Paul Schreyer
Paul Schreyer (* 1977 in Rostock) ist ein deutscher Journalist, Publizist und Autor von Sachbüchern. Sein mit Mathias Bröckers veröffentlichtes Werk Wir sind die Guten (2014) und seine Publikationen Wer regiert das Geld? (2016) und Chronik einer angekündigten Krise (2020) waren Spiegel-Bestseller. Er ist Mitherausgeber des Onlinemagazins Multipolar.
Familie
Paul Schreyer ist der Sohn des Schriftstellers Wolfgang Schreyer (1927–2017). Er wuchs auf dem Fischland auf; sein Abitur absolvierte er 1996 in Damgarten.
Von 1998 bis 2000 war er Tontechniker bei der Torus GmbH in Köln. Seit 2000 ist er als selbstständiger Werbegrafiker tätig.
Publikationen und Rezeption
Schreyer publizierte seit 2006 mehrere Sachbücher sowie zahlreiche Artikel auf Telepolis, Globalresearch,[1] KenFM, Free21, Rubikon, den NachDenkSeiten und Multipolar, einem Onlinemagazin, dessen Mitherausgeber er ist.[2]
Im Sommer 2017 veröffentlichte Schreyer ein Interview mit seinem Vater über dessen Leben und Werk.[3]
Seit 2019 verfasst Schreyer Buchrezensionen für den WDR.[4]
Der Journalist und Autor Matthias Holland-Letz zählt Schreyer in einem Artikel für das Neue Deutschland, in dem er sich kritisch mit Ken Jebsen auseinandersetzt, zu dessen Umfeld. Paul Schreyer schreibe wie Mathias Bröckers und Jebsen für free21, habe für die NachDenkSeiten eine freundliche Rezension des Jebsen-Gesprächsbandes von Bröckers verfasst. Außerdem sei Schreyer Interviewgast bei Jebsen gewesen. Schreyer äußere, dass er nicht alles unterschreibe, was auf KenFM laufe, aber dass sich seine und Jebsens politische Ansichten in vielen Punkten ähnelten.[2]
In seiner Analyse zum Querfrontcharakter von neuen politischen Alternativmedien urteilt Markus Linden in der NZZ, vorgebliches Märtyrertum und missionarischer Eifer sei ihnen gemeinsam, wie auch „Sichtweisen mit verschwörungstheoretischem Charakter“ bei den Terroranschlägen vom 11. September und in Bezug auf weitere Ereignisse. Das Spektrum reiche dabei, so Linden, bis hin zu faktenorientierter Kritik, für die Wir sind die Guten von Mathias Bröckers und Paul Schreyer stehe.[5]
9/11-Anschläge, 2006 bis 2013
Schreyer veröffentlichte zwischen 2006 und 2013 drei Bücher über einzelne Aspekte der Terroranschläge am 11. September 2001, die er als bislang ungeklärt betrachtet: Die Legende – Was am 11. September geschah (mit Wolfgang Schreyer), 2006, Inside 9/11 – Neue Fakten und Hintergründe zehn Jahre danach (Herausgeber: Jürgen Elsässer), und Faktencheck 9/11 – Eine andere Perspektive 12 Jahre danach, 2013.
Der Sozialwissenschaftler Andreas Anton bezeichnete 2014 die „offiziellen“ und die „alternativen“ Erklärungen gleichermaßen als „Verschwörungstheorien zum 11. September“ und stellte sie einander gegenüber. Wie andere halte Schreyer beispielsweise ein zufälliges Versagen der US-Luftabwehr, die entführten Flugzeuge rechtzeitig abzufangen, für unwahrscheinlich. Schreyer vermute eine absichtliche Verzögerung dabei und halte eine Regierungsverschwörung für denkbar. Mögliche Motive sehe er im Regierungsplan Continuity of Government und im Project for the New American Century (PNAC).[6]
Der Politikwissenschaftler Markus Linden ordnet Schreyer zusammen mit Mathias Bröckers mit Bezug auf deren „kritische Stellungnahmen zu den vermeintlich ungelösten Fragen rund um die Terroranschläge vom 11. September 2001“ den „sicherlich intelligenteren Vertretern sogenannter Verschwörungstheorien“ zu. Beide vertreten laut Linden „gegenüber den USA eine fundamentalkritische Position“, ohne dabei „in gänzlich unseriöse Argumentationen und Mutmaßungen abzugleiten“.[7]
Wir sind die Guten, 2014
Schreyers mit Mathias Bröckers verfasstes Buch Wir sind die Guten. Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Medien manipulieren (2014) behandelt den Krieg in der Ukraine seit 2014 und dessen mediale Darstellung. Das Buch erreichte in der Rubrik „Paperback Sachbücher“ Rang 5 der Spiegel-Bestsellerliste[8]. Es wurde in die russische[9] und tschechische Sprache[10] übersetzt.
Markus Linden ordnet Schreyer einem Spektrum von Autoren alternativer Medien zu, die gemeinsame „Sichtweisen mit verschwörungstheoretischem Charakter“ vertreten. In diesem Rahmen beurteilt er das Buch von Schreyer und Mathias Bröckers als „argumentativ durchaus beachtenswerte Streitschrift wider die vermeintlich einseitige Berichterstattung der Medien über den Ukraine-Konflikt“ und als „faktenorientierte Kritik“.[11][12] Das Buch zeige Defizite der Medienberichte zum Ukrainekonflikt auf, die auch die Öffentlichkeit wahrnehme. Es sei von Kritikern "überraschend wohlwollend" aufgenommen worden. Es lasse Russlands Reaktionen als Folge US‑amerikanischer Aggression erscheinen und fordere von der bundesdeutschen Politik, sich nicht nur an Deutschlands „‚Schicksalsgemeinschaft‘ mit den Amerikanern“ zu erinnern, sondern auch an die geografische „Gemeinschaft mit den Russen, denen gerade die Deutschen noch etwas schuldig sind“. Damit sei das hervorragend lesbare Buch „noch einseitiger als der kritisierte Mediendiskurs“.[7]
Klaus von Beyme bezeichnet Schreyer mit anderen Autoren als „Putin-Versteher“. Laut Beyme wehren diese sich „gegen einen ‚Werteimperialismus‘ und einen ‚Menschenrechtsbellizismus‘, der vernebelt , dass es bei den westlichen Interventionen in Afghanistan, im Irak oder in Libyen nicht in erster Linie um Menschenrechte und westliche Werte ging, sondern um Macht- und Geschäftsinteressen im Hinblick auf Rohstoffe und Ressourcen.“[13]
Wer regiert das Geld?, 2016
Schreyers Buch Wer regiert das Geld? Banken, Demokratie und Täuschung (2016) behandelt die Schaffung von Buchgeld und finanzwirtschaftliche Themen. Es war Spiegelbestseller Rang 13 in Ausgabe 05/2016 (Wirtschaft).[14]
Der ORF würdigte es als „Aufklärungsarbeit“, die zeige, „dass auch private Banken Geld schaffen“. Schreyer mache deutlich, „wie Geldschöpfung funktioniert und wer welchen Nutzen daraus zieht“.[15]
Guido Speckmann (Neues Deutschland) betont, Schreyer leiste mit dem Buch „wichtige Aufklärungsarbeit“ und fordere staatliche Kontrolle. Er räume mit falschen Vorstellungen über das moderne Geldsystem auf und vermittle die „komplizierte Materie […] sehr verständlich und gut lesbar“. Jedoch lasse der „einseitige Blick auf ein Geldsystem – wie auch immer ausgestaltet –, auf die Zirkulationssphäre“ die Zusammenhänge mit der „kapitalistischen Produktionssphäre“ unberücksichtigt.[16]
Die Angst der Eliten, 2018
In seiner Rezension von: Die Angst der Eliten. Wer fürchtet die Demokratie? vertritt der Journalist Christoph Dorner (SZ) die Meinung „der ostdeutsche Journalist“ werfe einen dezidierten Blick auf Demokratiedefizite in Deutschland und zeichne das Bild eines Landes, „das von einer Vertrauenskrise in die nächste schlittert.“ Ursache seien „die etablierten Machtstrukturen der Bundesrepublik“ und eine global operierende Geldelite. Schreyer vertrete linke Positionen, stelle aber vor allem „die Narrative infrage, mit denen politische Entscheidungen in einer repräsentativen Demokratie begründet werden.“
Er reagiert allergisch auf Denkverbote, etwa bei der Debatte um Volksentscheide auf Bundesebene. Ein überparteilicher Konsens, den er im linksliberalen Lager ausgemacht hat, stößt ihm besonders auf: „Demokratie ist toll – solange nicht die Falschen gewählt werden.“
Schreyer habe, so Dorner, keine Berührungsängste zu fragwürdigen Alternativmedien, die Mahnungen vor der AfD würden bei ihm deshalb nicht „verfangen“. Schreyer glaube, die Populismus-Vorwürfe gegen die AfD dienten dem Schutz der Eliten, der Dauerstreit um Leitkultur und Islam verhindere eine „Debatte über die Ungleichverteilung der Vermögen“.[17]
Laut Anna Ernst (ZDF-Online-Redaktion Das Literarische Quartett) strebt Schreyer nach mehr direkter Demokratie. Er beklage eine „Oligarchie der Reichen in der Mitte Europas“, die Parlamente zur „Fassade diverser Machtinteressen sogenannter Eliten“ gemacht habe. Er habe entdeckt, dass sich in der belegten „Krise der Repräsentation“ eine „zunehmend neue, generelle Angst vor Demokratie“ verberge. Dies sei bundespolitisch bedeutsam.[18]
Chronik einer angekündigten Krise, 2020
Schreyer stellt in dieser Publikation mit dem Untertitel Wie ein Virus die Welt verändern konnte Ereignisse dar, die den Maßnahmen der Regierungen, den Empfehlungen der WHO und anderer Institutionen hinsichtlich der COVID-19-Pandemie vorausgingen. Er schildert anschließend den Beginn der Krise bis März 2020. Im Einzelnen analysiert er die Entwicklung der Biosecurity und die Rolle des Centers for Health Security der Johns-Hopkins-Universität in den 1990er Jahren (Kapitel 2) sowie mehrere Übungen und Planspiele, die sich mit befürchteten Biowaffenangriffen und Pandemien befassen. Eigene Kapitel widmen sich Dark Winter in den USA 2001 (Kapitel 3), Atlantic Storm (2005) (Kapitel 4), Clade X (2018) (Kapitel 5) und Event 201 (2019) (Kapitel 6). Das siebte Kapitel enthält einen Exkurs zu Population Control. Kapitel 8 bis 10 handeln vom Beginn der Corona-Krise im Januar 2020, von der „Panik und Irreführung“ im Februar 2020 und stellen die Entwicklung vom „Testwahn zum Lockdown“ im März 2020 dar.
Es war unter den Jahresbestsellern 2020 und auf Rang 3 der Spiegelbestsellerliste für Paperback-Sachbücher im Februar 2021.[19]
Für Michael Jäger (Der Freitag) hat Schreyer „die Kette der Manöver, die es seit 1998 dazu gegeben hat und deren letztes zwei Monate vor dem Corona-Ausbruch stattfand, minutiös rekonstruiert.“[20]
Matthias Holland-Letz urteilt in seiner Rezension im Neuen Deutschland, Schreyers Bericht zur Geschichte der vielen Pandemieübungen und -szenarien lese sich eindrucksvoll. Zur „Höchstform“ laufe Schreyer auf, wenn er über die Auswertung des Planspiels Event 201 berichte, die am 17. Januar 2020 erfolgte, drei Tage vor der Ersterwähnung der neuen Erkrankung in der deutschen Tagesschau, vier Tage vor einem Artikel der New York Times, dem ersten Lagebericht der Weltgesundheitsorganisation und dem Beginn des jährlichen Treffens des Weltwirtschaftsforums in Davos. Schreyers Darstellung hält der Rezensent für eine „Mogelpackung“: Er konstruiere „höchst abenteuerliche Zusammenhänge“ mit einem Aufklärungswert nahe Null und schüre Ängste in der Bevölkerung. Dabei komme er „im Gewand des Investigativjournalisten“ daher, um geschickt „ganz bestimmte Bilder im Kopf entstehen zu lassen“, die die gewünschten Aussagen transportieren.[21]
Schriften (Auswahl)
- Die Legende – Was am 11. September geschah (mit Wolfgang Schreyer), Das Neue Berlin, Berlin 2006, ISBN 978-3-360-01289-0
- Inside 9/11 – Neue Fakten und Hintergründe zehn Jahre danach (Herausgeber: Jürgen Elsässer), Kai Homilius Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-89706-399-0
- Faktencheck 9/11 – Eine andere Perspektive 12 Jahre danach, Kai Homilius Verlag, Werder (Havel) 2013, ISBN 978-3-89706-430-0
- Snowden und der Wandel in den deutschen Medien. Kommentar. In: Dieter Deiseroth, Annegret Falter (Hrsg.): Whistleblower in der Sicherheitspolitik. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-8305-3333-7, S. 157–164
- Wer regiert das Geld? – Banken, Demokratie und Täuschung, Westend Verlag, Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-95471-523-7
- Die Angst der Eliten – Wer fürchtet die Demokratie?, Westend Verlag, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-86489-209-7
- mit Mathias Bröckers: Wir sind immer die Guten – Ansichten eines Putinverstehers oder wie der Kalte Krieg neu entfacht wird. Westend Verlag, Frankfurt am Main 2019, ISBN 978-3-86489-742-9; erweiterte Neuauflage von: Wir sind die Guten – Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Medien manipulieren. Westend Verlag, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-86489-080-2.
- Chronik einer angekündigten Krise – Wie ein Virus die Welt verändern konnte, Westend Verlag, Frankfurt am Main 2020, ISBN 978-3-86489-316-2.
Weblinks
Einzelnachweise
- Dieter Deiseroth, Annegret Falter (Hrsg.): Whistleblower in der Sicherheitspolitik - Whistleblowers in Security Politics: Preisverleihung - Awards 2011/2013 (Chelsea E. Manning; Edward J. Snowden). BWV Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-8305-2950-7, S. 233
- Matthias Holland-Letz: Annäherung an ein Internet-Phänomen. Neues Deutschland, 14. Dezember 2017
- Sophie Martin: Auf den Spuren des DDR-Autoren Wolfgang Schreyer. In: Ostsee-Zeitung. 22. Juli 2017, abgerufen am 14. Februar 2018.
- Unökonomie In: Gutenbergs Welt. WDR, 7. September 2019; Digitale Ideale. In: Gutenbergs Welt. WDR, 9. November 2019
- https://www.nzz.ch/feuilleton/medien/die-stimmen-des-digitalen-untergrunds-1.18627359
- Andreas Anton: Verschwörungstheorien zum 11. September. In: Andreas Anton, Michael Schetsche, Michael K. Walter (Hrsg.): Konspiration: Soziologie des Verschwörungsdenkens. Springer VS, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-531-19323-6, S. 169–173
- Markus Linden: Mathias Bröckers / Paul Schreyer: Wir sind die Guten. Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Medien manipulieren. Rezension auf Portal für Politikwissenschaft, Frankfurt am Main, 4. Dezember 2014
- Buchreport-Datenseite Wir sind die Guten
- Брёкерс, Матиас - "Мы хорошие". Точка зрения человека, понимающего Путина, или Как средства массовой информаци... Russische Staatsbibliothek, abgerufen am 26. Februar 2018.
- Mathias Bröckers, Paul Schreyer: My jsme ti dobří : názory toho, kdo se snaží chápat Putina aneb Jak námi média manipulují. Nakladatelství Jaro, Prag 2014 (DNB=1069195154; tschechische Sprache)
- Markus Linden: Alles Lüge! Verschwörungstheorien erklären immer mehr Menschen die Welt. Für den Rest der Gesellschaft bedeutet das nichts Gutes. The European, 11. November 2014
- Markus Linden: Die Stimmen des digitalen Untergrunds, NZZ, 10. Oktober 2015
- Klaus von Beyme: Die Russland-Kontroverse. Eine Analyse des ideologischen Konflikts zwischen Russland-Verstehern und Russland-Kritikern. Springer VS, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-12030-6, S. 47
- Suchergebnisse für "paul schreyer". Abgerufen am 6. April 2021 (deutsch).
- ORF / Ö1: „Wer regiert das Geld?“ Kontext, 29. April 2016
- Guido Speckmann: Das Geldphantasma. Neues Deutschland, 30. März 2016 (kostenpflichtig; vollständiger Artikel)
- Christoph Dorner: Wie geht es weiter, Demokratie?. Süddeutsche Zeitung, 15. Juli 2018.
- Anna Ernst: Die Angst der Eliten. (Memento vom 24. März 2019 im Internet Archive) ZDF / Das Literarische Quartett, 20. April 2018
- Suchergebnisse für "paul schreyer". Abgerufen am 6. April 2021 (deutsch).
- Zeitgeschichte — 1998: Für den Ernstfall. Abgerufen am 29. März 2021.
- Matthias Holland-Letz: Bill und die Biowaffe (neues deutschland). Abgerufen am 31. März 2021.