Weststadt (Heidelberg)
Die Weststadt von Heidelberg entstand weitgehend im 19. Jahrhundert, als Heidelberg während der Industriellen Revolution mit der Eisenbahn nach Westen wuchs. Die Entwicklung der Weststadt zum gründerzeitlichen Vorstadtquartier zu Füßen des Gaisbergs steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung Heidelbergs zur Großstadt. Mit deren weiterer Ausdehnung nach Süden entstand der Heidelberger Stadtteil Südstadt und als jüngster Stadtteil westlich davon die Bahnstadt.
Zentraler Platz ist der Wilhelmsplatz für gelegentliche Feste, tägliches Spiel und einem Wochenmarkt montags und donnerstags.
Lage, Bebauung
Ein reicher Bestand an Kulturdenkmalen, begrünten Innenhöfen und Vorgärten machen die Weststadt im Kernbereich zu einem der begehrtesten Wohnviertel Heidelbergs.
Die Bebauung besteht teils aus Villen, teils aus drei- bis fünfstöckigen Mehrfamilienhäusern. Die meisten Häuser sind vor 1910 erbaut und in einem sehr guten baulichen Zustand.
Die innerstädtische Verkehrsachse Kurfürstenanlage trennt die Weststadt im Norden von Bergheim (siehe auch Nahverkehr in Heidelberg). Auf dieser ehemaligen Bahnanlage (alter Hauptbahnhof und Vorfeld) entstanden in den 1960er Jahren mehrere einheitlich gestaltete Justizgebäude und ein Finanzamt, die 2014 abgerissen wurden.
Im Osten erhebt sich der Gaisberg, ein Nebengipfel des Königstuhl im südlichen Odenwald. Die Rohrbacher Straße schneidet in Nord-Süd-Richtung den bergwärtigen kleineren Teil der Hangbebauung von der übrigen Weststadt ab.
Im nordwestlichen Teil und entlang der Schiller- und Römerstraße (Verbindung Römerkreis-Christuskirche-Südstadt) herrscht alte Blockbebauung vor, westlich der Römerstraße bis zum Hauptbahnhof moderne Blockbebauung mit vier- bis fünfstöckigen Mehrfamilienhäusern aus den 1950ern bis 1970er Jahren.
Der 1955 eröffnete Hauptbahnhof der Deutschen Bahn ist der verbleibende strukturelle Beitrag des Stadtteils zur Gesamtstadt. Auf dem Gebiet der Weststadt lagen früher auch das Arbeitsamt, der Güterbahnhof sowie die Hauptpost von Heidelberg.
Die südliche Grenze zur Südstadt wird durch eine alte Güterzug-Strecke der Deutschen Bahn vom Königstuhl-Tunnel zum alten Güterbahnhof gebildet, die vor einigen Jahren aufgegeben und renaturiert wurde. Direkt daneben befinden sich die noch aktiven Gleisanlagen der Neckartalbahn (Heidelberg-Neckargemünd-Eberbach), wo sich der Haltepunkt Heidelberg-Weststadt/Südstadt der S-Bahn Rhein-Neckar befindet.
Die Weststadt besitzt zwei Kirchen, die aus der Gründerzeit stammen. Neben der katholischen Bonifatius-Kirche gibt es die von Baurat Hermann Behaghel errichtete evangelische Christuskirche, die mit ihrem 65 Meter hohen Turm das Wahrzeichen des Heidelberger Westens geworden ist.
Die Güterzug-Strecke begrenzt gemeinsam mit dem alten Güterbahnhof, dem Hauptbahnhof, und der Strecke vom Hauptbahnhof zum Königstuhl-Tunnel die sogenannte „Bahninsel“. Die Bahninsel ist primär Gewerbegebiet. Im Süden liegt das neue Wohngebiet „Im Sand“, bebaut mit zwei- bis dreistöckigen Ein- und Mehrfamilienhäusern. Im Osten, getrennt durch die Bahnstrecke vom Hauptbahnhof Richtung Süden, liegt ein Schulzentrum. Am Schulzentrum liegt auch der Bahnhof Weststadt/Südstadt der S-Bahn RheinNeckar.
Der Großteil der Bahninsel wird künftig Teil der Bahnstadt sein. Die Grenze wird entlang des Hauptbahnhofs sowie der Strecke vom Hauptbahnhof Richtung Süden verlaufen, und die derzeit dort gelegenen Gewerbegebiete sowie das Wohngebiet „Im Sand“ abtrennen.
Infrastruktur
Es gibt insgesamt eine gute Versorgung durch vielzählige Lebensmittelgeschäfte sowie Einzelhandel, Gaststätten und Handwerkern (außer Schreinereien). An der nördlichen Grenze liegt die ganze Justiz- und Finanzverwaltung der Region. Die zentralen Kaufhäuser Heidelbergs im Bereich Poststraße und Bismarckplatz schließen direkt an der Nordostecke der Weststadt an.
Kindergärten und Schulen sind ausreichend vorhanden. Besonders schön ist das Backsteingebäude der Landhausgrundschule. Es diente im Ersten Weltkrieg als Lazarett; zu seinen Patienten zählte 1915 auch Ernst Jünger. An der südlichen Grenze zur Südstadt liegt auf dem Gebiet der Weststadt ein Schulzentrum bestehend aus der Pestalozzi-Grundschule, dem Willy-Hellpach-Wirtschaftsgymnasium, und mehrere Gebäude der in der Südstadt ansässigen kaufmännischen Berufsschule Julius-Springer-Schule. In diesem Bereich liegt auch ein Kinder- und Jugendzentrum, das Haus der Jugend. In der Südstadt, getrennt durch eine (seit einigen Jahren renaturierte) alte Bahnstrecke, schließen sich hier weitere Gebäude der Julius-Springer-Schule sowie das Helmholtz-Gymnasium an. Weitere Gymnasien sowie Realschulen liegen in den benachbarten Stadtteilen.
Das Krankenhaus St. Josef mit Hospiz ist gekennzeichnet durch einen überörtlichen Einzugsbereich. Das geriatrische Spezialkrankenhaus Bethanien direkt in der benachbarten Südstadt mit Heimplätzen und Tagesklinik hat ebenfalls überörtliche Bedeutung.
Friedhof ist der parkartige Bergfriedhof direkt anschließend in der benachbarten Südstadt am Gaisberg.
Das Gremium Bezirksbeirat
Die Vertretung des Stadtteils nach innen wird durch den Bezirksbeirat gewährleistet. Er soll ein bürgernahes Funktionieren der Stadtverwaltung sicherstellen. Die Mitglieder des Bezirksbeirats dienen als Ansprechpartner für Probleme direkt vor Ort. Sie werden von der Stadtverwaltung bei vielen Fragen informiert und einbezogen.
Geschichte
- Siehe auch: Geschichte Heidelbergs
Der Berg Königstuhl und der vorgelagerte Gaisberg bilden die südliche Kante des Neckaraustritts in die Rheinebene. Lange war das die Ausdehnungsgrenze der Altstadt. Rohrbacher, Speyerer und Kirchheimer Straße liefen von dieser Kante süd- und südwestwärts. Ein alter städtischer Fluchtweg ging aus der Altstadt bei Kriegsgefahr über den Gaisberg nach Süden.
1840 wird mit dem Teilstück Mannheim – Heidelberg der Badischen Hauptbahn die erste Eisenbahnlinie in Baden eröffnet. Der erste Bahnhof befand sich etwa beim heutigen Bismarckplatz. Der Bau des ersten Heidelberger Bahnhofs an der Rohrbacher Straße war 1840 abgeschlossen. Hier entsteht bereits im Jahr 1838 das erste Vorstadthotel Heidelbergs, das Hotel Schrieder (heute Crowne Plaza). 1876/77 wird zu einer Zeit, als sich Heidelberg zum mondänen Reiseziel in- und ausländischer Reisender entwickelt, das luxuriöse Grand-Hotel an der Ecke Rohrbacher Straße/Seegarten (heute das alte Polizeigebäude am Adenauerplatz) mit 100 Betten errichtet.
Mit dem Bau der, für die vorgesehene Westverlegung des Hauptbahnhofes benötigten, neuen Strecke der Neckartalbahn sowie des zugehörigen Königstuhltunnels 1909/10 ist nicht nur die Flächenausdehnung der Weststadt, sondern auch der Hauptabschnitt der gründerzeitlichen Entwicklung weitgehend abgeschlossen. Die Bahnlinie grenzt nach Süden ab. In dem Geviert wurden entlang der Rohrbacher alle weiteren Straßen rechtwinklig angelegt. Nur eine Diagonalstraße schneidet das Raster.
Der Begriff „Weststadt“ wird in der Zeit zwischen 1924 und 1938 gebräuchlich, als im Zusammenhang mit der nun geplanten Verlegung des Hauptbahnhofs nach Westen erste planerische Schritte zu einer Neugestaltung der Wohn- und Industrievororte der sich ausweitenden Stadt unternommen werden.
Zu diesem Zeitpunkt besitzt das Wohnviertel auch bereits die für sein Erscheinungsbild wesentlichen Großbauten: die Landhausschule (1886), das nach einem Entwurf von E. Krause errichtete St.-Josef-Krankenhaus (1888), die im neuromanischen Stil erbaute und mit farbenprächtigen Deckengemälden ausgeschmückte katholische St. Bonifatius-Kirche (1898–1903). Nur ein Jahr später wird die riesige Christuskirche eingeweiht. Deren Turm ist mit 65 Metern einer der höchsten Heidelbergs und ein Wahrzeichen der Weststadt. Das Geläut der Kirche wird als sehr gutes Stahlgeläut angesehen. Die Einwohner des Stadtteiles flüstern von „singenden Glocken“.
Ein Postamt kommt gegenüber vom Bahnhof nach 1960 hinzu. Erst nach zwei Kriegen erfolgt 1955 die Verlegung des Hauptbahnhofs um zwei Kilometer nach Westen. Ein markanter neuzeitlicher Hallenbau entsteht. Seine Einweihung durch Theodor Heuss ist ein Ereignis für die ganze Stadt.
Zunächst blieb eine breite Schneise zwischen Weststadt und Bergheim, die mit Verwaltungsgebäuden und einer vielspurigen Autostraße angefüllt wurde.
Die Fuchssche Waggonfabrik war das einzige Industrieviertel im wachsenden Wohnquartier. Entstanden infolge der Eisenbahnlinie, wird sie kurz nach der Jahrhundertwende nach Rohrbach verlegt.
Im Jahr 1892 gründeten rund 60 Bewohner der Weststadt den Verein „West-Heidelberg“, der sich die Aufgabe stellte, die Interessen des Stadtteils zu fördern und das Gemeinwesen zu wahren. Seit 1973 feiert der Verein sein Jubiläum mit dem Weststadtfest auf dem Wilhelmsplatz. Seit 1983 findet dort auch das zweite Stadtteilfest statt, das Heidelberger Sommerspektakel. Der Gaisbergturm, einer von mehreren Aussichtspunkten, ist ein Wahrzeichen des Stadtteils.
Flora und Fauna
- Es gibt eine freilebende Population von Halsbandsittichen am Römerkreis.
- Rosskastanien, Esskastanien und Linden sind typische Bäume.
Politik
Der Weststadter Bezirksbeirat setzt sich wie folgt zusammen:
Partei/Liste | 2019[1] |
---|---|
Grüne | 7 |
CDU | 2 |
SPD | 2 |
Die Linke | 1 |
"Die Heidelberger" | 1 |
HiB | 1 |
FDP | 1 |
GAL | 1 |
BL | 1 |
Einwohner mit regionaler Bekanntheit
- Karl Weber, ehemaliger MdL
- Dietrich Hildebrandt (1944–2015), ehemaliges MdL (Bündnis 90/Die Grünen)
- Angelika Köster-Loßack (* 1947), ehemaliges MdB (Bündnis 90/Die Grünen)
- Lothar Binding (* 1950), seit 1998 MdB (SPD)
- Horst Hasselbach, Heimatforscher und Heimatrestaurator
- Die Stieber Twins, Rapper
Sehenswürdigkeiten
- Die Christuskirche von Hermann Behaghel
- Die St.-Bonifatius-Kirche von Ludwig Maier
Literatur
- Elmar Mittler (Hrsg.): Heidelberg. Geschichte und Gestalt. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 1996.
- Heidelberg West. Entwicklung eines Stadtteils. Festbuch zum 70jährigen Bestehen des Vereins West-Heidelberg. Heidelberg 1962.
- Stadt Heidelberg (Hrsg.): Stadtteilrahmenplan Weststadt/Südstadt. Bestandsaufnahme, Prognose und Bewertung. Heidelberg 1995.
- Heidelberger Geschichtsverein e. V. (Hrsg.): Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt.
- Timo Hagen, Daniel Keller: Gesamtanlage „Weststadt Heidelberg“. Ein exemplarisches Beispiel gründerzeitlicher Stadterweiterung. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. 41. Jg. 2012, Heft 4, S. 200–206. (PDF)
- Wolf Deiseroth: Die Weststadt von Heidelberg. Ein Beispiel gründerzeitlicher Stadtentwicklung. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. 9. Jg. 1980, Heft 2, S. 37–50. (PDF)
Weblinks
Einzelnachweise
- Stadt Heidelberg - Bezirksbeirat Weststadt. Abgerufen am 11. Dezember 2019.