Stadtkirche St. Laurentii (Itzehoe)
Die evangelisch-lutherische Stadtkirche St. Laurentii im Zentrum von Itzehoe (Kirchenstraße 6) ist das größte sakrale Bauwerk der Stadt.
Geschichte
Eine dem heiligen Laurentius geweihte Kirche in Itzehoe wurde zuerst 1196 urkundlich erwähnt. Als die Zisterzienserinnen 1263 aus ihrem Kloster in Ivenfleth nach Itzehoe umsiedelten, wurde diese Kirche zur Klosterkirche, um die herum die übrigen Klostergebäude angelegt wurden. Von dem nach der Reformation 1541 als Damenstift weitergenutzten Klostergebäuden hat sich als einziges oberirdisches mittelalterliches Baudenkmal in Itzehoe der Kreuzgang erhalten. Ebenfalls mittelalterlich sind die Grüfte unter der Kirche, die bis ins 15. Jahrhundert den Schauenburger Grafen und anschließend den Grafen Rantzau und den Äbtissinnen des Klosters als Grablage dienten. Im Zusammenhang mit dem Dänisch-Schwedischen Krieg wurde die zweischiffige gotische Hallenkirche beim Stadtbrand von 1657 weitgehend vernichtet und danach nur provisorisch wiederhergestellt. 1713 stürzte die Kirche infolge von Baufälligkeit ein.
1716 bis 1718 wurde die heutige Kirche als barocker Backsteinsaalbau mit einem weit gespannten Holztonnengewölbe errichtet. Die Empore mit den Logen der Stiftsdamen, die ursprünglich in der Art eines Lettners das Kirchenschiff teilte und der übrigen Gemeinde den Blick auf den Altar versperrte, wurde bei der Renovierung 1961 abgerissen, bei der auch die neogotische Ausmalung der Kirche von 1894/96 wieder entfernt wurde. 1985 wurde die Empore wieder aufgebaut, jedoch hinter dem Altar an der Ostwand.[1]
Der ursprüngliche Turm ragte nur wenig über das Kirchendach hinaus und hatte ein flaches Spitzdach. 1894–1896 wurde er nach Plänen von Johannes Otzen um fast 40 Meter auf 79,45 Meter erhöht und mit einer barocken Zwiebelhaube, vier Spitztürmchen an den Ecken und einer Aussichtsplattform versehen. Die Baustufen sind leicht durch die Ziegelfarben zu unterscheiden. Bei einem Unwetter am 8. Januar 2002 wurde der Turm schwer beschädigt, die notwendige Sanierung wurde 2005 abgeschlossen.[2]
Ausstattung
Der Großteil des Inventars stammt aus der Zeit zwischen dem Brand 1657, bei der die gesamte ältere Kirchenausstattung verlorenging, und dem Neubau. Altar und Kanzel stiftete 1661 Margaretha Wasmer, geb. Kielmann (1610–1691), die Tochter eines Itzehoer Klostervogten. Sie war nach dem Tod ihres Mannes, des Klosterschreibers und Ratsherr Benedict Wasmer, 1660 nach Hamburg gezogen, wo sie die Stücke in Auftrag gab.[3] Der große Schnitzaltar wurde 1661 gestiftet. Die durch zwei Säulen nach dem Muster eines Flügelaltars gegliederte Bildtafel enthält in drei Reihen 24 quadratische „von kleinen Freifiguren gefüllte Raumbühnen“, die älter sind als der umgebene Rahmen[4] und dem 1647 verstorbenen Hamburger Holzschnitzers Hein Baxmann zugeschrieben werden.[5] Die einzelnen Bildfelder zeigen Szenen aus der Heilsgeschichte: Auf den Beginn links oben mit dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies folgen zwei weitere alttestamentarische Szenen, die Opferung Isaaks und die Aufrichtung der ehernen Schlange durch Mose bei der Wüstenwanderung des Volks Israel. Die zweite Hälfte der obersten Reihe und die linke Hälfte der mittleren Reihe widmen sich den Ereignissen um die Geburt Christi. Es folgt Jesu Taufe, die Hochzeit zu Kana, der zwölfjährige Jesus im Tempel (an falscher Stelle) und der Einzug in Jerusalem am Palmsonntag. Die unterste Reihe stellt in sieben Bilder die Leidensgeschichte bis zur Himmelfahrt und zuletzt – untypisch für eine evangelischen Altar – Marias Aufnahme in den Himmel und Krönung dar. Das Rahmenwerk ist dem Knorpelbarock zuzuordnen. In der Predella ist das Abendmahl gemalt. Die Inschrift daneben erinnert an die Stifterin. Im Aufbau steht der Bibelvers „Dem, der überschwänglich thun kan über alles, das wir bitten oder verstehen, nach der Krafft, die da in uns wircket, dem sey Ehre in der Gemeine, die in Christus Jesus ist zu allen Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit, amen“ Eph 3,20–21 .
Die vermutlich in derselben Werkstatt wie der Altar hergestellte Kanzel, die ursprünglich mittig an dem 1961 beseitigten Lettner angebracht war, befindet sich heute links vom Altar an der Nordempore. Die geschnitzten Reliefs der Brüstungsfelder zeigen Szenen aus dem Leben Jesu. Auch das große Triumphkreuz und die geschnitzte Taufe stammen aus den 1660er Jahren.
Orgel
Um 1523 waren zwei Orgeln vorhanden. 1562 erfolgte ein Neubau durch Matthias Mahn (Buxtehude). 1657 wurden die Instrumente durch schwedischen Beschuss vernichtet. 1685 bis 1688 baute Christian Kock ein neues Werk mit Springladen (38 Register, drei Manuale und Pedal).[6]
Im Zusammenhang mit dem Neubau der Kirche begann Arp Schnitger 1715–1719 mit dem Bau der neuen Orgel, die nach seinem Tode durch seinen Schüler Lambert Daniel Kastens vollendet wurde. Vincent Lübeck nahm das Instrument am 7. August 1720 ab und bescheinigte Schnitger und Kastens, dass sie die Orgel zur „völligen Perfection gebracht“ hätten. 1734 führten Johann Dietrich Busch und Carstens (Kastens) eine Reparatur durch und 1830 nahm Marcussen & Reuter (Apenrade) einen eingreifenden Umbau vor.[7]
1905 wurde die Schnitger/Marcussen-Orgel durch einen Neubau von Wilhelm Sauer ersetzt, der Prospekt wurde versetzt und fand wieder Verwendung. 1948 erfolgte ein neobarocker Umbau durch Ernst Brandt (Quickborn) und 1976 ein Umbau unter Erweiterung (Chamadewerk) durch Franz Grollmann.
Seit dem Jahr 2000 verfügt die Orgel über einen zweiten, einmanualigen Spieltisch mit mechanischer Traktur und Pedal, der die sogenannte Prospekt-Orgel ansteuert. Von dieser sind die historischen, seit 1905 ungenutzten Prospektpfeifen der Arp-Schnitger-Orgel spielbar. (Prinzipal 16′ und Prinzipal 8′). Zu den beiden historischen Schnitger-Registern hat der Orgelbauer Heinz Hoffmann (Hamburg) zwei Oktav-Register (4′ und 2′) in ähnlicher Bauweise neu gefertigt, ebenso Windlade und Spielmechanik. Eine Registeranlage mit 48 Manubrien, in historisierender Anlehnung an eine norddeutsche Barockorgel, wurde ebenfalls hinzugefügt.[8]
- Schnitger-Disposition von 1720 (nach Hess, 1774)[9]
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Windabschließer für jedes Werk, zwei Tremulanten, ein Cimbelstern
- Disposition seit 2010
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Grüfte
Unter der Kirche befinden sich Grüfte mit Metallsärgen von Stiftsdamen des Adeligen Klosters Itzehoe und Mitgliedern der Reichsgräflichen Familie Rantzau, darunter:
- Äbtissin Metta Christina von Ahlefeldt (1763)
- Dorothea von Rantzau geb. von Ahlefeldt (1586–1647)
- deren Tochter Dorothea von Rantzau (1619–1662)
- deren Ehemann Reichsgraf Christian zu Rantzau (1614–1663)
- Dorothea Benedicta zu Rantzau (1696)
Die im Laufe der Zeit in Vergessenheit gerateten Grüfte wurden bei der Kirchenrenovierung in den 1960er Jahren wiederentdeckt.[10] Zur Zeit (2020) ist eine Besichtigung aus Denkmalschutzgründen nicht möglich.
Trivia
Während der Renovierungsarbeiten war der Turm eingerüstet, die Kupferdächer der Spitztürmchen abgebaut und in 5–7 Meter Höhe auf einem Seitendach auf der Rückseite der Kirche abgelegt. Eines der fast drei Meter hohen Dächer wurde entwendet, sein Verbleib war einige Monate ungeklärt. Nach einer bundesweiten Presseaktion und polizeilichen Ermittlungen lag die Turmspitze einige Monate später wieder an ihrer Stelle. Der Dieb blieb unerkannt.[11]
Literatur
- Jörg Benz, Heinz Longerich: Das Gotteshaus St. Laurentii besaß zwei Kirchenschiffe. In: Norddeutsche Rundschau vom 17. November 1998. Itzehoe 1998.
- Gustav Fock: Arp Schnitger und seine Schule: ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet. Bärenreiter, Kassel 1974, ISBN 3-7618-0261-7 (Veröffentlichungen der Orgelwissenschaftlichen Forschungsstelle im Musikwissenschaftlichen Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster; 5).
- Karl-Friedrich Hacker: Illustrierter Kirchenführer zur Gruft der St. Laurentii-Kirche in Itzehoe. Ed. Footura Black, Itzehoe 2011, ISBN 9783981447200.
- Siegfried Hansen: Der Altar der St. Laurentius-Kirche zu Itzehoe. In: Heimatverband Kreis Steinburg (Hrsg.): Steinburger Jahrbuch 1971. Itzehoe 1970, S. 5–9.
- Rudolf Irmisch: Baugeschichte der St. Laurentii-Kirche in Itzehoe. In: Heimatverband Kreis Steinburg (Hrsg.): Steinburger Jahrbuch 1966. Itzehoe 1965, S. 78–88.
- Rudolf Irmisch: Die Grüfte und Särge der St.-Laurentii-Kirche zu Itzehoe. In: Heimatverband Kreis Steinburg (Hrsg.): Steinburger Jahrbuch 1972. Itzehoe 1971, S. 28–38.
- Dietrich Krueger: Aus Anlaß der abgeschlossenen Restaurierung der St-Laurentii-Kirche: Itzehoes Wahrzeichen im Wandel der Zeit. In: Norddeutsche Rundschau vom 6. April 1985. Itzehoe 1985.
- Dietrich Krueger: Ergänzungen zur Baugeschichte der St.-Laurentii-Kirche zu Itzehoe. In: Heimatverband Kreis Steinburg (Hrsg.): Steinburger Jahrbuch 1986. Itzehoe 1985, S. 226–237.
- Dietrich Krueger: Sieben Tafelbilder in der St. Laurentii-Kirche zu Itzehoe. In: Heimatverband Kreis Steinburg (Hrsg.): Steinburger Jahrbuch 1975. Itzehoe 1974, S. 13–20.
- Dietrich Krueger: Zum Umbau der Orgel in der St. Laurentii-Kirche zu Itzehoe. In: Heimatverband Kreis Steinburg (Hrsg.): Steinburger Jahrbuch 1977. Itzehoe 1976, S. 163–169.
- Ortwin Pelc: St. Laurentii-Kirche und Klosterhof in Itzehoe. In: Heimatverband Kreis Steinburg (Hrsg.): Steinburger Jahrbuch 2009. Itzehoe 2008, S. 45–53.
- Heinrich Seggermann, Wolfgang Weidenbach: Denkmalorgeln zwischen Nord- und Ostsee. Ed. Merseburger, Kassel 1992, ISBN 3-87537233-6. (= 127. Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde.)
Weblinks
- St. Laurentii auf kirche-itzehoe.de
- Deutsche Stiftung Denkmalschutz: St. Laurentius
Einzelnachweise
- St. Laurentii.
- Turmbesichtigung.
- Ingo Lafrenz: Von Ivenfleth nach Itzehoe - die Geschichte des Klosters Itzehoe. In: Vorträge der Detlefsen-Gesellschaft 18, 2016, S. 41–62; S. 56.
- Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg. Schleswig-Holstein. Deutscher Kunstverlag 2009, S. 388f.
- Karin Martens: Die Herkunft von Altar und Kanzel der St.-Laurentii-Kirche in Itzehoe; kunsthistorischer Vergleich mit Bildern Baxmanns in Allermöhe, Ochsenwerder, Beidenfleth, Süderau und Siek. In: Jörg Benz und Wilhelm Sass (Hrsg.): Barocke Bildkunst in Itzehoe erzählt biblische Geschichte. Itzehoe 1983, S. 150–163.
- Gustav Fock: Arp Schnitger und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet. Bärenreiter, Kassel 1974, ISBN 3-7618-0261-7, S. 169.
- Cornelius H. Edskes, Harald Vogel: Arp Schnitger und sein Werk (= 241. Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde). Hauschild, Bremen 2013, ISBN 978-3-89757-525-7, S. 165.
- Kirchenmusik Itzehoe.
- Joachim Hess: Dispositien der merkwaardigste Kerk-Orgelen. Johannes vander Klos, Gouda 1774, S. 122 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)., irrtümlich unter Hamburg/Hauptkirche angegeben.
- Kunstvolle Geschichte aus der Gruft
- Nordelbische Ev.-luth. Kirche: Nachrichten vom 30. August 2002 (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive); n-tv.de vom 29. August 2002