Universität zu Lübeck
Die Universität zu Lübeck ist eine deutsche Universität in der Hansestadt Lübeck, die 1964 als zweite Medizinische Fakultät der Universität Kiel eingerichtet wurde. Der Campus der Universität liegt südlich der Stadt im Stadtteil St. Jürgen. Einige Institute befinden sich außerhalb des Campus in der Lübecker Altstadt.
Universität zu Lübeck | |
---|---|
Motto | Im Focus das Leben |
Gründung | 1973 |
Trägerschaft | Stiftung öffentlichen Rechts |
Ort | Lübeck |
Bundesland | Schleswig-Holstein |
Land | Deutschland |
Präsidentin | Gabriele Gillessen-Kaesbach[1] |
Studierende | 5066 (WS 19/20)[2] |
Mitarbeiter | 815 (Universität) + 1389 (Klinikum) (2020, ohne Hilfskräfte)[2] |
davon Professoren | 151 (2020)[2] |
Jahresetat | 90,6 Mio. € (2020)[2] |
Netzwerke | Verbund Norddeutscher Universitäten |
Website | www.uni-luebeck.de |
1964 wurde die Medizinische Akademie Lübeck gegründet. 1973 wurde diese selbstständige wissenschaftliche Hochschule, zunächst unter dem Namen Medizinische Hochschule Lübeck, seit 1985 als Medizinische Universität zu Lübeck. Den heutigen Namen erhielt die Universität im Jahr 2002.
Seit 2015 ist die Universität als Stiftungsuniversität organisiert.
An der Universität sind über 5000 Studenten eingeschrieben. Es sind 150 Professoren und 100 Privatdozenten tätig. Das Universitätsklinikum Lübeck wurde 2003 mit dem Universitätsklinikum Kiel zum Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und damit zum zweitgrößten Universitätsklinikum Deutschlands zusammengeschlossen. Mit über 5300 Mitarbeitern gehören die Universität und das Klinikum zu den größten Arbeitgebern der Region Lübeck.
Sektionen und Studiengänge
Die Universität ist gegliedert in die Sektionen Medizin, Informatik/Technik und Naturwissenschaften und bietet die folgenden Studiengänge an:[3]
Medizin und Gesundheit
- Ergotherapie / Logopädie (B.Sc.)
- Gesundheits- und Versorgungswissenschaften (M.Sc.)
- Hebammenwissenschaft (B.Sc.)
- Humanmedizin (Staatsexamen)
- Pflege (B.Sc.)
- Physiotherapie (B.Sc.)
Informatik und Mathematik
- Entrepreneurship in digitalen Technologien (M.Sc.)
- Informatik (B.Sc. und M.Sc.)
- IT-Sicherheit (B.Sc. und M.Sc.)
- Mathematik in Medizin und Lebenswissenschaften (B.Sc. und M.Sc., ehemals Computational Life Science)
- Medieninformatik (B.Sc. und M.Sc.)
- Medizinische Informatik (B.Sc. und M.Sc.)
Naturwissenschaften und Psychologie
- Biophysik (B.Sc. und M.Sc.)
- Infection Biology (M.Sc.)
- Medizinische Ernährungswissenschaft (B.Sc. und M.Sc.)
- Molecular Life Science (B.Sc. und M.Sc., ehemals Molekulare Biotechnologie)
- Psychologie (B.Sc. und M.Sc.)
Technik
- Biomedical Engineering (M.Sc., in Kooperation mit der TH-Lübeck)
- Hörakustik und Audiologische Technik (M.Sc., in Kooperation mit der TH-Lübeck)
- Medical Microtechnology (M.Sc., in Kooperation mit der TH-Lübeck)
- Medizinische Ingenieurwissenschaft (B.Sc. und M.Sc.)
- Robotik und Autonome Systeme (B.Sc. und M.Sc.)
Weitere Studienangebote sind:
- Fernstudium „Historische Stadt“
Zurzeit bestehen 16 Institute in der Sektion Informatik/Technik; weitere 11 Institute in der Sektion Naturwissenschaften, hierbei auch das geisteswissenschaftliche Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung. Die Sektion Medizin beinhaltet 45 Institute/Kliniken.[4]
Promovieren kann man an der Universität zu Lübeck entweder individuell oder strukturiert in einem Promotionsstudienprogramm.[5]
An der Universität besteht in Kooperation mit der Fernuniversität Hagen ein Zentrum für Fernstudium und Weiterbildung. Das Studium Generale und die Sonntagsvorlesungen wenden sich auch an Nicht-Studenten. Das auf Anregung von Günter Grass und mit seiner Unterstützung gegründete Lübecker Literarische Colloquium bietet regelmäßige Dichterlesungen und Seminare über Literatur an.
Wissenschaftliche Schwerpunkte
Die Universität mit dem Universitätsklinikum Lübeck ist wesentlicher Initiator und wissenschaftlicher Projektpartner im Center of Excellence in Medical Technology (CEMET)[6] Schleswig-Holstein und Zentrum für die Erforschung der genetischen Ursachen von Herz-Kreislauferkrankungen im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes. Zu den national und international anerkannten Forschungsschwerpunkten der Universität zählen insbesondere die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützten Sonderforschungsbereiche 367 (Molekulare Mechanismen entzündlicher und degenerativer Prozesse)[7] und 470 (Glycostrukturen in Biosystemen – Darstellung und Wirkung)[8] sowie Klinische Forschergruppen zur Neuroendokrinologie und zur Intersexualität.
Im Rahmen der Exzellenzinitiative wurde die Universität im Jahr 2007 mit der Graduate School for Computing in Medicine and Life Sciences anerkannt und seitdem nachhaltig gefördert. Diese Graduate School Lübeck[9] bildet Doktoranden auf dem Gebiet der Informatik in der Medizin und in den Lebenswissenschaften aus.
Die Universität zu Lübeck ist seit 2007 zusammen mit dem Forschungszentrum Borstel, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, dem Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön, das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin und der Rheumaklinik Bad Bramstedt an dem Exzellenzcluster Entzündungsforschung[10] beteiligt. Im „Exzellenzcluster Entzündungsforschung“ wurden in Lübeck und Kiel spezielle Zentren für Entzündungsmedizin gegründet.
Zudem arbeitet die Universität eng mit dem Institut für Krebsepidemiologie zusammen[11] und ist am Verbund Norddeutscher Universitäten zur Verbesserung von Lehre und Forschung beteiligt.
Geisteswissenschaftliche Forschungsprojekte an der Universität werden in einem eigenen Profilbereich „Kulturwissenschaften und Wissenskulturen“ gebündelt.[12] Das aus diesem Zusammenhang entstandene Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck (ZKFL) fördert in einer Partnerschaft zwischen Universitätsinstituten und städtischen Einrichtungen seit 2010 kulturwissenschaftliche Forschungs- und Ausstellungsprojekte.[13]
Das Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung verfügt als Dauerleihgabe über die angesehene Bibliothek des Ärztlichen Vereins zu Lübeck.
Geschichte
Im Jahr 1912 wurde die Heil- und Pflegeanstalt Strecknitz eröffnet, Grundsteinlegung war 1909. Durch den Erwerb des Gutes Strecknitz im Jahr 1929 konnte die anstaltseigene Landwirtschaft ausgeweitet werden und Patienten und Patientinnen als Arbeitskräfte die Selbstversorgung der Heilanstalt sichern. Ab 1930 wurde Strecknitz um die "Hamburger Häuser" ergänzt.
Am 16. September 1940 wurden 20 jüdische Patienten gemeinsam mit 10 jungen Menschen aus dem Pflegeheim Vorwerk aus Strecknitz nach Hamburg-Langenhorn deportiert und von dort zur Tötung nach Brandenburg gebracht. Am 23. Oktober 1941 wurden im Rahmen der „Aktion Brandt“ 605 der 685 psychiatrischen Patienten und Patientinnen zunächst nach Hessen-Nassau und von dort in Heilanstalten Weilmünster, Eichberg, Hadamar und Scheuern deportiert und dort systematisch vernachlässigt und getötet. Nur wenige von ihnen überlebten das Ende des Krieges. Die Häuser 5 und 6 blieben als Aufnahmestationen erhalten, wodurch 80 Menschen vor der Deportation bewahrt werden konnten. 1983 wurde auf dem Klinikgelände ein Gedenkstein errichtet. Seit Oktober 2021 erinnert eine Stolperschwelle vor dem Turmgebäude an das Schicksal der Patienten und Patientinnen der ehemaligen Heilanstalt Strecknitz.
Nach 1945 war die Einrichtung das Städtische Krankenhaus Ost.
Am 3. November 1964 entstand aus dem Campus die Medizinische Akademie Lübeck (MAL, zugleich II. Medizinische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel), an der im ersten Jahr 14 Studenten ihr Studium im klinischen Abschnitt des Studiengangs Humanmedizin aufnahmen. Die Stadt Lübeck verlieh der Akademie im Jahr 1965 als Siegel das Lübsche Stadtsiegel von 1226. Es ist bis heute in abgewandelter Form das Siegel der Universität. Der Lehrbetrieb wurde in dieser Zeit noch zwischen Krankenhaus Ost und Süd aufgeteilt.
Ab 1964 erfolgte durch Johannes Eichler (1920–1998), welcher in Lübeck (am Standort der Christian-Albrechts-Universität Kiel) 1970 den ersten Lehrstuhl für Anästhesiologie Schleswig-Holsteins erhielt, der Aufbau der Zentralen Anästhesieabteilung der Medizinischen Akademie.[14] Da einige Lehrstühle unbesetzt waren, mussten Studenten für manche Examen nach Kiel fahren.[15] 1973 wurde die Akademie zur Medizinischen Hochschule Lübeck (MHL) erhoben und somit unabhängig von der Universität Kiel.
1985 erfolgte die Umbenennung in Medizinische Universität zu Lübeck (MUL) und 2002 in Universität zu Lübeck.
Nach Plänen der Landesregierung im Herbst 2005, die Universitäten Kiel und Lübeck zur Landesuniversität Schleswig-Holstein zusammenzulegen, kam es in Lübeck zu Protesten mit über 4000 Demonstranten. Dadurch konnten die Pläne abgewandt werden.
Die Kieler Landesregierung plante im Mai 2010, die medizinische Fakultät aus Kostengründen zu schließen.[16] Geplant war ein Auslaufen der Studiengänge ab Wintersemester 2011/2012 und eine Verlagerung an die Universität Kiel.[17] Folge war eine Abwanderung der Professoren, vor allem aus der Forschung.[18] Die Schließung des Medizinstudienganges stieß auf heftige Kritik in der Öffentlichkeit, in der Wissenschaft, in der Politik und sogar innerhalb der CDU.[19][20][21][22]
Es erfolgte die weitgehend vom AStA der Universität organisierte Protestaktion Lübeck kämpft.[23] Im Juni 2010 demonstrierten in Kiel 14.000 Menschen gegen die Schließung der Fakultät, es war die größte Kieler Demonstration in der Geschichte Schleswig-Holsteins.[24][25] Im Juli 2010 konnte der Fortbestand der medizinischen Ausbildung in Lübeck dadurch gesichert werden, dass der Bund finanzielle Zuwendungen im Rahmen eines Trägerwechsels des Kieler Instituts für Meeresforschung in Höhe der bei Schließung der medizinischen Fakultät Lübeck zu erwartenden Ersparnisse zusagte, unter der Bedingung des Erhalts der medizinischen Fakultät Lübeck.[26]
Die Aktion Lübeck kämpft wurde im 2010 mit dem von der Zeitschrift Politik & Kommunikation seit 2003 ausgelobten Preis „Politik-Award“ in der Kategorie „Kampagnen von öffentlichen Institutionen“ ausgezeichnet.[27]
Seit 2015 ist die Universität zu Lübeck eine Stiftungsuniversität.
Rektoren bzw. Präsidenten
- 1973–1975: Friedhelm Oberheuser (1928–2014)
- 1975–1987: Erhard D. Klinke
- 1987–1989: Peter C. Scriba (* 1935)
- 1990–1996: Wolfgang Henkel (1931–2014)
- 1996–1999: Wolfgang Kühnel (1934–2015)
- 1999–2002: Hans Arnold (* 1938)
- 2002–2005: Alfred Trautwein (1940–2019)
- 2005–2014: Peter Dominiak (* 1947)
- 2014–2017: Hendrik Lehnert (* 1954)
- seit 2018: Gabriele Gillessen-Kaesbach (* 1953)[28]
Partnerschaften
Die Universität unterhält Hochschulpartnerschaften mit der:
- Universität Bergen in Bergen (Norwegen)
- Universität Zhejiang in Hangzhou (Volksrepublik China)
- Semmelweis-Universität Budapest (Ungarn)
- Universität Tartu in Tartu (Estland)
- University of New Mexico, Albuquerque (USA)
Auch über das Erasmus-Programm werden weitere Partnerschaften mit europäischen Universitäten unterhalten.
Der Geschäftsführer des LADR Laborverbunds Dr. Kramer & Kollegen besitzt eine außerplanmäßige Professur für Innere Medizin.[29]
Siehe auch
Literatur
- Meinolfus Strätling, A. Schneeweiß, Peter Schmucker: Medizinische Universität zu Lübeck: Klinik für Anästhesiologie. In: Jürgen Schüttler (Hrsg.): 50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin: Tradition und Innovation. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2003, ISBN 3-540-00057-7, S. 479–486.
Weblinks
Einzelnachweise
- Universität zu Lübeck → Universität → Akademische Struktur → Präsidium → Präsidentin. Abgerufen am 31. Juli 2019.
- Universitätskennzahlen
- Studium: Universität zu Lübeck – Studieren mit Perspektive
- Universität zu Lübeck: Institute und Kliniken der Universität. Abgerufen am 4. September 2019.
- Promotion: Universität zu Lübeck. Abgerufen am 21. Mai 2021.
- Center of Excellence in Medical Technology (CEMET)
- SFB 367 — „Molekulare Mechanismen entzündlicher und degenerativer Prozesse“ (Memento vom 3. August 2004 im Internet Archive)
- SFB 470 „Glycostrukturen in Biosystemen – Darstellung und Wirkung“
- Graduate School Lübeck
- Exzellenzcluster Entzündungsforschung
- Institut für Krebsepidemiologie e.V. an der Universität zu Lübeck. Abgerufen am 12. August 2019.
- Website des Profilbereichs „Kulturwissenschaften und Wissenskulturen“
- Website des ZKFL
- M. Strätling, A. Schneeweiß, Peter Schmucker: Medizinische Universität zu Lübeck: Klinik für Anästhesiologie. 2003, S. 479–481.
- 100 Jahre Campusgeschichte: Über das Leben an der Universität Lübeck. Teil 2: Von der Akademie über die Hochschule zur Universität. In: StudentenPACK. Ausgabe: April 2009, S. 12 ff. (online)
- Uni-Lübeck: Exzellent, aber nicht finanzierbar. In: Die Zeit. Nr. 23, 2010.
- Christoph Titz: Bildungssparen – Uni Lübeck vor dem Aus. Auf: Spiegel online. 28. Mai 2010.
- dpa: Lübeck: Uni verliert Spitzen-Forscher. In: Regionales › Schleswig-Holstein › SH-Politik. Schleswig-Holsteinische Zeitung (SHZ), 10. Juli 2010. Auf SHZ.de, abgerufen am 27. Januar 2022.
- Frank Pergande: Die Angst, eine Zukunftsbranche zu verlieren. In: FAZ.Net vom 24. Juni 2010.
- Quirin Schiermeier: German states wield the axe. In: Nature. Band 465, 2010, S. 996. (online)
- Wolfram Hammer: „Lübeck hat keine Lobby in Kiel!“ (Memento vom 31. Mai 2010 im Internet Archive) Auf: LN-online.de 28. Mai 2010.
- Universität Lübeck: Schavan will Medizinstudiengang retten. Auf: stern.de. 16. Juni 2010.
- Website luebeck-kaempft.de
- Uni Lübeck: Eine Stadt sieht gelb. In: Die Zeit. Nr. 29, 2010. (online)
- Die gelbe Macht aus Lübeck. (Memento vom 22. Juli 2010 im Internet Archive) Auf: LN-online.de 17. Juni 2010.
- Mediziner-Ausbildung an Uni Lübeck gerettet. (Memento vom 20. September 2016 im Internet Archive) Auf: fr-online.de. 8. Juli 2010.
- Michael Hollinde: Lübecker Uni freut sich über Preis aus Berlin. In: Lübecker Nachrichten. 26. November 2010, S. 18.
- Rektoren / Präsidenten. In: Im Überblick → Profil → Geschichte. Universität zu Lübeck. Auf Uni-Luebeck.de, abgerufen am 27. Januar 2022.
- APL-Professuren: Universität zu Lübeck