Zuckersteuer
Die Zuckersteuer ist eine Verbrauchsteuer auf Zucker und zuckerhaltige Lebensmittel.
Geschichte
Zucker war ein kostbares Genussmittel, das in Mitteleuropa bis in die Neuzeit nur für reiche und adelige Leute zur Verfügung stand. Dieser Rohrzucker wurde daher auch „Weißes Gold“ genannt. Erst mit der industriellen Zuckerherstellung aus der Zuckerrübe konnte Zucker ab 1801 zu einem beliebten Lebensmittel für die breiten Massen werden. Damit war es aus Sicht des Staates ein ergiebiger und auch geeigneter Gegenstand der Besteuerung. Demnach handelte es sich nicht um eine Luxussteuer.
1840 wurde der Würfelzucker von Jacob Christoph Rad erfunden und 1841 das erste Zuckersteuergesetz in Preußen erlassen. Mit der Rohstoffsteuer wurden sowohl der Import von Rohzucker aus Übersee, als auch der heimische mit Zuckerrüben hergestellte Zucker besteuert. Später wurde die Steuer in eine reine Verbrauchsteuer umgewandelt. Faktisch handelte es sich bei dieser als Fabrikatsteuer erhobenen Abgabe um eine Art der Steuersubvention für zuckerproduzierende deutsche Großgrundbesitzer. Bemessungsgrundlage der Steuer war die angenommene durchschnittliche Zuckerausbeute aus den Rüben. Der weitaus größte Teil des in Deutschland produzierten Zuckers wurde exportiert, die Steuer wurde in diesem Fall in Höhe der tatsächlich exportierten Zuckermenge erstattet. Weil die reale Zuckerausbeute immer größer als die angenommene und besteuerte war, erhielten die Exporteure größere Beträge erstattet als sie zuvor als Steuer entrichtet hatten. Sie überschwemmten den Weltmarkt mit ihrem Zucker.[1]
In anderen Ländern (zum Beispiel England) wurde die Steuer nur auf den Import von Zucker erhoben. In diesen Fällen war die Steuererhebung einfach, weil sie lediglich auf dem Weg der Verzollung eingeführten Zuckers erfolgte. Als 1874 in England die Zuckersteuer abgeschafft wurde, stieg der Pro-Kopf-Zuckerverbrauch von 23 kg (1873) auf 31 kg (1880).
In den meisten anderen Ländern, die selbst Zucker produzierten, variierte der Gegenstand der Besteuerung. In Frankreich und Russland wurde die Steuer auf das fertige Endprodukt erhoben, in Belgien auf das halbfertige Produkt, also die Menge des produzierten Rübensaftes. In Deutschland schließlich wurde die Menge der gelieferten Zuckerrüben besteuert, die genaue Bezeichnung der Steuer war also Rübenzuckersteuer.
Aktuelles
Die Weltgesundheitsorganisation rät Regierungen, zuckerhaltige Getränke mit einer Sondersteuer von mindestens 20 Prozent zu belegen. Die Abgabe könne zu einem spürbaren Rückgang des Zuckerkonsums führen. Im Ergebnis würden weniger Menschen an Übergewicht, Fettleibigkeit, Zuckerkrankheit oder Karies leiden.[2][3] Entsprechende Steuern wurden bereits von Polen,[4] Frankreich, Ungarn, Finnland, Mexiko eingeführt.[5] Mit denselben Argumenten wird auch eine Fettsteuer diskutiert oder eine gemeinsame Besteuerung von fett- und zuckerhaltigen Lebensmitteln. Im Gegensatz zu Abgaben auf Fett und Zucker zielt eine diskutierte Fleischsteuer nicht hauptsächlich auf den Gesundheitsschutz, sondern primär auf eine nachhaltigere Landwirtschaft mit einem geringeren Flächenverbrauch, der Gesundheitsschutz ist hier ein Nebenaspekt.
Deutschland
Die Zuckersteuer wurde in Deutschland im Hinblick auf den EG-Binnenmarkt zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zum 1. Januar 1993 abgeschafft.[6]
Mit Aussagen wie „Zucker macht krank“[7] und „es gibt keinen Bedarf, Zucker ... als Lebensmittel aufzunehmen“[8] werben Krankenkassen-Fachleute und die Nicht-Regierungs-Organisation Foodwatch für die Wiedereinführung der Zuckersteuer in Deutschland und werden dabei von Mitgliedern des Bundestags-Gesundheitsausschusses unterstützt.[9][10] Auch die Zukunftskommission Landwirtschaft empfiehlt in ihrem 2021 erschienenen Abschlussbericht eine Abgabe auf Zucker.[11]
Großbritannien
Seit April 2018 gilt in Großbritannien eine Zuckersteuer für zuckerhaltige Getränke mit Ausnahme von Fruchtsäften, Getränken auf Milchbasis und den Produkten sehr kleiner Unternehmen. Getränke mit mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter werden mit einer Abgabe von 18 Pence pro Liter belegt. Softdrinks mit mehr als acht Gramm Zucker pro 100 Milliliter werden mit 24 Pence pro Liter besteuert.
Die Einführung der Steuer wurde im Haushaltsplan vom März 2016 angekündigt. Zweck der Steuer ist die Bekämpfung der Fettleibigkeit bei Kindern.[12] Dies soll auf zwei Wegen geschehen: Die Produzenten sollen Anreize bekommen den Zuckergehalt der Getränke zu senken, und Konsumenten sollen zuckerärmere Getränke bevorzugen.[13] Die Steuereinnahmen sollen in den Ausbau von Sportanlagen und Sportprogrammen in Schulen fließen.[14][15]
Es wird geschätzt, dass die Kosten im staatlichen Gesundheitssystem (National Health Service) für Adipositas-bedingte Erkrankungen 5,1 Milliarden Pfund pro Jahr (Stand 2015) betragen. Zusammen mit den Ausgaben bezüglich Diabetes ergibt sich ein Betrag, der die Ausgaben für Polizei, Feuerwehr und Justizsystem übersteigt.[13]
In den Jahren 2015–2018 ging die Gesamtmenge des mit zuckerhaltigen Getränken verkauften Zuckers um 29 % zurück. Die Reduktion ließ sich zu knapp drei Vierteln auf die Verringerung des Zuckeranteils in den Getränken zurückführen – viele Unternehmen reduzierten die Zuckermenge in ihren Getränken um 15 % und mehr – und zu etwas mehr als einem Viertel auf ein verändertes Kaufverhalten. Die Veränderungen werden zu einem Gutteil der Zuckersteuer zugeschrieben.[16]
Irland
Ab April 2018 gilt in Irland eine Zuckersteuer von 20 Cent pro Liter für Getränke mit mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter. Für Getränke mit mehr als acht Gramm Zucker pro 100 Milliliter gilt eine Zuckersteuer von 30 Cent.[17][18]
Schweiz
Eine Standesinitiative des Kantons Neuenburg über eine Zuckersteuer in der Schweiz wurde 2018/19 vom Parlament abgelehnt.[19] Aktuell diskutiert der Grosse Rat des Kantons Neuenburg über eine Kantonale Zuckersteuer. Eine Standesinitiative des Kantons Genf zur Einführung einer nationalen Zuckersteuer ist ebenfalls pendent im Parlament. Im Ständerat wurde die Standesinitiative unter Verweis auf freiwillige Massnahmen durch die Industrie einstimmig abgelehnt.
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) setzt seit 2015 mit der Erklärung von Mailand auf freiwillige Zuckerreduktion bei den Lebensmittelherstellern. Gemäss der IG Erfrischungsgetränke reduzieren die Hersteller den Zuckergehalt seit Jahren freiwillig.
Fanta und Orangina enthalten heute in der Schweiz mehr als doppelt so viel Zucker wie in Großbritannien.[20][21]
Siehe auch
Literatur
- Zuckersteuer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 16, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 982.
Weblinks
- Countries that have taxes on sugar-sweetened beverages (SSBs). Obesity Evidence Hub.
Einzelnachweise
- Andreas Musil: Steuern und Zölle als Mittel zur Steuerung sozialer und wirtschaftlicher Prozesse im 20. Jahrhundert. In: Der Staat. Band 47, Nr. 3, 2007, S. 423–424, JSTOR:43747623.
- WHO fordert: Limo und Cola müssen teurer werden, Süddeutsche Zeitung, 11. Oktober 2016
- WHO urges global action to curtail consumption and health impacts of sugary drinks, World Health Organization (WHO), 11. Oktober 2016
- Ungesund wird teuer Polen führt Sondersteuer für Zucker-Getränke ein. In: Hamburger Morgenpost. 27. August 2020, abgerufen am 22. März 2020.
- Fragen, Antworten von Berit Uhlmann: Was würde eine Zuckersteuer bewirken? In: sueddeutsche.de. 2016, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 3. November 2017]).
- Abgeschaffte und ausgelaufene Steuern, Manager Magazin, 5. Dezember 2002
- Zu viel Zucker macht die Deutschen krank, Der Tagesspiegel, 23. März 2015
- foodwatch kritisiert Informationspolitik der Bundesregierung zum Thema Zucker, Foodwatch, 1. November 2016
- Krankenkassenchef für Zuckersteuer, Handelsblatt, 29. Dezember 2016
- Wegen Diabetes und Übergewicht: CDU- und SPD-Politiker fordern Zuckersteuer, Huffington Post, 24. August 2016
- Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe - Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft. Zukunftskommission Landwirtschaft, August 2021, abgerufen am 16. Oktober 2021.
- Budget 2016. (PDF) HM Treasury, abgerufen am 7. April 2018 (englisch).
- Childhood Obesity: A Plan for Action. (PDF) HM Government, August 2016, abgerufen am 7. April 2018 (englisch).
- ÖKO-TEST Verlag, Patrick Junker: Zuckersteuer: Großbritannien führt Abgabe auf Getränke ein. Abgerufen am 30. März 2018.
- New sugar tax confirmed in fight to combat rising obesity. In: The Independent. 8. März 2017 (englisch, independent.co.uk [abgerufen am 30. März 2018]).
- Amount of sugar sold in soft drinks drops by 29% in the UK. University of Oxford, Nuffield Department of Primary Care Health Sciences, 13. Januar 2020, abgerufen am 19. Oktober 2021.
- Rónán Duffy: We now know exactly when the sugar tax is coming in. In: TheJournal.ie. 8. Februar 2018 (englisch, thejournal.ie [abgerufen am 30. März 2018]).
- Sugar tax will be introduced on April 6. In: RTE.ie. 8. Februar 2018 (englisch, rte.ie [abgerufen am 30. März 2018]).
- 17.308 | Für ein Bundesgesetz über zuckerhaltige Produkte und für einen beschränkten Zugang zu Nahrungsmitteln mit hohem Energiegehalt. In: parlament.ch. Abgerufen am 30. Oktober 2019.
- Lars Gotsch: Fanta & Co. - Das süssere Leben in der Schweiz. In: srf.ch. 19. September 2018, abgerufen am 30. Oktober 2019.
- Brigitte Wenger, Amanda Arroyo: Weniger Zucker - Ein Würfel – viele Interessen. In: srf.ch. 29. Oktober 2019, abgerufen am 30. Oktober 2019.