Zigarettenstummel
Ein Zigarettenstummel, umgangssprachlich auch „Stummel“, österreichisch „Tschickstummel“, oder „Kippe“, ist das Ende einer gerauchten Zigarette. Er besteht normalerweise aus dem Zigarettenfilter mit Papierresten oder ohne Filter aus Papier- mit Tabakresten.
Rechtliches
Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz regelt als rechtlicher Rahmen für die Abfallentsorgung auch die ordnungsgemäße Entsorgung von Zigarettenkippen. Außerhalb dafür zugelassener Anlagen sind Zigarettenkippen illegal entsorgt. Dies ist ordnungswidrig und ist im Rahmen der kommunalen Zuständigkeit für die Abfallwirtschaft bereits heute mit Bußgeldern belegt. Es wird von den zuständigen Behörden zunehmend auch geahndet.[1]
In der Europäischen Union müssen Zigarettenverpackungen mit Filter und Filter, die für den Gebrauch mit Tabakprodukten gedacht sind und die nach dem 3. Juli 2021 in den Handel kommen, nach der Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung (EWKKennzV)[2] mit Symbolen und Text[3] gekennzeichnet werden, dass sie Kunststoff enthalten und die illegale Entsorgung für Lebewesen eine Gefahr darstellt. Eine Initiative von Bürgern aus Deutschland und Österreich hat dazu im Sommer 2021 eine kleine statistische Erhebung der Zahlen von Kippen in definierten Straßenräumen vor und nach Einführung dieser Kennzeichnungspflicht durchgeführt, konnte aber keine Abnahme der Mengen durch diese Vorschrift feststellen.[4]
Kulturelles
In der Nachkriegszeit nahm in Deutschland das Phänomen des Kippensammelns besondere Ausmaße an, wovon einige Lieder zeugen:
Ein alter Schlager, eine Parodie auf Sentimental Journey:
- „Stell dir vor, wir fänden eine Kippe // stell dir vor, wir fänden zwei // stell dir vor, wir fänden eine dritte // Mensch, wär das 'ne Pafferei“[5]
Im Kippenboogie heißt es:
- Und morgens in der Straßenbahn – da fängt es auch schon an – da bettelt mich mein Nachbarsmann – um eine Kippe an. Das ist der Kippen-Boogie – Kämel oder Lucki – die Länge ist egal – wir kippen noch einmal. 2. Strophe: Am Bahnhof gibt’s ne Keilerei – und alles passt gut auf – denn einer wirft ne Kippe weg – und hundert stürzen drauf. usw.[6]
Eine besondere Technik des Sammelns von Zigarettenstummeln war das Kippenstechen. Der Kippenstecher befestigte eine Nadel oder einen Nagel an einem Stock, mit dem er dann die Kippen aufspießte.[7]
Der Umgang mit Zigarettenstummeln unterscheidet sich in verschiedenen Kulturen teils stark, so ist es beispielsweise in Japan deutlich stärker als in westlichen Ländern verpönt, einen Zigarettenstummel oder auch nur Asche auf den Boden fallen zu lassen; stattdessen ist der Gebrauch von tragbaren Aschenbechern verbreitet. In Singapur sind für erwischte Kippenwegwerfer vergleichsweise hohe Geldstrafen fällig.[8] In Europa ist es in der deutschsprachigen Schweiz am stärksten verpönt.[9] 21 US-Gemeinden, die sich am Cigarette Litter Prevention Program der Organisation Keep America Beautiful beteiligten, konnten das Kippen-Littering innerhalb von ein bis vier Jahren im Durchschnitt um 42 Prozent verringern.[10] In Deutschland gibt es in zahlreichen Städten Anti-Littering-Initiativen.[11]
Die Stadt Wien mahnte 2012 mit einer Serie von humorvollen Werbespots gegen Vermüllen, einer bezog sich speziell auf aus dem Auto geworfene Zigarettenstummel.[12] 2011 kostete in Wien das Vermüllen mit Hundekot oder Zigarettenstummel 36 € als Organstrafe, in einem dokumentierten Fall 75 € als Verwaltungsstrafe, bei 1000 € Strafrahmen. Ab 2011 wiesen in Wien auch kleine Stecktafeln in Grünanlagen und Straßenbegleitgrün auf diesen Strafsatz hin und patrouillieren „Waste-Watcher“ über das Wiener Reinhaltegesetz. In Graz beträgt der Organ-Strafsatz nur 10 € (Stand 2014), im Gegensatz zu Wien waren damals in Graz und Linz noch keine Bestrafungen bekannt.
Die Stadt Heidelberg erhöhte die Bußgelder für das achtlose Wegwerfen von Abfall wie zum Beispiel Zigarettenkippen Ende 2019 von 50 auf 75 Euro.[13]
In Paris wurde die Strafhöhe für das Wegwerfen einer Zigarette per 1. Oktober 2015 von 35 auf 68 € angehoben. 350 Tonnen Stummel werden pro Jahr von der Straßenreinigung eingesammelt. In den Monaten vor der Straferhöhung wurden 30.000 neue Mülleimer aufgestellt, den ganzen September vor der Erhöhung wurden „Strafzettel ohne Strafeinhebung“ von den Ordnungshütern verteilt, um auf die neue Regelung hinzuweisen.[14]
In Frankfurt bietet ein Start-up seit 2021 einen patentierten, akkubetriebenen Feinstaubsauger für Zigarettenkippen namens City Bee ® an, mit dem städtische „Sauberkeitsbotschafter“ im Rahmen des Projektes „Cleanffm“ Kippen aufsammeln und gleichzeitig für ein größeres Umweltbewusstsein werben sollen.[15]
Gefahren
Umweltverschmutzung
Die Entsorgung der Überreste von Zigaretten außerhalb dafür vorgesehener Sammelgefäße, etwa durch achtloses Wegwerfen von Zigarettenkippen in der freien Natur oder im öffentlichen Straßenraum, stellt eine ernstzunehmende Umweltbelastung dar. Bei Aufräumaktionen in Städten und Küstengewässern machen sie 30 bis 40 Prozent des anfallenden Abfalls aus.
Eine Studie des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) von 2020 kam auf jährliche Kosten von 225 Mio. Euro für die Beseitigung von Zigarettenstummeln in Deutschland.[16]
Die Zahl der weltweit pro Jahr weggeworfenen Zigarettenstummel wird auf 4,5 Billionen geschätzt.[17] Laut einer Untersuchung der TU Berlin aus dem Jahr 2014 liegen in Berlin auf einem Quadratkilometer Freifläche durchschnittlich 2,7 Millionen Kippen.[18]
Sie enthalten laut WHO bis zu 7000 verschiedene Chemikalien, wovon viele giftig für die Umwelt und mindestens 50 krebserregend sind.[19] Neuere Untersuchungen des NIST belegen diese Aussage.[20] In den Zigarettenfiltern sammelt sich bestimmungsgemäß ein Großteil der im Tabakrauch enthaltenen Schadstoffe, vor allem Nikotin. Dieses ist im Gefahrstoffrecht GHS (Global Harmonisiertes System) unter anderem als giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung (H411) eingestuft. Aus einem Stummel können – beispielsweise durch Regen – knapp zwei Milligramm Nikotin in Böden und Gewässer gespült werden.[18] Daneben können in gebrauchten Zigarettenfiltern unter anderem noch Arsen, Blei, Chrom, Kupfer, Cadmium, Formaldehyd, Benzol, Nitrosamine, polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Teer und Tabakzusatzstoffe aus Resttabak enthalten sein.[1]
Belastet werden durch die Giftstoffe hauptsächlich Gewässer und deren Bewohner.[17] Beispielsweise ist für Fische eine Zigarette pro Liter Wasser tödlich und für Wasserflöhe schon eine Zigarette pro acht Liter Wasser (jeweils 50 Prozent Sterberate).[21] Ein weiteres Problem ist, dass Tiere die Stummel mit Nahrung verwechseln können und es so zu ernsten Gesundheitsproblemen oder sogar zum Tod kommt.[21]
Der Zigarettenfilter aus Celluloseacetat zersetzt sich erst nach langer Zeit in Gewässern: Im Süßwasser wird von 15 Jahren ausgegangen und im Salzwasser von 400 Jahren.[21] Die Zerfallsprodukte von fabrikneuen Filtern reduzieren zudem die Keimfähigkeit und das Wachstum von Gras und Klee.[22]
Brandgefahr
Weggeworfene, noch glimmende Zigarettenstummel können Brände auslösen. Diese verursachen oftmals erhebliche Schäden und können auch Menschenleben gefährden.
Verschlucken durch Kinder
Kinder nehmen manchmal aufgefundene Zigarettenstummel in den Mund, sei es aus Neugier oder um rauchende Erwachsene nachzuahmen.[23] Abhängig vom Körpergewicht können bereits eine bis drei verschluckte Zigarettenstummel zu deutlichen Vergiftungserscheinungen, wie Übelkeit, Durchfall und/oder Erbrechen führen.[24] So gingen beispielsweise beim Giftnotruf Berlin von 2015 bis 2017 2888 Anrufe ein aufgrund durch Kinder verschluckter Zigarettenkippen.[25] Im Jahr 2007 waren es 260 Notrufe von Betroffenen, weil Kinder Zigaretten oder Teile davon verschluckt hatten.[26] Im Jahr 2010 waren dies 921 Fälle.[27]
Ein einheitliches Rauchverbot auf Kinderspielplätzen besteht in Deutschland und der Schweiz nicht, jedoch haben sowohl einige Länder (z. B. Bayern), als auch einzelne Kommunen (z. B. Heidelberg, Dresden) entsprechende Verbote erlassen. Seit Juli 2013 ist das Rauchen auf Bremer Kinderspielplätzen verboten, dieses Landesgesetz ist zunächst bis August 2018 befristet.[28] In Berlin besteht mit Ausnahme der Bezirke Neukölln und Treptow-Köpenick auf allen Spielplätzen Rauchverbot.[29]
Eine Untersuchung des Deutschen Krebsforschungszentrums aus dem Jahr 2010 zeigte, dass sich auch trotz entsprechenden Rauchverbots beispielsweise in Würzburg noch mehr als 50 Kippen je Spielplatz finden lassen.[27]
In Österreich besteht mit Stand September 2014 in den Kärntner Städten Villach und Wolfsberg ein Rauchverbot auf Spielplätzen. Da das Präsidialamt meinte, ein Rauchverbot würde vor den Verfassungsrichtern nur halten, wenn damit ein „dauerhafter Missstand“ verhindert wird, wurde eine ähnliche Verordnung per Gemeinderatsbeschluss in Graz vereitelt.[30] In Wien ist das Rauchen auf Kinderspielplätzen seit zumindest 2008 verboten.[31]
Kurioser Nutzen für die Fauna
In Mexiko bauen Hausgimpel und Sperlinge häufig Zigarettenstummel in ihre Nester ein. Eine Studie fand 2012 in rund 90 Prozent aller Nester Zigarettenfilter integriert. Nachweislich korrelierte das Ausmaß von Milbenbefall stark negativ mit der Anzahl der zum Nestbau genutzten Kippen. Das darin enthaltene Nikotin ist ein starkes Insektizid. Ungeklärt blieb, ob die Tiere dies gezielt einsetzten, oder "ob es sich um einen zufälligen Zusatzeffekt handelt".[32][33]
Weblinks
- Umweltschädlichkeit von Zigarettenstummeln, Infoblatt des Oekotoxzentrums
Einzelnachweise
- BT-Drs. 19/7380
- EWKKennzV
- Kennzeichnungsvorlagen für Produkte nach der EU-Direktive 2019/904
- Initiative „Die Aufheber“: Sammel- und Zählaktion zur Wirksamkeit der Kennzeichnung „FILTER ENTHÄLT KUNSTSTOFF“. Oktober 2021, abgerufen am 14. Oktober 2021.
- Ein Beispiel mit einem etwas anderen Text (Memento vom 3. September 2015 im Internet Archive)
- Kippenboogie
- Als der Krieg zu Ende ging
- Auch in Singapur ist nicht alles sauber
- Störfaktor Zigarettenkippe, tagesanzeiger.ch vom 30. April 2015, abgerufen 9. Mai 2015
- Keep America Beautiful
- Kampagnen für eine saubere Landschaft
- Keine Kleinigkeit: Zigarettenstummeln auf der Straße, youtube.com, Die 48er, MA 48, Video 0:20, Wien, 14. März 2012, abgerufen 1. Oktober 2015.
- Stadt erhöht Bußgelder fürs Wegwerfen von Zigarettenkippen, Taschentücher und Co.
- Zigarettenstummel wegwerfen wird in Paris teuer, orf.at, 30. September 2015, abgerufen 2. Oktober 2015.
- Uwe Marx: Warum wir die Kippen nicht vom Boden wegbekommen. In: FAZ. 2. Juli 2021, abgerufen am 2. Juli 2021.
- Einwegplastik und Zigarettenkippen in der Umwelt kosten Kommunen jährlich 700 Millionen Euro. In: Gemeinsame Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums mit dem Verband Kommunaler Unternehmen e. V. 20. August 2020, abgerufen am 2. Juli 2021.
- Pressemappe Tabak und Umwelt des DKFZ, Seiten 51–57 betreffen Zigarettenstummel (Memento vom 15. Juni 2013 im Internet Archive) (PDF; 9,1 MB).
- Umweltverschmutzung - Nikotin verunreinigt Gewässer. Abgerufen am 16. Oktober 2019.
- dpa: WHO: Zigarettenkippen sind Umweltgift. 1. Juni 2017, abgerufen am 16. Oktober 2019.
- Dustin Poppendieck, Mengyan Gong, V. u. Pham: Influence of temperature, relative humidity, and water saturation on airborne emissions from cigarette butts. In: Science of The Total Environment. Band 712, April 2020, S. 136422, doi:10.1016/j.scitotenv.2019.136422.
- Zigarettenstummel gehören in den Restmüll. (PDF) [Kärntner Institut für Seenforschung], August 2012; abgerufen am 9. Oktober 2019.
- Dannielle S. Green, Bas Boots, Jaime Da Silva Carvalho, Thomas Starkey: Cigarette butts have adverse effects on initial growth of perennial ryegrass (gramineae: Lolium perenne L.) and white clover (leguminosae: Trifolium repens L.). In: Ecotoxicology and Environmental Safety. Band 182, 2019, S. 109418, doi:10.1016/j.ecoenv.2019.109418.
- CHRU Lille Vergiftung durch Zigaretten bei Kindern (französisch) (Memento vom 20. November 2008 im Internet Archive)
- Thomas E. Novotny, Sarah N. Hardin, Lynn R. Hovda, Dale J. Novotny, Mary Kay McLean: Tobacco and cigarette butt consumption in humans and animals. In: Tobacco Control. Band 20, Suppl 1, 1. Mai 2011, S. i17–i20, doi:10.1136/tc.2011.043489, PMID 21504918, PMC 3088460 (freier Volltext).
- Das Wegwerfen von Zigarettenkippen wird selten geahndet. Abgerufen am 11. Oktober 2019.
- Broschüre Rauchfreie Kinderspielplätze (Memento vom 14. März 2014 im Internet Archive) (PDF; 8,9 MB) des Bezirksamtes Berlin Friedrichshain/Kreuzberg, 2007, S. 34, abgerufen am 24. Oktober 2012.
- Ute Mons, Florian Gleich, Martina Pötschke-Langer: Gesundheitsgefährdung von Kindern durch Rauchen auf Spielplätzen – Rauchverbotsschilder schützen Kinder. Hrsg.: Deutsches Krebsforschungszentrum. Heidelberg 2010 (slsev.de [PDF]).
- Rauchen auf Bremer Spielplätzen verboten.
- Constantin Schöttle: Rauchverbot auf Kinderspielplätzen: Neuköllner Rauchzeichen. In: Die Tageszeitung: taz. 13. Juni 2012, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 11. Oktober 2019]).
- Vorerst kein Rauchverbot auf Grazer Spielplätzen, orf. 19. September 2014, abgerufen 2. Oktober 2015.
- Grünanlagenverordnung § 10, abgerufen 30. November 2019.
- M. Suarez-Rodriguez, I. Lopez-Rull, C. Macias Garcia: Incorporation of cigarette butts into nests reduces nest ectoparasite load in urban birds: new ingredients for an old recipe?. In: Biology Letters. 9, 2012, S. 20120931, doi:10.1098/rsbl.2012.0931.
- wissenschaft.de: Nester aus Kippen, vom 5. Dezember 2012, abgerufen 13. Dezember 2017.