Quenstedtit
Quenstedtit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfate (Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)“ mit der chemischen Zusammensetzung Fe3+2[SO4]3·(9+2)H2O[1] oder vereinfacht Fe3+2(SO4)3·11H2O[4] beziehungsweise Fe3+2(SO4)3·10–11H2O[2]. Quenstedtit ist damit chemisch gesehen ein wasserhaltiges Eisen(III)-sulfat oder besser das Decahydrat von Eisen(III)-sulfat.
Quenstedtit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Andere Namen | |
Chemische Formel | Fe3+2[SO4]3·(9+2)H2O[1] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Sulfate |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
7.CB.65 (8. Auflage: VI/C.08) 29.08.05.01 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | triklin |
Kristallklasse; Symbol | triklin-pinakoidal; 1 |
Raumgruppe | P1 (Nr. 2) |
Gitterparameter | a = 6,18 Å; b = 23,60 Å; c = 6,54 Å α = 94,2°; β = 101,7°; γ = 96,3°[1] |
Formeleinheiten | Z = 2[1] |
Zwillingsbildung | nach {010} |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 2,5 |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 2,11 bis 2,15; berechnet: 2,14[2] |
Spaltbarkeit | vollkommen nach {010}, gut nach {100}[2] |
Bruch; Tenazität | faserig; spröde[3] |
Farbe | hellviolett bis rötlichviolett; im Durchlicht farblos bis rosa |
Strichfarbe | weiß |
Transparenz | durchsichtig |
Glanz | schwacher Glasglanz, Seidenglanz |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nα = 1,547[3] nβ = 1,566[3] nγ = 1,594[3] |
Doppelbrechung | δ = 0,047[3] |
Optischer Charakter | zweiachsig positiv |
Achsenwinkel | 2V = 70° (gemessen), 82° (berechnet)[3] |
Weitere Eigenschaften | |
Chemisches Verhalten | leicht wasserlöslich[2] |
Quenstedtit kristallisiert im triklinen Kristallsystem und entwickelt durchsichtige, tafelige bis kurzprismatische Kristalle bis etwa fünf Millimeter Länge[5] und einem glasähnlichen Glanz auf den Oberflächen. Meist findet sich das Mineral allerdings in Form durchscheinend wirkender, krustiger Überzüge und körniger Mineral-Aggregate, die eher seidenähnlich schimmern.
Die Farbe von Quenstedtit variiert zwischen hellviolett und rötlichviolett, erscheint jedoch im Durchlicht auch farblos bis rosa. Seine Strichfarbe ist dagegen immer weiß.
Etymologie und Geschichte
Von einer Studienreise durch Chile, die 1883 auch in das Gebiet um Tierra Amarilla in der zur Región de Atacama gehörenden Provinz Copiapó führte, brachte Gustav Steinmann unter anderem einige Coquimbit-Stufen mit, die er dem mineralogischen Institut der Universität Straßburg überließ.[6]
Gottlob Eduard Linck entdeckte darauf bisher unbekannte, millimetergroße Kristalle von rötlichvioletter Farbe und tafelförmigem Habitus. Er beschrieb das neu entdeckte Mineral 1888 in seinem Beitrag zur Kenntniss der Sulfate von Tierra amarilla bei Copiapó in Chile und benannte es nach dem Geologen, Paläontologen, Mineralogen und Kristallographen Friedrich August Quenstedt.
Das Typmaterial des Minerals wird in der Mines ParisTech (auch École nationale supérieure des mines de Paris) in Paris aufbewahrt.
Klassifikation
Bereits in der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Quenstedtit zur Mineralklasse der „Sulfate, Chromate, Molybdate, Wolframate“ (einschließlich einiger Selenate und Tellurate) und dort zur Abteilung der „Wasserhaltige Sulfate, ohne fremde Anionen“, wo er zusammen mit Alunogen, Coquimbit, Kornelit, Lausenit, Meta-Alunogen, Paracoquimbit und Rhomboklas die „Rhomboklas-Coquimbit-Gruppe“ mit der System-Nr. VI/C.08 bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Quenstedtit ebenfalls in die Abteilung der „Sulfate (Selenate usw.) ohne zusätzliche Anionen, mit H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit ausschließlich mittelgroßen Kationen“ zu finden ist, wo es als Namensgeber die „Quenstedtitgruppe“ mit der System-Nr. 7.CB.65 und dem weiteren Mitglied Munakatait bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Quenstedtit in die Klasse der „Sulfate (und Verwandte)“ und dort in die Abteilung der „Wasserhaltige Säuren und Sulfate“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 29.08.05 innerhalb der Unterabteilung „Wasserhaltige Säuren und Sulfate mit (A)2(XO4)3 × x(H2O)“ zu finden.
Chemismus
In chemisch reiner Form enthält Quenstedtit (Fe3+2[SO4]3·(9+2)H2O) bei 10 Anteilen Wasser 41,41 % SO3, 27,53 % Fe2O3 und 31,06 % H2O. Bei 12 Anteilen Wasser sind entsprechend 40,16 % SO3, 26,70 % Fe2O3 und 33,14 % H2O enthalten.[2]
Bei natürlich entstandenen Quenstedtiten ergaben die Analysen zudem geringe Fremdbeimengungen von Calcium in der Form CaO von 0,4 % sowie Spuren von MgO.[7]
Kristallstruktur
Quenstedtit kristallisiert triklin in der Raumgruppe P1 (Raumgruppen-Nr. 2) mit den Gitterparametern a = 6,18 Å; b = 23,60 Å; c = 6,54 Å; α = 94,2°; β = 101,7° und γ = 96,3° sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]
Eigenschaften
Mit einer Mohshärte von 2,5 steht Quenstedtit an der Grenze zwischen weichen und mittelharten Mineralen. Er lässt sich daher zwar nicht mehr wie das Referenzmineral Gips (Härte 2) mit dem Fingernagel, dafür jedoch leichter als das Referenzmineral Calcit (Härte 3) mit einer Kupfermünze ritzen.
Das Mineral zeigt eine vollkommene Spaltbarkeit nach der Symmetrieebene {010} sowie eine weniger vollkommene, aber gute Spaltbarkeit nach dem Orthopinakoid {100}. Seine Bruchneigung ist dagegen eher faserig und ähnelt der von Gips.[7][2]
Quenstedtit löst sich sehr leicht in Wasser und färbt die dabei entstehende dicke, ölartige Flüssigkeit gelblich. Seinem Erstbeschreiber zufolge soll diese Flüssigkeit einen herben, adstringierenden Geschmack besitzen.[7] Durch Wasserverlust wandelt sich Quenstedit mit der Zeit in Coquimbit um.[8] Mineralproben müssen daher zur Erhaltung in versiegelten Behältern aufbewahrt werden.
Bildung und Fundorte
Quenstedtit bildet sich in der Oxidationszone von pyritreichen Lagerstätten unter trockenen Klimabedingungen. Als Begleitminerale können neben dem Verwitterungsprodukt Coquimbit unter anderem noch Copiapit und Römerit auftreten.
Als seltene Mineralbildung konnte Quenstedtit nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden, wobei bisher (Stand 2018) weniger als 20 Fundorte dokumentiert sind.[9] Neben seiner Typlokalität in Tierra Amarilla in der Región de Atacama fand man das Mineral in Chile noch in den ehemaligen Kupfergruben von Barranca del Sulfato auf der Halbinsel Mejillones, der Grube Alcaparrosa am Berg Cerro Alcaparrosa etwa 3 km südwestlich der Bahnstation Cerritos Bayos nahe Calama und der Grube Queténa in der Kupferlagerstätte von Chuquicamata in der Región de Antofagasta.
In Deutschland kennt man das Mineral bisher aus der Richelsdorfer Hütte im gleichnamigen Gebirge im hessischen Landkreis Hersfeld-Rotenburg, den Kupfergruben bei Marsberg im Hochsauerlandkreis von Nordrhein-Westfalen sowie aus der Grube Friedrichssegen im Rhein-Lahn-Kreis von Rheinland-Pfalz.
Weitere bisher bekannte Fundorte sind unter anderem der Hydro-Sulfatstollen bei Plaka im Bergbaubezirk Lavrio in der griechischen Region Attika, die Fumarolen über brennender Kohle von Ikushunbetsu nahe Mikasa auf der japanischen Insel Hokkaidō, die Silbermine Venus am Fluss Windy Arm etwa 17 km südlich Carcross im kanadischen Territorium Yukon, die Quecksilber-Lagerstätte Sântimbru-Băi im rumänischen Kreis Harghita, der Maximilianschacht bei Banská Štiavnica (deutsch Schemnitz) in der Slowakei sowie das Sulfur Hole (deutsch Schwefel-Loch) nahe der Geisterstadt Calico in Kalifornien und eine unbenannte Fundstelle nahe Montpelier im Muscatine County in Iowa in den Vereinigten Staaten.[9]
Siehe auch
Literatur
- G. Linck: Beitrag zur Kenntniss der Sulfate von Tierra Amarilla bei Copiapó in Chile. (Mittheilungen aus dem mineralog. Institut der Universität Strassburg, No. 11). In: P. Groth (Hrsg.): Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie. Band 15. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1889, S. 1–28 (online verfügbar bei archive.org – Internet Archive – Quenstedtit ab S. 11).
- Jimmy N. Thomas, Paul D. Robinson, Jen H. Fang: Crystal structures and mineral chemistry of hydrated ferric sulfates. IV. The crystal structure of quenstedtite. In: American Mineralogist. Band 59, 1974, S. 582–586 (rruff.info [PDF; 624 kB; abgerufen am 8. Juli 2018]).
- C. Doelter, H. Leitmeier (Hrsg.): Sulfate, Chrom, Molybdän, Wolfram, Uran, Haloidsalze und Salzlagerstätten: Band IV Zweiter Teil. Springer, Berlin, Heidelberg 1929, S. 552 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – Unveränderter Nachdruck 2013 unter der ISBN 978-3-642-49871-8).
Weblinks
- Mineralienatlas: Quenstedtit (Wiki)
- Webmineral – Quenstedtite (englisch)
- American-Mineralogist-Crystal-Structure-Database – Quenstedtite (englisch)
Einzelnachweise
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 385 (englisch).
- Quenstedtite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 67 kB; abgerufen am 8. Juli 2018]).
- Mindat – Quenstedtite (englisch)
- IMA/CNMNC List of Mineral Names; März 2018 (PDF 1,65 MB; englisch)
- G. Linck: Beitrag zur Kenntniss der Sulfate von Tierra Amarilla bei Copiapó in Chile. (Mittheilungen aus dem mineralog. Institut der Universität Strassburg, No. 11). In: P. Groth (Hrsg.): Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie. Band 15. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1889, S. 11 (online verfügbar bei archive.org – Internet Archive).
- G. Linck: Beitrag zur Kenntniss der Sulfate von Tierra Amarilla bei Copiapó in Chile. (Mittheilungen aus dem mineralog. Institut der Universität Strassburg, No. 11). In: P. Groth (Hrsg.): Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie. Band 15. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1889, S. 3 (online verfügbar bei archive.org – Internet Archive).
- G. Linck: Beitrag zur Kenntniss der Sulfate von Tierra Amarilla bei Copiapó in Chile. (Mittheilungen aus dem mineralog. Institut der Universität Strassburg, No. 11). In: P. Groth (Hrsg.): Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie. Band 15. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1889, S. 12 (online verfügbar bei archive.org – Internet Archive).
- Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3.
- Fundortliste für Quenstedtit beim Mineralienatlas und bei Mindat