Petritsch
Petritsch [ˈpɛtritʃ] (bulgarisch Петрич) ist eine Stadt und Verwaltungssitz der gleichnamigen Gemeinde in der Oblast Blagoewgrad im Südwesten Bulgariens am Fuße des Gebirges Belasiza in der Nähe der Grenze zu Griechenland. Petritsch ist nach Blagoewgrad die zweitgrößte Stadt in der Oblast.
Petritsch (Петрич) | |||
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Basisdaten | |||
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Staat: | Bulgarien | ||
Oblast: | Blagoewgrad | ||
Einwohner: | 27.587 (31. Dezember 2016) | ||
Koordinaten: | 41° 24′ N, 23° 13′ O | ||
Höhe: | 168 m | ||
Postleitzahl: | 2850 | ||
Telefonvorwahl: | (+359) 0745 | ||
Kfz-Kennzeichen: | E | ||
Verwaltung (Stand: 2016) | |||
Bürgermeister: | Dimitar Brachkow | ||
Regierende Partei: | Parteilos | ||
Website: | www.petrich.bg |
Petritsch ist eine alte Stadt am Unterlauf der Struma und bekannt für die Gebirgslandschaft in der Umgebung.
Die Stadt hatte etwa rund 27.000 Einwohner im Jahr 2016.
Geschichte
Antike und Mittelalter
Die Ursprünge der Stadt reichen bis zu den Thrakern zurück. Im 1. Jahrhundert v. Chr. eroberten die Römer das Territorium der Thraker.[1] Die Siedlung der thrakischen Maeder 10 Kilometer nordöstlich des heutigen Stadtzentrums entwickelte sich zu einer gut befestigten römischen Stadt und Festung mit dem Namen Petra. Im 4. Jahrhundert wurde die Stadt von den Slawen erobert und niedergebrannt. Wahrscheinlich haben die Bewohner der zerstörten Stadt danach in der Nähe das heutige Petritsch neu gegründet. Die slawische Endung „-itsch“ weist darauf hin, dass die Stadt von Slawen bewohnt war.
Die Ausbreitung des Bulgarischen Staates im frühen Mittelalter führte zu der Eingliederung der Region um Petritsch. In der Folge des Krieges, den der bulgarische Khan Presian I. gegen Byzanz führte, und nach dem Aufstand der Slawen im Strumagebiet, schloss sich die slawische Stadt Petritsch 837 dem Bulgarischen Reich an, wurde jedoch von Byzanz kurz darauf zurückerobert. In dieser Zeit wanderte das Stadtzentrum vom Tal in den Ausläufer der Belasiza[2]
Petritsch wurde während der Herrschaft von Knjaz Boris (852–889) dem Bulgarischen Staat dauerhaft angegliedert. In den folgenden Jahrhunderten war Petritsch eine strategisch und militärisch wichtige Siedlung und Festung im bulgarischen Südwesten, besonders während der zahlreiche Kriege von Zar Zar Samuil (958–1014) gegen Byzanz. Hier wurde 1014 die entscheidende Schlacht von Kleidion am Ende des Ersten Bulgarenreiches zwischen bulgarischen Truppen unter Führung von Fürst Samuil und den Truppen des byzantinischen Kaisers Basileios II. (Wassili II.) ausgetragen.[2] Nach der Niederlage der Bulgaren ließ Basileios 14.000 gefangene Bulgaren blenden. Aufgrund dessen erhielt er den Beinamen „Bulgarentöter“ (bulg. българоубиец, Balgaroubiez). Die Reste von Samuils Festung erinnern noch heute daran.[3]
Im späten Mittelalter wurde Petritsch wieder zu einer wehrhaften Festung – als Befestigungssystem im Südwesten Bulgariens. Die Reste der Festung erheben sich noch heute am Rande der Stadt in den Ausläufern des Belasiza-Gebirges. Dejane von Strumiza (Деяна в Струмица), der 1373 seine Erlaubnis zum Bau einer Kirche in der Stadt erteilte.
Osmanenzeit
Während der osmanischen Herrschaft wurde Petritsch zu einer typischen osmanischen Kleinstadt im Sandschak Kjustendil in der Provinz (Vilayet) Rumelien.[4] Evliya Çelebi erwähnt die Stadt in seinem Reisebuch (Seyahatnâme) und berichtet, dass sie 1651 Zentrum einer Kaza (Gerichtsbezirk) mit insgesamt 240 Häusern sei, die sich auf zwei Wohnviertel verteilten. Weiterhin gab es mehrere Moscheen, aber nur ein Bad. In der Umgebung gab es 80 Dörfer. Für die Entwicklung von Handwerk und Handel sprach das Vorhandensein von 50 Geschäften. Petritsch war für seine landwirtschaftlichen Produkte bekannt: Getreide, Mais, Roggen, Hafer, Baumwolle, Reis, Tabak und Opium.[5]
Im Zuge der „Bulgarischen Wiedergeburt“ war Petritsch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Schauplatz eines „Kirchenkampfes“ zwischen der bulgarisch-orthodoxen Kirche und dem griechisch-orthodoxen Patriarchat von Konstantinopel. 1868 wurde der Bau der ersten bulgarischen Kirche Sweti Nikolai vollendet. 1873 wurde die erste bulgarische Schule eröffnet. Ab 1892 gehörte die Mehrheit der Christen von Petritsch dem Bulgarischen Exarchat an.[6]
Infolge des Russisch-Osmanischen Kriegs und dem Frieden von San Stefano wurde Petritsch 1878 dem Fürstentum Bulgarien zugesprochen. Dies wurde jedoch drei Monate später im Berliner Vertrag revidiert und Petritsch wurde dem osmanischen Vilâyet Saloniki zugeordnet.
Laut dem bulgarischen Ethnographen Wassil Kantschow zählte Petritsch um 1900 4.600 türkische, 2.450 bulgarische, 40 walachische und 100 romanische Einwohner.[7][8]
Als Baumaterial diente Geröll aus dem Flussbett der Struma, die von einem Lehm-Stroh-Gemisch zusammengehalten wurden. Das Erdgeschoss wurde immer als Stall und als Lager für landwirtschaftliche Erzeugnisse genutzt. Das Obergeschoss war von außen über eine Treppe zu erreichen. Die Möblierung der Häuser war spärlich. Die Zimmer waren mit bunten, gewebten Teppichen ausgelegt.
Neuere Zeit
Petritsch blieb osmanisch bis zu den Balkankriegen, als es am 16. Oktober 1912 von der 3. Tscheta der Makedonisch-Adrianopeler Landwehr unter Nikola Parapanow eingenommen und in der Folge bulgarisch wurde.[9] Nach dem Krieg wurde die Stadt und Region durch vertriebene Bulgaren aus Griechenland und Serbien überfüllt.[2]
Zunächst änderte sich an den Beziehungen zu den Nachbarregionen nichts, auch als Bulgarien nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg 1919 im Vertrag von Neuilly-sur-Seine Strumica und Novo Selo an das Königreich Jugoslawien abtreten musste (während Petritsch bei Bulgarien verblieb – blieb die Grenze weitgehend durchlässig).[10] Traditionell gab es enge soziale, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zwischen der Region Petritsch sowie Strumica und Novo Selo im heutigen Nordmazedonien (50 bzw. 30 km westlich von Petritsch). Von 1922 bis 1934 beherrschte die Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation in der Gegend von Petritsch einen „Staat im Staate“. Sie erhob eigene Steuern, überwachte das öffentliche Leben und führte einen Guerillakrieg mit Jugoslawien, der das außenpolitische Verhältnis zwischen Sofia und Belgrad belastete.[11][12] Im Oktober 1925 war Petritsch Schauplatz einer kurzen kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Bulgarien und Griechenland.
Während des Balkanfeldzugs im Zweiten Weltkrieg wurde Petritsch 1941 als Truppenaufmarschgebiet der deutschen Truppen für den Angriff gegen Griechenland verwendet.
Während der Volksrepublik Bulgarien war die Stadt im Grenzgebiet zum kapitalistischen Griechenland sowie zu Jugoslawien (das 1948 aus dem sowjetisch geführten Ostblock ausschied) nur mit Einladung und behördlicher Genehmigung zu betreten. Am 27. Juli 1955 wurde nördlich der Stadt ein Passagierflugzeug des Typs Lockheed Constellation der israelischen Fluggesellschaft El Al wegen Verletzung des bulgarischen Luftraums von MIG 15 der bulgarischen Luftstreitkräfte abgeschossen, dabei wurden alle 58 Insassen getötet.
Heute gilt die Stadt im Dreiländereck von Bulgarien, Griechenland und Nordmazedonien als eine Drehscheibe für den grenzüberschreitenden Handel – aber auch für den Schmuggel. Während des griechischen Embargos gegen die frühere jugoslawische Republik Mazedonien (siehe Streit um den Namen Mazedonien) war Petritsch ein wichtiger Handelsort für die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien. Insbesondere die Handelsroute von der ejR Mazedonien in die Türkei war durch Griechenland blockiert. Also erfolgte der Transport über Petritsch und Bulgarien in die Türkei.
Die Stadt ist seit 2005 Namensgeber für den Petrich Peak, einen Berg auf der Livingston-Insel in der Antarktis.
Sonstiges
Der Fußballklub von Petritsch heißt Belasiza (wie das benachbarte Gebirge Belasiza). Das Fußballstadion heißt „Zar Samuil“.
In der Nähe von Petritsch befindet sich ein Mittelwellensender, der auf der Frequenz 747 kHz mit einer Sendeleistung von 500 kW betrieben wird. Er verwendet als Sendeantenne einen gegen die Erde isolierten, selbststrahlenden Mast von 205 Metern Höhe, der an seinem unteren Teil noch eine Reusenantenne trägt.
Städtepartnerschaften
Persönlichkeiten
- Baba Wanga (1911–1996), bulgarische Prophetin
- Kiril Georgiew (* 1965), Schachspieler
- Krassimir Kotschew (* 1974), Ringer
Weblinks
Einzelnachweise
- Titus Livius Ab urbe condita 40,22
- Geschichte der Stadt. In: Webseite der Gemeinde Petritsch. Abgerufen am 9. April 2021 (bulgarisch).
- Catherine Holmes: Basil II and the Governance of Empire, 976–1025. Oxford 2005.
- Christo Matanow: Die südwestlichen bulgarische Gebiete im 14 Jhr. (aus dem Bulg.Югозападните български земи през XIV век), Sofia, 1986
- Evliya Çelebi: Reisebuch (Seyahatnâme), Sofia, 1972, S. 280–282
- Violeta Periklieva: Religious Landscapes at the Border. The case of the border regions of Petrich, Bulgaria and Strumica, Macedonia. In: Lena Mirošević u. a.: Landscape in Southeastern Europe. Lit Verlag, Wien/Zürich 2018, S. 132.
- Wasil Kantschow: Makedonien. Ethnographie und Statistik (aus dem Bulg. Македония. Етнография и статистика), Sofia, 2. Neuauflage 1996, S. 186, ISBN 978-954-430-424-9
- Dimitŭr Mishev: La Macédoine et sa population chrétienne, Paris, Librarie Plon, Verlag Plon-Nourrit et Cie, Imprimeurs-Éditeur 1905, S. 186 La Macédoine et sa population chrétienne – Internet Archive
- Dimitrina Batschwarowa: Хроника на героизма, In: 100 години от освобождението на Петрич, Сборник от публикувани материали, Petritsch, 2012, S. 15.
- Violeta Periklieva: Religious Landscapes at the Border. The case of the border regions of Petrich, Bulgaria and Strumica, Macedonia. In: Lena Mirošević u. a.: Landscape in Southeastern Europe. Lit Verlag, Wien/Zürich 2018, S. 130.
- Claudia Weber: Auf der Suche nach der Nation. Erinnerungskultur in Bulgarien von 1878–1944. (=Studien zur Geschichte, Kultur und Gesellschaft Südosteuropas 2.) Lit-Verlag, Münster 2006, ISBN 3-8258-7736-1, S. 248.
- Stefan Troebst: Ivan Michajlov im türkischen und polnischen Exil (1934–1939/49). Fragmente zur politischen Biographie des Chefs der „Inneren Makedonischen Revolutionären Organisation“. In: Das makedonische Jahrhundert. Von den Anfängen der nationalrevolutionären Bewegung zum Abkommen von Ohrid 1893-2001. R. Oldenbourg Verlag, München 2007, S. 175–224, auf S. 176.