Schwalm (Kultur)
Ihren Namen verdankt die Schwalm dem Fluss Schwalm, an deren Mittellauf sie sich befindet. Die Bewohner der Schwalm werden als Schwälmer bezeichnet. Der Kulturraum ist geprägt von der Schwälmer Tracht, der Schwälmer Mundart sowie spezifischen Bräuchen, insbesondere Festtagsbräuchen.[1]
Die Schwalm ist ein Kulturraum in Nordhessen.
Tracht, Mundart und Bräuche
Zur Schwälmer Tracht der Frauen gehört beispielsweise eine große Anzahl übereinander getragener Röcke sowie eine charakteristische Betzel, die oft fälschlich als Vorbild des Rotkäppchens im gleichnamigen Märchen der Brüder Grimm bezeichnet wird. Tatsächlich hat das Märchen seinen Ursprung nicht in der Schwalm, die Gebrüder Grimm sammelten hier jedoch viele mündliche Überlieferungen. Die Alterstracht wurde im Jahr 2013 noch von wenigen Frauen im Alltag getragen. Die männliche Tracht ist bereits seit längerer Zeit aus dem Alltag verschwunden. Die Tracht wird bei Festtagen, z. B. der Ziegenhainer Salatkirmes gezeigt.
Das Schwälmer Platt ist lebende dörfliche Umgangssprache, die auch Niederschlag in der Literatur gefunden hat. Insbesondere der in Mundart verfasste Gedichtband Kreizschwerneng, Spaß muss seng von Johann Heinrich Kranz und Johann Heinrich Schwalm[2] hat die kulturelle Identität der Schwalm im 20. Jahrhundert in erheblichem Maße geprägt.
Die zum traditionellen Kulturraum Schwalm gehörenden Bräuche werden z. B. von Schrödter[1] dargestellt. Dazu gehören z. B. das Schwälmer-Lied (Loshäuser Kirmeslied, verfasst von Erhard Georg von Lüder),[3] das folgende Textzeile über typisches, traditionelles Festessen enthält (Wecksuppe, Fleisch, Hirsebrei, Bier):
Wecksopp, Fleesch o Härschebree, Eßt mer, o trenkt Bier derbee[1]
Weitere Bräuche sind traditionelle Tänze die auch heute noch gepflegt werden wie der Schwälmer, andere Kirmes-, Hochzeits- und Frühlingsbräuche und des Weiteren mehr.
Geographische Eingrenzung
Schrödter[1] zählt zur engeren Schwalm folgende Ortschaften: Wasenberg, Willingshausen, Merzhausen, Leimbach, Ransbach, Gungelshausen, Loshausen, Zella, Salmshausen, Röllshausen, Schrecksbach, Holzburg, Rückershausen, Riebelsdorf, Steina, Niedergrenzebach, Obergrenzebach und Ascherode.
Zur weiteren Schwalm (Hecken-Schwälmer) zählt er folgende Ortschaften: Hattendorf, Immichenhain, Ottrau, Görzhain, Kleinropperhausen, Nausis, Schorbach, Asterode, Christerode, Hauptschwenda, Seigertshausen, Leimsfeld, Allendorf an der Landsburg, Frankenhain, Florshain und Wiera. Schwalm[4] zählt zusätzlich noch hinzu: Berfa, Dittershausen, Mengsberg, Michelsberg, Rörshain, Rommershausen, Schönborn und Weißenborn. In der weiteren Schwalm war der Einfluss des Schwälmer Platt und der Schwälmer Tracht geringer.
Die nahe bei diesen Dörfern liegenden Städte Ziegenhain, Treysa und Neukirchen waren für die Bewohner der Schwalm zum Kauf und Verkauf von Waren sowie für Verwaltungsakte von Bedeutung, zählten jedoch nicht direkt zum Kulturraum Schwalm. Dieser war bäuerlich geprägt. Die Einwohner der Städte trugen in der Regel auch keine Schwälmer Tracht.
Weitere wichtige Orte mit Bezug zum Kulturraum Schwalm sind das Kulturdenkmal Kapelle Schönberg sowie das Naturdenkmal Wipperstein.[1] Der Kulturraum Schwalm war Bestandteil des Altkreises Ziegenhain und liegt heute überwiegend im Schwalm-Eder-Kreis.
Willingshäuser Malerkolonie, Museen und Vereine
Überregional bekannt wurde die Schwalm als Kulturraum insbesondere durch die Willingshäuser Malerkolonie. Die Maler fanden in den Menschen, ihren Tätigkeiten und Bräuchen ihre Motive. Ein Beispiel dafür ist das Gemälde Schwälmer Tanz aus dem Jahr 1897/98 von Carl Bantzer, das sich im Marburger Universitätsmuseum für Kunst und Kulturgeschichte befindet.
Der Kulturraum Schwalm wird im vom Schwälmer Heimatbund e.V. getragenen Museum der Schwalm sowie im Schwälmer Dorfmuseum Holzburg umfangreich dargestellt. Nicht mehr im Alltag verankerte Bräuche werden zum Teil von Vereinen weitergetragen.
Weblinks
- Reiseführer Schwalm, herunterladbar über das Museum der Schwalm, auf museumderschwalm.de/reiseführer-schwalm/
Literatur
- E. Mathias Schumacher: Kleine Reise in die Schwalm. Verlag Ludwig Simon, 44 Seiten, Format etwa A4, mit zahlreichen Abbildungen (schwarz-weiß), Band 27 der Buchreihe Die Deutschen Bücher, Berlin 1935
- Heinz Rübeling, Heinz Metz, Dirk Ordemann: Die Schwälmer Tracht. Verlag Dirk Ordemann, Ziegenhain 1988, ISBN 3-9802008-0-9.
- August Gandert, Brunhilde Miehe: Handwerk und Volkskunst in der Schwalm. Schwälmer Heimatbund, Ziegenhain 1983.
- E. Schade, K. Schade, B. Selentschik, K. Selentschik: Leben in der Schwalm – Dokumentation mit historischen Photographien aus Röllshausen und Salmshausen. Selbstverlag, Röllshausen 1987.
- Olaf Plotz, Traugott Heil: Schwalm und Knüll – Eine Landschaft in der Mitte Deutschlands. Edition Wallgraben, Schwalmstadt 1992, ISBN 3-9803231-0-2.
- Die Schwalm. Mit 12 Abbildungen nach Originalaufnahmen von Johanna Eilert (Märzhausen, Niedergränzebach, Treysa, Willingshausen, Riebelsdorf). In: Vom Fels zum Meer 22. Jg., Bd. 2, 1903, S. 1761–1767.
- Die Schwalm – Menschen in Bildern. 107 historische Photographien von Hans Retzlaff, zusammengestellt, erläutert und mit Texten versehen von Barbara Greve. Edition Hexenturm, Treysa 1984, ISBN 3-924296-01-4.
- Die Schwalm – Landschaft zwischen Knüll und Kellerwald. Herausgegeben von Kurt Freytag, Text von Dankward Sieburg. Selbstverlag, LIONS-Club Schwalmstadt 1995.
- Brunhilde Miehe: Volksleben in der Schwalm – Bräuche, Kleidungsverhalten, Arbeitsleben, Kunstfertigkeiten. Miehe-Medien, Kirchheim, 2012, ISBN 978-3-9801197-3-3.
Einzelnachweise
- Reinhold Schrödter: Die Schwalm. Selbstverlag, Wanfried 1886. Faksimile, Edition Hexenturm, Treysa 1984, ISBN 3-924296-00-6.
- Johann Heinrich Kranz, Johann Heinrich Schwalm: Kreizschwerneng, Spaß muss seng. Gedichte in Schwälmer Mundart. Gesamtausgabe der Teile 1 (1906), 2 (1911) und 3. Verlag Schwälmer Heimatbund e.V., Ziegenhain, 1985.
- Carl Hessler (Hrsg.): Hessische Landes- und Volkskunde. Band I/1. Elwert, Marburg/Lahn 1906, S. 352.
- Johann Heinrich Schwalm: Die Schwalm. In: Carl Hessler (Hrsg.): Hessische Landes- und Volkskunde. Band II. Elwert, Marburg/Lahn 1904, S. 229–338.