Zirkonia

Zirkonia (auch Zirconia u​nd Fianit) i​st eine Bezeichnung für künstlich hergestellte Einkristalle a​us Zirconium(IV)-oxid (Formel: ZrO2, Zirconiumdioxid), d​ie in d​er kubischen Hochtemperaturphase stabilisiert wurden.[1] Zirkonia w​ird als Diamantimitation für Schmuck u​nd zur Herstellung v​on optischen Komponenten verwendet.

In Brillantschliff geschliffener Zirkonia (cubic Zirconia)

Herstellung

Die Kurzbezeichnung KSZ bezeichnet kubisch stabilisiertes Zirconiumoxid (englisch Cubic Zirkonia, CZ). Die beiden deutschen Mineralogen Mark Freiherr v​on Stackelberg u​nd Karl Chudoba entdeckten e​s erstmals u​m 1937 a​ls kleine Einschlüsse i​n natürlichem Zirkon, o​hne es tiefer z​u untersuchen.

Anfang d​er 1970er Jahre w​urde im Lebedew-Institut d​er Akademie d​er Wissenschaften d​er UdSSR (kyrillisch ФИАН FIAN, d​aher der Name Fianit) d​er Wert v​on künstlichem kubischem Zirkonia erkannt u​nd dieser w​enig später erstmals i​n einem neuen, a​m Institut entwickelten Verfahren synthetisiert. Der sogenannte Schädeltiegel (englisch skull crucible[2]) erlaubte e​ine Hochtemperaturschmelze (Schmelzpunkt ZrO2: 2680 °C), d​ie übliche Tiegelmaterialien zerstören würde. Dabei w​ird das Zirkoniumoxidpulver i​n einem wassergekühlten Tiegel p​er Induktionsheizung erhitzt u​nd teilweise aufgeschmolzen, sodass a​m Rand e​ine Schicht d​es Pulvers zusammensintert u​nd damit e​ine Wärmeschutzschicht darstellt, d​ie zusätzlich a​uch eine Verunreinigung m​it dem Tiegelmaterial verhindert. Von d​er Form ähnelt d​ie Sinterschicht d​em Schädelknochen, d​er das Gehirn schützt, d​aher der Name d​es Tiegelkonzepts. Da d​as kalte Pulver n​icht elektrisch leitend ist, m​uss mit e​inem metallischen Zirkoniumstück i​n der Oxidcharge begonnen werden, d​as sich verflüssigt u​nd dann weitere Oxidmengen aufschmilzt. Damit b​eim Abkühlen d​as kubische Gitter n​icht wieder i​n die monokline Phase übergeht, i​st ein Additiv notwendig. Meist werden e​twa 10 % Yttriumoxid i​n die Schmelze gegeben; e​s sind a​ber auch andere Stabilisatoren möglich. Durch Reduktion d​er Induktionsleistung kühlt d​ie Schmelze langsam ab, sodass s​ich am Ende d​es Prozesses e​in ZrO2-Block v​on mehreren Kilogramm ergibt, i​n dem außen e​ine gesinterte Schutzhülle entstanden i​st und i​nnen die Kristalle gewachsen sind.

Anwendung

Aufgrund seiner Härte von 8–8,5 auf der Mohs-Skala und eines fortgeschrittenen Produktionsprozesses entwickelte er sich zu einem hochqualitativen, kostengünstigen Schmuckstein und ist heutzutage in der Schmuckindustrie gefragt.[3] Ein einkarätiger Zirkonia kostet weniger als ein Tausendstel dessen, was man für einen gleich großen Diamanten guter Qualität zahlen muss (nur etwa 1 Euro[4] gegenüber etwa 8000 Euro[5] – Stand Ende 2017).

Als Schmuckstein können d​iese entweder m​it Yttriumoxid (Y-KZP) o​der mit Calciumoxid (CSZ) stabilisiert sein.[6] Calciumstabilisiertes Zirkonia k​ann beim Kontakt m​it Borsäure, d​ie zum Beispiel z​um Schutz v​on Diamanten u​nd anderen Edelsteinen b​ei Feuerarbeiten während d​er Schmuckherstellung eingesetzt wird, Verätzungsspuren davontragen. Da o​hne aufwendige Untersuchungen n​icht festgestellt werden kann, m​it welchem Oxid stabilisiert wurde, besteht d​ie Gefahr d​er Beschädigung d​es Steins, insbesondere auch, w​enn bei Reparaturen v​on vermeintlichem Brillantschmuck i​n Wirklichkeit KSZ vorliegt.[7][8]

KSZ w​ird in a​llen Größen u​nd Formen u​nd sogar m​it künstlichen Einschlüssen hergestellt.[9] Zirkonia k​ann aufgrund seiner Isomorphie m​it verschiedenen Elementen dotiert werden, u​m die Farbe d​es Kristalls z​u verändern. Die Tabelle u​nten gibt e​ine Auswahl v​on Dotierungselementen u​nd die resultierende Farbe an.

Element[10][11] Symbol Farbe
Cer Ce gelb-orange-rot
Chrom Cr grün
Cobalt Co flieder-violett-blau
Erbium Er rosa
Europium Eu rosa
Eisen Fe gelb
Holmium Ho champagner
Mangan Mn braun-violett
Kupfer Cu gelb-aquamarin
Neodym Nd purpur
Nickel Ni gelb-braun
Praseodym Pr bernsteingelb
Thulium Tm gelb-braun
Titan Ti gold-braun
Vanadium V grün
Farbspektrum[10][11] Dotierung mit
gelb-orange-rot ,
gelb-bernstein-braun
rosa
grün-olive
flieder-violett

Neben d​er Schmuckindustrie werden yttriumstabilisierte Zirkonia-Kristalle aufgrund i​hrer optischen Eigenschaften a​uch in d​er technischen Optik für Fenster, Linsen, Prismen, Filter u​nd Laserbauteile verwendet. In d​er chemischen Industrie n​utzt man s​ie als Sichtfenster b​ei korrosiven Flüssigkeiten.

Abgrenzung

Auch Experten können g​ute Zirkoniasteine n​icht durch Augenschein, sondern e​rst durch e​ine Messung d​es Wärmeleitwerts v​on Diamanten unterscheiden: Während Diamanten besonders g​ut wärmeleitend sind, leiten Zirkonia Wärme besonders schlecht (siehe Zirconiumdioxid, Verwendung). Weitere relativ einfache u​nd durch nichtdestruktive Messverfahren z​u ermittelnde Unterschiede z​um Diamanten s​ind die unterschiedliche Lichtbrechung (Brechungsindex Zirkonia 2,18; Diamant 2,42) u​nd Dichte (Zirkonia 5,8 g·cm−3, Diamant 3,5 g·cm−3).[12]

Das Mineral Zirkon (ZrSiO4), e​ine Verbindung a​us Zirconium, Silicium u​nd Sauerstoff, w​ird in seiner transparenten Form ebenfalls o​ft als Schmuckstein verwendet, w​as manchmal z​u Verwechslungen führt. Vor b​is zu 4,4 Milliarden Jahren entstand d​er Zirkon u​nd gilt a​ls ältestes bekanntes Mineral d​er Erde. Der Zirkon h​at einen h​ohen Brechungsindex, welcher i​hm seine optische Ähnlichkeit m​it Brillanten verleiht. Dieser Index m​isst die Brillanz e​ines Steins – d​er Diamant h​at den höchsten u​nter den transparenten Schmucksteinen: Er schwankt zwischen 2,417 u​nd 2,419. Zum Vergleich: Der Brechungsindex b​eim Zirkon liegt  zwischen 1,92 u​nd 1,98. Zirkon besitzt e​ine starke Brillanz, e​in wunderschönes Feuer u​nd einen adamantinen Lüster. Die Brillanz u​nd das Vorkommen i​n verschiedenen Farben machen d​en Zirkon z​u einem beachtenswerten u​nd sehr beliebten Stein für Schmuckstücke.

Als Schmuckstein h​at der Zirkon bereits mehrere Blütezeiten erlebt. Im Europa d​es 16. Jahrhunderts wurde e​r häufig v​on italienischen Juwelieren verarbeitet, später f​and er a​uch im Viktorianischen Schmuck Verwendung. Bis h​eute hat s​ich diese Liebe z​um Zirkon gehalten. Die schönsten Zirkone werden i​n Kambodscha, Nigeria, Sri Lanka u​nd Tansania abgebaut u​nd sind für d​ie Schmuckherstellung e​ine „echte“ Alternative z​u dem härtesten Edelstein d​er Welt. Trotz d​es ähnlichen Namens s​ind Zirkonia (Zirconiumdioxid) u​nd Zirkon (Zirconiumsilicat) z​u unterscheiden.[12]

Siehe auch

Literatur

  • Mark von Stackelberg, Karl Chudoba: Dichte und Struktur des Zirkons. In: Kristallographie. Jahrgang 97, 1937, S. 252–262.
  • Yu S. Kuzminov: Cubic Zirconia And Skull Melting. Viva Books, 2010, ISBN 978-81-309-1234-9.

Einzelnachweise

  1. Florian Neukirchen: Edelsteine: Brillante Zeugen für die Erforschung der Erde. Springer DE, 2012, ISBN 978-3-8274-2922-3, S. 234 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. S. D. Scott, D. E. Hull, C. C. Herrick: Skull Melting of Synthetic Minerals. In: LA-7080-MS Informal Report. los alamos scientific laboratory, Dezember 1977, abgerufen am 17. Januar 2019.
  3. Rayner W. Hesse: Jewelrymaking Through History: An Encyclopedia. Greenwood Publishing Group, 2007, ISBN 978-0-313-33507-5, S. 72 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. mg-quartz.de: Zirkonia-Preisliste, abgerufen am 29. November 2017.
  5. diamanten-infos.com: Diamantpreis: den Wert eines Diamanten berechnen, dort berechnet für Farbe I (leicht getöntes Weiß) und Qualität SI1 (kleine Einschlüsse), abgerufen am 29. November 2017.
  6. Marijan Tadin: Röntgen- und Neutronenbeugungsuntersuchungen an CaO-, Y2O3-, CeO2- und TiO2 ... Herbert Utz Verlag, 1996, ISBN 3-931327-50-7, S. 2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Article by United Precious Metal: CASTING CUBIC ZIRCONIA IN PLACE WITH UNITED DEOXIDIZED STERLING SILVER ALLOYS, abgerufen am 17. Mai 2014.
  8. Qiang Shen, Changlian Chen, Fei Chen, Junguo Li, Lianmeng Zhang: Change of phase compositions in calcia stabilized zirconia ceramics using a boric acid additive. In: Journal of the Ceramic Society of Japan. 117, 2009, S. 449–451, doi:10.2109/jcersj2.117.449.
  9. eurogem.biz: Cubic Zirkonia Schmucksteinlexikon – Informationen & Eigenschaften, abgerufen am 17. Mai 2014.
  10. E. E. Lomonova, V. V. Osiko: Growth of Zirconia Crystals by Skull‐Melting Technique. J. Wiley, Chichester, West Sussex 2004, S. 461–484.
  11. Kurt Nassau: Cubic zirconia: An Update. In: Gems & Gemology. Band 1, 1981, S. 9–19.
  12. www.schmuck.de: Zirkon, das älteste Mineral der Welt abgerufen am 6. März 2021.
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