Übergewicht
Als Übergewicht wird ein hohes Körpergewicht (bzw. eine große Körpermasse) im Verhältnis zur Körpergröße bezeichnet. Im engeren Sinne ist damit nur die sogenannte Präadipositas gemeint, im Gegensatz zum schweren Übergewicht, der Fettleibigkeit oder Adipositas. Das medizinische Fachgebiet, das sich mit dem Übergewicht beschäftigt, ist die Bariatrie.
Begriffsbestimmung
Definitionen
Übergewicht kann auf verschiedene Arten definiert werden, siehe dazu Berechnungsformeln. Durch die unterschiedlichen Erfassungsmethoden ist die Einstufung einer Person als „übergewichtig“ nicht immer eindeutig.
Körperfettverteilung
In wissenschaftlichen Studien konnte gezeigt werden, dass das „innere Bauchfett“ (Fett im Bauchraum, auch Viszeralfett) im direkten Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen steht. Eine Messung des Bauchumfangs gilt als einfachste Möglichkeit, um die Menge des Fettes im Bauchraum zu bestimmen. Ein Bauchumfang über 88 cm bei Frauen bzw. über 102 cm bei Männern weist auf ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin.
Verbreitung
Die Häufigkeit von Übergewicht nimmt weltweit in allen Ländern zu.[4]
Übergewicht tritt gehäuft in Industrieländern auf, wo nur noch wenige Menschen harte körperliche Arbeit verrichten und Nahrung im Überfluss vorhanden ist, und wird dabei aufgrund des modernen Schlankheitsideals als unästhetisch empfunden.
Die höchsten Zuwachsraten Übergewichtiger an der Gesamtbevölkerung, insbesondere jugendlicher Übergewichtiger in der Altersgruppe, werden jedoch nicht in den gewachsenen Industrienationen erreicht, sondern in den Schwellenländern. Demzufolge ist zu vermuten, dass die globale Übergewichtsexplosion erst noch der nächsten Generation vorbehalten ist.
Allgemein
Rund zwei Drittel der Männer und rund die Hälfte der Frauen in Deutschland sind übergewichtig.
Bei den folgenden Daten ist von Übergewicht inklusive Adipositas die Rede, das heißt, es sind alle Personen mit einem BMI ab 25 aufwärts gemeint. Das Vorkommen von Adipositas allein (nur BMI ≥ 30) ist gegebenenfalls in runden Klammern angefügt (wenn also der Anteil des Übergewichts mit 20 % angegeben ist und der der Adipositas mit 5 %, dann haben 20 % − 5 % = 15 % der Leute einen BMI von 25–30.).
Zum Vorkommen (Prävalenz) von Übergewicht gibt es nach Aussage des Robert Koch-Institutes (RKI) in Deutschland Daten, die auf körperlichen Untersuchungen basieren: Sowohl im Bundes-Gesundheitssurvey 1998 als auch im DEGS 2008/11 wurde bei 67,1 % der Männer und bei 53,0 % der Frauen ein BMI ab 25 aufwärts gemessen. Allerdings hat sich zwischen diesen beiden Untersuchungssurveys der Anteil der adipösen Übergewichtigen (BMI ≥ 30) erhöht (Männer: 18,9 % zu 23,3 %; Frauen: 22,5 % zu 23,9 %).[5]
Aus Umfragen gewonnene Daten liegen niedriger, da sich die Befragten oft etwas größer und etwas leichter einschätzen, als sie es tatsächlich sind. Bei der im Jahr 2003 erhobenen Mikrozensus-Zusatzerhebung des Statistischen Bundesamtes hatten 57,7 % der Männer und 41,2 % der Frauen ab 18 Jahren einen BMI von 25 oder höher. In der Folgeerhebung 2009 waren es 60,1 % der Männer und 42,9 % der Frauen.[6]
Die Daten des telefonischen Gesundheitssurveys 2003 wurden mit einem Korrekturfaktor zum Ausgleich der Selbsteinschätzung („größer/leichter“) hochgerechnet und kamen damit auf Werte, die den gemessenen sehr nahekommen.[7] In dieser Analyse lag der Anteil der deutschen Erwachsenen mit einem BMI größer als 25 (30) kg/m² bei 65,8 % (17,1 %) für Männer und 52,1 % (19,0 %) für Frauen. Im Durchschnitt sind demnach 58,8 % (18,1 %) aller deutschen Erwachsenen übergewichtig (bzw. adipös).
Der Anteil der Übergewichtigen nimmt stetig mit dem Alter zu. Bei den Männern ist Übergewicht in der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen am meisten verbreitet, bei den Frauen in der Altersgruppe der 70- bis 79-Jährigen.[8][5]
Außerdem korreliert die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas mit der Schulbildung: Mit steigender Bildung sinkt der Anteil der Übergewichtigen. Das trifft besonders auf Frauen zu.[9]
Bei Kindern
Das Robert Koch-Institut hat von 2003 bis 2006 die Studie Kinder- und Jugendgesundheitsumfrage (KiGGS) zur Untersuchung des Gesundheitszustandes von Kindern und Jugendlichen durchgeführt.[10] Aufgrund der kindesspezifischen Altersentwicklung und der damit erzwungenen Variabilität des BMI wurde Übergewicht als das Überschreiten des 90. Perzentils und Adipositas als das Überschreiten des 97. Perzentils einer Referenzpopulation von 1985–1999 definiert.[11] Nach dieser Definition sind in der KiGGS-Population 15,0 % der Kinder in Deutschland im Alter von 3–17 Jahren übergewichtig und 6,3 % leiden an Adipositas. Insgesamt hat sich der Anteil übergewichtiger Jugendlicher (14–17 Jahre) zu Kleinkindern (3–6 Jahre) verdoppelt (17,1 % zu 9,2 %), der Anteil der adipösen Kinder hat sich fast verdreifacht (von 2,9 % zu 8,5 %) und liegt mit dem Anteil der übergewichtigen Kinder gleichauf (8,6 %).
Alter | Jungen | Mädchen | ||
---|---|---|---|---|
in Jahren | % übergewichtig | % adipös | % übergewichtig | % adipös |
3–6 | 6,4 | 2,5 | 6,0 | 3,3 |
7–10 | 8,9 | 7,0 | 9,0 | 5,7 |
11–13 | 11,3 | 7,0 | 11,6 | 7,3 |
14–17 | 9,0 | 8,2 | 8,1 | 8,9 |
alle (3–17) | 8,8 | 6,3 | 8,5 | 6,4 |
Legt man die Referenzdaten von 1985–1999 zugrunde, dann ist insbesondere eine markante Zunahme ab Schuleintritt (im Alter von 6–7 Jahren) festzustellen. Es gibt weiterhin keine geschlechtsspezifischen Unterschiede; eine höhere Wahrscheinlichkeit übergewichtig zu sein, besteht bei einem niedrigen sozialen Status (Arbeitslosigkeit, Arbeiter und Migranten) und bei übergewichtigen Müttern.
Internationale Vergleiche sind teilweise schwierig, da unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden; z. B. wird von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA das 85. Perzentil (Übergewicht) bzw. das 95. Perzentil (Adipositas) verwendet.
In Europa
Die Süddeutsche Zeitung, Der Spiegel und andere Medien erregten im Jahr 2007 Aufsehen mit der Behauptung, dass die deutsche Bevölkerung in der EU eine führende Rolle beim Übergewicht einnehme.[14][15] Die Daten basieren auf einer Zusammenstellung verschiedener Datenquellen, die von der International Association for the Study of Obesity am 23. April 2007 veröffentlicht wurden.[16] Diese Daten weisen jedoch erhebliche Defizite auf und sind zum quantitativen Vergleich der europäischen Länder ungeeignet. Daten aus der Schweiz, Ungarn und der Slowakei stammen von 1992, während die Daten aus Frankreich und Österreich von 2005/2006 stammen. Es gibt keine einheitlichen Erhebungsmethoden, die Daten sind nach eigenen Angaben der Zusammenstellung nicht altersstandardisiert und die Quelle der Daten ist nicht angegeben. So werden hier unter anderem Umfragedaten mit Messdaten vermischt sowie die Gruppe der 18- bis 25-Jährigen weggelassen, die einen wesentlich geringeren Anteil an Übergewichtigen aufweist.[17]
Nach einem Bericht des Bundeslandes Berlin in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission von 2010 sind 59,7 % der Bundesbürger übergewichtig. Hier nehmen die Deutschen, nach den Briten, den „zweiten Rang“ in Europa ein.[18] Briten sind zu zwei Drittel übergewichtig.[19]
In der Schweiz lag im Jahr 2017 die Quote der Übergewichtigen bei rund 40 %.[20]
Insgesamt kann man sagen, dass länderübergreifende Vergleiche äußerst schwierig und „mit Vorsicht zu genießen“ sind.
Vereinigte Staaten: Verbreitung nach Familienstand
In einer 2007 veröffentlichten Längsschnittstudie über 5 Jahre mit 8000 Menschen inklusive 1200 Paaren im Alter zwischen 12 und 28 Jahren zeigte sich, dass neu verheiratete Frauen und Männer deutlich mehr Gewicht zulegten als Paare, die zusammenlebten, aber nicht heirateten. Am geringsten waren die Gewichtszunahmen bei Singles. Eine Autorin der Studie schließt daraus, dass die Ehe den Anreiz reduziere, schlank zu bleiben.[21]
Faktoren
Risikofaktoren sind hauptsächlich:
- Überernährung
- Bewegungsmangel (und damit geringer Energieverbrauch)
- Befriedigungsverhalten (Naschen)
- hoher Fructose-Anteil stimuliert die Einlagerung von Fetten
Weitere Ursachen können sein:
- psychologische Faktoren (z. B. Depressionen, Essstörung, z. B. Binge Eating)
- Nebenwirkung von Medikamenten wie z. B. bei Kortison oder einiger Psychopharmaka wie manche Antidepressiva, Neuroleptika und Phasenprophylaktika.[22][23]
- Stoffwechselstörungen
- Schlafmangel und Nachtarbeit[24]
Verstärkt werden diese Ursachen durch Werbung für energiereiche Nahrungs- und Genussmittel: Alkoholika, Süßigkeiten, Fette, Fertiggerichte, Fastfood, Naschereien, Knabberartikel. WHO und EU wollen dies durch Werbebeschränkungen eingrenzen, besonders in der Jugendwerbung.
Es wirken immer genetische und andere Faktoren lebenslang gleichzeitig, sie stellen keinesfalls alternative Wirkweisen dar.
Ein Hinweis auf eine genetisch bedingte Begünstigung von Übergewicht findet sich in Untersuchungen an getrennt aufgewachsenen Zwillingen („Zwillingsforschung“). Die untersuchten Zwillinge ähnelten in ihren Gewichtsmerkmalen eher ihren leiblichen Eltern als ihren Adoptiveltern. Andere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass genetische Defekte zu einer verminderten Ausschüttung des Hormons Leptin führen können, welches eine wichtige Rolle bei der Regulation des Hungergefühls spielt.[25]
Entscheidend (und einzige beeinflussbare Faktoren) sind die gesellschaftlichen Verhältnisse, die individuellen Lebensverhältnisse, das persönliche Essverhalten und die Bewegungsgewohnheiten. Der Anteil und das Ausmaß des Übergewichtes in verschiedenen Bevölkerungen haben mit der Verfügbarkeit von Nahrung enorm zugenommen, ohne dass entsprechende genetische Veränderungen in diesem Zeitraum möglich waren. Ein Einfluss der Lebensverhältnisse auf das Auftreten von Adipositas kann in jedem Fall gefunden werden.
Für die Ausbreitung des Phänomens „Übergewicht“ sind im Wesentlichen zwei Veränderungen gesellschaftlicher Lebensumstände verantwortlich:
- Sehr wesentlich ist die immer währende und kostengünstige Verfügbarkeit insbesondere von (stark verarbeiteten) Lebensmitteln mit hohem physiologischem Brennwert. Diese dauernde Verfügbarkeit wird insbesondere durch eine Lebensmittelindustrie mitverursacht, welche durch Lobbyismus regelmäßig eine schärfere Regulation ungesunder Nahrungsmittel (etwa durch Verbote oder Steuererhöhungen für sehr zuckerhaltige Getränke) verhindert.[4]
- Die verringerte körperliche Aktivität (Berufsarbeit meist körperlich nicht mehr so belastend, z. B. durch Zunahme der Bildschirmarbeit, in der Freizeit hoher Fernsehkonsum) ist verantwortlich dafür, dass wir einen geringeren Energieverbrauch haben. Die Auswirkungen gelten natürlich für jedes Individuum in unterschiedlichem Maße. Global betrifft es besonders die jetzt heranwachsende Jugend. Die ansteigende Fettleibigkeit der Jugend ist sowohl ein Resultat der hyperkalorischen Ernährung wie auch der zunehmenden Bewegungsarmut. Es wird also mehr Energie verzehrt als benötigt wird.
Nach einer Studie[26] des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung, die an Mäusen durchgeführt wurde, besteht ein Zusammenhang zwischen dem Konsum von Fruchtzucker (Fructose) und Übergewicht, der nicht auf einer vermehrten Kalorienaufnahme beruht, sondern auf einer Beeinflussung des Fett- und Kohlenhydratstoffwechsels. In der Tat konnte auch in einer Untersuchung an Menschen gezeigt werden, dass Fructose vom Körper sehr viel schneller in Körperfett umgewandelt wird als Traubenzucker (Glucose).[27] Die Ergebnisse dieser Studie weisen auch darauf hin, dass eine Fructoseaufnahme die Lipogenese (Fettsynthese) stimuliert und die Einlagerung von Fetten aus der Nahrung steigert.
Dass Nachtarbeit und Schlafmangel zu Übergewicht führen kann, wird zumindest teilweise auf eine Störung des Insulinhaushalts zurückgeführt: in Tierversuchen wurde nachgewiesen, dass Störungen der inneren Uhr bei den Versuchstieren zu Insulinresistenz führte.[24]
Faktoren bei Kindern
Risikofaktoren, die im Rahmen der Studie Kinder- und Jugendgesundheitsumfrage (KiGGS) des Robert Koch-Instituts erwähnt wurden und einer weiteren Untersuchung bedürfen:
- genetische Faktoren (elterliches Übergewicht)
- hohes Geburtsgewicht
- Schlafmangel
- geringe körperliche Aktivität
- lange Zeiten vor Fernseher und Computer
- Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft
- übermäßig kalorienreiche Ernährung
- psychische Faktoren
Systemische Faktoren
Einer Expertenkommission zum Thema Übergewicht zufolge ist die Hauptursache für Übergewicht nicht etwa individuelles Risikoverhalten (wie Überernährung und Bewegungsmangel). Vielmehr sei die weltweite Zunahme von Übergewicht auf systemische, gesamtgesellschaftliche Probleme zurückzuführen. Die Kommission sieht Übergewicht als globales Problem („global syndemic“) an, welches durch die Trägheit der Politik („political inertia“) hervorgerufen werde. Grundlegende Ursache dieses Problems sei demzufolge eine mangelhafte Regierungsführung („inadequate political leadership and governance“), die Opposition mächtiger wirtschaftlicher Interessengruppen (insb. Lebensmittelindustrie) sowie mangelnder Forderungen nach fundamentalen Veränderung dieser Strukturen von Seiten der Zivilgesellschaft. Es seien diese gesellschaftlichen Einflussfaktoren, welche individuelles Risikoverhalten erst ermöglichen bzw. begünstigen.[28]
Medizinische Perspektive: Häufig beobachtete Folgeerkrankungen
Inzwischen gibt es deutliche Belege, dass bereits Präadipositas ein Gesundheitsrisiko für eine gesunde und nie rauchende Teilpopulation darstellt. Noch vor wenigen Jahren wurden Untersuchungen, etwa der Centers for Disease Control and Prevention, viel beachtet, die zeigen, dass Übergewichtige eine höhere Lebenserwartung als Normalgewichtige hätten.[29] Das Adipositas-Paradoxon sorgte weltweit für Aufsehen. Eine häufig zitierte Metaanalyse kommt zu dem Schluss, dass für die Gesamtbevölkerung erst ab einem BMI von 35 eine erhöhte Sterblichkeit gegenüber dem Normalgewicht bestehe.[30]
Eine andere Position nimmt die bislang umfassendste, 2016 veröffentlichte Studienauswertung ein, der zufolge bereits bei einem BMI oberhalb 25 die Risiken für koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, Atemwegserkrankungen und Krebs allesamt erhöht sind und mit jedem weiteren Kilo weiter ansteigen. Das „Adipositas-Paradoxon“; die populäre These vom „gesunden Übergewicht“ könne darauf beruhen, dass nicht berücksichtigt wurde, dass einige chronische Krankheiten sowie Rauchen das Gewicht senken, aber das Sterberisiko steigern (im Sinne einer umgekehrten Kausalität) und somit statistisch den Scheineffekt, Übergewicht sei gesundheitsförderlich, erzeugen.[31]
Die CDC warnten 2019 nach wie vor vor negativen Folgen bei Fettleibigkeit (BMI > 30), nicht jedoch schon bei Übergewicht, halten aber an der Bezeichnung „Übergewicht“ (englisch overweight) für den BMI-Bereich 25.0–29.9 und „Normalgewicht oder gesundes Gewicht“ (normal or healthy weight) für den BMI-Bereich 18.5–24.9 fest.[32]
Bekannt ist, dass nicht nur das Ausmaß des Übergewichts, sondern auch die Verteilung des Fettgewebes (Taille-Hüft-Verhältnis) das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen beeinflusst. So hat die International Diabetes Federation im Jahr 2005 einen erhöhten Bauchumfang als eines der Kriterien für die Diagnostizierung des Metabolischen Syndroms festgelegt.[33]
Folgen von Übergewicht können sein:[34][35]
- Kardiovaskuläre Erkrankungen
- Typ 2 Diabetes mellitus
- Tumorerkrankungen
- Metabolisches Syndrom
- Nichtalkoholische Fettlebererkrankung
- Hormonelle Störungen
- Intertrigo, Striae
- ungünstiger Verlauf der Herzinsuffizienz
- reaktive Depression und soziale Probleme
- Gingivitis und Parodontitis
Des Weiteren können auftreten:
- Gelenkschäden (v. a. Kniegelenk) durch erhöhte mechanische Belastung
- frühzeitiger Verschleiß der Wirbelsäule (Osteochondrosis intervertebralis)
- verminderte Zeugungsfähigkeit bei Männern. Eine Zunahme von 3 kg/m² (entspricht etwa 9 kg bei durchschnittlicher Körpergröße) zur Referenz von einem BMI von 20 bis 22 kg/m² erhöht die Wahrscheinlichkeit von Unfruchtbarkeit um etwa 10 %.[36][37]
Übergewicht kann nicht nur psychologisch verursacht sein, sondern kann auch psychosoziale Folgeerkrankungen nach sich ziehen: Vielfach fühlen sich Betroffene ausgegrenzt, oder sie grenzen sich sozial aus. Es ist ein Teufelskreis: Um sich nicht mit Fettleibigkeit in Badekleidung zu präsentieren, wird beispielsweise weniger (Schwimm-)Sport getrieben.
Bekämpfung individuellen und massenhaften Übergewichts
Einsichten aus Medizin und Ernährungswissenschaft
Unzählige Bücher, Zeitschriften, Fernsehsendungen und Websites sind mit dem Thema, wie Übergewicht am effizientesten bekämpft werden kann, befasst. Häufige Ratschläge sind intensive sportliche Betätigung sowie eine Umstellung der Ernährung (Diät). Die Ansichten darüber, welche Ernährung die richtige sei, unterschieden sich allerdings von Autor zu Autor. Kritiker bemängeln hierzu, dass – besonders bei ausgefallenen Diäten wie Atkins-Diät und Rohkost – eine ohne ärztliche Aufsicht durchgeführte Diät ein Gesundheitsrisiko birgt.
Hauptsächlich bei schwerem Übergewicht eingesetzt werden nichtinvasive Hilfsmittel wie medikamentöse Appetitzügler oder Medikamente (z. B. Orlistat) oder Medizinprodukte (Fettbinder im Verdauungstrakt, z. B. L112), die die Fettaufnahme verringern sollen, oder chirurgische Eingriffe, bei denen das Körperfett entfernt oder der Magen (durch Resektion, Shunt) verkleinert oder das Magenvolumen (durch Ballon oder Ring) verringert wird.
Falls das Übergewicht auf ein krankhaft gestörtes Essverhalten (z. B. Binge Eating) zurückzuführen ist, haben medizinische Maßnahmen gegen Übergewicht als reine Symptombekämpfung wenig Sinn, wenn nicht gleichzeitig die Essstörung auf psychologischem Weg therapiert wird. Eine mögliche Hilfe stellen Selbsthilfegruppen dar.
Da insbesondere die Reduktion von Kohlenhydraten zu einer Verbesserung sämtlicher kardio-vaskulärer Risikofaktoren beiträgt,[38] scheinen insbesondere Ernährungsformen mit hohem Fett-Anteil und niedrigem Kohlenhydrat-Anteil (sog. Low-Carb High-Fat Diäten) effektiv auch zur langfristigen Gewichtsreduktion zu sein.[39][40][41][42][43][44][45] Auch diverse Meta-Studien unterstreichen die Wirksamkeit Kohlenhydrat-reduzierter Ernährungsformen.
Eine kürzlich durchgeführte Meta-Analyse, welche ausschließlich randomisierte kontrollierte Studien (vom 1. Januar 1980 bis 28. Februar 2005) berücksichtigt und nach der Cochrane Studie[46][47] veröffentlicht wurde, konnte zeigen, dass kohlenhydratarme, nicht-kalorisch-restriktive Diäten wenigstens so effektiv sind wie fettreduzierte kalorisch-restriktive Diäten für den Gewichtsverlust im Rahmen eines Jahres. Dennoch sollte abgewägt werden, ob gewünschte positive Veränderungen an Triglyceriden und HDL-Cholesterin gegenüber der möglicherweise verschlechternden LDL-Cholesterinwerte wünschenswert sind.[48]
Eine weitere aktuellere Studie (Januar 2000 bis März 2007), welche Low-Carb mit Low-Fat Diäten verglich, zeigte, dass Gewicht, HDL, Triglyceride und systolischer Blutdruck sich signifikant besser entwickelten in den Gruppen, die eine Low-Carb Diät befolgten. Außerdem war die Abbrecherquote bei den Low-Fat-Gruppen höher. Die Autoren schließen auf eine bessere Wirksamkeit von Low-Carb-Diäten für die Gewichtsreduzierung.[49]
Eine Meta-Analyse aus dem American Journal of Clinical Nutrition aus 2013 vergleicht Low-Carb-, mediterrane, vegane, vegetarische, niedrig-glykämischer index-, ballaststoff- und proteinreiche Diäten mit Kontroll-Diäten. Die Autoren folgerten, dass Low-Carb-, Mediterrane, niedrig-glykämischer index- und proteinreiche Diäten wirksam sind, um kardiovaskuläre Risikofaktoren zu verbessern.[50]
Speziell auf Kinder zugeschnitten
Krankenkassen und Schulen bieten in Folge der Studie Kinder- und Jugendgesundheitsumfrage (KiGGS) des Robert Koch-Instituts vermehrt Programme an, damit Familien ihre Lebensweise umstellen, z. B.:
- regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten mit Obst, Gemüse, Ballaststoffen (ohne Fett, Weißmehl und Zucker)
- viel gemeinsame Bewegung und Sport
Die Kinder zum Wassertrinken in der Schule zu animieren half in der Studie „Trinkfit – mach mit!“, den Trend zum Übergewicht abzuschwächen.[51][52]
Zugleich mehren sich jedoch auch kritische Stimmen. Ein Zusammenhang von kindlichem oder jugendlichem Übergewicht und Folgeerkrankungen ist nicht belegt. Es kann auch (bislang) kein Zusammenhang von kindlicher und erwachsener Fettleibigkeit bewiesen werden: Nicht jedes pummelige oder dicke Kind wird auch ein dicker Erwachsener.
Maßnahmen von Seiten der Politik
Die Bundesregierung hat in Deutschland 2007 die Aktion „Gesunde Ernährung und Bewegung“ gestartet. Ziel ist, die 37 Millionen übergewichtigen oder adipösen Erwachsenen und 2 Millionen Kinder in Deutschland zu einem gesünderen Ernährungs- und Bewegungsverhalten zu bewegen und dadurch die Verbreitung von Übergewicht nachhaltig zu verringern. Im Zuge der Debatte wurde von einigen Politikern eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes für Süßigkeiten auf 19 % gefordert.[53] Der damalige Verbraucherschutzminister Horst Seehofer lehnte eine höhere Mehrwertsteuer für Süßigkeiten jedoch ab.[54]
Im Jahre 2008 hat das Bundeskabinett den Nationalen Aktionsplan IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung verabschiedet. Dieser ersetzt die Aktion Gesunde Ernährung und Bewegung und hat eine Laufzeit bis 2020.
Kulturelle und sozialpsychologische Perspektive
Übergewichtigen Personen werden in unterschiedlichen Kulturen oft jeweils bestimmte Persönlichkeits- und Charaktereigenschaften zugeschrieben. In den Vereinigten Staaten z. B. wird Dicken stereotyp oft ein Mangel an Selbstdisziplin und Ordentlichkeit zugeschrieben.[55] Wie alle Stereotype sind solche Zuschreibungen falsch und werden durch empirische Untersuchungen nicht bestätigt. Im Englischen hat sich für Vorurteile, die auf solchen Stereotypen basieren, der Ausdruck Anti-fat bias („Anti-Dicken-Wahrnehmungsverzerrung“) eingebürgert.[56] Dabei diskriminieren Dickenstereotype die Betroffenen nicht nur, sondern führen insbesondere bei übergewichtigen Kindern auch zu einem Phänomen, für das Claude Steele und Joshua Aronson 1995 den Ausdruck Stereotype threat („Bedrohung durch Stereotype“) geprägt haben.[57] So können übergewichtige Kinder, weil sie in bestimmten Altersphasen für die Erwartungen ihrer Peers hochempfänglich sind, z. B. verminderte Schulleistungen bringen, nur weil sie das Gefühl haben, dies werde von ihnen erwartet.[58]
Weblinks
- Literatur von und über Übergewicht im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Deutschen Adipositas-Gesellschaft DAG Website, abgerufen am 3. Oktober 2011
- Adipositas Offizielles Fachorgan der DAG, Schattauer-Verlag, abgerufen am 3. Oktober 2011
- AdipositasSpektrum Nachrichten der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, LinguaMed Verlags-GmbH, abgerufen am 3. Oktober 2011
- Übergewicht, Adipositas Darstellung einzelner Studien 2007–2010, Forum Gesundheitspolitik, abgerufen am 3. Oktober 2011
- Übergewicht – nur Veranlagung? (Memento vom 30. November 2010 im Internet Archive) Studienübersicht von 1995, Vereine für unabhängige Gesundheitsberatung, abgerufen am 3. Oktober 2011
- International Association for the Study of Obesity (IASO)
- Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), abgerufen am 19. April 2021
- Dicke Kinder – dünne Daten bild der wissenschaft, 2/2009, abgerufen am 8. September 2019
Einzelnachweise
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- DEGS-Symposium „Gemessen und gefragt – die Gesundheit der Deutschen unter der Lupe“: Übergewicht und Adipositas in Deutschland: Werden wir immer dicker? Folie 6–9. (PDF) Robert Koch-Institut, abgerufen am 16. August 2012.
- Tabellen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Statistisches Bundesamt, abgerufen am 16. August 2012.
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