Z22
Der Z22-Computer oder kurz Z22 war ein ab 1955 von dem Physiker Lorenz Hanewinkel konstruierter und für die Zuse KG gebauter Computer. Er war der erste Röhrenrechner aus Westdeutschland. In der DDR wurde der vergleichbare D1 von 1950 bis 1956 entwickelt. Als einer der ersten in Serie produzierten Rechner weltweit ermöglichte Z22 deutschen Hochschulen, Universitäten und anderen wissenschaftlichen Instituten nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals eine elektronische Datenverarbeitung.
Geschichte
Nach den Modellen Z1, Z2, Z3, Z4, Z5 und Z11 war Z22 das siebte Computer-Modell, das unter Konrad Zuse entwickelt wurde. Wie die Vorgänger ab Z4 wurde die Maschine Z22 bereits kommerziell vertrieben, eine im Jahre 1950 in die Schweiz vermietete Z4 war wahrscheinlich der erste jemals kommerziell gehandelte Computer.
Die Entwicklung der Z22 war ca. 1957 abgeschlossen, die ersten der insgesamt 55 Exemplare[1] wurden ab 1958 an die TU Berlin und nach Aachen verkauft. Zu den ersten Abnehmern gehörte auch die Firma Zeiss, welche fortan einen Rechner für ihre optischen Berechnungen besaß. Theodor Fromme, wissenschaftlicher Leiter bei Zuse und ehemaliger Mitarbeiter bei Zeiss, war maßgeblich an der Ausarbeitung der Schaltpläne für diese Rechenmaschine beteiligt.
Die Diebold-Computer-Statistik weist für den 1. Juli 1971 insgesamt 48 Exemplare der Z22 aus.
Technische Daten
In der Standard-Ausführung war die Z22 wie folgt ausgestattet:
- Registersatz aus 14 Worten Kernspeicher zu je 38 Bit
- 38 kByte Trommelspeicher (8.192 Worte zu 38 Bit)
- Lochstreifenleser/-stanzer als Massenspeicher
- 380 V, 16 A Drehstrom-Versorgung
- 600 Elektronenröhren, als Flipflops geschaltet.
- Elektrische Kühlanlage, die einen eigenen Wasseranschluss braucht
Die Taktfrequenz der Z22 betrug ca. 140 kHz[1]. Die Eingabe von Daten konnte sowohl über den Lochstreifenleser als auch über eine Direkteingabe von Daten an der Trommelspeichereinheit als auch über Taster zur Direktprogrammierung des Kernspeichers erfolgen.
Die relativ schnelle Ausgabe von Daten konnte über einen Lochstreifenstanzer erfolgen, ein relativ schnelles Einlesen über einen opto-elektrischen Lochstreifenleser. Einige Daten konnten auch über die im Bedienpult eingebauten Glimmlampen angezeigt werden, die wichtige Registerinhalte darstellten.
Als kombiniertes Ein-Ausgabe-Gerät wurden Siemens-Fernschreiber T100 mit angebautem 5-Kanal-Lochstreifen-Leser und -Stanzer benutzt. Damit waren vier „Peripheriegeräte“ in einer Maschine verfügbar: Tastatur-Eingabe, Lochstreifen-Eingabe, Blattschreiber-Ausgabe und Lochstreifen-Ausgabe. Deren Arbeitsgeschwindigkeit betrug zehn Zeichen/Sekunde und war deutlich langsamer als die speziellen Monogeräte Lochkartenstanzer und -leser.
Programmierung
Die Z22 wurde mit dem Ziel entwickelt, einfacher programmierbar zu sein als die Computer der Vorgängergeneration. Er wurde in Maschinencode programmiert; jede Instruktion war 38 Bit breit und in fünf Felder fester Länge aufgeteilt:
- Die ersten 2 Bits waren immer „10“
- Die nächsten 5 Bits enthielten ein Bedingungs-Operator-Symbol
- Die nächsten 13 Bits enthielten ein Operations-Symbol
- Die nächsten 5 Bits enthielten eine Kern-Speicher Adresse
- Die letzten 13 Bits enthielten eine Trommelspeicher-Adresse
Um die Programmierung weiter zu vereinfachen, wurde eine Assembler-ähnliche Sprache namens „Freiburger Code“ entwickelt. Wesentliche Elemente dieses Codes waren die Torschaltbits. Jedes dieser Bits schaltete ein Tor von oder zu der im Adressteil des Befehls angesprochenen (Trommel)speicher Zelle von respektive zu dem adressierten Register über eine Schaltkaskade. Jedes der Bits im Befehlsteil sprach ein Tor an – davon existierten je eines für die Auswertung einer Bedingung:
- Wert=0,
- Wert<0,
- Wert>0,
- Wert≤0,
- Wert≥0.
Die Operationstore führten zu einer Schaltung
- LLR für einen Shift um 1 Schritt nach links – genauer gab es nur ein Tor für 2 Schritte nach links – im Programm PP
- R für einen Schritt nach rechts,
- N für Nullsetzen,
- A für Addieren,
- S für Subtrahieren usw.
Der in späteren Assembler übliche Ladebefehl hatte im Freiburger Code die Codierung:
- NA Nullsetzen + Addieren
- RNA bedeutete Laden des halbierten Wertes
- LLNA verlangte das Laden des verdoppelten Wertes.
Diese Sprache wurde mit dem Ziel entwickelt, die Implementierung mathematischer Algorithmen zu vereinfachen; dieses Ziel wurde in der Praxis auch erreicht.
Z22 heute
Die Hochschule Karlsruhe besitzt ein restauriertes und voll funktionsfähiges Exemplar mit der Seriennummer 13, das 1958 erbaut wurde. Diese Maschine ist dem Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) als Dauerleihgabe am 9. März 2005 übergeben worden. Sie wurde von den beiden Zuse-Experten Hans Baumann und Helmut Kammerer auseinandergenommen und im ZKM wieder aufgebaut. Jener Z22/13 ist der älteste noch funktionierende, originalgetreue Röhrenrechner der Welt und steht unter Denkmalschutz.[2] Eine weitere Z22R steht auf dem Campus der Fachhochschule Suderburg (Teil der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften).[3]
Das Konrad-Zuse-Computermuseum in Hoyerswerda (Sachsen) besitzt zwei – allerdings nicht mehr funktionierende – Exemplare der Z22. Ein weiteres für Prof. Hubert Cremer an der RWTH Aachen gebautes Exemplar befand sich im ehemaligen Computermuseum Aachen. Auch dieses ist nicht mehr funktionstüchtig.
Im Kopfgebäude der Universität Linz befindet sich vor den Hörsälen HS9&10 ebenfalls ein nicht mehr funktionierendes Exemplar. Eine weitere, nicht mehr funktionsfähige Z22 befindet sich im Technikmuseum Berlin.
Im Computermuseum der Fachhochschule Kiel steht eine nicht mehr betriebsbereite Anlage, die im Rahmen der normalen Öffnungszeiten des Museums besichtigt werden kann.
Eine Z22 befindet sich in der Informatikabteilung des Deutschen Museums in München.
Eine Z22R befindet sich auch im Museum wortreich in Bad Hersfeld.
Eine restaurierte, lauffähige Z23 aus dem Jahr 1962 gehört zur Informatik-Sammlung Erlangen ISER der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Es ist die vermutlich einzige, lauffähige Z23 weltweit.
Weitere Zuse-Rechner
Literatur
- Lorenz Hanewinkel: Computerevolution. Mein Weg mit Konrad Zuse und Heinz Nixdorf, Verlag Druckerei Kleine, Paderborn 2010, ISBN 3-9807412-7-3
- Lorenz Hanewinkel: Konstruktion der Rechenmaschine Zuse Z22, Horst Zuse (Hrsg.), Berlin 2009
- Clemens Kieser: „Ich bin zu faul zum Rechnen“ – Konrad Zuses Computer Z22 im Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe. (PDF; 3,2 MB) In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. 4/34/2005, Esslingen am Neckar, ISSN 0342-0027, S. 180–184.
- Wolfgang Stieler: Röhren-Logik und Trommelspeicher. In Karlsruhe läuft noch eine Z22 von Zuse. In: c't. 20/2002. S. 100–104, ISSN 0724-8679
- Konrad Zuse: Der Computer – Mein Lebenswerk, 3. Auflage. Springer, Berlin 1993, ISBN 3-540-56292-3
Weblinks
- Konstruktion der Z22
- Die Zuse Z22/13 der FH Karlsruhe
- Übergabe der einzigen noch laufenden Z22
- Karlsruhe: Stadtgeschichte – Computer Zuse Z22 in der Fachhochschule Karlsruhe
- Zuse Z22 im Zentrum für Kunst und Mediengeschichte Karlsruhe
- The Life and Work of Konrad Zuse: The Z22 Computer (Memento vom 7. März 2001 im Internet Archive)
- ZCOM Zuse-Computer-Museum
- Zuse-Z23-Simulator u. a.
- Online-Simulation der Zuse Z22R/45; Dokumentation aller Befehle; interne Darstellung von Befehlen, Zahlen und Text; Grundprogramm von 1961; Lochstreifencodierung; funktionsfähige Programmbeispiele und weitere Informationen.
- Zuse-Z22-Emulator in JavaScript: läuft direkt im Webbrowser und enthält Beispiele aus der Z22-Programmierungsanleitung der Zuse KG (Winkelfunktionen, Runge-Kutta-Methode zur Lösung von Differentialgleichungen, Matrizenmultiplikation u. a.)
Einzelnachweise
- ZKM: Die Algorithmische Revolution: Konrad Zuse. (Memento vom 20. Februar 2007 im Internet Archive)
- Kurt Badertscher, Josef Gubelmann, Johannes Scheuring: Wirtschaftsinformatik Grundlagen: Informations- und Kommunikationssysteme gestalten. Grundlagen mit zahlreichen Illustrationen, Beispielen, Repetitionsfragen und Antworten. Compendio Bildungsmedien Verlag, 2006, ISBN 978-3-7155-9271-8, S. 14.
- Zuse Z22R am Campus Suderburg