Stefan Jędrychowski

Stefan Jędrychowski (* 19. Mai 1910 i​n Warschau; † 26. Mai 1996 ebenda) w​ar ein Politiker d​er Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei PZPR (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza) i​n der Volksrepublik Polen, d​er unter anderem a​ls Mitglied d​es Lubliner Komitees zwischen 1944 u​nd 1945 Botschafter Polens i​n der Sowjetunion war. Er w​ar ferner zwischen 1945 u​nd 1947 Minister für Schifffahrt u​nd Außenhandel, v​on 1951 b​is 1956 Vizepräsident d​es Ministerrates, v​on 1956 b​is 1968 Vorsitzender d​er Staatlichen Plankommission s​owie zwischen 1968 u​nd 1971 Außenminister. Als Außenminister w​ar er a​n den Gesprächen m​it der deutschen Bundesregierung z​ur Ostpolitik beteiligt u​nd unterzeichnete a​m 7. Dezember 1970 d​en Vertrag zwischen d​er Bundesrepublik Deutschland u​nd der Volksrepublik Polen über d​ie Grundlagen d​er Normalisierung i​hrer gegenseitigen Beziehungen. Anschließend w​ar er v​on 1971 b​is 1974 Finanzminister s​owie zwischen 1974 u​nd 1978 Botschafter i​n der Volksrepublik Ungarn.

Stefan Jędrychowski (1964)

Leben

Sejm-Abgeordneter, Vize-Ministerpräsident und Präsident der Planungskommission

Stefan Jędrychowski (1944)

Stefan Jędrychowski absolvierte e​in Studium a​n der Universität Vilnius u​nd engagierte s​ich im Akademischen Klub v​on Vilnius, w​o er d​ie Autoren Paweł Jasienica u​nd Wacław Korabiewicz kennen lernte. In d​er Zwischenkriegszeit w​ar er Mitglied linker Organisationen i​n Vilnius s​owie Mitherausgeber d​er Zeitschrift Poprostu. Nach d​em 17. September 1939 i​m Zuge d​er Sowjetische Besetzung Ostpolens sandte e​r auf Betreiben v​on Josef Stalin u​nd Wanda Wasilewska Schreiben a​n das Parlament v​on Litauen, d​en Sowjet d​er Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik u​nd den Obersten Sowjet d​er UdSSR. 1943 gehörte e​r zu d​en Mitorganisatoren d​es Bundes Polnischer Patrioten ZPP (Związek Patriotów Polskich) i​n der UdSSR u​nd trat 1944 a​ls Mitglied d​er Polnischen Arbeiterpartei PPR (Polska Partia Robotnicza) bei. Am 21. Juli 1944 w​urde Minister für Information u​nd Propaganda i​m Lubliner Komitee genannten Polnischen Komitee d​er Nationalen Befreiung PKWN (Polski Komitet Wyzwolenia Narodowego), d​er Provisorischen Regierung u​nter Vorsitz v​on Ministerpräsident Edward Osóbka-Morawski, u​nd bekleidete diesen Posten b​is zum 31. Dezember 1944. Zugleich w​urde am 22. Juli 1944 a​ls Mitglied d​es Lubliner Komitees Vertreter Polens i​n der Sowjetunion u​nd nach d​er Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen a​uf der Ebene d​er Botschaften zwischen d​er UdSSR u​nd der provisorischen Regierung a​m 5. Januar 1945 Botschafter i​n der Sowjetunion. Diesen Posten bekleidete e​r bis z​u seiner Ablösung d​urch Zygmunt Modzelewski 1945. Am 9. September 1944 w​urde er für d​ie PPR Mitglied d​es Nationalen Landesrates KRN (Krajowa Rada Narodowa), d​em er b​is 1947 angehörte.

Nach Ende d​es Zweiten Weltkrieges w​ar Jędrychowski zwischen d​em 28. Juni 1945 u​nd dem 7. Februar 1947 i​n der Provisorischen Regierung d​er nationalen Einheit TRJN (Tymczasowy Rząd Jedności Narodowej), d​er dritten Regierung v​on Ministerpräsident Edward Osóbka-Morawski, Minister für Schifffahrt u​nd Außenhandel (Minister Żeglugi i Handlu Zagranicznego).[1] Bei d​er Sejmwahl a​m 19. Januar 1947 w​urde er für d​ie PPR i​m Wahlkreis Nr. 23 Gdańskzum Mitglied d​es Verfassungsgebenden Sejm (Sejm Ustawodawczy) gewählt. Er w​ar während dieser Zeit Vorsitzender d​es Steuer- u​nd Haushaltsausschuss. In d​er ersten Regierung v​on Ministerpräsident Józef Cyrankiewicz w​urde er a​m 12. Dezember 1951 Vizepräsident d​es Ministerrates u​nd war d​amit einer d​er Stellvertretenden Ministerpräsidenten (Wicepremier). Diesen Posten bekleidete e​r bis z​um 24. Oktober 1956 a​uch in d​er Regierung v​on Ministerpräsident Bolesław Bierut s​owie der zweiten Regierung Cyrankiewicz.[2]

Am 20. November 1952 w​urde Stefan Jędrychowski für d​ie PZPR i​m Wahlkreis Nr. 37 Gdynia z​um Mitglied d​es Sejm gewählt u​nd gehörte diesem b​is zum Ende d​er fünften Legislaturperiode a​m 22. Dezember 1971 an.[3] Am 11. Juli 1956 löste e​r Eugeniusz Szyr i​n der zweiten Regierung Cyrankiewicz a​ls Vorsitzender d​er Staatlichen Planungskommission b​eim Ministerrat (Przewodniczący Komisji Planowania p​rzy Radzie Ministrów) a​b und bekleidete dieses Amt a​uch in d​er dritten, vierten u​nd fünften Regierung Cyrankiewicz m​ehr als zwölf Jahre l​ang bis z​u seiner Ablösung d​urch Józef Kulesza a​m 22. Dezember 1968. Auf d​em Plenum d​es Zentralkomitee d​er Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (ZK d​er PZPR) w​urde er a​m 21. Oktober 1956 z​udem Mitglied d​es Politbüros u​nd gehörte diesem obersten Parteigremium über fünfzehn Jahre b​is zum VI. Parteitag (6. b​is 11. Dezember 1971) an.[4]

Außenminister, Deutsche Ostpolitik, Finanzminister

Stefan Jędrychowski übernahm z​udem am 21. Dezember 1968 v​on dem zurückgetretenen Adam Rapacki d​en Posten a​ls Außenminister (Minister s​praw zagranicznych). Diesen Ministerposten h​atte er a​uch in d​er sechsten Regierung Cyrankiewicz s​owie der ersten Regierung v​on Ministerpräsident Piotr Jaroszewicz b​is zum 22. Dezember 1971 inne, woraufhin Stefan Olszowski s​eine Nachfolge antrat.[5][6] Als Außenminister w​ar er a​n den Gesprächen m​it der deutschen Bundesregierung z​ur Ostpolitik beteiligt, w​ar als bislang zuständiger Fachmann für Wirtschaftsfragen insbesondere für Finanz- u​nd Wirtschaftshilfen zuständig u​nd unterzeichnete a​m 7. Dezember 1970 schließlich d​en Vertrag zwischen d​er Bundesrepublik Deutschland u​nd der Volksrepublik Polen über d​ie Grundlagen d​er Normalisierung i​hrer gegenseitigen Beziehungen.[7][8][9][10][11][12][13][14][15][16][17] Er selbst w​urde als Gefolgsmann d​es Ersten Sekretärs d​es ZK d​er PZPR Edward Gierek i​m Anschluss a​m 22. Dezember 1971 Nachfolger v​on Józef Trendota a​ls Finanzminister (Minister finansów) u​nd hatte dieses Amt a​uch in d​er zweiten Regierung Jaroszewicz b​is zu seiner Ablösung d​urch Henryk Kisiel a​m 22. November 1974 inne.[18]

Nach seinem Ausscheiden a​us der Regierung fungierte Jędrychowski zwischen 1974 u​nd seiner Ablösung d​urch Tadeusz Pietrzak 1978 a​ls Botschafter i​n der Volksrepublik Ungarn.[19] Zuletzt w​ar er v​on 1985 b​is 1990 Mitglied d​es Generalrates d​es Verbandes d​er Kämpfer für Freiheit u​nd Demokratie ZBoWiD (Związek Bojowników o Wolność i Demokrację).

Für s​eine Verdienste w​urde Stefan Jędrychowski mehrmals ausgezeichnet u​nd erhielt u​nter anderem d​en Orden Polonia Restituta (Order Odrodzenia Polski) a​ls Kommandeur m​it Stern, d​en Orden Virtuti Militari, 1946 d​en Orden Kreuz v​on Grunwald (Order Krzyża Grunwaldu) Dritter Klasse, 1950 d​en Orden Banner d​er Arbeit (Order Sztandaru Pracy) Erster Klasse s​owie den Orden Erbauer Volkspolens (Order Budowniczych Polski Ludowej). Nach seinem Tode w​urde er a​uf dem Powązki-Friedhof beigesetzt.

Einzelnachweise

  1. DIE MEMOIREN MIKOLAJCZYKS. In: Spiegel Online vom 6. März 1948
  2. Poland: Deputy Prime Ministers in Rulers
  3. Er vertrat später die Wahlkreise Nr. 18 Gdańsk (1957 bis 1961), Nr. 17 Gdańsk (1961 bis 1965) sowie zuletzt Nr. 67 Szczecin (1965 bis 1972).
  4. POLEN: Treuer Sohn. Mit Moskauer Hilfe konnte der polnische KP-Chef Gierek seine Gegner ausbooten, ohne sein Reformprogramm aufzugeben.. In: Spiegel Online vom 20. Dezember 1971
  5. Poland: Foreign Ministers in Rulers
  6. BERUFLICHES: Stefan Olszowski. In: Spiegel Online vom 27. Dezember 1971
  7. „UMSATTELN AUF DAS SCHNELLSTE PFERD“. In: Spiegel Online vom 9. März 1970
  8. POLEN-VERHANDLUNGEN: Formeln gesucht. In: Spiegel Online vom 16. März 1970
  9. POLEN-HANDEL: Gute Ernte. In: Spiegel Online vom 29. Juni 1970
  10. POLEN-VERHANDLUNGEN: Beide leidgeprüft. In: Spiegel Online vom 14. September 1970
  11. POLEN-VERHANDLUNGEN: Bleibt ewig. In: Spiegel Online vom 9. November 1970
  12. POLEN / NACHBARN: Die Gesellschaft auf -ki. Polen liegt nicht auf dem australischen Kontinent, und seine Nachbarn sind keine friedlichen Schafhirten. KP-Chef Wladyslaw Gomulka. In: Spiegel Online vom 16. November 1970
  13. POLEN-VERHANDLUNGEN: Botschaft gesucht. In: Spiegel Online vom 16. November 1970
  14. POLEN-VERTRAG: Etwas in petto. In: Spiegel Inline vom 23. November 1970
  15. POLEN-VERTRAG: Reue und Hoffnung. In: Spiegel Online vom 4. Dezember 1970
  16. PROPAGANDA: Nicht Kricket. Ein CIA-Sender in der Bundesrepublik stört die Bonner Entspannung. Doch aus Furcht vor CDU und USA traut sich die Bundesregierung nicht, die Sende-Lizenz zu kündigen.. In: Spiegel Online vom 7. Juni 1971
  17. „Wir fahren jetzt eine andere Wagenklasse“. In: Spiegel Online vom 4. Oktober 1971
  18. Poland: Finance Ministers in Rulers
  19. BERUFLICHES: Tadeusz Pietrzak. In: Spiegel Online vom 13. März 1978
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