Rocker (Film)
Rocker ist ein Fernsehfilm aus dem Jahr 1972 von Regisseur Klaus Lemke, der auch das Drehbuch zum Film schrieb.
Film | |
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Originaltitel | Rocker |
Produktionsland | Deutschland |
Originalsprache | Deutsch |
Erscheinungsjahr | 1972 |
Länge | 85 Minuten |
Altersfreigabe | FSK 16 |
Stab | |
Regie | Klaus Lemke |
Drehbuch | Klaus Lemke |
Produktion | Hans Kaden, Willi Segler |
Kamera | Bernd Fiedler, Anna Harnisch |
Schnitt | Jutta Brandstaedter |
Besetzung | |
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Handlung
Der Film beginnt mit der Entlassung des Rockers Gerd aus dem Gefängnis Fuhlsbüttel. Vor dem Tor des Gefängnisses warten seine zahlreich erschienenen Freunde, allesamt auf ihren Motorrädern sitzend, um ihren auf in die Freiheit entlassenen Weggefährten mit herzlichen Umarmungen zu empfangen. Gerd ist auf Bewährung entlassen. Seine frühere Freundin Sonja will sich von den Rockern lösen. Sie arbeitet als Verkäuferin im Warenhaus Kaufhof. Gerd geht zu ihr in den Kaufhof und will sie auf barsche Art zurückgewinnen. Ein für den Abend anberaumtes Treffen der beiden wird durch eine Bande von Rockerfeinden zunichtegemacht, die in der Dunkelheit und maskiert Gerd niederschlagen, seine Gartenhütte in Brand stecken und ihn an einen Baum fesseln. Sonja hat derweil eine Beziehung zu dem Kleinkriminellen Uli Modschiedler angefangen.
Uli klaut in der Tiefgarage am Hamburger Millerntor einen weißen „Daimler“ (Mercedes Cabrio), den er für 4000 DM an einen Zuhälter zu verkaufen versucht. Auf der Probefahrt durch das Hafenviertel wirft der vermeintliche Käufer mit einem Kumpan den hinterrücks bewusstlos geschlagenen Uli aus dem Wagen, woraufhin die beiden dreisten Diebe mit dem geraubten Fahrzeug davonrasen. Uli sucht nun seine Schwester auf und versucht, an Geld zu kommen. Er nimmt ihr einige Scheine ab. Als er das Haus verlässt, folgt ihm sein 15-jähriger Bruder Mark, dessen Geld er an sich genommen hat. Erst versucht Uli, Mark abzuwimmeln und ihn nach Hause zurückzuschicken, doch sehr bald lässt er es sein und die beiden Brüder betrinken sich in einer Kneipe auf St. Pauli. Dabei führt der wilde Rocker Uli seinen jüngeren Bruder in den Verhaltenskodex tradierter Männerrituale ein wie das Trinken von klarem Korn aus der Flasche und das Rauchen von Zigaretten auf Lunge. Nachts findet Uli den gestohlenen weißen Daimler wieder. Sie machen das Auto auf und schlafen dort ein. Der Zuhälter, der den Wagen entwendet hat, tritt aus seinem Lokal mit seinem Gehilfen auf die nächtliche Straße, erblickt die beiden betrunkenen Brüder schlafend im Mercedes-Benz und zerrt sie aus dem Wagen, wobei Mark – festgehalten von dem Kumpan – mit ansehen muss, wie der Zuhälter seinen Bruder Uli mit einem Knüppel zu Tode prügelt. Völlig apathisch rennt Mark vom Ort des Geschehens weg.
Am Morgen schläft Mark, immer noch betrunken, vor der verschlossenen Tür des Supermarktes, in dem er seine Ausbildung macht. Er wird von einer Verkäuferin geweckt und beginnt, stark verstört durch die Ereignisse der letzten Nacht, im Supermarkt zu randalieren und die Waren aus den Regalen zu schmeißen. Die eintreffende Polizei bringt den Jungen zur Räson und dann nach Hause. Daraufhin wird Mark von seiner Schwester zu den Eltern nach Cuxhaven geschickt. An der Straßenbahnhaltestelle in der Zeppelinstraße am Hamburger Flughafen schläft er ein. Als Mark aufwacht, lernt er in der danebenliegenden Kneipe zwei Kumpel von Gerd und schließlich ihn selbst kennen. Gerd hatte sich dort mit seiner Ex-Freundin Sonja getroffen, die kurz zuvor vom Tod ihres Freundes Uli erfahren hatte. Sprachlos verlässt Sonja die Szene. Nach einem Besäufnis zusammen mit Mark und seinen beiden Kumpeln zieht Gerd am nächsten Tag den Dealer Frank über den Tisch, indem er den Koffer mit Marks Kleidung an die Kunden des Dealers als Koffer voll Rauschgift verkauft. Von den ergatterten 4000 Mark („4 Mille“) kauft Gerd ein Motorrad und will mit Mark nach Cuxhaven fahren. Bei einem Zwischenstopp in einer Kneipe – dem Gasthof „Zur Linde“ in Bornberg an der B 73 – zwischen Hamburg und Cuxhaven endet die Fahrt des ungleichen Duos. Nachdem Gerd in der Kneipe einen LKW-Fahrer grundlos rüde angepöbelt hat, verlässt dieser das Lokal und überfährt das Motorrad von Gerd mit seinem Lastwagen, um anschließend in seinem LKW zu flüchten. Gerd ist außer sich vor Wut; doch man sieht auch – dem harten Rocker, der um seinen demolierten Feuerstuhl trauert, laufen Tränen die Wangen herunter. Anstatt nach Cuxhaven geht die Fahrt per Anhalter zurück nach Hamburg, obwohl der Fremde eigentlich woanders hin wollte.
Wieder in Hamburg angekommen, erkennt Mark die blonde Freundin eines der Mörder seines Bruders, folgt ihr in ein Nachtlokal an der Großen Freiheit und erzählt die ganze Sache Gerd. Der alarmiert seine Rocker-Gang, die daraufhin vor dem Etablissement Ulis Mörder stellt und verprügelt. Währenddessen zertrümmert Mark die Windschutzscheibe des vor der Kaschemme geparkten Daimlers mit einer Eisenstange. Als die Polizei auftaucht, verlässt er den Ort. Der Film endet mit einer Einstellung auf Marks lächelndes Gesicht, darunter wird der Filmtitel eingeblendet.
Hintergrund
Der Film wurde von TV-Union Berlin im Auftrag des Zweiten Deutschen Fernsehens im Herbst 1971 produziert. Seine Erstausstrahlung war am 2. Februar 1972 im ZDF. Die Darsteller sind Laien und treten in ihrer Rolle in einigen Fällen unter ihrem bürgerlichen Namen auf, was für die Authentizität des Films von entscheidender Bedeutung ist. Schauplatz ist im Wesentlichen der Hamburger Kiez. Klaus Lemke verwendete dieselbe Handlung später als Grundlage für seinen Film Die Ratte von 1993.
Zu Beginn des Films sieht man ein Mitglied des Motorradclubs, das auf einem Chopper fährt, der denselben lackierten Tank im Stars-and-Stripes-Design besitzt wie das Captain-America-Motorrad von Schauspieler Peter Fonda in dem epochalen Biker-Film Easy Rider von 1969. Als die versammelten Rocker ihren entlassenen Freund Gerd vor dem Gefängnistor freudig in Empfang nehmen, ruft ein Mitglied des Motorradclubs euphorisch „Bambule!“.
In der Szene, in der Gerd in seinem Zimmer sitzt, in einem Fotoalbum blättert und dabei mit hoher Lautstärke den Song Jingo von Santana hört, woraufhin sich ein älterer Herr darüber beschwert, hängt dort an der Wand ein großes Poster von Schauspieler Marlon Brando in seiner Rolle als Rocker-Chef Johnny Strabler in dem legendären Motorrad-Film Der Wilde von 1953.
In der Szene, in der ein LKW-Fahrer das Motorrad des Rockers Gerd schrottreif fährt, greift Lemke ein Thema auf, welches als moderne Sage im Buch Die Spinne in der Yucca-Palme von Rolf Wilhelm Brednich als „Rache des Lastwagenfahrers“ beschrieben wird. Das gleiche Thema findet 1977 im Film Ein ausgekochtes Schlitzohr mit Burt Reynolds Verwendung. Ebenso verwendete Dieter Hallervorden zusammen mit Kurt Schmidtchen als Rocker die Handlung in einem Sketch der Serie Nonstop Nonsens aus den 1970er Jahren.
Gegen Ende des Films, wenn Mark Modschiedler mit Gerd der jungen blonden Frau auf der Straße auf St. Pauli nachstellt, deren Freunde seinen Bruder totgeschlagen haben und Gerd deshalb mit seinem anrückenden Motorradclub die Täter zur Strafe zusammenschlägt, stehen Mark und Gerd neben dem berühmten Sex-Theater Salambo.
In Bezug auf die Authentizität der im Film Rocker gebrauchten Sprache urteilte der Regisseur Dominik Graf in dem Dokumentarfilm Auge in Auge – Eine deutsche Filmgeschichte, gedreht von Filmwissenschaftler Hans Helmut Prinzler und Filmkritiker Michael Althen, von 2008: „Das sind so Filme, die muss man beschützen, die muss man behalten, die muss man bewahren. Es könnte sein, dass die irgendwann nie mehr ausgestrahlt werden […] Mit dem Film archiviert der Klaus Lemke ja auch eine Sprache, die es nicht mehr gibt […]“.[1]
Soundtrack
Musikalisch wird der Film mit zeitgenössischen Titeln begleitet.[2]
- Rolling Stones: Sister Morphine
- Rolling Stones: Moonlight Mile
- Santana: Jingo
- Them: It’s All Over Now Baby Blue
- Elvis Presley: King Creole
- Led Zeppelin: Rock’n’Roll
- Santana: Black Magic Woman
- Rolling Stones: I Got The Blues
Kultstatus
Der Film genießt in einigen Kreisen insbesondere in Hamburg Kultstatus. Das Hamburger 3001 Kino hat ihn deshalb regelmäßig im Programm. Ursache dafür ist die zumindest aus heutiger Sicht möglicherweise teilweise unfreiwillige Komik der Aussprüche der Figuren. Zudem ist der Kiez vielen bekannt, so dass eine gewisse Authentizität wahrgenommen wird. Dass die Handlung eigentlich dramatisch-tragisch ist, erhebt den Film über plumpe Unterhaltung. Vorführungen des Films haben dennoch in der Regel Partycharakter. Nordisch schnodderige Einzeiler wie
- „Zwei oder drei Jahre.“
- „Du flachst mich nicht, Torte!“
- „Ich zieh diese Woche noch vier Millen.“ – „Du ziehst doch nur Nieten.“
- „Hast du schon mal gebumst?“
- „Daimler is Daimler, und das is mein Daimler.“
- „Wer rauchen kann, kann auch saufen.“
- „Raus aus Hamburg, weg vom Leder.“
- „Du meinst also, dass du das Geld nicht zurückbekommst, du Klappstuhl, oder was?“
- „Das ist mir doch jetzt auch egal.“
- „Dir ist doch alles egal, du kalter Puffer.“
- „Du fährst jetzt nach Hamburg, das schwör ich dir!“
- „Du bist doch’n Kerl oder was?! Mach dich gerade!“
- „Ja, gucken und gucken, da kommt ja nichts.“
- „Ja, schenk ein, bring an, ein Bier, doppelten Cola-Rum und für ihn - weiß nicht, was er trinkt.“
- „Kannst du bitte mal sagen, wie spät das ist?“
- „Dann müssen wir da hingehen. Mit ein paar Mann Verstärkung. Du, pass auf, da gehst du jetzt rein und hältst die einen Augenblick mit einem Schnack auf und ich hol' ein paar Leute.“
- „Draußen ist alles voll Leder!“
werden dabei vom Publikum gerne mitgesprochen.[3]
Kritiken
Regisseur Dominik Graf in seiner Laudatio bei der Verleihung des Filmpreises der Stadt München 2010 an Lemke:
„Sein Film ‚Rocker‘, das war für 1972 eine Zeitenwende, zunächst mal für Lemke selbst. […] Wenn man die Erstausstrahlung von Rocker im ZDF, im Februar 1972, miterlebt hat, dann wird man nicht mehr vergessen, wann und wo das war. […] Rocker war mein Einstieg in etwas, das ich nicht definieren konnte, ich hatte keine Ahnung von den westdeutschen Stadtstraßen, keine Ahnung von wüst aussehenden Menschen auf Motorrädern, vom Kiez, von einer anderen westdeutschen Welt […]. Es war Fernsehen als pure Lebenserfahrung.“
„Klaus Lemkes dritter Fernsehfilm bemüht sich um eine authentische Beschreibung des Rocker-Alltags und schrieb durch seinen rüden Jargon und die ungeschönte Beschreibung des Kiez Fernsehgeschichte. Eine nahezu entfesselte Kamera setzte neue Maßstäbe im Bereich des Fernsehfilms.“
Weblinks
- Rocker in der Internet Movie Database (englisch)
- Rocker bei filmportal.de
- Fotostrecke zum Rocker-Dreh
Einzelnachweise
- Spielfilm Rocker, Regie: Klaus Lemke. Inhaltsbeschreibung im Booklet der DVD-Edition von Zweitausendeins + Monarda Publishing House, Halle (Saale), 85 Minuten, ohne Bonusmaterial, 2011.
- Soundtrack auf www.rocker-film.de
- Volker Behrens: Zwischen Kiez, Knast und Krad. In: Hamburger Abendblatt. 20. Juli 2010, abgerufen am 19. Mai 2020.
- Dominik Graf In: Süddeutsche Zeitung vom 29. Juli 2010, S. 10.
- Rocker. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 22. August 2017.