Primärenergieverbrauch
Primärenergieverbrauch (PEV) ist der Verbrauch von Primärenergie, den ein Vorgang erfordert. Der Primärenergieverbrauch ergibt sich aus dem Endenergieverbrauch und den Verlusten, die bei der Erzeugung der Endenergie aus der Primärenergie auftreten.
Für eine Volkswirtschaft ergibt sich das jährliche Primärenergieaufkommen aus Förderung, Import und Lagerentnahmen. Der jährliche Primärenergieverbrauch ergibt sich nach Abzug von Export und Einlagerung in Kohlenhalden, Erdgaskavernen, Öltanklagern oder Ölkavernen.
Der Weg, den Primärenergie in einer Volkswirtschaft vom ursprünglichen Energieaufkommen bereinigt um Export und Einlagerung über die Wandlung in andere Energieformen bis zur Verwendung nimmt, wird in Energiebilanzen dargestellt. Die Energie, die nach teilweiser Wandlung der Primärenergie in andere Energieformen zur Verfügung steht, heißt Endenergie. Mit ihr werden Energiedienstleistungen erbracht. Hierzu gehören Produzieren, Heizen, Kühlen, Bewegen, Elektronische Datenverarbeitung, Telekommunikation oder Beleuchten.
Der Begriff Energieverbrauch ist im physikalischen Sinne ungenau, da Energie nicht verbraucht (Energieerhaltungssatz), sondern nur umgewandelt (Energieumwandlung) bzw. entwertet (Energieentwertung) werden kann. Was tatsächlich verbraucht wird, sind die eingesetzten (konventionellen) Energieträger.
Teilweise tritt der Staat als Bevorrater für strategische Reserven auf, zum Beispiel bei strategischen Ölreserven. Unternehmen bevorraten Primärenergieträger, um in Zeiten mit hohem Energieverbrauch (Leistungsaufnahme) Lastspitzen bedienen zu können.
Eingesetzte Energieträger
Die eingesetzten Energieträger sind:
Konventionelle Energie:
- Erdöl
- Erdgas, (GTL)
- Steinkohle
- Braunkohle
- Kernenergie
Verbrauchsermittlung
Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen definiert den Primärenergieverbrauch wie folgt:[1]
- Primärenergieverbrauch im Inland = Energieaufkommen im Inland - Ausfuhr - Hochseebunkerungen - Bestandsaufstockungen.
Dabei ergibt sich das Energieaufkommen im Inland aus:
- Energieaufkommen im Inland = Energiegewinnung im Inland + Einfuhr + Bestandsentnahmen
Der inländische Primärenergieverbrauch ergibt sich also aus dem inländischen Energieaufkommen, bereinigt um das Handelssaldo mit dem Ausland und Veränderungen von Speicherfüllständen.
Wirkungsgradprinzip
Zur Berechnung des Primärenergieverbrauchs wird in Deutschland seit 1995 das Wirkungsgradprinzip benutzt. Es wird auch von den internationalen Organisationen IEA, EUROSTAT und ECE angewendet.
Bei den Energieträgern, die durch Verbrennen ihre Energie umwandeln und deren Heizwert bekannt ist (hauptsächlich fossile Energieträger), wird der jeweilige Heizwert mit der jeweiligen eingesetzten Menge multipliziert. Bei den Energieträgern Biomasse, Müll und Klärschlamm wird, wenn kein Heizwert bekannt ist, das im nachfolgend beschriebene Substitutionsverfahren zur Ermittlung der in den Primärenergieverbrauch einfließenden Energien angewandt.
Bei der Bewertung der Kernenergie wird ein Wirkungsgrad von 33 % bei der Energieumwandlung zu Strom zugrunde gelegt. In den Primärenergieverbrauch fließt die Kernkraft also mit über der dreifachen Energie des durch die Kernkraft entstehenden Stromes ein. Die Wirkungsgradmethode führt im Vergleich zur Substitutionsmethode bei Kernenergie zu einem höheren, bei den anderen Energiequellen zu einem niedrigeren Primärenergieanteil.
Bei der Stromerzeugung aus anderen Energieträgern, z. B. regenerative Energien, wie Wasserkraft, Wind oder Photovoltaik, fließt nur die erzeugte elektrische Energie in den Primärenergieverbrauch ein.[2] Dadurch wird ein Wirkungsgrad von 100 % zur Berechnung des Primärenergieverbrauchs angenommen. Die Energieträger Wasserkraft, Wind oder Photovoltaik sind, im Vergleich zu Energieträgern, bei deren Umsetzung ein geringer Wirkungsgrad eingesetzt wird, in den Statistiken zum Primärenergieverbrauch stark unterrepräsentiert, zum Beispiel um den Faktor 3 in Bezug zur Atomkraft ohne Kraft-Wärme-Kopplung. Im Jahr 2006 verfügte kein in Betrieb befindliches AKW in Deutschland über eine Kraft-Wärme-Kopplung.
Der Saldo des Stromaußenhandels geht ebenfalls direkt in den Primärenergieverbrauch ein, auch hier wird sozusagen bei dem Saldo des importierten Stroms ein Wirkungsgrad von 100 % angenommen. Deutschland ist seit 2003 im Saldo Stromexporteur, wobei 2013 ein Rekordexportüberschuss von ca. 5 % der Bruttostromerzeugung erzielt wurde (Stand Ende 2013).
Die so ermittelten Energien werden in dem Primärenergieverbrauch summiert.
Substitutionsmethode
Auch bei der Substitutionsmethode werden der Heizwert und die eingesetzten Mengen der Energieträger zugrunde gelegt.
Jedoch wird bei der Berechnung des Primärenergieverbrauches mit der Substitutionsmethode angenommen, dass der Strom aus den Energieträgern, denen kein Heizwert beigemessen werden kann (Kernkraft, Wasserkraft, Wind und Photovoltaik), und gegebenenfalls der Stromimportsaldo die entsprechende Stromerzeugung in konventionellen Wärmekraftwerken ersetzt (substituiert). Zur Berechnung wird dann die Energie der konventionellen Energieträger benutzt, die zu der Erzeugung des „ersetzten“ Stroms im Durchschnitt notwendig gewesen wäre.[3]
Der Anteil der regenerativen Energien am Primärenergieverbrauch ist je nach Berechnung, ob nach der Substitutionsmethode oder dem Wirkungsgradprinzip unterschiedlich. Zum Beispiel betrug der Anteil der regenerativen Energien in Deutschland im Jahr 2005 nach dem Wirkungsgradprinzip 4,6 % und nach der Substitutionsmethode rund 6,6 %.[4]
Bis 1994 wurde in Deutschland die Substitutionsmethode zur Ermittlung des Primärenergieverbrauchs angewendet.
Maßeinheiten
Der Primärenergieverbrauch wird in der Regel als Energie, bezogen auf einen bestimmten Zeitraum (oft ein Jahr), angegeben. Die normgerechte Einheit der Energie ist die Wattsekunde (Joule). Weil eine Wattsekunde im Verhältnis zu typischen Primärenergieangaben recht klein ist, wird in der Praxis meist mit Wattstunden (Wh) oder deren Vielfachen (siehe Vorsätze für Maßeinheiten) gearbeitet:
- 1 kJ/Jahr (Kilojoule/Jahr) = Joule/Jahr = 31,7 µW
- 1 MJ/Jahr (Megajoule/Jahr) = Joule/Jahr = 31,7 mW
- 1 GJ/Jahr (Gigajoule/Jahr) = Joule/Jahr = 31,7 Watt
- 1 TJ/Jahr (Terajoule/Jahr) = Joule/Jahr = 31,7 kW
- 1 PJ/Jahr (Petajoule/Jahr) = Joule/Jahr = 31,7 MW
- 1 EJ/Jahr (Exajoule/Jahr) = Joule/Jahr = 31,7 GW
Energie pro Zeiteinheit (z. B. Petajoule pro Jahr) stellt eine Leistungseinheit dar. Man kann also den Primärenergieverbrauch innerhalb eines bestimmten Zeitraums auch als durchschnittliche Leistungsaufnahme in diesem Zeitraum betrachten. Für Deutschland betrug zum Beispiel im Jahr 2004 der Primärenergieverbrauch 14.438 PJ. Dies entspricht einer mittleren Leistung von 458 GW bzw. 5,55 kW pro Kopf bei einer Bevölkerung von 82,5 Millionen Menschen.
In älterer Literatur ist auch eine Vielzahl anderer Einheiten zu finden; teilweise werden sie bis heute gebraucht. Beispiele sind:
- TWh pro Jahr
- Mio. kWh pro Jahr
- Mio. t SKE pro Jahr
- Mrd. BTU pro Jahr
- Mio. Fass Öl pro Jahr
- Gt ÖE (engl. oe) pro Jahr
Wattstunden und Vielfache davon (wie kWh oder TWh) sind keine SI-Einheiten, werden aber als Produkt aus der SI-Einheit Watt und der für den Gebrauch in Verbindung mit dem Internationalen Einheitensystem (SI) zugelassenen Stunde oft als normgerecht betrachtet. Für den Privatverbrauch ist eine übliche Angabe in kWh/Jahr, z. B.:
- 1000 kWh/Jahr = 1 MWh/Jahr = 3,600 MJ/Jahr = 114,1 W
Endenergieverbrauch
Die an Endkunden im Inland abgegebene Energie wird als Endenergie bezeichnet. Bevor die Energie an die Endkunden abgegeben wird, werden die Primärenergien teilweise umgewandelt. Beispielsweise wird die chemische Energie von Kohle in Kraftwerken in elektrische Energie umgewandelt und als elektrischer Strom bereitgestellt oder Rohöl (Erdöl) wird in Raffinerien in Kraftstoffe umgewandelt. Da bei der Umwandlung ein Teil der Energie verloren geht (bzw. physikalisch korrekter in nicht mehr weiter nutzbare Energieformen umgewandelt wird), ist die Summe des Endenergieverbrauchs geringer als die Summe des Primärenergieverbrauchs. Der Primärenergieverbrauch, der nach dem Wirkungsgradprinzip ermittelt wurde, enthält also, außer der unter Wirkungsgradprinzip beschriebenen Ausnahme, auch alle Umwandlungs- und Übertragungsverluste. Da ein Teil der Primärenergieträger zunächst in Sekundärenergieträger (wie z. B. Strom oder Kraftstoffe) umgewandelt wird, weicht die Aufteilung des Endenergieverbrauchs nach Energieträgern erheblich von der des Primärenergieverbrauchs ab.
Auch beim Endverbraucher erfolgt noch vielfach eine Energieumwandlung zur Bereitstellung einer Energiedienstleistung. Werden die Verluste dieser Umwandlungsstufe vom Endenergieverbrauch abgezogen, so wird das Ergebnis Nutzenergie genannt.
Statistikart | Anteil am PEV 2011[5] | Anteil am PEV 2018[6] |
---|---|---|
Mineralöl | 33,3 % | 34,1 % |
Erdgas | 21,4 % | 23,5 % |
Steinkohle | 12,6 % | 10,1 % |
Braunkohle | 11,5 % | 11,5 % |
Erneuerbare Energien | 10,8 % | 14,0 % |
Kernenergie | 8,7 % | 6,4 % |
Gesamt | 13.599 PJ | 12.900 PJ |
Bruttoendenergieverbrauch
Der Bruttoendenergieverbrauch setzt sich aus den Energieprodukten (Strom, Fernwärme, Benzin, Diesel, Gas u. a.), die der Industrie, dem Verkehrssektor, Haushalten, dem Dienstleistungssektor einschließlich des Sektors der öffentlichen Dienstleistungen sowie der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft zu energetischen Zwecken geliefert werden, zusammen. Auch der Elektrizitäts- und Wärmeverbrauch den die Energiewirtschaft für die Elektrizitäts- und Wärmeerzeugung benötigt, wird hinzugerechnet. Des Weiteren werden auch die Verluste bei der Elektrizitäts-Wärmeverteilung und Übertragung mit eingerechnet.[7]
Das Europäische Parlament hat im Jahr 2009 beschlossen (Richtlinie 2009/28/ EG[7]) als verbindliches Ziel für die gesamte EU einen Anteil erneuerbarer Quellen am Bruttoendenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 20 % zu steigern bzw. im Verkehrssektor einen Anteil regenerativer Energiequellen in Höhe von mindestens 10 % zu erreichen. Dabei wurden unterschiedliche nationale Zielwerte festgelegt, für Deutschland soll der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 18 % gesteigert werden.
Statistikart | 2005 | 2008 | 2009 | 2010 |
---|---|---|---|---|
Endenergieverbrauch (lt. Energiebilanz) | 9 239 PJ | 9 098 PJ | 8 692 PJ | 9 060 PJ |
Fackel- und Leitungsverluste (Strom) | 106 PJ | 108 PJ | 90 PJ | 87 PJ |
Fackel- und Leitungsverluste (Wärme) | 39 PJ | 37 PJ | 37 PJ | 37 PJ |
Eigenverbrauch der Kraftwerke und Heizkraftwerke (Strom) | 141 PJ | 138 PJ | 128 PJ | 143 PJ |
Eigenverbrauch der Kraftwerke und Heizkraftwerke (Wärme) | 0 | 0 | 0 | 0 |
Bruttoendenergieverbrauch | 9 524 PJ | 9 382 PJ | 8 947 PJ | 9 327 PJ |
Summe Erneuerbare Energieträger | 769 PJ | 1 147 PJ | 1 201 PJ | 1 366 PJ |
Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch | 8,1 % | 12,2 % | 13,4 % | 14,6 % |
Verbrauch nach Ländern
Deutschland
Der Primärenergieverbrauch lag 2018 in Deutschland bei rund 13.106 Petajoule (PJ), entsprechend 3.753 Mrd. kWh.
Europa
Der Primärenergieverbrauch lag 2011 in Europa (OECD-Länder) bei rd. 73.060 Petajoule (PJ), entsprechend 20.300 Mrd. kWh[9] (In der Quelle als 1.745 Mill. Tonnen Öleinheiten (Mtoe) angegeben).
Weltweit
Der Primärenergieverbrauch lag 2011 weltweit bei 532.400 Petajoule (PJ), entsprechend 147.900 Mrd. kWh[9] (In der Quelle als 12.717 Mill. Tonnen Öleinheiten (Mtoe) angegeben).
Weblinks
Einzelnachweise
- Vorwort zu den Energiebilanzen für die Bundesrepublik Deutschland (PDF; 165 kB), abgerufen am 15. September 2013
- Vorwort zu den Energiebilanzen für die BRD. (Memento des Originals vom 9. April 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF) Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen
- Methodik der Indikatorenbildung bei der PEV. (Memento des Originals vom 27. September 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Umweltbundesamt
- Grafiken und Tabellen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (MS Powerpoint) Bundesministerium für Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit, Mai 2006
- Auswertungstabellen zur Energiebilanz für die Bundesrepublik Deutschland 1990 bis 2012 (Memento des Originals vom 6. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF) Stand Juli 2013, abgerufen am 14. September 2013.
- Primärenergieverbrauch in Deutschland 2018. BMWi. Abgerufen am 14. Januar 2020.
- Richtlinie 2009/28/ EG (PDF)
- Energieverbrauch in Deutschland im Jahr 2011. (Memento des Originals vom 8. August 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e. V. (Stand: 5. März 2012)
- Key World Energy Statistics. (PDF; 6,1 MB) Internationale Energieagentur (IAE), Paris 2012