich. Hrsg. im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Klett-Cotta, Stuttgart 1995, ISBN 3-608-91466-8, S. 1–163.
Einzelnachweise
- Walter Grube: Stände in Württemberg. In: Von der Ständeversammlung zum demokratischen Parlament. Theiss, Stuttgart 1982, S. 40ff
- Zitat aus LeoBW: „1560 gab sich die Ritterschaft in Schwaben eine Ordnung, die im folgenden Jahr vom Kaiser bestätigt, aber erst allmählich von allen Rittern angenommen wurde, als sich herausstellte, dass die großen Territorien Württemberg und Pfalz ihren Vasallen deswegen nicht die Lehen entziehen würden. Damit war der letzte Schritt zur Herauslösung der Ritterschaft aus diesen beiden Territorien eingeleitet.“
- Walter Grube: Stände in Württemberg. In: Von der Ständeversammlung zum demokratischen Parlament. Theiss, Stuttgart 1982, S. 49f.