Triumphkreuz
Ein Triumphkreuz (lat. crux triumphalis), regional (österreichisch)[1] auch Fronbogenkreuz genannt, ist ein monumentales Kruzifix, das zur Ausstattung mittelalterlicher Kirchen gehörte, wo es, oft von weiteren Figuren begleitet, in hoher Position vor dem Chor angebracht wurde. Der Begriff verweist auf den Triumph des auferstandenen Christus (Christus triumphans) über den Tod.[2]
Geschichte
Hugo von St. Viktor, ein aus Sachsen stammender Theologe, beschrieb in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts erstmals, dass man in der Mitte der Kirche gewöhnlich eine crux triumphalis, ein Triumphkreuz, errichtete.[3] Dem entspricht, dass die ersten monumentalen Kreuzigungsgruppen um die Mitte des 12. Jahrhunderts auftauchen. Aus dem Hochmittelalter sind auch silbervergoldete Triumphkreuze bekannt (Freiburg, Zürich)[4]
Der ursprüngliche Ort des Triumphkreuzes ist die Grenze zwischen Chor (Presbyterium) und Kirchenschiff (Laienkirche). Dort hängt es unter dem Triumphbogen, dem Eingangsbogen des Chors, oder steht an gleicher Stelle auf einem Querbalken. Wird der Chor durch einen Lettner vom Kirchenraum getrennt, steht das Triumphkreuz auf diesem. Unter dem Triumphkreuz befindet sich häufig der Kreuzaltar.
Nach dem Ende des Mittelalters verliert sich die zuvor überragende Bedeutung dieses Bildtyps, wie ja auch die mit ihm oft gekoppelten Lettner in den evangelischen Kirchen mit der Reformation und in der römisch-katholischen Kirche seit dem Konzil von Trient aus den Kirchen verschwinden.
Wandel des Christusbildes
In der Romanik wurde der gekreuzigte Christus als Herrscher und Richter dargestellt. Statt einer Dornenkrone trägt er eine Königskrone oder eine Gloriole, an den Füßen trägt er „Schuhe“ als Zeichen des Herrschers. Er ist Sieger über den Tod. Er steht frontal dem Betrachter gegenüber, seine Füße stehen parallel nebeneinander auf dem Suppedaneum (Viernageltyp) und nicht aufeinander.[5] Das Lendentuch ist stark stilisiert und fällt in senkrechten Falten.
Beim Übergang zur Gotik wird aus dem triumphierenden der leidende Christus, der mitleiderregende Schmerzensmann. Die Herrscherkrone wird durch die Dornenkrone ersetzt, die Füße stehen ab etwa 1220 (in Italien ab etwa 1275) übereinander und sind mit nur einem Nagel durchbohrt. Gesichtsausdruck und Körperhaltung drücken seinen Schmerz aus. Die Verwundungen des Körpers werden oft drastisch dargestellt. Diese Leidensmerkmale werden im 14. Jahrhundert noch gesteigert, erreichen aber nicht die Expressivität der Gabelkruzifixe, die im Gegensatz zum repräsentativen Triumphkreuz mehr der privaten Andacht dienten. Auch die Assistenzfiguren Maria und Johannes zeigen Zeichen des Schmerzes.[6]
Triumphkreuzgruppen
Ein Triumphkreuz kann von weiteren Figuren begleitet werden, die Gruppe steht dann auf einem Lettneraufbau oder einem Balken. Gelegentlich ist auch dieser Träger mit weiteren Figuren, zum Beispiel Aposteln geschmückt.[7] Als monumentale Personen kommen Maria und Johannes, der „Lieblingsjünger“, in Frage (in Anlehnung an Joh 19,25–27 , vgl. die Parallelen in den synoptischen Evangelien Mt 27,25f , Mk 15,40f und Lk 23,49 ), aber auch Apostel, Engel und Stifter. Manches monumentale Kruzifix des Mittelalters, das seine Begleitfiguren verloren hat und an anderen Ort (innerhalb der Kirche) verbracht wurde, wird als Triumphkreuz gedient haben; ebenso stammt so manche einsam trauernde Maria-und-Johannes-Gruppe ursprünglich aus diesem ikonographischen Zusammenhang. Einige typische Figurenprogramme sind folgend exemplarisch angeführt:
- Das Triumphkreuz über dem Lettner im Dom zu Halberstadt (um 1230) ist nicht nur von Maria und Johannes, sondern auch noch von zwei Cherubim flankiert.
- Beim Triumphkreuz in der Klosterkirche zu Wechselburg (um 1230/35) ist die erweiterte Figurengruppe zum Figurenprogramm des Lettners in Bezug gesetzt.
- Das Triumphkreuz in der Stiftskirche Bücken (um 1220 bis 1270) steht auf einem Apostelbalken, der Gekreuzigte wird von Maria und Johannes, die auf Personifikationen des Juden bzw. Heidentums stehen, sowie zwei Heiligen Bischöfen begleitet, an den Kreuzenden oben Gottvater, seitlich Engel, unten die drei Frauen am Grabe.
- In elaboriertesten ikonographischem Zusammenhang stehen im Doberaner Münster das große Triumphkreuz und ein darauf bezogenes Kreuzaltarretabel (um 1368) über den Chorschranken, die ehemals die Bereiche der Mönche und Konversen der Klosterkirche trennten.
- Das Triumphkreuz in der Kirche von Öja/Gotland vom Ende des 13. Jahrhunderts, flankiert von Maria und Johannes, hat die seltene Form eines Scheibenkreuzes, in dessen Rund Szenen aus der Heilsgeschichte dargestellt sind.
- Das Triumphkreuz im Schweriner Dom, um 1420, wird ebenfalls von Maria und Johannes flankiert. Am Ende der Kreuzesbalken, aus denen Blätter sprießen und so das Holz in den Lebensbaum verwandeln, sind die Evangelistensymbole zu sehen.
- Das 1477 errichtete Triumphkreuz im Lübecker Dom von Bernt Notke, die vielleicht bedeutendste spätgotische Triumphkreuzgruppe, erweitert die Reihe der Trauernden um den stiftenden Bischof und die Maria Magdalena.
Regionale Besonderheiten
Das östliche Deutschland spielt für die frühe Entwicklung des Bildtyps offensichtlich eine besondere Rolle. Im Rhein-Maas-Gebiet ist im 14. Jahrhundert die Denkmälerdichte besonders hoch. Vermutlich angeregt von dem singulären Soester Scheibenkreuz (um 1210) und formal verwandt mit den steinernen Hochkreuzen auf den britischen Inseln sind die 26 großen Scheiben- und Ringkreuze in gotländischen Landkirchen wie Alskog, Alva, Ekeby, Hemse, Linde, Öja, Väte und Stenkumla. Unter ihnen ragt das von Öja heraus, auch die in Hamra, Fröjel, Fide, Stänga und das größte seiner Art in Lau sind zu nennen. In Eskelhem und Klinte sind es tatsächlich Scheiben, in allen anderen Fällen handelt es sich um Ringkreuze.[8]
Italien kennt zwar auch geschnitzte Holzkruzifixe, doch herrscht hier in der Funktion des Triumphkreuzes die gemalte Kreuztafel vor. Die wenigen geschnitzten Triumphkreuze des 12. Jahrhunderts in Italien entstanden wohl unter deutschem oder französischem Einfluss. Aus England ist kein frühes Triumphkreuz erhalten, doch ist für Canterbury bereits um 1077 die Existenz eines solchen nachgewiesen.[9] Auch in Frankreich haben sich, ebenfalls konfessionsgeschichtlich bedingt, nur wenig Triumphkreuze erhalten. In Deutschland sind gemalte Triumphkreuze selten (St. Georg (Loccum), Zisterzienserabtei Pforta), sie stammen aus dem 13. Jahrhundert.
Repräsentative Beispiele
- Das 800 Jahre alte Kreuz der Kirche von Stenkumla auf Gotland zeigt die Entstehung des Namens (Christus triumphans): der Gekreuzigten trägt „Schuhe“ und Krone.
- Kreuz aus der Kirche von Linde auf Gotland (heute im Museum in Stockholm) zeigt auch die Herrscher-Kennzeichen und lässt den Namen verstehen
- Triumphkreuz von Notke im Lübecker Dom
- Triumphkreuz (Christusseite) im Doberaner Münster
- Scheibenkreuz in der Hohnekirche Soest (um 1200)
- Triumphkreuz im Schweriner Dom aus dem 16. Jahrhundert
- Die am vollständigsten erhaltene Triumphkreuzgruppe – mit originaler Fassung – befindet sich im Dom zu Halberstadt, um 1220. Den Gekreuzigten umgeben die trauernden Maria und Johannes sowie Cherubime auf Feuerrädern. im Fußbalken die Halbfiguren der Propheten (Chorseite) und Apostel (Langhausseite).
- Kopf Christi aus der Triumphkreuzgruppe im Dom zu Halberstadt, um 1220. Originale Fassung.
- Engel aus der Triumphkreuzgruppe im Dom zu Halberstadt, um 1220.
- Stammvater Adam, das Kreuz stützend. Detail aus der Triumphkreuzgruppe im Dom zu Halberstadt, um 1220.
Deutschland
- Gerokreuz im Kölner Dom
- das ottonische Kreuz in der Stiftskirche St. Peter und Alexander in Aschaffenburg
- das Helmstedter Kreuz in der Schatzkammer der Abtei Werden
- das Triumphkreuz im Lübecker Dom aus der Werkstatt von Bernt Notke, 1477, Höhe 17 m
- in der Katharinenkirche (Lübeck), um 1450, siehe auch Meister der lübeckischen Triumphkruzifixe
- in der Christuskirche Flensburg-Mürwik, ein großes Kruzifix aus dem 16. Jahrhundert über dem Altar
- im Doberaner Münster
- im Freiberger Dom, Kreuzigungsgruppe genannt (um 1225)
- in der St.-Gabriel-Kirche, Haseldorf
- im Dom zu Halberstadt, um 1220
- im Havelberger Dom, 1270/80
- in der Kirche St. Maria zur Höhe, sog. Scheibenkreuz, in Soest
- in der St. Marienkirche und im Dom St. Peter von Osnabrück
- im Naumburger Dom
- in der St. Nicolai in Alfeld (Leine), um 1250
- in der St.-Severus-Kirche in Boppard, um 1220/30
- im Schweriner Dom (aus der Wismarer Marienkirche)
- in Dinslaken, Kirche St. Vincentius, um 1310
- im Kloster Wechselburg, Basilika Hl. Kreuz
- in Dortmund, Stadtkirche St. Reinoldi (Dortmund)
- in Itzehoe, Stadtkirche St. Laurentii[10]
Spanien
- Triumphkreuz in der Einsiedlerkapelle Ermita del Humilladero (oder Ermita de San Isidro) in Sasamón
Literatur
- Manuela Beer: Triumphkreuze des Mittelalters. Ein Beitrag zu Typus und Genese im 12. und 13. Jahrhundert. Mit einem Katalog der erhaltenen Denkmäler. Schnell & Steiner, Regensburg 2005, ISBN 3-7954-1755-4
- „Der Erlöser am Kreuz: Das Kruzifix“ - Wandelungen in der Darstellung des Kruzifixes bzw. des Triumphkreuzes (Memento vom 18. August 2016 im Internet Archive)
Weblinks
redaktioneller Hinweis: bitte die beiden Kategorien zusammenführen
Anmerkungen und Einzelnachweise
- Fronbogen- oder Triumphkreuze
- Margarete Luise Goecke-Seischab/ Jörg Ohlemacher: Kirchen erkunden, Kirchen erschließen, Ernst Kaufmann, Lahr 1998, S. 232.
- Hugo de St. Victore: Speculum de mysterio Ecclesiae, in: Jacques Paul Migne, Patrologia latina, Bd. CLXXVII, Sp. 377–378
- Adolf Reinle: Die Ausstattung deutscher Kirchen im Mittelalter, Darmstadt 1988, S. 96, 192.
- Torsten Droste: Romanische Kunst in Frankreich, DuMont Kunstreiseführer, Köln 1992(2), S. 32f
- Formen der Kunst. Teil II. Die Kunst im Mittelalter, bearbeitet von Wilhelm Drixelius, Verlag M. Lurz, München o. J. S. 71 u. S. 88
- Leonie Reygers, Apostelbalken, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1935), Sp. 829–01; in: RDK Labor hier digital [8. Oktober 2018]
- Wolf-Herbert Deus: Scheibenkreuze in Soest, auf Gotland und anderswo. Soest 1967.
- Peter H. Brieger: Englands Contribution to the Origin and Developmeent of the Triumphal Cross, in: Medieval Studies 3, 1941/42, S. 85–96, hier S. 86.
- Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Itzehoe, St. Laurentii