Algebraische Geometrie

Die algebraische Geometrie ist ein Teilgebiet der Mathematik, das die abstrakte Algebra, insbesondere das Studium von kommutativen Ringen, mit der Geometrie verknüpft. Sie lässt sich kurz als das Studium der Nullstellengebilde algebraischer Gleichungen beschreiben.

Geometrische Strukturen als Menge von Nullstellen

Sphäre und der „gekippte“ Kreis

In der algebraischen Geometrie werden geometrische Strukturen als Menge von Nullstellen einer Menge von Polynomen definiert. Zum Beispiel lässt sich die zweidimensionale Einheitssphäre im dreidimensionalen euklidischen Raum als die Menge aller Punkte definieren, für die gilt:

.

Ein „gekippter“ Kreis im kann definiert werden als die Menge aller Punkte , die folgende zwei Polynombedingungen erfüllen:

Affine Varietäten

Ist allgemein ein Körper und eine Menge von Polynomen in Variablen mit Koeffizienten in , dann ist die Nullstellenmenge definiert als diejenige Teilmenge von , die aus den gemeinsamen Nullstellen der Polynome in besteht. Eine solche Nullstellenmenge wird als affine Varietät bezeichnet. Die affinen Varietäten definieren eine Topologie auf , die so genannte Zariski-Topologie. Als eine Konsequenz des Hilbertschen Basissatzes kann jede Varietät durch nur endlich viele Polynomgleichungen definiert werden. Eine Varietät heißt irreduzibel, wenn sie nicht die Vereinigung zweier echter abgeschlossener Teilmengen ist. Es stellt sich heraus, dass eine Varietät genau dann irreduzibel ist, wenn die Polynome, die sie definieren, ein Primideal des Polynomrings erzeugen. Die Korrespondenz zwischen Varietäten und Idealen ist ein zentrales Thema der algebraischen Geometrie. Man kann geradezu ein Wörterbuch zwischen geometrischen Begriffen, wie Varietät, irreduzibel usw., und algebraischen Begriffen, wie Ideal, Primideal usw., angeben.

Zu jeder Varietät kann man einen kommutativen Ring assoziieren, den so genannten Koordinatenring. Er besteht aus allen Polynomfunktionen, die auf der Varietät definiert sind. Die Primideale dieses Rings stehen in Korrespondenz zu den irreduziblen Untervarietäten von ; wenn algebraisch abgeschlossen ist, was üblicherweise angenommen wird, dann entsprechen die Punkte von den maximalen Idealen des Koordinatenrings (Hilbertscher Nullstellensatz).

Projektiver Raum

Statt im affinen Raum zu arbeiten, geht man typischerweise zum projektiven Raum über. Der Hauptvorteil besteht dabei darin, dass sich die Anzahl der Schnittpunkte zweier Varietäten dann leicht mit Hilfe des Satzes von Bézout bestimmen lässt.

In d​er modernen Sicht w​ird die Korrespondenz zwischen Varietäten u​nd ihren Koordinatenringen umgekehrt: Man g​eht von e​inem beliebigen kommutativen Ring a​us und definiert e​ine dazugehörende Varietät mithilfe i​hrer Primideale. Aus d​en Primidealen w​ird zunächst e​in topologischer Raum konstruiert, d​as Spektrum d​es Rings. In d​er allgemeinsten Formulierung führt d​ies zu Alexander Grothendiecks Schemata.

Eine wichtige Klasse von Varietäten sind die abelschen Varietäten. Dies sind projektive Varietäten, deren Punkte eine abelsche Gruppe bilden. Die typischen Beispiele hierfür sind elliptische Kurven, die eine wichtige Rolle im Beweis vom Großen Fermatschen Satz spielen. Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet ist die Kryptographie mit elliptischen Kurven.

Algorithmische Berechnungen

Während i​n der algebraischen Geometrie l​ange Zeit v​or allem abstrakte Aussagen über d​ie Struktur v​on Varietäten getroffen worden sind, wurden jüngst algorithmische Techniken entwickelt, d​ie das effiziente Rechnen m​it Polynomidealen erlauben. Das wichtigste Hilfsmittel s​ind die Gröbnerbasen, d​ie in d​en meisten heutigen Computeralgebrasystemen implementiert sind.

Geschichtlicher Überblick

Die algebraische Geometrie wurde in weiten Teilen von den italienischen Geometern des frühen zwanzigsten Jahrhundert entwickelt. Ihre Arbeit war tiefgreifend, stand aber nicht auf einer ausreichend strengen Basis. Die kommutative Algebra (als das Studium kommutativer Ringe und ihrer Ideale) wurde von David Hilbert, Emmy Noether und anderen ebenfalls zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelt. Dabei hatten sie bereits die geometrischen Anwendungen im Sinn. In den 1930ern und 1940ern stellte André Weil fest, dass die algebraische Geometrie auf eine strenge Basis gestellt werden musste, und entwickelte eine entsprechende Theorie. In den 1950ern und 1960ern überarbeiteten Jean-Pierre Serre und speziell Alexander Grothendieck diese Grundlagen unter der Verwendung von Garben und später unter der Verwendung der Schemata. Heute gibt es viele recht unterschiedliche Teilgebiete der algebraischen Geometrie, auf der einen Seite die abstrakte Theorie in der Nachfolge von Grothendieck, auf der anderen Seite Gebiete, in denen Kombinatorik und diskrete Mathematik zum Einsatz kommen, wie etwa die torische Geometrie oder die tropische Geometrie.

Beispiele affiner Varietäten

Literatur

  • Karl-Heinz Fieseler, Ludger Kaup: Algebraische Geometrie. Grundlagen. Heldermann Verlag, Lemgo 2005, ISBN 3-88538-113-3.
  • Alexander Grothendieck: Eléments de géométrie algébrique. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 1971, ISBN 0-387-05113-9.
  • Robin Hartshorne: Algebraic Geometry. Springer-Verlag, New York/Berlin/Heidelberg 1977, ISBN 3-540-90244-9.
  • Klaus Hulek: Elementare Algebraische Geometrie. Vieweg/Teubner, 2012, ISBN 978-3-8348-2348-9
  • Ernst Kunz: Einführung in die algebraische Geometrie. Vieweg, Braunschweig/Wiesbaden 1997, ISBN 3-528-07287-3.
  • Igor Shafarevich: Basic algebraic geometry. Springer-Verlag, Heidelberg 1994, ISBN 3-540-54812-2.
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