Salbung
Die Salbung ist ein seit der Zeit der altorientalischen Reiche belegtes religiöses Ritual der Heilung, der Heiligung sowie der Übertragung und Legitimation politischer Macht. Dabei werden ein oder mehrere Körperteile der betroffenen Person zeremoniell mit Salbe oder Öl bestrichen.
Nach dem Vorbild der biblischen Könige galt der Weiheritus der Salbung seit dem Mittelalter auch in vielen europäischen Ländern als entscheidender Akt der Königserhebung, der noch vor der Krönung erfolgte. Bis heute ist die Salbung Bestandteil mehrerer Sakramente und Sakramentalien der katholischen Kirche. Die Salbung wird auch in den orthodoxen sowie in verschiedenen protestantischen Kirchen praktiziert.
Ursprünge
Schon in den altorientalischen Kulturen Mesopotamiens und Ägyptens war der Gebrauch von meist duftenden Salbölen oder Balsamen zu Pflege- und Heilzwecken bekannt.[1] Es stand in der Regel nur den Wohlhabenden zur Verfügung, da es meist kostbar war und manchmal – wie archäologische Funde aus Ägypten und Babylonien zeigen – in ebenso kostbaren Gefäßen, z. B. aus Glas, aufbewahrt wurde.
Die Hochkulturen im Fruchtbaren Halbmond kannten aber auch bereits Salbungsriten, die über den heilenden und pflegenden Gebrauch des Öls hinausgingen. In Sumer, Akkad und Babylon wurden sie als Rechtsakte bei der Einsetzung von Priestern und Beamten praktiziert. Der ägyptische Pharao salbte seinen höchsten Minister als Zeichen der Machtübertragung.[2] Die im Alten Testament erwähnte Salbung der Könige Israels geht wahrscheinlich auf dieses Vorbild zurück.
In biblischer Zeit
Altes Testament
Als Mittel der Heiligung, also zur Weihe von Priestern, Propheten und sakralen Gegenständen wird ein Salböl erstmals im Buch Exodus (Ex 30,22–33 ) beschrieben. Es musste aus Myrrhe, Weihrauch, Zimt, Kalmus und Cassia bestehen. Diese aromatischen Pflanzenbestandteile wurden in Olivenöl gemischt, das ihren Duft aufnahm. Solches Salböl, das ausschließlich für sakrale Zwecke eingesetzt werden durfte, wird auch in Psalm 133 erwähnt:
- „Siehe, wie gut und wie schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen. Es ist wie köstliches Salböl auf dem Haupt, das hinabfließt auf den Bart, den Bart des Aaron, das hinabfließt auf den Saum seines Gewandes.“ (Ps 133,2 ).
Der hebräische Begriff Maschiach oder Messias („der Gesalbte“) bezeichnet in den heiligen Schriften des Judentums (Altes Testament) verschiedene geheiligte Personen oder Dinge:
- Moses Bruder Aaron und seine Söhne in ihrer Funktion als Priester (Ex 30,22–33 )
- der Mischkan mit der Bundeslade, dem Brandopferaltar und allen liturgischen Geräten (Ex 40,9 )
- jüdische Priester (Lev 4,3 ) und Propheten (Jes 61,1 )
- ungesäuertes Brot (Num 6,15 )
- aber auch den persischen König Kyros II. (Jes 45,1 ), der den Israeliten im Exil die Heimkehr nach Judäa gestattete
Die rituelle Salbung eines Königs erscheint erstmals im 1. Buch Samuel. Dort wird berichtet, der Prophet Samuel habe Saul zum ersten König von Israel gesalbt (1 Sam 10,1 ). Das Ritual, das auch an Sauls Nachfolgern, David und Salomon, vollzogen wurde, sollte dem Herrscher göttliche Gnade und einen herausgehobenen Status unter den Menschen verleihen, ihm aber auch vor Augen führen, dass er seine Macht wiederum Gott verdanke.
Die eschatologische Heilserwartung des Judentums richtete sich auf die Wiederherstellung des alttestamentlichen Königtums durch die Ankunft eines zukünftigen Heilsbringers, wie er z. B. vom Propheten Jeremia (Jer 23,5 ) beschrieben wird. Als Maschiach, Gesalbter, wurde dieser bereits in den Psalmen Davids (um 1000 v. Chr.) erwähnt (Ps 2,1–8 ). Der hebräische Begriff Maschiach wurde ab ca. 250 v. Chr. in der Koine-griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta, ins Griechische („Christós“) übertragen und später in „Christus“ latinisiert (vgl. unter anderem die Vulgata).
Neues Testament
Im Neuen Testament wird Jesus von Nazaret durch die Worte „Christus“ oder „Messias“ als Gesalbter gekennzeichnet. Letzteres ist eine nicht ganz korrekte und in der Bedeutung gewandelte Transliteration des hebräischen Maschiach. Nach neutestamentlichen Aussagen, etwa in der Apostelgeschichte (Apg 4,25–27 ), die sich auf Prophezeiungen des Alten Testaments (z. B. in Jer 23,5 , Jes 52,13ff , Dan 7,13–14 , Jes 9,5–6 , Ps 2,1–8 ) bezogen, sahen bereits die Urchristen in Jesus einen Nachkommen Davids und den von den Juden erwarteten Erlöser und Gesalbten der Endzeit, dessen Wiederkunft und zukünftiges Königreich bevorstehe.
Der Name Jesus Christus drückt also das Glaubensbekenntnis der Urchristen aus: Jesus war für sie der Gesalbte Gottes, dessen Taten und Zeichen (z. B. Joh 9,1–34 ) neben den Prophetien die Einsetzung und Bevollmächtigung durch Gott bestätigten. So bemerkt der Evangelist Johannes in Joh 20,30–31 :
„Noch viele andere Zeichen hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.“
Im Jakobusbrief (Jak 5,14 ) heißt es:
„Ist einer unter euch krank, dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben.“
Der Autor verwendet an dieser Stelle für „salben“ jedoch nicht das griechische Wort chrinein, das eine religiösen Salbung bezeichnet, sondern das Verb aleipho, das sich im Sinne eines medizinischen Einreibens verstehen lässt.
Salbung als Sakramentale der Herrscherweihe
In Anlehnung an diese biblischen Vorbilder, ließen sich seit dem frühen Mittelalter die christlichen Könige Europas bei ihrer Krönung salben. Die erste durch Quellen belegte Königssalbung war die des westgotischen Herrschers Wamba im Jahr 672. Etwa seit dem Jahr 1000, gesichert aber erst seit dem 13. Jahrhundert folgten auch die Kaiser des Byzantinischen Reichs diesem Brauch. Der neue Herrscher galt danach als Christus Domini, als „Gesalbter des Herrn“, der seine Herrschaft nicht von Menschen, sondern von Gott selbst empfangen habe. Die Salbung verdeutlichte also die Idee des Gottesgnadentums der Herrscher und war daher das wichtigste Ritual bei der Königskrönung sowohl im Heiligen Römischen Reich als auch in Frankreich, England und den meisten anderen Königreichen des Abendlandes.
Im Fränkischen Reich und in Frankreich
Eine lange, wahrscheinlich auf die fränkische Zeit zurückgehende Tradition hatte das Ritual in Frankreich. In der Kathedrale von Reims, der Krönungskirche der französischen Könige, wurde bis zur Französischen Revolution die Heilige Ampulle aufbewahrt, eine Phiole mit Salböl, das der Legende nach eine Taube zur Taufe des Merowingerkönigs Chlodwig I. im Jahr 496 oder 499 vom Himmel auf die Erde gebracht haben soll.
Tatsächlich war wohl Pippin der Jüngere, der Vater Karls des Großen der erste Herrscher, der zum König der Franken gesalbt wurde. Der erste Karolinger auf dem Thron hatte den letzten Merowinger zwar mit Zustimmung des Papstes abgesetzt, benötigte aber für seine Krönung im Jahr 751 womöglich ein sichtbares Zeichen der Herrschaftslegitimation. Eben dazu könnte das neue Sakramentale der Salbung gedient haben. Es verdeutlichte, dass der neue König von Gott selbst auserwählt war. Diese Idee des Gottesgnadentums verdrängte mit der Zeit die frühere Vorstellung des Königsheils, das unter den Merowingern allein durch Geblütsrecht in der herrschenden Dynastie weitergegeben werden konnte.
Nachweislich erfolgte die Salbung seit der Zeit der frühen Kapetinger bei allen Königskrönungen der französischen Geschichte. Bevor der Erzbischof von Reims dem neu zu krönenden König die eigentlichen Herrschaftsinsignien wie Krone, Zepter und Reichsschwert überreichte, strich er ihm mit dem rechten Daumen einige Tropfen dieses heiligen Öls, das zuvor auf einer Patene mit Chrisam vermischt wurde, auf die Brust. Dabei sprach er die rituelle Formel „Ungo te in regem“ („Ich salbe dich zum König“). Die Verschmelzung von Salböl und Chrisam unterstrich die doppelte Sakralität des französischen Königs.
Im Römisch-deutschen Reich
Bei der Krönung der römisch-deutschen Könige und Kaiser behielt der Monarch während der Salbung ein Unterkleid an, das über den zu salbenden Körperteilen Öffnungen aufwies. Der Coronator („Königskröner“) – in der Regel der Erzbischof von Köln, in dessen Erzdiözese die ursprüngliche Krönungsstadt Aachen lag – salbte den künftigen König an Scheitel, Brust, Nacken, zwischen den Schultern, auf dem rechten Arm, am Gelenk des rechten Armes und an der Innenfläche der rechten Hand mit den Worten: „Ich salbe dich zum König im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Anschließend trockneten zwei Weihbischöfe das Salböl mit Baumwolle und Roggenbrot ab. Wie dem französischen König wurden auch dem römisch-deutschen König erst anschließend die Krönungsgewänder angelegt und die Reichsinsignien überreicht.
In England
Die einzige in der Gegenwart noch übliche Königssalbung findet bei der Krönung britischer Monarchen in der Westminster Abbey statt. Die englische Krönungsliturgie sieht vor, dass sie nach der Thronsetzung – auf dem Krönungsstuhl Edwards I. – und noch vor der Überreichung der Herrscherinsignien und der Aufsetzung der Krone erfolgt. Der neue Monarch legt dazu vorher sein Purpurgewand ab und wird in eine Albe gekleidet. Sobald er auf dem Thron Platz genommen hat, gießt der Dekan von Westminster geweihtes Salböl aus einer Phiole in einen Löffel, den der Erzbischof von Canterbury hält. Dieser salbt nun den neuen König bzw. die Königin an Händen, Brust und Scheitel. Für die Dauer der Salbung halten vier Ritter des Hosenbandordens einen Baldachin über den neuen Herrscher. Dieser Teil der Krönung galt noch 1953, bei der Krönung Elisabeths II., als so heilig, dass er nicht im Fernsehen übertragen wurde.
Sakrale Bedeutung
Die Salbung als Sakramentale bei der Krönung verlieh den Königen zusätzlich zu ihrer weltlichen Macht eine geistliche Bedeutung. Infolge der kirchlichen Reformideen, die dem Priestertum seit dem 11. Jahrhundert den Vorrang vor dem Fürstentum einräumten, trat die spirituelle Bedeutung der Salbung jedoch seit dem 11. Jahrhundert zunehmend in den Hintergrund. Im Caeremoniale Romanum von 1516 ist davon die Rede, dass der Kardinaldiakon den künftigen Kaiser nur am Ellenbogen seines rechten, des Schwertarms mit Katechumenenöl zu salben habe. Dieser Ritus fand 1530 in Bologna bei der Salbung Karls V. Anwendung, der letzten, Kaiserkrönung, die durch den Papst selbst erfolgte.
Dennoch speisten sich aus der Salbung zum Christus Domini Vorstellungen vom Gottesgnadentum der Könige. Darüber hinaus war mit dem gesalbten Königtum in Frankreich und England die Vorstellung verbunden, sie verleihe dem König die Kraft, an den Skrofeln erkrankte Menschen durch bloßes Handauflegen zu heilen. Das Ritual der Berührung Kranker durch den gesalbten König wurde in England bis ins 18. Jahrhundert, in Frankreich sogar bis zum Jahr 1825 ausgeübt, als Karl X. es zum letzten Mal vornahm. Es galt im Mittelalter nicht zuletzt als Mittel, die Legitimität des Königs zu demonstrieren, da man davon ausging, nur der wahre König verfüge über die Heilkräfte.
Salbung in den Kirchen
In der römisch-katholischen Kirche
Die katholische Kirche kennt bei vier ihrer sieben Sakramente eine Salbung:
- Die Salbung von Taufkandidaten vor der Taufe mit Katechumenenöl und nach der Taufe mit Chrisam
- Die Salbung bei der Firmung mit Chrisam
- Die Salbung bei der Priesterweihe und der Bischofsweihe mit Chrisam
- Die Krankensalbung. Dieses Sakrament wird Kranken und Sterbenden gespendet und soll ihnen Stärkung und Trost bringen. Ferner soll die Salbung den Leidenden im Glauben zu einem Abbild des leidenden Christus („Gesalbter“) machen. Das Sakrament wird auf einen Abschnitt im Jakobusbrief (Jak 5,14-15 ) zurückgeführt, in dem die Kranken der Gemeinde aufgefordert werden, die Ältesten („Presbyter“) der Gemeinde zu rufen, damit diese für sie fürbittend eintreten und sie dabei „mit Öl salben im Namen des Herrn“.
Darüber hinaus praktiziert die katholische Kirche die Salbung bei einigen Sakramentalien wie der Konsekration einer Kirche, eines Altars oder der eines Kelchs.
In den orthodoxen Kirchen
Auch in den orthodoxen Kirchen geht die Spendung einiger Sakramente mit einer Salbung einher
- Die Salbung mit Myron die die Firmung ist und gleich nach der Taufe erfolgt
- Die Krankensalbung, die in den Ostkirchen seit je her eher der Heilung als der Sterbevorbereitung dienen sollte. In ihrer feierlichen Form soll sie von sieben Priestern gespendet werden, was allerdings nur selten geschieht. Daneben wird das Krankenöl im Rahmen der jährlichen Vorbereitung auf das Osterfest auch körperlich Gesunden gespendet, um ihnen in der „Krankheit“ der Sünden zu helfen.
In der evangelischen Kirche
In der evangelischen Kirche, die sich vor allem auf die Verkündigung des Worts konzentriert, wurde die Krankensalbung lange Zeit kaum praktiziert. Als Folge der ökumenischen Bewegung findet sie in jüngster Zeit aber auch dort wieder verstärkt Eingang.
In den Freikirchen
Auch viele Freikirchen, etwa die Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden (Baptisten) oder die Freien evangelischen Gemeinden, praktizieren die Krankensalbung. Dieser Gebetsdienst, der hier in den Aufgabenbereich der Ältesten der Gemeinde gehört, verläuft in der Regel so: Der Kranke bittet um diesen Dienst beziehungsweise lässt die Ältesten rufen. Nach einer kurzen Aussprache und dem gegenseitigen Bekennen von eventuell vorhandenen Sünden (Jak 5,16 ) legen die Ältesten dem Kranken die Hände auf und salben ihn symbolisch im Namen Jesu Christi mit Öl. Es folgen freie Fürbittgebete der Ältesten, in denen das Leiden und die Wünsche des Kranken möglichst konkret benannt werden. Abschluss der Krankensalbung bildet häufig der gemeinsam gebetete Psalm 23, in dem ebenfalls von der Salbung durch Gott die Rede ist (Ps 23,5b ).
In der charismatischen Bewegung
Die charismatische Bewegung verwendet den Begriff „Salbung“ sehr oft in einem übertragenen Sinn. Während selten mit Öl gesalbt wird, bezeichnet man innerhalb der charismatischen Bewegung die geheiligte Atmosphäre in einer Versammlung oder die göttliche Autorität, die einem Pastor, Prediger oder Leiter innewohnt als „Salbung“. Sie ist nach diesem Verständnis also gleichbedeutend mit der Gegenwart und dem Wirken des Heiligen Geistes.
Literatur
- Jean-Pierre Bayard: Sacres et couronnements Royaux. Guy Trédaniel, Paris 1984, ISBN 2-85707-152-3.
- Marc Bloch: Die Wundertätigen Könige, C.H. Beck Verlag, München 1998, ISBN 3-406-47519-1
- Alain Dirkens: Krönung, Salbung und Königsherrschaft im karolingischen Staat und in den auf ihn folgenden Staaten. In: Mario Kramp (Hrsg.): Krönungen. Könige in Aachen – Geschichte und Mythos. Zwei Bände, Zabern, Mainz 2000, Bd. I, S. 131–140.
- Kenneth E. Hagin: Die Salbung, Durchbruch Verlag Augsburg, 4. Auflage März 2006, ISBN 3-924054-14-2
- Ernst Kutsch: Salbung als Rechtsakt im Alten Testament und im Alten Orient, Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft, hg. von Georg Fohrer, Nr. 87, Berlin 1963
- Josef J. Schmid: Rex Christus – die Tradition der französischen Monarchie als Brücke zwischen Ost und West (5.–19. Jh.). In: Peter Bruns/Georg Gresser (Hrsg.): Vom Schisma zu den Kreuzzügen: 1054–1204. Schöningh, Paderborn 2005, ISBN 3-506-72891-1, S. 205–234.
- Josef J. Schmid: Sacrum Monarchiae Speculum – der Sacre Ludwigs XV. 1722: monarchische Tradition, Zeremoniell, Liturgie, Aschendorff, Münster 2007, ISBN 3-402-00415-1.
Weblinks
- Salbung in der Evangelischen Kirche (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- Kutsch: Salbung als Rechtsakt, S. 1
- Kutsch: Salbung als Rechtsakt, S. 33–51