Stuttgarter Kabelattentat
Beim Stuttgarter Kabelattentat zerstörten vier junge Stuttgarter Kommunisten ein Rundfunkkabel, mit dem eine Rede Hitlers übertragen wurde, als dieser am 15. Februar 1933 in Stuttgart war. In Stuttgart wurde nach dem Krieg die Legende verbreitet, Hitler habe die Stadt wegen dieses „Anschlags“ nie wieder besucht.
Ablauf
Hitler besuchte im Wahlkampf vor den Reichstagswahlen am 5. März 1933 Stuttgart, um dort eine Rede zu halten. Er sprach in der Stadthalle; die Rede wurde auch auf den Marktplatz übertragen und im Süddeutschen Rundfunk (SÜRAG) in Stuttgart und im Südwestdeutschen Rundfunk (SÜWRAG) in Frankfurt am Main gesendet. Gegen Ende der Rede, die von 20:15 bis 21:25 Uhr dauern sollte, wurde die Übertragung um 21:17 unterbrochen, weil ein oberirdisches Rundfunkkabel in einer Hofeinfahrt in der Werderstraße 20 durchtrennt worden war.[1]
Durchgeführt wurde die Tat von den vier jungen Arbeitern Wilhelm Breuninger, Alfred Däuble, Hermann Medinger und Eduard Weinzierl. Die Anregung dazu erhielten sie wahrscheinlich von Kurt Hager, später Mitglied des SED-Politbüros der DDR. Laut Harald Stingele stammte die Idee jedoch von dem Postangestellten Theodor Decker.[2] Die vier hatten schon an einer anderen Stelle versucht, an das Kabel heranzukommen, wo sie aber von SA-Posten angesprochen worden waren. In der Werderstraße lenkten Breuninger und Weinzierl die Passanten ab, indem sie sie in ein Gespräch verwickelten, Däuble stieg inzwischen auf Medingers Schultern und durchschlug das Kabel in rund vier Metern Höhe. Die vier konnten unerkannt entkommen.
Nachwirkung
Die Verantwortlichen beim Süddeutschen Rundfunk konnten sofort feststellen, dass nur ein Schaden am Übertragungskabel für die Unterbrechung verantwortlich sein konnte, und begaben sich zu Hitler, um ihre Unschuld zu beteuern. Zur Verantwortung gezogen wurden schließlich drei Postbeamte, weil damals die Post für die Rundfunkkabel verantwortlich war. Die drei Beamten wurden kurzzeitig beurlaubt, konnten aber bereits im Februar ihre Arbeit wieder aufnehmen. Der Landtagsabgeordnete Johannes Fischer hatte sich in einer kleinen Anfrage sehr für sie eingesetzt.
Die vier Arbeiter blieben in Stuttgart, trafen sich dort in Kneipen und hatten wohl auch mit ihrer Tat angegeben. Auf Grund von „Wirtshausgerede“ wurden sie schließlich 1935/36 verhaftet und zu Gefängnisstrafen zwischen 21 Monaten und zwei Jahren verurteilt. Der Staatsanwalt forderte eine Bestrafung wegen Hochverrats, das Gericht aber meinte, dass die KPD zur Tatzeit noch nicht verboten war, und sah auch strafmildernd, dass die Angeklagten verärgert waren, dass ihrer Partei die „Wahlagitation“ im Rundfunk verboten war.[3] Däuble, einer der Verurteilten, war mehrfach inhaftiert, u. a. mit Kurt Schumacher im Lager Heuberg. Er konnte sich 1942 als Soldat in Saloniki dank Fürsprache seines Hauptmanns der Gestapo entziehen.
Matthäus Eisenhofer, der Begründer des Süddeutschen Rundfunks, behauptete in seinen Memoiren Mein Leben im Rundfunk, dass Hitler danach in Stuttgart nie wieder eine Rede gehalten habe, trotz eines nochmaligen Redeauftritts Hitlers in der Stadthalle Stuttgart im Rahmen eines eintägigen Kurzbesuchs am 1. April 1938.[4]
Die Geschichte des Kabelattentats ist in Stuttgart bis heute populär und wird noch immer mündlich überliefert.
Weblinks
- Kurzdarstellung des Attentats auf stolpersteine-stuttgart.de
- Vor 30 Jahren: Hitler-Besuch in Stuttgart. Beitrag des SDR/SWR vom 21. Februar 1963; 4 Minuten
Einzelnachweise
- Landeshauptstadt Stuttgart (Hrsg.): Stuttgart im Dritten Reich. Die Machtergreifung. Von der republikanischen zur braunen Stadt. Eine Ausstellung des Projekts Zeitgeschichte. Stuttgart 1983, S. 295.
- Harald Stingele: Theodor Decker. auf stolpersteine-stuttgart.de.
- Landeshauptstadt Stuttgart (Hrsg.): Stuttgart im Dritten Reich. Die Machtergreifung. Von der republikanischen zur braunen Stadt. Eine Ausstellung des Projekts Zeitgeschichte. Stuttgart 1983, S. 297.
- In einem Bericht in der Zeitung Der Kinzigtäler vom 2. April 1938 wird erwähnt, dass Hitler zuvor „fast drei Jahre lang“ nicht mehr in Württemberg und in Stuttgart gewesen sei.