Wien-Nizza-Cannes-Express
Der Wien-Nizza-Cannes-Express, zeitweise auch als Wien-San Remo-Nizza-Cannes-Express oder als St. Petersburg-Wien-Nizza-Cannes-Express bezeichnet, war ein von der Compagnie Internationale des Wagons-Lits (CIWL) betriebener Luxuszug. Er verkehrte, unterbrochen vom Ersten Weltkrieg, von 1896 bis 1939 zwischen Wien und der französisch-italienischen Riviera, zeitweise bereits von Warschau bzw. Sankt Petersburg. Aufgrund seiner Beliebtheit beim Hochadel, sowohl bei russischen Großfürsten als auch habsburgischen Erzherzögen, erhielt er vor 1914 den Beinamen „Train des Grand-Ducs“.
Von 1896 bis 1914
Als zweiten eigenständigen Luxuszug nach dem 1883 erstmals verkehrenden Orient-Express hatte die CIWL noch im gleichen Jahr den Calais-Nice-Rome Express (bald darauf in Calais-Mediterranée Express umbenannt) von Calais bzw. Paris an die Riviera eingeführt. Die Riviera war damals in der Wintersaison das wichtigste Urlaubsziel der europäischen Oberschicht. Um auch die entsprechende Nachfrage außerhalb Frankreichs und Großbritanniens zu befriedigen, führte die CIWL im Winterfahrplan 1896/97 erstmals den Wien-Nizza-Cannes-Express ein.
Der neue, ausschließlich die erste Klasse führende Luxuszug verkehrte dreimal pro Woche ab Wien Westbahnhof über Strecken der k.k. Staatsbahnen bis zum damaligen österreichisch-italienischen Grenzbahnhof Pontafel und weiter über Venedig, Mailand Genua und Ventimiglia nach Nizza und Cannes. Die CIWL vermied in Österreich zunächst Strecken der privaten Südbahngesellschaft, womit der Zug zwischen Wien und Pontafel einen deutlichen Umweg über Amstetten und Selzthal zurücklegen musste. Weitere beteiligte Gesellschaften waren die italienischen Bahnen der Rete Adriatica und der Rete Mediterranea sowie die französische PLM. Für die 1.380 km lange Strecke benötigte der Zug etwas unter 30 Stunden. Bei Abfahrt in Wien um 14:15 Uhr wurde Cannes am nächsten Abend um 20:02 Uhr erreicht.
Zur Wintersaison 1898/99 änderte die CIWL gemeinsam mit den beteiligten Bahnverwaltungen den Zuglauf grundlegend. Er erhielt zwischen Wien und Pontafel den deutlich kürzeren Laufweg über die der Südbahngesellschaft gehörende Semmeringbahn und verkehrte während der Saison täglich. Die Südbahn übernahm auch die Funktion als geschäftsführende Verwaltung, die gegenüber der CIWL als gemeinsamer Ansprechpartner aller beteiligten Bahngesellschaften fungierte. Außerdem wurde der Zuglauf nördlich von Wien über die Kaiser Ferdinands-Nordbahn und die Warschau-Wiener Eisenbahn nach Warschau verlängert. In Wien bediente er nicht mehr den Westbahnhof, sondern den Südbahnhof. Diese Verlängerung erfolgte zunächst nur einmal pro Woche, ab der Saison 1902/03 zweimal pro Woche. In Warschau, wo damals die europäische Normalspur endete, bestand Anschluss an einen breitspurigen Luxuszug nach St. Petersburg. Die CIWL vermarktete beide Züge unter der gemeinsamen Bezeichnung „St. Petersburg-Wien-Nizza-Cannes-Express“. Von St. Petersburg bis zur Riviera waren auf der nunmehr 3.118 km langen Strecke drei Nachtfahrten erforderlich.
Mit der Erweiterung ins Russische Kaiserreich wurde der Zug vor allem bei der vermögenden St. Petersburger Gesellschaft beliebt. Der „Train des Grand-Ducs“[1] stand zwischen 1904 und 1911 auf dem Abschnitt von St. Petersburg bis Wien allerdings auch Fahrgästen der damaligen zweiten Klasse offen und war damit eine Ausnahme unter den Luxuszügen der CIWL vor dem Ersten Weltkrieg. Ab 1903 führte der Zug auf dem tagsüber befahrenen Abschnitt zwischen Mailand und Cannes auch einen Salonwagen, der 1913 allerdings erst ab Genua eingesetzt wurde. Ergänzt wurde der Zug ab 1908 durch einen zweimal wöchentlich verkehrenden und in Wien beigestellten Kurswagen ab Podwoloczyska, damals österreichischer Grenz- und Spurwechselbahnhof auf der Strecke von Lemberg nach Kiew. Für die Wintersaison 1914/15 beschloss die Europäische Fahrplankonferenz die Einführung eines weiteren Schlafwagens von Wien nach Cannes sowie einen Kurswagen von Budapest nach Ventimiglia. Aufgrund des Weltkriegs kamen diese Pläne aber nicht mehr zur Umsetzung.
Aufsehen erregte der Luxuszug 1909, als er im Winter bei Pontafel eine Woche lang eingeschneit liegen blieb.
Von 1923 bis 1939
Die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg, vor allem die Auflösung der Habsburgermonarchie, führten dazu, dass erst ab 15. Dezember 1923 wieder ein Luxuszug von Wien an die Riviera eingesetzt wurde.[2] Bis dahin hatte die CIWL zwar unter anderem bereits den Orient-Express und den Sud-Express wieder in Fahrt gebracht, erstmals setzte sie aber mit dem nunmehr als „Wien-San Remo-Nizza-Cannes-Express“ bezeichneten Zugpaar wieder einen Luxuszug für Urlaubs- und Vergnügungsreisende ein. Der Zug fuhr dreimal pro Woche vom Wiener Südbahnhof an die Riviera und erwies sich rasch als Erfolg, trotz der schlechten wirtschaftlichen Situation der jungen Republik Österreich. Wie vor dem Krieg blieb er ein ausschließlich im Winter eingesetzter Saisonzug. Ab 1927 fuhr er in der Saison sogar täglich. Ein Jahr später erhielt der Zug einen Kurswagen von Budapest, in Wien wurde daher zur leichteren Umstellung dieses Wagens nach Wien Ostbahnhof gewechselt.
Die Weltwirtschaftskrise beeinträchtigte die Nachfrage nach den ausschließlich für Fahrgäste der ersten Klasse angebotenen Luxuszügen der CIWL erheblich. Ab der Saison 1930/31 wurde daher der Wien-San Remo-Nizza-Cannes-Express auch für Fahrgäste der zweiten Klasse geöffnet, zudem reduzierte die CIWL die Fahrtfrequenz auf drei Fahrten pro Woche. Zur Erschließung zusätzlicher Kundschaft verlängerte sie den Budapester Kurswagen bis Bukarest und ergänzte den Zuglauf um einen in Verona zugestellten Schlafwagen von München nach Cannes. Ab der Saison 1931/32 erhielt der Zug auch wieder einen Kurswagen ab Warschau, der allerdings ebenso wie der Bukarester Kurswagen nicht erfolgreich war und nach zwei Jahren wieder eingestellt wurde. Zwischen Ventimiglia und Cannes wurde der Zug zudem mit dem Riviera-Express von Berlin geführt. Wie auch der Riviera-Express erhielt der Wien-Nizza-Cannes-Express ab 1935 einen Schlafwagen nach Rom. Letztmals verkehrte der Zug mit Ende der Wintersaison am 4. Mai 1939.
Fahrzeuge
Wie alle damaligen Luxuszüge der CIWL bestand der Wien-Nizza-Cannes-Express ausschließlich aus Schlafwagen, Speisewagen und Gepäckwagen. Bis 1914 waren dies die üblichen, mit Teakholz verkleideten Wagen der CIWL, die Schlafwagen entsprachen dem Typ R ("Règle") der CIWL. Die CIWL hielt in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg für jeden ihrer Luxuszüge einen separaten Wagenpark vor. Für den breitspurigen Teil zwischen St. Petersburg und Warschau bestand dieser 1908 aus je drei Speise- und Gepäckwagen sowie fünf Schlafwagen. Der längere und häufiger bediente normalspurige Abschnitt erforderte sieben Speisewagen, 13 Gepäckwagen und 24 Schlafwagen, mit Ausnahme einiger Gepäckwagen handelte es sich dabei ausschließlich um maximal neun Jahre alte Wagen mit Drehgestellen. Die Gepäckwagen dienten nicht nur dem Gepäcktransport der Fahrgäste und zur Unterbringung des Personals, die CIWL nutzte sie auch, um frische Schnittblumen nach Österreich und Russland zu liefern.[1]
Nach dem Krieg setzte die CIWL zunächst wieder ihre Teakholzwagen ein. Mit der raschen Beschaffung neuer Ganzmetallwagen stellte sie auch den Wien-San Remo-Nizza-Cannes-Express bald auf die bereits vom Train Bleu bekannten blauen Ganzstahlwagen um. Noch 1933 war der Münchner Kurswagen allerdings ein alter Holzwagen vom Typ R.[3]
Literatur
- Wilfried Biedenkopf: Quer durch das alte Europa. Die internationalen Zug- und Kurswagenläufe nach dem Stand vom Sommer 1939. Verlag und Büro für Spezielle Verkehrsliteratur Röhr, Krefeld 1981, ISBN 3-88490-110-9.
- Albert Mühl: Internationale Luxuszüge. EK-Verlag, Freiburg im Breisgau 1991, ISBN 3-88255-673-0.
- Albert Mühl, Jürgen Klein: Reisen in Luxuszügen. Die Internationale Schlafwagen-Gesellschaft. EK-Verlag, Freiburg im Breisgau 2006, ISBN 3-88255-696-X.
Weblinks
Einzelnachweise
- Albert Mühl: Internationale Luxuszüge. EK-Verlag, Freiburg im Breisgau 1991, S. 35
- Albert Mühl: Internationale Luxuszüge. EK-Verlag, Freiburg im Breisgau 1991, S. 158
- Albert Mühl: Internationale Luxuszüge. EK-Verlag, Freiburg im Breisgau 1991, S. 159