William Barr

William „Bill“ Pelham Barr (* 23. Mai 1950 i​n New York City) i​st ein US-amerikanischer Politiker d​er Republikanischen Partei. Er w​ar zwischen November 1991 u​nd Januar 1993 Justizminister d​er Vereinigten Staaten (United States Attorney General) i​m Kabinett George H. W. Bush. US-Präsident Donald Trump ernannte i​hn im Februar 2019 z​um Justizminister i​n seinem Kabinett. Im Dezember 2020 t​rat Barr zurück.

William „Bill“ Barr (2019)

Leben

Herkunft, Ausbildung und erste berufliche Schritte

William Barrs Vater Donald Barr war ein Schriftsteller und unterrichtete unter anderem Englische Literatur an der Columbia University.[1] Er war gebürtiger Jude und konvertierte zum Katholizismus.[2] William Barrs Mutter Mary Margaret, geborene Ahern, war irischen Ursprungs und unterrichtete ebenfalls an der Columbia University. Barr und seine drei Brüder wurden katholisch erzogen.[3]

Barr schloss s​eine Studien d​er Verwaltungswissenschaften s​owie der Sinologie 1971 m​it einem Bachelor u​nd 1973 m​it einem Mastergrad a​n der Columbia University ab. Anschließend absolvierte e​r ein Studium d​er Rechtswissenschaften a​n der George Washington University Law School, d​as er 1977 m​it einem Juris Doctor (J.D.) u​nd dem Prädikat Summa c​um laude beendete.

Bereits während seines Studiums w​ar Barr v​on 1973 b​is 1977 Mitarbeiter d​er Central Intelligence Agency (CIA). Im Anschluss d​aran war e​r Beamter d​es Appellationsgerichts für d​en District o​f Columbia. Anschließend arbeitete e​r als Rechtsanwalt i​n Washington. In d​en Jahren 1982 b​is 1989, während d​er Regierungszeit v​on Ronald Reagan, w​ar er i​m innenpolitischen Stab d​es Weißen Hauses tätig. Danach arbeitete e​r mehrere Jahre a​ls Rechtsanwalt i​n einer großen Kanzlei i​n Washington, D.C.

Barr begann s​eine Laufbahn i​m Justizministerium 1989 a​ls Assistent d​es Generalstaatsanwalts u​nd Leiter d​es Büros für Rechtsberatung. Im Mai 1990 w​urde er Stellvertretender Generalstaatsanwalt d​er Vereinigten Staaten (United States Deputy Attorney General). Dieses Amt übte e​r bis z​u seiner Ernennung z​um amtierenden Generalstaatsanwalt i​m August 1991 aus.

Erste Amtszeit als Justizminister

Am 26. November 1991 berief i​hn Präsident George H. W. Bush a​ls Nachfolger v​on Dick Thornburgh z​um Justizminister (United States Attorney General). Barr gehörte d​em Kabinett b​is zum Ende v​on Bushs Amtszeit a​m 20. Januar 1993 an. 1992 startete e​r ein Telefonüberwachungsprogramm, u​m Informationen über Auslandsgespräche unbescholtener US-Bürger z​u sammeln. Das geheime Programm, d​as zunächst v​on der Drogenermittlungsbehörde beaufsichtigt u​nd betrieben wurde, zeichnete mehrere Milliarden Verbindungsdaten u​nd weitere Informationen v​on Gesprächen a​us nahezu a​llen US-Bundesstaaten i​n 116 Länder auf. Der Leiter d​er Inneren Revision d​es Justizministeriums k​am im März 2019 z​u dem Schluss, d​ass das Programm gestartet worden war, o​hne vorher rechtlich z​u prüfen, o​b es l​egal bzw. verfassungsgemäß sei. Er bewertete a​ber nicht d​ie Frage, o​b die Erfassung d​er Daten rechtmäßig gewesen sei. Laut d​er Zeitung USA Today lieferte d​as Programm d​ie "Blaupause für e​in umfassenderes Überwachungsprogramm", d​as die US-Regierung n​ach den Terroranschlägen v​om 11. September 2001 startete. Dessen Ausmaß u​nd technische Möglichkeiten wurden d​er Öffentlichkeit später d​urch Edward Snowdens Enthüllungen bekannt (siehe NSA-Affäre).[4]

Privatwirtschaft

Nach seinem Ausscheiden a​us dem Amt d​es Justizministers w​ar Barr wiederum a​ls Rechtsanwalt tätig u​nd zugleich a​uch Vorstandsmitglied mehrerer Unternehmen. Barr w​ar außerdem v​on 2001 b​is Juli 2005 Mitglied d​es Aufsichtsgremiums d​es College o​f William & Mary i​n Williamsburg (Virginia). Von 2000 b​is 2008 arbeitete e​r als Leiter d​er Rechtsabteilung u​nd als Vizepräsident b​ei dem US-amerikanischen Telekommunikationsunternehmen Verizon Communications, w​o er durchschnittlich 1,7 Mio. US$ p​ro Jahr verdiente; b​ei seinem Ausscheiden erhielt e​r 10 Mio. US$ a​ls Abfindung s​owie weitere 17 Mio. US$ a​ls Altersvorsorge.[5] 2008 arbeitete e​r als externer Berater Of counsel für d​ie internationale Anwaltskanzlei Kirkland & Ellis, b​ei der e​r ab 2017 festangestellt war.[6]

Justizminister im Kabinett Trump

Im Dezember 2018 nominierte Präsident Donald Trump Barr als Nachfolger von Jeff Sessions zum Justizminister. Dabei sagte der Präsident, er kenne Barr erst seit kurzem.[7] Barr plädierte im Januar 2019 bei seiner Anhörung vor dem Justizausschuss des US-Senats dafür, dass Sonderermittler Robert Mueller die Untersuchung von Einmischungen in den Präsidentschaftswahlkampf zu Ende bringen kann.[8] Nach seiner Bestätigung durch den US-Senat trat Barr sein Amt am 14. Februar 2019 an.[9] Am 22. März 2019 legte Mueller ihm den Abschlussbericht der Ermittlungen vor; zwei Tage darauf berichtete Barr dem Kongress in einem vierseitigen Brief über die Ergebnisse und führte darin aus, dass erstens der Bericht des Sonderermittlers nicht den Nachweis erbringen konnte, dass es eine Verschwörung gegeben habe oder eine verbotene Absprache zwischen dem Wahlkampfteam Trumps und Russland, oder eine Koordination mit Russlands Versuchen, die Wahlen zu beeinflussen, und zweitens, dass eine Entscheidung des Sonderermittlers darüber ausgeblieben war, ob Trump wegen Justizbehinderung strafrechtlich zu verfolgen sei. Dabei führte Barr ein Zitat an aus dem zu diesem Zeitpunkt dem Kongress und der Öffentlichkeit noch unbekannten Bericht, der besagte, dass man zwar nicht den Nachweis erbringen oder zu dem Schluss kommen konnte, dass Trump eine Straftat begangen habe, aber auch, dass Trump nicht entlastet sei, und dies aufgrund der zahlreichen im Bericht aufgeführten Indizien und Erkenntnisse ("while this report does not conclude that the President committed a crime, it also does not exonerate him"). Mueller wählte diese Formulierung, weil eine interne Richtlinie des Justizministeriums (DOJ) allen Staatsanwälten untersagt, ein gegen einen amtierenden Präsidenten gerichtetes Strafverfahren zu eröffnen. Deshalb leitete er kein Verfahren gegen Trump ein. Mueller bestätigte dies auch später während seiner Anhörung im Kongress, und er bejahte außerdem die Frage, ob Trump nach seiner Präsidentschaft wegen Justizbehinderung angeklagt werden könne. Außerdem gab Barr wichtige Erkenntnisse verkürzt wieder über die russische Wahlkampfeinmischung, indem er etwa in seinem Brief nur kleine Nebensätze zitierte, die ohne die vorherigen und Indizien enthaltenden Hauptsätze dann ausblendeten, dass das Trump-Team zumindest versucht hatte, über russische Mittelsmänner mit Russland zu konspirieren. Auf einer eigens angesetzten Pressekonferenz stellte Barr im Beisein seines Stellvertreters Rod Rosenstein dann das Ergebnis der Untersuchung außerdem so dar, dass die vorliegenden Beweise nicht ausreichten, um zweifelsfrei belegen zu können, dass Trump aktiv eine an sich strafbare Behinderung der Justiz betrieben habe. Tatsächlich hatte Mueller in dieser Frage nicht im gleichen Umfang wie etwa zur Wahlkampfeinmischung ermittelt, weil dies nicht zu seinem Untersuchungsauftrag gehörte und weil die Richtlinie des Justizministeriums die Strafverfolgung Trumps ausdrücklich untersagte. Nach Veröffentlichung des Berichts mit seinen sehr umfangreich geschwärzten Passagen und nach der Anhörung Muellers wurde klar, dass diese Aussage überhaupt nicht haltbar war, weshalb Barrs Pressekonferenz von demokratischen Politikern und weiten Teilen der Presse als Barrs Versuch der Reinwaschung Trumps gebrandmarkt wurde, und weshalb die Demokraten ihn zum Rücktritt aufforderten.[10] Eine solche Reinwaschung gilt gerade in den USA auch deshalb als skandalös, weil ein Generalbundesanwalt in Justiz- bzw. Strafangelegenheiten eigentlich seine Unabhängigkeit gegenüber der Regierung bewahren soll, auch wenn die Funktion mit einem Sitz im Kabinett verbunden ist. Barr schloss dann auch weitere Justizmaßnahmen gegen Trump und sein Wahlkampfteam zunächst aus.

Nach 17-jähriger Pause b​ei Hinrichtungen n​ach Bundesrecht ordnete Barr a​m 25. Juli 2019 d​eren Wiederaufnahme an.[11][12] Nach monatelangen juristischen Auseinandersetzungen begannen i​m Juli 2020 d​ie Hinrichtungen. Im letzten halben Jahr d​er Amtszeit Barrs w​urde bei bisher 10 Personen d​ie Todesstrafe n​ach Bundesrecht vollstreckt – s​o viele Hinrichtungen p​ro Jahr n​ach Bundesrecht h​atte es s​eit dem Jahr 1896, d. h. s​eit 124 Jahren n​icht gegeben. Barr u​nd sein Vize u​nd kommissarischer Nachfolger Jeffrey Adam Rosen verteidigten d​ies mit d​em Argument, d​ass den Opfern schrecklicher Verbrechen u​nd deren Angehörigen Gerechtigkeit widerfahren müsse.[13][14]

Als e​iner der engsten Vertrauten Trumps geriet Barr i​m Herbst 2019 i​n den Fokus d​er Untersuchungen z​ur Ukraine-Affäre.[15] Barr u​nd seine Mitarbeiter w​ie auch Trump selber h​aben seit d​em Beginn d​er Ermittlungen i​m Rahmen d​er Untersuchungen i​n dieser Affäre mehrfach Vorladungen v​on Mitarbeitern d​es Weißen Hauses v​or den Ausschuss unterbunden, w​as nach Darstellung vieler Kommentatoren e​in einmaliger Vorgang ist. Möglich i​st dies überhaupt d​urch die starke Stellung d​es Präsidenten i​m politischen System d​er Vereinigten Staaten.[16]

Nachdem US-Präsident Trump zahlreiche Tweets veröffentlicht hatte, a​uch solche z​u laufenden Strafverfahren, äußerte Barr i​m Februar 2020, e​r werde s​ich von niemandem einschüchtern lassen, a​uch nicht v​on Trump, sondern e​r werde s​ich für d​ie Integrität u​nd Unabhängigkeit d​er Justiz einsetzen.[17][18]

Nach d​er US-Präsidentschaftswahl 2020 distanzierte s​ich Barr a​m 1. Dezember 2020 deutlich v​on den unbelegten Behauptungen d​es abgewählten Präsidenten Trump, e​s habe b​ei der Wahl massive Wahlfälschungen gegeben. Sein Ministerium h​abe keine Wahlfälschungen i​n einem Ausmaß finden können, d​ass diese z​u einem anderen Wahlausgang geführt hätten.[19] Trump ließ daraufhin offen, o​b er a​n Barr festhalte, u​nd bezeichnete d​as Justizministerium a​ls Enttäuschung. Barr t​rat am 14. Dezember 2020 (der Tag, a​n dem d​as Electoral College Joe Biden z​um 46. US-Präsidenten wählte) m​it Wirkung z​um 23. Dezember v​on seinem Amt a​ls Justizminister zurück.[20]

Werke

  • One Damn Thing After Another: Memoirs of an Attorney General. William Morrow, New York 2022, ISBN 978-0-06-315860-3.
Commons: William Barr – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Saxon: Donald Barr, 82, Headmaster And Science Honors Educator. In: nytimes.com. The New York Times, 10. Februar 2004, abgerufen am 11. August 2019 (englisch).
  2. John Haltiwanger: Who is William Barr? Former attorney general could get old job back. In: MSN. 9. Dezember 2018, abgerufen am 3. Oktober 2019 (englisch).
  3. Judith Miller: Stepping Into the Fire. In: city-journal.org. Manhattan Institute for Policy Research, 11. Januar 2019, abgerufen am 11. August 2019 (englisch).
  4. Brad Heath: Justice under AG Barr began vast surveillance program without legal review – in 1992, inspector general finds. In: usatoday.com. USA Today, 28. März 2019, abgerufen am 14. Februar 2020 (englisch).
  5. Dan Alexander: How Attorney General Bill Barr Built A $40 Million Fortune. In: forbes.com. 19. Juli 2019, abgerufen am 17. Dezember 2020 (englisch).
  6. William P. Barr – Of Counsel / Litigation. Kirkland & Ellis, archiviert vom Original am 6. Dezember 2018; abgerufen am 23. Januar 2019 (englisch).
  7. Trump nominiert William Barr als Justizminister. In: Augsburger Allgemeine. 7. Dezember 2018, abgerufen am 11. August 2019.
  8. Designierter Justizminister widerspricht Trump. In: Spiegel Online. 15. Januar 2019, abgerufen am 23. Januar 2019.
  9. William Barr als neuer US-Justizminister vereidigt. In: Handelsblatt. 15. Februar 2019, abgerufen am 11. August 2019.
  10. The Intercept: William Barr Misled Everyone About the Mueller Report. Now Democrats Are Calling for His Resignation. In: theintercept.com. Glenn Greenwald, Jeremy Scahill, Laura Poitras, 20. April 2020, abgerufen am 14. Februar 2020 (englisch).
  11. Tammy Kupperman, Ariane de Vogue, Vernocia Stracqualursi: Barr directs federal government to reinstate death penalty, schedule the execution of 5 death row inmates. CNN, 25. Juli 2019, abgerufen am 10. Dezember 2020 (englisch).
  12. US justice department resumes use of death penalty and schedules five executions. The Guardian, 25. Juli 2019, abgerufen am 10. Dezember 2020 (englisch).
  13. Marc Pitzke: Trump im »Blutrausch«: US-Präsident verabschiedet sich mit Hinrichtungswelle. In: DER SPIEGEL. Abgerufen am 3. Januar 2021.
  14. US speeds up pace of federal executions as Trump nears final days of presidency. The Guardian / Associated Press, 9. Dezember 2020, abgerufen am 15. Dezember 2020 (englisch).
  15. Thorsten Denkler: Die Akteure in der Ukraine-Affäre. In: Süddeutsche Zeitung. 1. Oktober 2019, abgerufen am 3. Oktober 2019.
  16. David Rohde: Trump’s Sword and Shield. In: The New Yorker. 13. Januar 2020, abgerufen am 13. Januar 2020 (englisch).
  17. wörtlich: “I’m not going to be bullied or influenced by anybody” (zitiert nach washingtonpost.com: Barr pushes back against Trump’s criticism of Justice Dept., says tweets ‘make it impossible for me to do my job’)
  18. spiegel.de 14. Februar 2020: Trumps Tweets machen es "unmöglich, meinen Job zu machen“
  19. US attorney general finds 'no voter fraud that could overturn election'. BBC News, 2. Dezember 2020, abgerufen am 2. Dezember 2020 (englisch).
  20. US Justizminister William Barr tritt zurück. Zeit Online, 14. Dezember 2020, abgerufen am 15. Dezember 2020.
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