Schloss Chantilly
Das Schloss Chantilly liegt in der französischen Kleinstadt Chantilly im Département Oise, ca. 50 Kilometer nordöstlich von Paris.
Es wurde um 1560 für Anne de Montmorency erbaut und fiel nach Aussterben der Hauptlinie der Montmorency 1643 durch Erbschaft an die Prinzen von Bourbon-Condé, deren Sitz es bis zu ihrem Aussterben 1830 – mit Unterbrechung während der Revolutions- und Napoleonzeit – blieb. Danach fiel es an den Herzog von Aumale, einen jüngeren Sohn des Bürgerkönigs Louis-Philippe, der das in der Revolutionszeit zerstörte Schloss 1876–82 wieder aufbauen ließ und es dem Institut de France vermachte.
Das Schloss von Chantilly ist vor allem durch seinen Park, seine Gemäldesammlung und sein Reitgestüt berühmt. Das Schloss und der Park sind für Besucher geöffnet.
Geschichte
1484 gelangte ein älterer Vorgängerbau in den Besitz des Adelshauses der Montmorency, und zwischen 1528 und 1551 wurde die mittelalterliche Burg vom französischen Heerführer Anne de Montmorency erheblich erweitert und zum Renaissance-Schloss umgebaut, einem unregelmäßigen Dreieck mit Türmen und einer Doppelturm-Toranlage. In den folgenden dreihundert Jahren wurden zahlreiche bauliche Veränderungen vorgenommen. Mit seinem Enkel Henri II. de Montmorency, der 1632 hingerichtet wurde, weil er sich an einem Aufstand gegen Kardinal Richelieu beteiligt hatte, erlosch die Hauptlinie der Montmorency. Seine Güter – darunter Chantilly und Schloss Écouen – wurden zunächst von Ludwig XIII. konfisziert, dann aber, da Henri II. kinderlos war, seiner Schwester Charlotte-Marguerite de Montmorency zurückgegeben. Diese war mit einem Cousin des Königs verheiratet, Henri II. de Bourbon, prince de Condé, und einst auch kurzzeitig die Geliebte seines Vaters Heinrich IV. gewesen. Sie erbte den Titel einer Herzogin von Montmorency.
Damit ging das Erbe der Montmorency an das Haus Bourbon-Condé, eine Nebenlinie des Königshauses der Bourbonen, über. Von 1643 bis 1830 blieb das Schloss die Residenz der Herzöge von Bourbon-Condé – unterbrochen durch die Französische Revolution und die napoleonische Zeit. Auf Charlotte-Marguerite folgte ihr Sohn Louis II. de Bourbon, prince de Condé (genannt der Grand Condé). Auch ihm wurde das Schloss zeitweise konfisziert, zwischen 1652 und 1659, da er sich während der Fronde gegen den Kardinal Jules Mazarin gestellt hatte. Zwar wurde ihm das Schloss nach dem Pyrenäenfrieden zurückgegeben, da er aber in Versailles unwillkommen blieb, verbrachte er viel Zeit mit der Verschönerung von Chantilly. Er kaufte zahllose Möbel und Kunstwerke. 1671 söhnte er sich mit Ludwig XIV. aus und empfing diesen in Chantilly. Zu dieser Zeit beauftragte er André Le Nôtre mit der Anlage des Parks, noch bevor dieser den von Versailles schuf. 1671–73 wurden der Grand Canal und die Gartenparterres angelegt und bis 1688 erweitert; er gehört zu den bekanntesten Barockgärten Frankreichs und vereint riesige Wasserbecken mit ebensogroßen Rasenflächen und weiten Sichtachsen bis zum Horizont. Die gesamte Parkachse ist auf einen nie errichteten barocken Zentralbau ausgerichtet, von dem nur eine bastionsartige Substruktur existiert. Der große Condé, wie er genannt wurde, empfing hier Schriftsteller wie La Fontaine, La Bruyère, Bossuet, Madame de La Fayette, Madame de Sévigné, Mademoiselle de Scudéry oder den Philosophen Malebranche. Condé gab rauschende Feste und Molière schrieb hier Die lächerlichen Preziösen und führte den Tartuffe auf. Condé ließ eine Philosophenallee aus zweistämmigen Baumreihen anlegen. Gegen Ende seines Lebens beauftragte er Mansart mit einer Modernisierung der Innenräume.
Der Sohn des Großen Condé, Henri Jules de Bourbon, prince de Condé, genannt Condé Le Fol (der verrückte Condé), gab ungeheure Summen aus, um das Schloss durch Mansart und Jean Aubert auch von außen im barocken Architekturstil umgestalten zu lassen. In die dreieckige Anlage ließ er einen fünfeckigen Hof einbauen. Dessen Enkel, Louis IV. de Condé, der als Premierminister von 1723 bis 1725 wenig erfolgreich war, zog sich anschließend nach Chantilly zurück, wo er die Innenräume durch bekannte Meister wie Oudry, Desportes, Huet und Nattier weiter ausstatten ließ. Dessen Sohn Louis V. de Condé ließ ab 1775 im Park, dessen Außenbereich während des 18. Jahrhunderts im Stil englischer Landschaftsgärten umgestaltet wurde, ein idealisiertes Bauerndorf errichten, welches man dem Zeitgeschmack nach als bäuerliche Idylle gestaltete und das die Königin Marie-Antoinette zum Vorbild für ihren Hameau (deutsch: Dörfchen) im Park des Petit Trianon wählte.
Der Sohn Louis VI. de Condé floh bei Ausbruch der Französischen Revolution 1789 ins Ausland und opponierte von dort gegen die Revolution und die Herrschaft Napoleons. In seiner Heimat wurde er zum Verräter erklärt und seine Güter beschlagnahmt. 1814 kehrte er zusammen mit Ludwig XVIII. nach Frankreich zurück. 1830 vererbte er seinen Besitz, zu dem auch Chantilly gehörte, seinem Großneffen Henri von Orléans, Herzog von Aumale (1822–1897). 1876–82 ließ Aumale auf den Grundmauern des in der Revolutionszeit völlig zerstörten Großen Schlosses einen neuen Schlossbau nach den Plänen des französischen Architekten Honoré Daumet (1826–1911) errichten. Der historistische Baustil entsprach dem Geschmack der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aumale erweiterte die Condé'sche Kunstsammlung noch erheblich.
1834 wurde die Pferderennbahn gegründet, die zusammen mit dem Gestüt internationalen Ruhm erlangte. Die Pferdeställe von 1719 gehören nicht nur zu den größten und prächtigsten Ställen der Welt, sondern sie bieten außerdem ein eindrucksvolles Bild von der Architektur des Ancien Régime. 1886 vermachte Aumale das Schloss, seine Parkanlagen und Nebengebäude dem Institut de France.
Im Ersten Weltkrieg befand sich hier das Hauptquartier der französischen Streitkräfte. Hier fanden auch mehrere Konferenzen der Alliierten statt. Heute ist es zur Besichtigung freigegeben.
Das Schloss beherbergt mit dem Musée Condé eine der größten privaten Kunstsammlungen der Welt, sowie eine historische Bibliothek im Kleinen Schloss mit 700 Handschriften und 12.000 wertvollen Büchern, darunter die Très Riches Heures und eine Gutenberg-Bibel.
Schloss Chantilly ist Namensgeber für ein bestimmtes Parkettmuster, das Chantilly-Parkett (parquet Chantilly).[1]
Zitate
„Von allen Orten, die die Sonne bescheint, gibt es keinen mehr wie diesen.“
„Warum hat man mich siebenmal nach Versailles geführt und niemals hierher?“
Trivia
Das Schloss diente als Kulisse für den James-Bond-Spielfilm Im Angesicht des Todes.
Siehe auch
- Legende zur Crème Chantilly (Süße Schlagsahne, das frz. Wort dafür. Sie handelt vom Koch François Vatel, 1631–1671)
- Begriffsklärung zu Chantilly
Literatur
Iris Lauterbach: Der Garten von Chantilly im Jahre 1784. Das Album du Comte du Nord im Musée Condé. In: Die Gartenkunst 2 (2/1990), S. 217–237.
Weblinks
- Offizielle Website des Schlosses (französisch, englisch, japanisch)
- Der Große Marstall (Les Grandes Écuries) (französisch)
- Institut de France: Le Domaine de Chantilly (tabellarische Information)
Einzelnachweise
- Jean-Claude Corbeil, Ariane Archambault: Le Visuel – définitions. Dictionnaire thématique 3. Auflage, Québec Amérique, Montreal 2004, S. 254.
- zitiert nach: Le Domaine de Chantilly (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive), Institut de France, April 2006.
- Chantilly, capital of the horse, Label France, Nr. 48, Oktober 2002. Label France ist eine mehrsprachige Quartals-Zeitschrift des französischen Außenministeriums. Bei der Datierung 1968 scheint es sich um einen Irrtum zu handeln. Nixon war vom 28. Februar bis zum 2. März 1969 bei einem Staatsbesuch Gast Charles de Gaulles.