Sanidin
Sanidin ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“. Es kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung (K,Na)[(Si,Al)4O8].[1] Die in den runden Klammern angegebenen Elemente Kalium und Natrium sowie Silicium und Aluminium können sich in der Formel jeweils gegenseitig vertreten (Substitution, Diadochie), stehen jedoch immer im selben Mengenverhältnis zu den anderen Bestandteilen des Minerals.
Sanidin | |
---|---|
Allgemeines und Klassifikation | |
Chemische Formel | (K,Na)[(Si,Al)4O8][1] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Silikate und Germanate – Gerüstsilikate |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
9.FA.30 (8. Auflage: VIII/J.06) 76.01.01.02 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | monoklin |
Kristallklasse; Symbol | monoklin-prismatisch; 2/m |
Raumgruppe (Nr.) | C2/m[1] (Nr. 12) |
Gitterparameter | a = 8,6 Å; b = 13,03 Å; c = 7,18 Å β = 116,0°[1] |
Formeleinheiten | Z = 4[1] |
Zwillingsbildung | Carlsbader Zwillinge, seltener Baveno- und Manebachzwillinge |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 6 |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 2,56 bis 2,62; berechnet: [2,56][2] |
Spaltbarkeit | vollkommen nach {001}, deutlich nach {010}; Absonderungen nach {100}[2] |
Bruch; Tenazität | uneben bis muschelig; spröde |
Farbe | farblos, weiß, grau, gelblich, rötlich |
Strichfarbe | weiß |
Transparenz | durchsichtig bis durchscheinend |
Glanz | Glasglanz, Perlmuttglanz auf Spaltflächen |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nα = 1,518 bis 1,525 nβ = 1,523 bis 1,530 nγ = 1,525 bis 1,531[3] |
Doppelbrechung | δ = 0,007[3] |
Optischer Charakter | zweiachsig negativ |
Achsenwinkel | 2V = 60° (gemessen); 48 bis 64° (berechnet)[3] |
Pleochroismus | farblos |
Sanidin entwickelt meist tafelige oder nadelige bis prismatische Kristalle und Zwillinge von bis zu 50 Zentimetern Größe,[2] aber auch kugelige oder körnige bis massige Aggregate. Unverwitterte Kristallflächen weisen einen glasähnlichen Glanz auf, Spaltflächen schimmern dagegen eher perlmuttartig.
In reiner Form ist Sanidin farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch weiß erscheinen, wobei die Transparenz entsprechend abnimmt. Durch Fremdbeimengungen kann Sanidin zudem eine graue, gelbliche oder rötliche Farbe annehmen.
Etymologie und Geschichte
Der Mineralname Sanidin ist eine Wortschöpfung, die aus den griechischen Begriffen σανίς sanís für „Brett, Planke, Tafel“ und εἶδος eídos für „Aussehen, Gestalt“ zusammengesetzt ist. Er nimmt Bezug auf die häufige tafelartige Ausbildungsform der Kristalle.[2]
Erstmals beschrieben wurde Sanidin 1789 durch Karl Wilhelm Nose in seinen Beiträgen „Ueber das Schiefergebirge etc. und über Westphalen“, die 1808 von Johann Jacob Nöggerath in seinen „Mineralogischen Studien über die Gebirge am Niederrhein“ aufgegriffen wurden. Als Typlokalität gilt der Drachenfels im rheinischen Siebengebirge.[4]
Klassifikation
In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Sanidin zur Abteilung der „Gerüstsilikate (Tektosilikate), mit Zeolithen“, wo er zusammen mit Buddingtonit, Celsian, Hyalophan, Kokchetavit, Mikroklin, Orthoklas, Paracelsian, Rubiklin und Slawsonit die Untergruppe der „Alkalifeldspate“ mit der System-Nr. VIII/J.06 innerhalb der Gruppe der Feldspate bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Sanidin dagegen in die Abteilung der „Gerüstsilikate (Tektosilikate) ohne zeolithisches H2O“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit weiterer Anionen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Gerüstsilikate (Tektosilikate) ohne zusätzliche Anionen“ zu finden ist, wo es zusammen mit Adular, Anorthoklas, Buddingtonit, Celsian, Hyalophan, Kokchetavit, Mikroklin, Monalbit, Orthoklas und Rubiklin die verkleinerte „Feldspat-Gruppe“ mit der System-Nr. 9.FA.30 bildet.
Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Sanidin zwar ebenfalls in die Klasse der „Silikate und Germanate“, dort allerdings in die Abteilung der „Gerüstsilikate: Al-Si-Gitter“ ein. Hier ist er zusammen mit Anorthoklas, Celsian, Filatovit, Hyalophan, Orthoklas, Mikroklin und Rubiklin in der Gruppe der „K (Na,Ba)-Feldspate“ mit der System-Nr. 76.01.01 innerhalb der Unterabteilung „Mit Al-Si-Gitter“ zu finden.
Modifikationen und Varietäten
Sanidin ist eine Hochtemperaturmodifikation des Alkalifeldspats mit einer größtenteils ungeordneten Verteilung von Aluminium und Silicium. Zusammen mit dem Hochtemperatur-Albit bildet es eine vollständige Mischreihe.[5]
Bildung und Fundorte
Sanidin ist ein typisches gesteinsbildendes Mineral und bildet sich in sauren Vulkangesteinen. Außerdem bildet es Pseudomorphosen nach Mikroklin. Als Begleitminerale treten unter anderem Quarz, Plagioklas, Muskovit, Biotit, Hornblende und Magnetit auf.[2]
Weltweit gelten bisher (Stand: 2012) rund 480 Fundorte als bekannt.[3] Neben seiner Typlokalität Drachenfels konnte das Mineral noch an weiteren Stellen im Siebengebirge gefunden werden wie unter anderem am Finkenberg bei Bonn, am Ölberg, bei Perlenhardt und am Weilberg nahe Königswinter sowie bei Hohenburg und am Dächelsberg in Wachtberg. Des Weiteren trat Sanidin unter anderem noch an mehreren Orten in Baden-Württemberg (Hinterhauenstein, Katzenbuckel, Oberbergen), Bayern (Fichtelgebirge), an vielen Stellen in der Eifel (Andernach, Daun, Ettringen, Hillesheim, Mendig, Niederzissen) in Rheinland-Pfalz, an einigen Stellen im sächsischen Erzgebirge und bei Gera in Thüringen auf.
In Österreich fand sich Sanidin unter anderem am Pauliberg nahe Kobersdorf im Burgenland, bei Gossendorf, Klöch und am Stradner Kogel sowie am Katereck nahe Bad Ischl in der Steiermark.
In der Schweiz konnte Sanidin bisher nur bei Oberbargen (Schaffhausen) und am Monte San Giorgio (Tessin) gefunden werden.
Weitere Fundorte liegen unter anderem in Algerien, Angola, der Antarktis, Argentinien, Armenien, Aserbaidschan, Äthiopien, Australien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, China, El Salvador, Eritrea, Estland, Frankreich und auf der zu Frankreich gehörenden Karibikinsel Martinique, Griechenland, Guinea, Honduras, Indien, Italien, Japan, Kanada, Kenia, Korea, Lesotho, Madagaskar, Mexiko, Mongolei, Myanmar, Namibia, Neuseeland, Nicaragua, Paraguay, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, der Slowakei, Spanien, Sri Lanka, Südafrika, Taiwan, Tansania, Tschechien, Türkei, Ungarn, im Vereinigten Königreich (Großbritannien) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[6]
Kristallstruktur
Sanidin kristallisiert monoklin in der Raumgruppe C2/m (Raumgruppen-Nr. 12) mit den Gitterparametern a = 8,6 Å; b = 13,03 Å; c = 7,18 Å und β = 116,0° sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]
Verwendung
Sanidin hat im Allgemeinen keine wirtschaftliche Bedeutung. Er wird jedoch bei guter Qualität gelegentlich von einigen versierten Sammlern zu Schmucksteinen verschliffen.[7]
Siehe auch
Literatur
- Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie. Nebel Verlag GmbH, Eggolsheim 2002, ISBN 3-89555-076-0, S. 263 (Dörfler Natur).
Weblinks
Einzelnachweise
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 694.
- Sanidine, in: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America, 2001 (PDF 76,3 kB)
- Mindat – Sanidine
- Johann Jakob Nöggerath: Sanidin, in: Mineralogische Studien über die Gebirge am Niederrhein, Verlag Johann Christian Hermann, Frankfurt 1808, S. 24–39 (PDF 416,5 kB)
- Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. 7. Auflage. Springer Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-540-23812-3
- Mindat – Fundorte für Sanidin
- Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. Alle Arten und Varietäten der Welt. 1600 Einzelstücke. 13. überarbeitete und erweiterte Auflage. BLV Verlags-GmbH., München u. a. 2002, ISBN 3-405-16332-3, S. 220.