wortreich
Das wortreich in Bad Hersfeld ist eine Wissens- und Erlebnisausstellung für Sprache und Kommunikation. Auf 1.200 m² befinden sich 90 Exponate, die alle Sinne ansprechen. Die im Herbst 2011 eröffnete Mitmachausstellung ist für alle Altersklassen geeignet. Das wortreich ist ein außerschulischer Lernort, der über die Ausstellung hinaus Seminare, Workshops und Führungen anbietet. Mit seinem Konzept, den Besuchern Sprache und Kommunikation fantasievoll und spielerisch näherzubringen, ist das Science Center deutschlandweit einzigartig.
Geschichte
Früher hatte die Schilde AG ihren festen Sitz in Bad Hersfeld. Anfang der 1970er Jahre wurde das Unternehmen mit der Babcock-BSH zusammengelegt, welche 2002 insolvent ging. Trotz der Übernahme durch Grenzebach BSH war unklar, was mit dem Industriegelände geschehen sollte. Durch die zentrale Lage war ein erneutes Aufleben der Produktion keine Option. Im Rahmen eines Folgeantrages zur Landesgartenschau 2014, für die sich Bad Hersfeld beworben hatte, entstand die Idee, die 5,5 Hektar große Fläche in ein Freizeitgelände umzugestalten. Die alten Fabrikgebäude wurden abgerissen, sofern sie nicht unter Denkmalschutz standen. Zusätzlich hatte sich eine Gruppe von Bürgern gebildet, die an dem entstandenen Konzept mitarbeitete. Der durch das Gelände fließende Bach, die Geis, wurde zu großen Teilen renaturiert. Die Baukosten von rund sechs Millionen Euro wurden von Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), von Landesmitteln sowie von städtischen Mitteln gefördert. Im Herbst 2011 wurde das wortreich feierlich eröffnet, zu den ersten Besuchern zählten Heiner Lauterbach, Katja Flint, Stefan Gödde und Peter Nottmeier. Im Jahr 2014 wurde der neu angelegte Park mit dem Städtebaupreis ausgezeichnet.
Konzept
Die Ausstellung ist aufgebaut wie ein großes Buch mit 11 Kapiteln. Im Eingangsbereich beginnt der rote Faden, der gleichzeitig ein Lesezeichen symbolisiert, der in die Geschichte führt und in allen Kapiteln als weiße Linie stilisiert bestehen bleibt. Der inhaltliche Aufbau der Ausstellung enthält zwei Ebenen. Zum einen ist sie fachlich ausgerichtet und bringt den Besuchern Sprache und Kommunikation auf verschiedene Arten näher. Jedes Kapitel enthält entsprechend andere Schwerpunkte. Zum anderen verknüpft die Geschichte eines fiktiven Konrads die einzelnen Kapitel und sorgt so für Linearität. Die Geschichte Konrads wird von seiner Tochter erzählt, die die Besucher direkt nach dem Eingang in die Erzählung eintauchen lässt und sie anschließend begleitet. Hört man in der Ausstellung von einem Konrad, so ist immer die fiktive Persönlichkeit gemeint.
Am Anfang von jedem Kapitel steht eine Übersicht, die optisch an ein Buch erinnert und die kurz die Inhalte des Kapitels erklärt und Konrads Geschichte erzählt. Seine Geschichte kann angehört und gelesen werden. Der Besucher durchläuft die verschiedenen Lebensstationen der fiktiven Figur Konrad.
- Kapitel 1: Wir entdecken die Sprache Deutsch
Konrads Geschichte beginnt in seiner Kindheit bei ihm zu Hause. Mit ihm entdeckt der Besucher Phänomene der deutschen Sprache und kann unter anderem in dem Ausstellungsraum, dessen Gestaltung an eine Wohnung angelehnt ist, auf dem "Küchentisch" Wörterversenken spielen.
- Kapitel 2: Wir verstehen uns (nicht)
Während der Pubertät fällt Konrad auf, dass zwischenmenschliche Kommunikation nicht immer reibungslos verläuft und dass schnell Konflikte entstehen. Das Vier-Ohren-Modell von Schulz von Thun beschreibt die unterschiedlichen Ebenen, auf denen eine Aussage wahrgenommen werden kann. Auch Jugendsprache wird thematisiert und die eigenen Kenntnisse können an einem Handy getestet werden, das zudem noch mit einem weiteren Handy in Kapitel 10 verknüpft ist.
- Kapitel 3: Wir machen Theater
Theater, Musik, Gesang und Tanz als Ausdrucksmöglichkeiten faszinieren den jungen Konrad so sehr, dass er Teil der Theater-AG in der Schule wird. In diesem Kapitel gibt es verschiedene Kulissen, darunter eine Nachbildung der Stiftsruine. Das Original wird jedes Jahr zum Schauplatz der Festspiele in Bad Hersfeld.
- Kapitel 4: Wir sprechen andere Sprachen
Der VW-Bulli T2 und warme, sonnige Farben sorgen beim Betreten des 4. Kapitels für Urlaubsstimmung. Konrad liebte es zu reisen, wodurch er offener und toleranter gegenüber anderen Kulturen wurde. Gesten können sich von Land zu Land unterscheiden und es bedarf Feingefühl, um nicht in Fettnäpfchen zu treten. Neben der Erfahrung simultan zu dolmetschen, können die verschiedenen Sprachen Europas auf einer großen interaktiven Karte erraten werden.
- Kapitel 5: Wir spielen und lieben mit Worten
Es ist die Liebe, die Konrad dazu veranlasst, kreativ mit der Sprache zu experimentieren, um so seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Der Wörtermischer hilft, phantasievolle Prosa zu kreieren.
- Kapitel 6: Wir experimentieren mit der Stimme
Konrad beobachtet bei seiner Tochter, wie sie mit ihrer Stimme spielt. Er merkt, dass man mit der Stimme sehr viel machen kann. Im Stimm-Spa können diverse Übungen ausprobiert werden, die die Stimme schulen. Eine interaktive Dialektekarte veranschaulicht die Vielfalt der Sprache deutschlandweit.
- Kapitel 7: Wir lieben Geschichten
Der Protagonist Konrad erzählt gerne Geschichten und taucht in andere Welten ein. In gemütlicher Atmosphäre können Märchen nacherzählt oder angehört und ein eigenes Hörspiel aufgenommen werden. Die Fantasie wird angeregt und gefördert. Auch ein Kriminalfall kann in diesem Kapitel gelöst werden.
- Kapitel 8: Wir sprechen mit dem Körper
Da Konrads zweite Tochter eine Höreinschränkung hat, ist die Familie auf nonverbale Kommunikation angewiesen. Obwohl Gestik und Mimik schon viel über das eigene Empfinden verraten, helfen die Gebärdensprache und das Gebärdenalphabet bei der Verständigung weiter. In dem hell eingerichteten Kapitel kann außerdem das Spiel Mindball ausprobiert werden.
- Kapitel 9: Wir vernetzen uns
Konrad war begeistert von Technik und bastelte gerne auf seiner Werkbank. Das Zeitalter der (modernen) Kommunikationstechniken bricht in diesem Kapitel, welches wie eine große Tüftlerwerkstatt aufgebaut ist, an. Neben einer Original Zuse Z22R von Konrad Zuse gibt es einen 3D-Drucker zu bestaunen.
- Kapitel 10: Wir lassen Worte leben
Nach vielen Jahren beschließt Konrad, seine (Lebens-)Geschichte aufzuschreiben. Er spielt mit Buchstaben und experimentiert mit Geheimschriften. Besucher können auch verschlüsselte Texte verfassen und per Graffiti Spuren in der Ausstellung hinterlassen.
- Kapitel 11: Wir erforschen die Tierwelt
Konrads Tochter erzählt, dass ihr Vater im hohen Alter oft im Garten saß und die Tiere beobachtet hat. Obwohl Tiere nicht sprechen können, haben sie ein System zur Kommunikation, das beispielsweise über Gerüche abläuft. Das letzte Kapitel erinnert an einen Garten, in dem man z. B. einen Geruchparcours absolvieren oder den Bienentanz nachvollziehen kann.
Ausstellung
Im wortreich finden sich über 90 interaktive Exponate, die visuell, haptisch, olfaktorisch, auditiv, mechanisch oder über Touchscreen funktionieren. Über 50 % der Exponate wurden exklusiv für das wortreich angefertigt und ermöglichen den Besuchern, die Welt der Sprache und Kommunikation eigenständig zu erforschen. Konrads Geschichte kann angehört und gelesen werden. Erklärungen zu den einzelnen Stationen finden sich direkt neben den Exponaten. Sie werden auf deutsch, englisch und in Brailleschrift zur Verfügung gestellt. Außerdem gibt es Erkundungsbögen für alle Altersklassen. Die Dauerausstellung, die sich im ersten Stock des Gebäudes befindet, wird durch Sonderausstellungen ergänzt. Im Frühsommer 2016 war beispielsweise das Mathematikum aus Gießen zu Gast im wortreich.
Wanderausstellung
Das wortreich hat eine Wanderausstellung, LiebesLeben, die im Februar 2017 in Kassel im Einkaufszentrum dez zu sehen war. Diese Ausstellung thematisiert alles rund um das Thema Liebe – von den anfänglichen Schmetterlingen im Bauch bis hin zum Liebeskummer.
Hintergründe
Zwei große Persönlichkeiten wirkten und lebten in Bad Hersfeld, wodurch sich ihre Spuren in der Ausstellung finden lassen. Konrad Duden, eine der Inspirationsquellen für den in der Ausstellung präsentierten Konrad, war 29 Jahre lang Direktor des Königlichen Gymnasiums zu Hersfeld (Heute nach ihm benannt: Konrad-Duden-Schule). Er verbrachte viele Jahre seines Lebens in Bad Hersfeld. Seine Arbeit zur Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung und Grammatik ist für das wortreich von großer Bedeutung. Konrad Zuse, der den ersten funktionierenden, elektronischen Computer baute, kann als Gründer der modernen Kommunikationstechnologie betrachtet werden. Einer seiner Computer, der Z22R, steht in der Ausstellung und kann dort bewundert werden.
Das wortreich entstand in Zusammenarbeit mit zahlreichen Einrichtungen, die sowohl pädagogisch als auch wissenschaftlich fundierte Kenntnisse haben einfließen lassen. Der Name ist mehrdeutig und kann als Adjektiv oder als Nomen gelesen werden. Als Adjektiv meint Wortreich in Bad Hersfeld, dass Bad Hersfeld eine Stadt ist, in der Besucher und Bewohner reich an Worten sind. Das Wort als Nomen bezeichnet ein Reich an Worten. Das Logo stellt ein kleines w dar, auf dem drei Punkte angeordnet sind. Es steht einerseits für den Anfangsbuchstaben des wortreich, andererseits repräsentiert es drei stilisierte Personen, die miteinander kommunizieren.
Lehrangebote
In dem großen Gebäude finden sich im zweiten Stock zusätzliche Räume, die für diverse Veranstaltungen genutzt werden. Neben Workshops und Seminaren werden Führungen angeboten.