Sally Perel
Sally Perel (* 21. April 1925 in Peine, eigentlich Salomon Perel, auch bekannt unter den Namen Shlomo Perel oder Solomon Perel, während der NS-Diktatur Josef Perjell) ist ein israelischer Autor deutscher Herkunft. Als Mitglied der Hitlerjugend war es ihm gelungen, seine jüdische Identität zu verbergen und den Nationalsozialismus zu überleben. Seine Autobiografie Ich war Hitlerjunge Salomon wurde 1990 unter dem Titel Hitlerjunge Salomon verfilmt. Bis heute besucht Perel Schulen, um über sein Leben zu berichten.
Leben während des Nationalsozialismus
Mit der Machtergreifung der NSDAP verschärfte sich die Diskriminierung der Juden in Deutschland. Nachdem ihr Schuhgeschäft in Peine von den Nazis verwüstet worden war, zog die Familie Perel 1935 oder 1936 nach Łódź in Polen.
Nach dem deutschen Überfall auf Polen im Jahre 1939 und der darauffolgenden Aufteilung Polens zwischen dem Deutschen Reich und der UdSSR floh Sally Perel in den nun sowjetischen Teil Polens.
Bei der Trennung von seinen Eltern gab seine Mutter ihm die Worte mit auf den Weg:
„Du sollst leben!“
Er selbst interpretiert diese Worte als Befehl, sein Leben zu leben. Dieser Gedanke half ihm in der späteren Zeit, Entscheidungen zu treffen und zum Beispiel seine jüdische Herkunft zu verleugnen, etwa indem er einen anderen Namen (Josef) angab.
Während des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion wurde Perel von der Wehrmacht gefangen genommen. Da er perfekt deutsch sprach, konnte er sich als Volksdeutscher ausgeben und seine jüdische Herkunft verschleiern. Er fungierte in der Folge als deutsch-russischer Übersetzer für die Wehrmacht, von Juli 1941 bis ca. Dezember 1941 in der Aufklärungs-Abteilung 2 der 12. Panzerdivision und anschließend in der Heeresverpflegungsstelle 722 in Reval.[1] Er nannte sich Josef Perjell;[2] sein Spitzname war Jupp.
Seine wirkliche Identität wurde von einem Kameraden an der Front aufgedeckt, der als Homosexueller Interesse an Sally Perel hatte. Als er erkannte, dass Perel Jude war, versicherte er ihm, ihn nicht zu verraten, und eine Freundschaft entwickelte sich. Nachdem er zwei Jahre bei der Wehrmacht war, wurde er zurück ins Deutsche Reich geholt. Hauptmann von Münchow wollte ihn adoptieren und sorgte dafür, dass Sally Perel bis kurz vor Kriegsende auf die Akademie für Jugendführung der Hitlerjugend in Braunschweig ging. Aufgrund der ständigen Präsenz des Nationalsozialismus an der Schule der Hitlerjugend (HJ) begann er nach eigenen Angaben, sich mit dieser Politik zu identifizieren. Später beschrieb er die Diktatur als Gift, das jeden Tag in die jungen Gehirne geträufelt worden sei. An der HJ-Schule identifizierte ihn ein Lehrer der Rassenkunde als Angehörigen der „Baltisch/Arischen Rasse“, nicht als Juden. Perel musste ständig seine Beschneidung verbergen und stets einen kühlen Kopf bewahren, um schnell auf unübliche Anfragen reagieren zu können und eine Entdeckung zu vermeiden. Am Ende des Krieges wurde er nochmals Soldat. Er wurde von der US-amerikanischen Armee gefangen genommen und kurze Zeit später entlassen.
Leben nach dem Zweiten Weltkrieg
Außer seinen Brüdern Isaak und David überlebte kein Mitglied der Familie Perel den Holocaust. Nach dieser Zeit emigrierte Perel nach Israel, weil er den jüdischen Staat mit aufbauen wollte. Er brauchte 40 Jahre, um das Erlebte zu verarbeiten, bevor er sich schließlich nach einer Herzoperation 1985 entschloss, ein Buch mit seiner Geschichte zu schreiben.[3] Perel schrieb das Buch in deutscher Sprache. Er gab an, dass dadurch der (verborgene Hitlerjunge) Jupp „aus ihm heraus wollte“.[4] Es erschien 1990 als Europa, Europa auf Französisch, 1991 auf Hebräisch (קוראים לי שלמה פרל Kor’im li Schlomo Perel, Ich heiße Schlomo Perel) und im Folgejahr unter dem Titel Ich war Hitlerjunge Salomon auf Deutsch.[5] Das Buch wurde von Agnieszka Holland 1990 unter dem Titel Hitlerjunge Salomon (englischer Titel: Europa, Europa) verfilmt. Sally Perel lebt heute weiterhin in Israel.
Etwa seit den 1990er Jahren ist er meist zweimal jährlich auf Lesetouren durch Deutschland unterwegs. Insbesondere wird er zu Lesungen und Vorträgen in Schulen eingeladen, um seine Erlebnisse in der Zeit des Nationalsozialismus der jungen Generation näher zu bringen.
Ehrungen
1999 wurde Sally Perel mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Der Rat seiner Geburtsstadt Peine verlieh ihm am 15. Juni 2000 den Ehrenring.
Am 15. Februar 2016 verlieh die Stadt Oberhausen Sally Perel den Ehrenring. Diese Entscheidung wurde interfraktionell mit einstimmigem Beschluss im Ältestenrat getroffen.
Seit dem Schuljahr 2018/2019 trägt die Integrierte Gesamtschule in Braunschweig-Volkmarode den Namen Sally-Perel-Gesamtschule. Die Umbenennung wurde am 14. September 2018 in seinem Beisein vollzogen.[6]
Seit dem Schuljahr 2019/2020 trägt die Realschule in Meinersen den Namen Sally-Perel-Realschule Meinersen.
Am 26. August 2020 wurde Sally Perel die Ehrenbürgerwürde der Stadt Braunschweig verliehen.[7][8]
Werke
- Sally Perel: Ich war Hitlerjunge Salomon. Nicolai, Berlin 1992, ISBN 3-87584-424-6.
- Moshe Shen, Julie Nicholson, Sara Frenkel, Sally Perel: Überleben in Angst: Vier Juden berichten über ihre Zeit im Volkswagen-Werk in den Jahren 1943 bis 1945. Heel, Königswinter 2005, ISBN 3-935112-21-1.
Schauspiel
- Du sollst leben. Schauspiel in drei Akten von Carl Slotboom, Plausus Theaterverlag Bonn
Videoinstallation
- „4 × Sally“ von Friedemann Derschmidt (Filmemacher, Wien) und Shimon Lev (Künstler, Israel) gezeigt am 5. Dezember 2016 im Jüdischen Museum Wien[9]
Literatur
- Salomon Perl (Shlomo Perel): Ein jüdischer Hitlerjunge. In: Reinhard Bein (Hrsg.): Juden in Braunschweig 1900–1945. Materialien zur Landesgeschichte. 2. geänderte und Auflage. Döring, Braunschweig 1988, DNB 860052826, S. 155–163.
- Tim Sparenberg: „Die Macht kommt von unten“. Der Grenzgang der „Neuen Menschen“ Stepan Podlubnyj und Sally Perel zwischen Opfer und Täter. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 57 (2009), S. 986–999.
Weblinks
- Literatur von und über Sally Perel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Sally Perel in der Internet Movie Database (englisch)
- Klaus Dautel: Jurek Becker – Sally Perel: Ich war Hitlerjunge Salomon. In: zum.de. Dezember 1999 (Biografie).
- Photo- und Dokumentensammlung beim United States Holocaust Memorial Museum, Washington, D.C.
- Ulrike Timm: Zeitzeuge Sally Perel – „Ich habe die Rolle nicht gespielt, ich wurde ein echter Hitlerjunge“. (mp3-Audio, 32,4 MB; 35:23 Minuten) In: Deutschlandfunk-Kultur-Sendung „Radiofeuilleton – Im Gespräch“. 8. Mai 2020 .
- KenFM im Gespräch mit: Sally Perel (Hitlerjunge Salomon)
Einzelnachweise
- Sally Perel: Ich war Hitlerjunge Salomon. Heyne, München 2016, ISBN 9783453534834, S. 64.
- Photo des Stammblatts, abgerufen am 8. Juli 2019
- Bericht zu einer Perel-Lesung bei hiergeblieben.de; abgerufen am 7. Dezember 2012
- Die Tränen flossen nach innen. In: Der Spiegel. Nr. 12, 1992 (online – Sally Perel im Interview mit dem Spiegel).
- Liste von Perels Publikationen. DNB
- Sally Perel Gesamtschule feiert ihre Umbenennung. Abgerufen am 22. September 2018.
- Ehrenbürgerwürde für Sally Perel Mitteilung der Stadt Braunschweig vom 15. Juli 2020 auf braunschweig.de
- Cornelia Steiner: Sally Perel: Ich liebe Braunschweig für immer. In: Braunschweiger Zeitung vom 27. August 2020.
- Wolfgang Paterno: Das dramatische Doppelleben des „Hitlerjungen Salomon“. profil.at, 6. Dezember 2016; abgerufen 8. Dezember 2016.