Abfallentsorgung
Entsorgung ist der Oberbegriff für alle Verfahren und Tätigkeiten, die der Beseitigung oder Verwertung von Abfällen dienen.
Unter Abfallbeseitigung versteht man dabei die Abgabe an die Umwelt unter Einhaltung vorgeschriebener Grenzwerte (meist bei flüssigen und gasförmigen Abfällen, gegebenenfalls nach vorheriger chemischer Umwandlung oder Verdünnung) oder die Überführung in ein Endlager (meist bei festen, insbesondere radioaktiven, Abfällen, gegebenenfalls nach vorheriger Konditionierung und Verpackung). Zur Endlagerung von Abfällen benötigt man Mülldeponien oder andere geeignete Endlagerplätze, beispielsweise ehemalige Bergwerke oder Salzstöcke.
Unter Abfallverwertung versteht man die Wiederverwendung, das Recycling oder die thermische Verwertung der Abfälle oder eines Teils davon. Sofern der Abfall zum Füllen der Hohlräume und damit prinzipiell zur Verhinderung von Bergschäden dient, kann die Untertageverbringung auch als eine Form der Verwertung angesehen werden.
Die Abfallentsorgung gilt als eines der größten Umweltprobleme des 21. Jahrhunderts, insbesondere aufgrund der großen Mengen des Abfalls.
Weltweit werden etwa ein Viertel der Siedlungsabfälle nicht eingesammelt und ein Viertel schlecht verwaltet – etwa in offenen und unkontrollierten Feuern verbrannt.[1][2]
Abfallentsorgung in Deutschland
In Deutschland sind alle Arten von Abfällen seit Dezember 2001 in der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) definiert. In dieser Verordnung über das europäische Abfallverzeichnis werden Abfälle bezeichnet und entsprechend ihrer Überwachungsbedürftigkeit und Gefährlichkeit eingestuft bspw. anhand vom Gehalt gefährlicher Stoffe. Die Abfallverzeichnis-Verordnung ist Grundlage der Abfallentsorgung.
Abfallwirtschaft
Entsorgung ist der zentrale Teil der Abfallwirtschaft. Hierzu gehören zum Beispiel das Einsammeln und Befördern von Abfällen durch Müllabfuhr, Recyclingverfahren zur Gewinnung von Sekundärrohstoffen, die Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen zur Erzeugung von Energie oder die Ablagerung auf Deponien. Die Anlagen zum Sammeln, Lagern und Behandeln werden in der Stadtplanung als Entsorgungsanlagen bezeichnet. Die Entsorgung nehmen Entsorgungsfachbetriebe vor, welche sich entweder in öffentlicher oder privater Hand befinden. An die Entsorgung von Sonderabfällen werden besondere Anforderungen gestellt.
Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz aus dem Jahr 1994 sieht drei Entsorgungspfade vor:
- Pfad 1 folgt dem Grundsatz: Jeder Abfallbesitzer muss seine Abfälle selbst entsorgen, d. h. möglichst getrennt erfassen, verwerten oder nach Vorbehandlung (Volumenreduzierung und Schadstoffvernichtung insbesondere in Abfallverbrennungsanlagen) deponieren. Dies entspricht dem Verursacherprinzip. Wegen der nachfolgend beschriebenen Ausnahmen sind im Ergebnis vor allem Handwerker und Gewerbetreibende Selbstentsorger. Sie haben entweder – wie die chemische Industrie – eigene Entsorgungsanlagen oder sie beauftragen ein privates Entsorgungsunternehmen. Für Sonderabfälle können die Länder die Nutzung von Anlagen kommunaler Zweckverbände vorschreiben. Man spricht vom Anschluss- und Benutzungszwang.
- Pfad 2 trägt der Tatsache Rechnung, dass Privathaushalte die bei ihnen anfallenden kleinen Mengen Hausmüll nicht selbst entsorgen können. Die Entsorgung von Abfällen der Privathaushalte sowie hausmüllähnlicher Abfälle ist traditionell den Kommunen zugewiesen. Hausmüllähnliche Abfälle fallen zum Beispiel in Gaststätten und Krankenhäusern an. Lebensmittel haben oft die gleiche Verpackung, egal ob sie im Restaurant oder im Privathaushalt verwendet werden. Zuständig sind die kreisfreien Städte und Landkreise, die sich in einigen Regionen zu Abfallzweckverbänden zusammengeschlossen haben. Sie können diese hoheitliche Aufgabe selbst erfüllen (siehe kommunale Betriebe der Stadtreinigung) oder Unternehmen der privaten Entsorgungswirtschaft als sog. Erfüllungsgehilfen einschalten. Dies gilt für alle Maßnahmen der Entsorgung, nämlich das Sammeln, ggf. Sortieren, Verwerten und/oder Behandeln und Deponieren dieser Abfälle. Die meisten Kommunen haben Verwertungsanlagen nur für Grünabfälle (Kompostierungsanlagen). Anfang der 1990er Jahre gab es Engpässe im Bereich der Müllverbrennungsanlagen und der Deponien. Deshalb begannen Kommunen, sog. Wertstoffe getrennt zu erfassen, zum Beispiel Verpackungen aus Kunststoff. Es stellte sich heraus: Obwohl die Kommunen bereit waren, zu zahlen, wenn Betreiber von Verwertungsanlagen den Kunststoff übernahmen, gab es für dieses Material kaum Abnehmer.
- Pfad 3 wurde auf Vorschlag von Bundesumweltminister Klaus Töpfer 1994 eingerichtet. Die Ausnahme (Pfad 3) von der Ausnahme (siehe Pfad 2) verpflichtet Hersteller und Vertreiber von Verpackungen und weiteren Produkten, diese zurückzunehmen und selbst zu entsorgen. Der Gesetzgeber hat mit dieser sog. Produzentenverantwortung wieder das Verursacherprinzip in Kraft gesetzt. Er ging davon aus, dass die Hersteller bei der Produktgestaltung auf Umweltgesichtspunkte erst dann Rücksicht nehmen, wenn sie die Entsorgungskosten selbst tragen müssen. Natürlich versuchen sie, diese Kosten über die Preise für ihre Produkte an die Verbraucher weiterzugeben. Dabei hat aber derjenige Wettbewerbsvorteile, der diese Kosten senkt, indem er z. B. weniger Verpackungsmaterial einsetzt, auf schwer verwertbare Verbundverpackungen (so werden im Blister Karton und Kunststoff verklebt) verzichtet, bei der Konstruktion eines Pkws die Zahl der eingesetzten Kunststoffsorten reduziert und dafür sorgt, dass ein Altauto leicht demontiert werden kann.
Pilotprojekt war die Verpackungsverordnung. Handel und Hersteller bauten das Duale System Deutschland (DSD oder Grüner Punkt) auf, um die Verpackungen im Gelben Sack oder der Gelben Tonne getrennt zu erfassen. Nach der Sortierung mussten Verwertungsquoten erfüllt und nachgewiesen werden. Erst nach Jahren konnte man mit Hilfe auch des Handels die mit dieser neuen Entsorgungsschiene verbundenen Probleme lösen und in Deutschland stand eine weltweit vorbildliche Infrastruktur von Verwertungsanlagen zur Verfügung. Die Produktverantwortung gibt es inzwischen auch für Haushaltsgeräte, Elektronik, Kraftfahrzeuge usw.
Seit dem Ende des Monopols durch Bundeskartellamt und EU nehmen die Probleme auf dem Verpackungssektor wieder zu. Der jetzt zugelassene Wettbewerb begünstigt sog. Trittbrettfahrer, also Produzenten, die nur behaupten, außerhalb von DSD ein eigenes Erfassungs- und Verwertungssystem aufgebaut zu haben. Die Verpackungsverordnung lässt inzwischen so viele Varianten zu, dass die staatliche Aufsicht nicht mehr in der Lage ist, die Wertstoffströme zu kontrollieren. Bei der Novelle zum Kreislaufwirtschaftsgesetz 2012 wurde vor allem die Frage diskutiert, ob künftig auch Wertstoffe, die keine Verpackungen sind, über eine einheitliche Wertstofftonne, quasi eine Gelbe Tonne plus, erfasst werden sollen. Die Vorteile liegen auf der Hand: All diese Wertstoffe landen schon heute in den gleichen Verwertungsanlagen. Die Kommunen und private Entsorger stritten und streiten darüber, wer für diese Tonne zuständig sein soll. Für Nichtverpackungen aus Kunststoff usw. sind zurzeit die Kommunen zuständig, für Verpackungen die Hersteller. Wenn es dabei bleibt, muss man sich in Organisationsfragen (Vergabe der Dienstleistungen Sammeln und Sortieren) und über eine Kostenteilung einigen. Die kommunalen Verbände erwarten zum Teil Gewinne und fordern mehr oder weniger offen die Rekommunalisierung der Wertstofftonne: Damit stellen sie die Produzentenverantwortung in Frage. Die Verbände der Entsorgungswirtschaft verweisen auf ihre Kompetenzen und Kapazitäten auf dem Verwertungssektor, wollen den Kommunen die letzten Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Verwertung von Hausmüll entziehen.
Abfallrecht
Da es sich bei Abfällen teilweise um problematische Stoffe handelt, die bei unsachgemäßer Handhabung die Umwelt gefährden können, ist die Entsorgung durch zahlreiche nationale und internationale Gesetze und Verordnungen geregelt. Beispiele dafür sind:
- die Abfallverbringungsverordnung
- die Beförderungserlaubnisverordnung (BefErlV)
- die Entsorgungsfachbetriebeverordnung (EfbV)
- das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG)
- das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG)
- die Nachweisverordnung
Im deutschen Abfallrecht ist das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) das zentrale Bundesgesetz für die Regelung des Umgangs mit Abfällen und deren umweltverträglichen Beseitigung. Das Gesetz trat am 7. Oktober 1996 in Kraft. Durch dieses neue Abfallrecht wurde stärker als je zuvor die Vermeidung von Abfällen gefordert und Deutschland schaffte endgültig den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft. Diese zielt darauf ab, eingesetzte Rohstoffe über den Produktlebenszyklus einer Ware hinaus wieder vollständig in den Produktionsprozess zurückzuführen.
Die wichtigsten Rechtsverordnungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sind die
- Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV)
- Altfahrzeugverordnung (AltfahrzeugV)
- Altholzverordnung (AltholzV)
- Altölverordnung (AltölV)
- Bioabfallverordnung (BioAbfV)
- Deponieverordnung (DepV)
- Entsorgungsfachbetriebeverordnung (EfbV)
- Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV)
- Klärschlammverordnung (AbfKlärV)
- Nachweisverordnung (NachwV)
- PCB/PCT-Abfallverordnung (PCBAbfallV)
- Transportgenehmigungsverordnung (TgV)
- Verpackungsverordnung (VerpackV)
- Versatzverordnung (VersatzV)
Rechtsprechung
Nachdem das deutsche Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Juni 2009 über die Voraussetzungen von gewerblichen Abfallsammlungen entschieden hatte[3], entschied das Verwaltungsgericht Hannover 2010, dass private Haushalte grundsätzlich ihren gesamten Hausmüll (einschließlich Altpapier) den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen müssen: Kommunen können das Einsammeln (so auch private Altpapiersammlungen) untersagen.[4]
Bei der Berufung zum obigen Urteil des VG Hannover wurde aus formalen Gründen für ein Entsorgungsunternehmen entschieden. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hob am 21. März 2013 das Verbot des Landkreises Holzminden gegenüber dem Entsorgungsbetrieb Wessarges & Hundertmark auf, da der Landkreis nach § 42 Abs. 4 des Niedersächsischen Abfallgesetzes (NAbfG) hierfür nicht zuständig war.[5] Grund hierfür war, dass der Landkreis Holzminden mit seinem kommunalen Abfallwirtschaftsunternehmen „in eigener Sache“ tätig geworden war. Anstelle des Landkreises wäre daher für den Erlass einer Verfügung die oberste Abfallbehörde (in Niedersachsen das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz) zuständig gewesen.[6]
Literatur
- Erwin Thomanetz: Salzkonservierung von Abfällen mit hohem TOC für die Untertageverbringung in Salzformationen. In: Müll und Abfall, Band 36, Nr. 11, 2004, S. 559–562, ISSN 0027-2957
- Walter Leidinger, Joachim Beyer: Möglichkeiten und Grenzen verschiedener Methoden der Sonderabfallverbrennung. In: Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung. Band 17, Nr. 2, 2005, S. 59–63, ISSN 0934-3504
- Thorsten Pitschke, Wolfgang Rommel, Udo Roth, Sarah Hottenroth, Martin Frede: Ökoeffizienz von öffentlichen Entsorgungsstrukturen. In: Müll und Abfall 36(9), 2004, S. 420–429, ISSN 0027-2957
- Ralf Röger: Rechtsfragen der Abfallentsorgung im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie. Carl Heymanns, 2001, ISBN 3-452-24878-X
- Gerhard Friedrich: EU erzwingt neues Kreislaufwirtschaftsgesetz. In: Zeitschrift für Rechtspolitik, Ausgabe 4/2011 vom 12. Mai 2011, S. 108 ff.
Weblinks
- Fachpublikation EUWID Recycling und Entsorgung
- Fachpublikation RECYCLING magazin
- wohindamit.de
- Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (PDF; 187 kB)
- Was gehört wohin?
- Martin Illi: Abfall. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Themenseite Abfallwirtschaft des BMUB
- Abfallentsorgung – Informationen des Bundesamts für Umwelt
Einzelnachweise
- Health crisis: Up to a billion tons of waste potentially burned in the open every year (en). In: phys.org.
- E. Cook, C. A. Velis: Global Review on Safer End of Engineered Life. In: Global Review on Safer End of Engineered Life. 6. Januar 2021. doi:10.5518/100/58.
- BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2009, Az. 7 C 16.08, Volltext.
- VG Hannover, Beschluss vom 17. Februar 2010, Az. 12 B 5464/09, Volltext (Fall Wessarges & Hundertmark gegen Landkreis Holzminden).
- OVG Lüneburg, Urteil vom 21. März 2013, Az. 7 LB 56/11, Volltext.
- Privater Altpapierversorger obsiegt gegen Untersagungsverfügung.