Actinomycetales
Die Actinomycetales bilden eine Ordnung von Bakterien innerhalb der Klasse der Actinobacteria. Die Actinomycetales sind grampositiv und haben einen hohen GC-Gehalt. Der Anteil dieser Nukleinbasen Guanin und Cytosin in der DNA wird für die Unterteilung (Taxonomie) grampositiver Bakterien in die zwei Klassen Actinobacteria und Firmicutes herangezogen. Letztere haben im Gegensatz zu den Actinobacteria einen niedrigen GC-Gehalt.
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Actinomyces naeslundii | ||||||||||
Systematik | ||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||
Actinomycetales | ||||||||||
Buchanan 1917 emend. Zhi u. a. 2009 |
Bakterien dieser Ordnung wurden früher als Actinomycetes, deutsch Strahlenpilze bezeichnet, da man sie auf Grund ihrer teilweise ausgedehnten Mycelien als Pilze betrachtete. Einige Familien sind sehr artenreich und spielen in der Natur eine wichtige Rolle, andere sind für Menschen und Tiere pathogen.
Merkmale
Viele Vertreter der Actinomycetales sind aerob (z. B. die Gattungen Arthrobacter, Corynebacterium, Micrococcus, Mycobacterium, Nocardia, Streptomyces), es kommen aber auch Arten vor, die fakultativ anaerob oder strikt anaerob wachsen. Viele Actinomycetales bilden Sporen. Ein wichtiges Merkmal vieler Actinomycetales ist die Bildung von Filamenten. Diese lang gestreckten und verzweigten Zellen bilden Geflechte, die auch als Myzel bezeichnet werden. Der Name Aktinomyzeten (Strahlenpilze) bezieht sich auf die strahlige Struktur der knolligen Kolonien pathogener Actinomyces-Arten im Gewebe von befallenen Tieren.[1]
Die Bildung von Myzelien ist u. a. typisch für die Gattungen Streptomyces, Nocardia und Actinomyces. Dabei lässt sich, wie bei den Pilzen, zwischen Luftmyzel und Substratmyzel unterscheiden. Das Substratmyzel entwickelt sich im Nährmedium, während das Luftmyzel aus Zellen gebildet wird, die in den Gasraum oberhalb des Nährmediums wachsen und häufig Sporen bilden.[1] Die filamentösen Zellen der fakultativ anaeroben Gattung Dermatophilus teilen sich quer und in mehreren Ebenen, dabei entstehen Anhäufungen (Cluster) von kokkenförmigen, beweglichen Zellen. Ein Luftmyzel wird nicht gebildet.[2]
Nicht alle Arten bilden Myzelien, teilweise treten die Geflechte nur in bestimmten Wachstumsphasen auf. So ist z. B. die Art Mycobacterium bovis mehr oder weniger stäbchenförmig, Arthrobacter bildet kokken- oder auch stäbchenförmige Zellen. Für die keulenförmige Gestalt der Zellen von Corynebacterium und verwandten Bakterien ist die Bezeichnung Coryneforme geläufig.[1]
Die Actinomycetales können (neben der taxonomischen Einteilung) je nach Merkmal in verschiedene Gruppen aufgeteilt werden. Eine Möglichkeit ist die Aufteilung in obligat aerobe (oxidative Aktinomyzeten) und Arten, die in der Lage sind, auch ohne Sauerstoff durch einen fermentativen Stoffwechsel, also anaerob zu wachsen. Letztere findet man hauptsächlich in der Familie der Actinomycetaceae, z. B. die Gattungen Actinomyces und Arcanobacterium. Die fakultativ Anaeroben bewohnen hauptsächlich Schleimhäute von Tieren und Menschen, während die obligat Aeroben meist in der freien Umwelt vorkommen.
Bedeutung
In der Humanmedizin spielen nur wenige Vertreter (im Verhältnis zu der Gesamtzahl der Arten) eine wichtige Rolle, die meisten Arten sind nicht krankheitserregend (apathogen). Einige Arten (z. B. die der Gattungen Streptomyces und Amycolatopsis) können für die Herstellung von Antibiotika genutzt werden. Zu den pathogenen Arten zählen beispielsweise die der Gattungen Actinomyces (Actinomycetaceae, Verursacher von Aktinomykosen), und Nocardia (Nocardiaceae, Auslöser von Nocardiosen).
Die Gattung Mycobacterium enthält unter anderem die Erreger der Tuberkulose (v. a. Mycobacterium tuberculosis) und der Erreger der Lepra, Mycobacterium leprae. Der Erreger der Diphtherie ist Corynebacterium diphtheriae. Micrococcus-Arten finden sich in Untersuchungsmaterialien menschlicher und tierischer Herkunft entweder als Kontaminanten, Kommensalen oder in seltenen Fällen (z. B. bei Abwehrgeschwächten) auch als Infektionserreger.
Weitere, mehr oder weniger schwach pathogene Gattungen und Arten sind von medizinischer Bedeutung: Mobiluncus (Actinomycetaceae) bei Vaginose, Propionibacterium (Propionibacteriaceae) bei Endokarditis, Rhodococcus equi (Nocardiaceae) bei Infektionen der Atemwege, Corynebacterium xerosis (Corynebacteriaceae) bei Endokarditis, Tsukamurella (Tsukamurellaceae) bei Meningitis.
Dermatophilus congolensis aus der Familie der Dermatophilaceae verursacht Dermatophilose (Regenräude), eine akute Hautentzündung bei Rindern, Schafen, Pferden und gelegentlich auch beim Menschen.
Zu den apathogenen, ökologisch wichtigen Vertretern zählt z. B. die Gattung Frankia, ein Stickstofffixierer, der mit Pflanzen – z. B. mit Erlen – eine Symbiose eingeht. Frankia liefert der Pflanze Stickstoffverbindungen, im Gegenzug profitiert das Bakterium von den von der Pflanze produzierten Nährstoffen. Frankia ist aerob. Ebenfalls von ökologischer Bedeutung ist Cellulomonas, Vertreter dieser Gattung können Cellulose verwerten und sind damit am Abbau von totem Pflanzenmaterial beteiligt. Nocardia-Arten sind im Boden zu finden, wo sie zahlreiche organische Verbindungen abbauen, die von den meisten Bakterien nicht verwertet werden können, wie z. B. Kohlenwasserstoffe.[2]
Systematik
Äußere Systematik
Die sehr artenreiche Ordnung Actinomycetales bildet zusammen mit der Ordnung Bifidobacteriales die Unterklasse Actinobacteridae, eine von mehreren Unterklassen in der Klasse Actinobacteria im Phylum Actinobacteria.[3] Wichtige Vertreter für die Humanmedizin sind in den zwei Ordnungen der Bifidobacteriales und Actinomycetales zu finden.
Die Ordnung Actinomycetales Buchanan et al. 1917 emend. Zhi et al. 2009 ist die Typusordnung der Unterklasse Actinobacteridae. Die Gattung Actinomyces ist die Typusgattung der Ordnung.[4]
Innere Systematik
Neben einigen nicht sicher eingeordneten Isolaten zählen zu der Ordnung Actinomycetales folgende Unterordnungen und Familien (Stand 2013):[3]
- Unterordnung Actinomycineae Stackebrandt et al. 1997
- Unterordnung Actinopolysporineae Zhi et al. 2009
- Actinopolysporaceae
- Unterordnung Catenulisporineae Cavaletti et al. 2006
- Actinospicaceae – Catenulisporaceae
- Unterordnung Corynebacterineae Stackebrandt et al. 1997
- Corynebacteriaceae – Dietziaceae – Gordoniaceae (siehe Anmerkung 1) – Mycobacteriaceae – Nocardiaceae (siehe Anmerkung 1) – Segniliparaceae – Tsukamurellaceae – „Williamsiaceae“ (siehe Anmerkung 2)
- Unterordnung Frankineae Stackebrandt et al. 1997
- Acidothermaceae – Cryptosporangiaceae – Frankiaceae – Geodermatophilaceae – Nakamurellaceae – Sporichthyaceae
- Unterordnung Glycomycineae Rainey et al. 1997
- Glycomycetaceae
- Unterordnung Jiangellineae Tang et al. 2011
- Jiangellaceae
- Unterordnung Kineosporiineae Zhi et al. 2009
- Kineosporiaceae
- Unterordnung Micrococcineae Stackebrandt et al. 1997
- Beutenbergiaceae – Bogoriellaceae – Brevibacteriaceae – Cellulomonadaceae – Demequinaceae – Dermabacteraceae – Dermacoccaceae – Dermatophilaceae – Intrasporangiaceae – Jonesiaceae – Microbacteriaceae – Micrococcaceae (siehe Anmerkung 3) – Promicromonosporaceae – Rarobacteraceae – Ruaniaceae – Sanguibacteraceae
- Unterordnung Micromonosporineae Stackebrandt et al. 1997
- Micromonosporaceae
- Unterordnung Propionibacterineae Rainey et al. 1997
- Nocardioidaceae – Propionibacteriaceae
- Unterordnung Pseudonocardineae Stackebrandt et al. 1997
- Actinosynnemataceae (siehe Anmerkung 4) – Pseudonocardiaceae (siehe Anmerkung 4)
- Unterordnung Streptomycineae Rainey et al. 1997
- Unterordnung Streptosporangineae Ward-Rainey et al. 1997
- Nocardiopsaceae – Streptosporangiaceae – Thermomonosporaceae
Anmerkungen
- 2009 wurde vorgeschlagen, die Familien Gordoniaceae und Nocardiaceae zu der erweiterten Familie Nocardiaceae zu kombinieren.[5]
- Seit 1999 wurden mehrere neue Bakterienarten entdeckt, die der neu beschriebenen Gattung Williamsia zugeordnet wurden. Nach der gültigen Systematik der Bakterien gehört diese Gattung zur Familie Nocardiaceae,[5] in anderen Quellen wird sie zu der neuen Familie Williamsiaceae gezählt.[6]
- Die zu Beginn des 21. Jahrhunderts neu entdeckten Vertreter der 2008 etablierten Familie Yaniellaceae sind nach Untersuchungen von 2011 allesamt Vertreter der Familie der Micrococcaceae und werden dort als neue Gattungen Yaniella und Enteractinococcus geführt.[7]
- 2011 wurde vorgeschlagen, die Familien Actinosynnemataceae und Pseudonocardiaceae zu der erweiterten Familie Pseudonocardiaceae zu kombinieren.[8]
Etymologie
Der Gattungsname und somit auch der Ordnungsname (mit dem dafür üblichen Suffix -ales) lässt sich auf das Aussehen der Bakterien zurückführen (altgriechisch aktinos, „Strahlen“ und altgriechisch mukês, „Pilz“).[4] Actinomyces kann also mit Strahlenpilz übersetzt werden, denn bei an Aktinomykose erkrankten Rindern bilden sich im Gewebe sogenannte Drusen, diese haben eine strahlenartige Struktur. Die äußere Ähnlichkeit der Bakterienkulturen mit den von Pilzen gebildeten Myzelien führte dazu, dass man sie anfangs für Pilze hielt.[1]
Auswahl einiger Gattungen
Quellen
Literatur
- Martin Dworkin, Stanley Falkow, Eugene Rosenberg, Karl-Heinz Schleifer, Erko Stackebrandt (Hrsg.): The Prokaryotes. A Handbook on the Biology of Bacteria. 3. Auflage. Band 3: Archaea. Bacteria: Firmicutes, Actinomycetes. Springer-Verlag, New York 2006, ISBN 0-387-30743-5, doi:10.1007/0-387-30743-5.
- Werner Köhler (Hrsg.) Medizinische Mikrobiologie. 8. Auflage, München / Jena 2001, ISBN 978-3-437-41640-8.
- Fritz H. Kayser (Hrsg.): Taschenlehrbuch medizinische Mikrobiologie. Thieme, Stuttgart 2005, ISBN 3-13-444811-4.
Einzelnachweise
- Hans G. Schlegel, Christiane Zaborosch: Allgemeine Mikrobiologie. 7. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart/New York 1992, ISBN 3-13-444607-3, S. 101–108.
- Michael T. Madigan, John M. Martinko, Jack Parker: Brock Mikrobiologie. Deutsche Übersetzung herausgegeben von Werner Goebel, 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg/Berlin 2000, ISBN 978-3-8274-0566-1, S. 572–582.
- Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Phylum „Actinobacteria“. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Abgerufen am 19. Dezember 2013.
- Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Order Actinomycetales. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Abgerufen am 20. Dezember 2013.
- X. Y. Zhi, W. J. Li, E. Stackebrandt: An update of the structure and 16S rRNA gene sequence-based definition of higher ranks of the class Actinobacteria, with the proposal of two new suborders and four new families and emended descriptions of the existing higher taxa. In: International journal of systematic and evolutionary microbiology. Band 59, Nr. 3, März 2009, S. 589–608, ISSN 1466-5026. doi:10.1099/ijs.0.65780-0. PMID 19244447.
- Taxonomy Browser Williamsiaceae. In: Webseite des National Center for Biotechnology Information (NCBI). Abgerufen am 20. Dezember 2013.
- A. F. Yassin, H. Hupfer, C. Siering, H. P. Klenk, P. Schumann: Auritidibacter ignavus gen. nov., sp. nov., of the family Micrococcaceae isolated from an ear swab of a man with otitis externa, transfer of the members of the family Yaniellaceae Li et al. 2008 to the family Micrococcaceae and emended description of the suborder Micrococcineae. In: International journal of systematic and evolutionary microbiology. Band 61, Nr. 2, Februar 2011, S. 223–230, ISSN 1466-5034. doi:10.1099/ijs.0.019786-0. PMID 20190019.
- D. P. Labeda, M. Goodfellow, J. Chun, X. Y. Zhi, W. J. Li: Reassessment of the systematics of the suborder Pseudonocardineae: transfer of the genera within the family Actinosynnemataceae Labeda and Kroppenstedt 2000 emend. Zhi et al. 2009 into an emended family Pseudonocardiaceae Embley et al. 1989 emend. Zhi et al. 2009. In: International journal of systematic and evolutionary microbiology. Band 61, Nr. 6, Juni 2011, S. 1259–1264, ISSN 1466-5034. doi:10.1099/ijs.0.024984-0. PMID 20601483.