Ursula Karusseit
Ursula Karusseit (* 2. August 1939 in Elbing, Regierungsbezirk Westpreußen, Provinz Ostpreußen; † 1. Februar 2019 in Berlin) war eine deutsche Schauspielerin und Regisseurin.
Karusseit avancierte in ihren Jahren an der Berliner Volksbühne zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten des DDR-Theaters, spielte jedoch auch in über 50 DFF- und DEFA-Filmen, etwa in Wege übers Land (1968), Daniel Druskat (1976) und Märkische Chronik (1983).
Leben
Karusseit wurde im ostpreußischen Elbing geboren. Nach der Vertreibung 1945 wuchs Ursula Karusseit in Parchim und in Gera auf. Nach einer kaufmännischen Lehre arbeitete die Lehrerstochter als Stenotypistin und Sachbearbeiterin und wirkte nebenbei in der Laienkabarettgruppe ihres Betriebes mit. Sie erhielt von 1960 bis 1962 an der Staatlichen Schauspielschule Berlin-Schöneweide ihre Schauspielausbildung und anschließend Engagements am Deutschen Theater Berlin, dem Maxim-Gorki-Theater und eine viele Jahre währende Festanstellung im Ensemble der Berliner Volksbühne. In der Ära Benno Besson (1969 bis 1977) feierte sie dort europaweit Erfolge. 1969 heiratete sie Besson und erhielt damit auch den Schweizer Pass; ihr gemeinsamer Sohn Pierre Besson (* 1967) ist ebenfalls Schauspieler. Karusseit glänzte vor allem in den Stücken Der Drache (Deutsches Theater Berlin, Rolle Elsa) und Der gute Mensch von Sezuan (Volksbühne, Rolle Shen Te).
Im Jahr 1984 debütierte Karusseit als Regisseurin mit John M. Synges Der Held der westlichen Welt. Seit Mitte der 1980er-Jahre hatte Karusseit zahlreiche Gastengagements in Westdeutschland, so trat sie etwa 1986 als Mutter Courage im gleichnamigen Stück am Kölner Schauspiel auf.
Ihr Filmdebüt gab Ursula Karusseit 1963 in Lothar Bellags Fernsehfilm Was ihr wollt. Mit ihrer Darstellung der Gertrud Habersaat im TV-Mehrteiler Wege übers Land nach Helmut Sakowski erlangte sie bis über die Grenzen der DDR hinaus große Popularität. In dem Vierteiler Eva und Adam verkörperte sie im ersten Film die Hauptrolle der Helga Lorenz an der Seite von Dietmar Richter-Reinick. Bekannt wurde sie außerdem durch Filme wie das antifaschistische Filmepos über die Widerstandsgruppe um Harro Schulze-Boysen, KLK an PTX – Die Rote Kapelle (1971), oder das Märchen Die vertauschte Königin (1984). Nach der Wiedervereinigung war Karusseit hauptsächlich im Fernsehen beschäftigt, darunter seit 1998 als Charlotte Gauß in der ARD-Fernsehserie In aller Freundschaft. Diese Rolle spielte sie von 1998 bis zu ihrem Tod 2019 von der ersten bis zur 857 Folge. Außerdem lehrte sie gelegentlich an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg, beteiligte sich stimmlich an der Produktion von Hörspielen und tourte mit dem Programm Jazz, Lyrik, Prosa durch Deutschland.
Ab 2006 spielte sie im Theater am Rand in Zollbrücke mit.[1]
Zuletzt lebte Karusseit in Senzig, Ortsteil von Königs Wusterhausen, südlich von Berlin.[2] Sie heiratete 1998 in zweiter Ehe ihren langjährigen Lebensgefährten, den Beleuchtungstechniker Johannes Wegner. Ursula Karusseit starb am 1. Februar 2019 im Alter von 79 Jahren in einer Berliner Klinik an den Folgen eines Herzleidens. Ihre letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Friedhof von Senzig.[3] Im März 2019 erschien postum unter dem Titel Zugabe ein Buch von ihr, an dem sie zuletzt noch gearbeitet hatte.[4]
Politisches Engagement
Bei der Bundestagswahl 2009 rief Karusseit öffentlich zur Wahl der Partei Die Linke auf.[5]
Filmografie (Auswahl)
- 1968: Wege übers Land (TV-Fünfteiler)
- 1971: Avantgarde (Theateraufzeichnung)
- 1971: KLK an PTX – Die Rote Kapelle
- 1971: Der Arzt wider Willen (Theateraufzeichnung)
- 1973: Eva und Adam (TV-Vierteiler)
- 1974: Der nackte Mann auf dem Sportplatz
- 1976: Daniel Druskat (TV-Fünfteiler)
- 1976: Camping, Camping (TV)
- 1977: Tod und Auferstehung des Wilhelm Hausmann
- 1979: Pinselheinrich (Fernsehfilm)
- 1980: Levins Mühle
- 1980: Puppen für die Nacht (Fernsehfilm)
- 1981: Die Stunde der Töchter
- 1982: Familie Rechlin (TV-Zweiteiler)
- 1982: Das Mädchen und der Junge (Fernsehfilm)
- 1983: Der Biberpelz (Aufzeichnung der Volksbühne Berlin)
- 1983: Olle Henry
- 1983: Märkische Chronik (Fernsehserie)
- 1983: Der Bastard (TV-Zweiteiler)
- 1983: Der entführte Prinz (Märchenfilm)
- 1984: Die vertauschte Königin (Märchenfilm)
- 1985: Die Gänse von Bützow
- 1986: Weihnachtsgeschichten (Fernsehfilm)
- 1987: Einzug ins Paradies (Fernsehserie)
- 1987: Polizeiruf 110 – Abschiedslied für Linda (Fernsehreihe)
- 1991: Die Sprache der Vögel (Fernsehfilm)
- 1993: Wer zweimal lügt (Fernsehfilm)
- 1994: Die Stadtindianer (Fernsehserie)
- 1998–2019: In aller Freundschaft (Fernsehserie)
- 1999: Nachtgestalten
- 1999: Waschen, Schneiden, Legen
- 2003: Der zweite Frühling
- 2003: Ich leih dir meinen Mann (Fernsehfilm)
- 2003: Wolffs Revier (Fernsehserie, eine Folge)
- 2003: Schloss Einstein (Fernsehserie, vier Folgen)
- 2004: Ein Engel namens Hans-Dieter
- 2005: Polizeiruf 110 – Vorwärts wie rückwärts (Fernsehreihe)
- 2006: Elementarteilchen
- 2006: Willkommen in Lüsgraf
- 2007: Tatort – Die Falle (Fernsehreihe)
- 2008: Tischlein deck dich (Fernsehfilm)
- 2013: Willkommen auf dem Land (Fernsehfilm)
- 2013: In aller Freundschaft: Bis zur letzten Sekunde (Fernsehfilm)
- 2014: Wir tun es für Geld (Fernsehfilm)
- 2014: Dr. Klein (Fernsehserie, zwei Folgen: Rückschläge, Rausch)
- 2014: Die letzten Millionen – Wenn das Altenheim im Lotto gewinnt
- 2014: Neufeld, mitkommen!
- 2015: Eins ist nicht von dir (Fernsehfilm)
Theater
Schauspieler
- 1964: Manfred Bieler: Nachtwache – Regie: Hans-Joachim Martens (Volksbühne Berlin – Theater im III. Stock)
- 1964: Robert Planchon nach Alexandre Dumas der Ältere: Die drei Musketiere – Regie: Rudolf Vedral (Volksbühne Berlin)
- 1965: Peter Hacks: Moritz Tassow (Rote Rosa) – Regie: Benno Besson (Volksbühne Berlin)
- 1966: William Shakespeare: Maß für Maß (Isabella) – Regie: Adolf Dresen (Deutsches Theater Berlin)
- 1967: Horst Salomon: Ein Lorbaß – Regie: Benno Besson (Deutsches Theater Berlin)
- 1967: Rolf Schneider: Prozeß in Nürnberg – Regie: Wolfgang Heinz (Deutsches Theater Berlin)
- 1970: Bertolt Brecht: Der gute Mensch von Sezuan (Shen Te) – Regie: Benno Besson (Volksbühne Berlin)
- 1970: Walentin Katajew: Avantgarde (Polina, Tschorbas Frau) – Regie: Fritz Marquardt (Volksbühne Berlin)
- 1971: Heiner Müller: Weiberkomödie (Jenny Nägle) – Regie: Fritz Marquardt (Volksbühne Berlin)
- 1971: Carlo Gozzi: König Hirsch (Smeraldina) – Regie: Benno Besson/Brigitte Soubeyran (Volksbühne Berlin)
- 1972: Tirso de Molina: Don Gil von den grünen Hosen (Dona Clara) – Regie: Brigitte Soubeyran (Volksbühne Berlin)
- 1973: Mittelalterliches Jahrmarktstück: Vom Furz (Ehefrau) – Regie: Brigitte Soubeyran (Volksbühne Berlin – Linkes Seitenfoyer)
- 1975: Jean Racine: Britannicus (Agrippine) – Regie: Brigitte Soubeyran (Volksbühne Berlin)
- 1979: Ferenc Molnár: Liliom (Jule) – Regie: Brigitte Soubeyran/Irene Böhme (Volksbühne Berlin)
- 1980: Euripides: Die Frauen von Troja (Hekabe) – Regie: Berndt Renne (Volksbühne Berlin – Theater im III. Stock)
- 1984: Gerhart Hauptmann: Schluck und Jau (Hofdame Adeluz) – Regie: Siegfried Höchst/Gert Hof (Volksbühne Berlin)
- 1985: Wsewolod Wischnewski: Optimistische Tragödie (Kommissarin) – Regie: Siegfried Höchst/Gert Hof (Volksbühne Berlin)
Hörspiele
- 1980: Georg Büchner: Dantons Tod (Julie) – Regie: Joachim Staritz (Hörspiel – Rundfunk der DDR)
- 1981: Joachim Brehmer: Der Doppelgänger (Evelyn) – Regie: Achim Scholz (Hörspiel – Rundfunk der DDR)
- 1983: Hans Christian Andersen: Die Schneekönigin (Räuberweib) – Regie: Rainer Schwarz (Kinderhörspiel – Litera)
- 1996: Holger Böhme: Stillleben mit Dorf und Leichen – Regie: Joachim Staritz (Hörspiel – ORB/RB)
- 1999: Isaak Babel: Die Reiterarmee (Saska, weiblich) – Regie: Joachim Staritz (Hörspiel (3 Teile) – MDR/DLR)
- 2003: Dylan Thomas: Unter dem Milchwald (Rosie Probert) – Regie: Götz Fritsch (Hörspiel – MDR)
- 2008: A. L. Kennedy: Paradies – Bearbeitung und Regie: Irene Schuck (Hörspiel – MDR/NDR)
Ehrungen und Auszeichnungen
- 1968: Nationalpreis der DDR I. Klasse im Kollektiv
- 2009: Goldene Henne für ihr Lebenswerk
Autobiografie
- Zugabe. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-355-01879-1.
Literatur
- Hans-Dieter Schütt: Ursula Karusseit: Wege übers Land und durch die Zeiten. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2009, ISBN 978-3-360-01982-0.
- Renate Rätz: Karusseit, Ursula. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Weblinks
- Literatur von und über Ursula Karusseit im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Ursula Karusseit in der Internet Movie Database (englisch)
- Ursula Karusseit bei filmportal.de
- Christoph Funke: Ursula Karusseit: Zart und kantig. In: Der Tagesspiegel. 2. August 2009, S. 24 .
Einzelnachweise
- Thomas Rühmann: Nachruf
- Ursula Karusseit: Biografie. In: filmportal.de. Abgerufen am 2. Februar 2019.
- Klaus Nerger: Das Grab von Ursula Karusseit. In: knerger.de. Abgerufen am 3. November 2020.
- Schauspielerin Ursula Karusseit gestorben. In: Deutschlandfunk Kultur. 1. Februar 2019, abgerufen am 1. Februar 2019.
- Dietmar Bartsch: Am letzten Montag vor der Wahl. In: die-linke.de. 21. September 2009, abgerufen am 27. August 2020.