Paracel-Inseln
Die Paracel-Inseln – regional auch als Xisha-Inseln bzw. Hoàng-Sa-Inseln[1] bekannt – (chinesisch 西沙群島 / 西沙群岛, Pinyin Xīshā Qúndǎo, vietnamesisch Quần đảo Hoàng Sa, Chữ nôm: 群島黄沙) sind eine Gruppe von Korallenatollen im Südchinesischen Meer. Sie liegen rund 330 km südöstlich der chinesischen Insel Hainan und 400 km östlich von Vietnam.
Paracel-Inseln | ||
---|---|---|
Gewässer | Südchinesisches Meer | |
Geographische Lage | 16° 30′ N, 112° 0′ O | |
| ||
Anzahl der Inseln | 30 | |
Gesamte Landfläche | 8,7 km² | |
Einwohner | 1700 | |
Die Inseln werden von der Volksrepublik China kontrolliert und sind aus chinesischer Sicht Teil der bezirksfreien Stadt Sansha in der Provinz Hainan. Sie setzen sich aus zwei Archipelen zusammen, den Xuande Qundao im Osten und den Yongle Qundao im Westen. Insgesamt umfassen sie 22 Inseln, acht Sandbänke und zehn versunkene Atolle, Riffe und Sandbänke, die nur bei Ebbe manchmal kurzzeitig trocken liegen. Hauptinsel ist die 2,1 km² große Yongxing Dao (Woody Island), die zum Archipel Xuande Qundao gehört. Durch das Südchinesische Meer und an den Paracel-Inseln vorbei führen wichtige Seestraßen. Vietnam und Taiwan beanspruchen die ganze Inselgruppe als ihr Staatsgebiet.[2]
Geschichte
618–1279
Auf den Paracels wurden einige archäologische Fundstücke aus der Tang- und Song-Dynastie ausgegraben,[3] die Hinweise auf eine zumindest zeitweise chinesische Besiedlung der Inseln in dieser Zeit geben.[4] Nach dem Wujing Zongyao, einem Buch, das während der Nördlichen Song-Dynastie im Jahre 1044 veröffentlicht wurde, gehörten die Inseln zum Patrouillengebiet der kaiserlichen Marine der Song-Dynastie.[5]
1279–1368
Im Jahre 1279 schickte Kublai Khan, Kaiser der Yuan-Dynastie, nach seinem Sieg über die Song den berühmten Astronomen Guo Shoujing in das Südchinesische Meer, um die Inseln und das sie umgebende Seegebiet zu erkunden und zu vermessen. Guos Stützpunkt für die Erkundungsfahrten lag auf den Paracel-Inseln. Seine Aktivitäten sind in der Yuan Shi genauestens beschrieben. Nach der Yuan Shi lagen die Inseln des Südchinesischen Meeres innerhalb der Grenzen der Yuan-Dynastie. Karten, die während der Yuan-Zeit publiziert wurden, verzeichnen Changsha (die Paracel-Inseln) und Shitang (die Nansha-Inseln) als Teil des Yuan-Reiches.
1368–1912
Lokalchroniken und andere historische Quellen der Ming- (1368–1644) und der Qing-Dynastie (1644–1912) erwähnen die Inseln im Südchinesischen Meer immer wieder als Territorium Chinas. Die damalige Präfektur Qiongzhou (höchste Verwaltungsbehörde des damaligen Hainan) übte in der Ming- und Qing-Zeit die Regierungsgewalt über die Paracel- und die Spratly-Inseln aus. In jener Zeit waren die Inseln nie dauerhaft besiedelt und dienten hauptsächlich als Vorposten für Fischer. Die ersten Europäer vor den Paracels waren französische Seefahrer (ca. 1568). Im Jahre 1816 erklärte der vietnamesische Kaiser Gia Long die Inseln zu vietnamesischem Territorium.[6]
Im Jahre 1883 protestierte die Qing-Regierung massiv gegen Deutschland, als deutsche Schiffe Erkundungsfahrten in die Paracel- und die Spratly-Region unternahmen. In den Jahren 1895 und 1896 sanken das deutsche Schiff Bellona und das japanische Schiff Himeji Maru[7] vor den Inseln. Die Wracks wurden von chinesischen Fischern geborgen und nach Hainan weiterverkauft. Proteste gegen das Verhalten der Fischer wurden von chinesischer Seite mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Inseln zu keinem Land gehörten. Im Chinesisch-Französischen Vertrag von 1887 (Frankreich hatte inzwischen Indochina besetzt) wurde ausdrücklich eine Linie der Seegrenzen festgelegt, bekannt als Sino-Tonkin Delimitation Line, nach der alle Inseln östlich der Linie zu China gehören sollten. Die Paracel- und die Spratly-Inseln liegen östlich der Linie. Im Jahre 1910 lud die Qing-Regierung Chinas Kaufleute ein, die Inseln im Südchinesischen Meer zu pachten, zu verwalten und zu entwickeln. Dafür sollte die Regierung die Inseln schützen und die chinesische Souveränität aufrechterhalten.[8]
Ab 1912
Nach dem Untergang der Qing-Dynastie stellte die neue Regierung der Provinz Guangdong die Paracel-Inseln unter die Verwaltung des Kreises Ya (heute: Stadt Sanya) der damaligen Präfektur Hainan. Während der Republik-Zeit übte China weiterhin seine Hoheitsrechte über die Inseln im Südchinesischen Meer aus, indem es Lizenzen für die Erschließung und Ausbeutung von Rohstoffen, vor allem Guano, an private chinesische Geschäftsleute vergab und indem es gegen ausländische Ansprüche und Besetzungen einiger Inseln protestierte. Der Generalgouverneur von Indochina erklärte im März 1925 die Paracel-Inseln zu französischem Gebiet.[9]
Am 27. Juli 1932 legte der chinesische Gesandte in Frankreich im Auftrag des chinesischen Außenministeriums einen diplomatischen Protest gegen die französischen Ansprüche auf die Paracel-Inseln beim französischen Außenministerium ein. Am 30. November 1932 schrieb Zhu Zhaoshen, ein hoher Beamter des chinesischen Außenministeriums, an den französischen Konsul in Guangzhou und wiederholte, dass es „absolut jenseits jeden Zweifels ist, dass die Xisha-Inseln innerhalb der Grenzen Chinas liegen“. 1937 erkundete eine französische Mission die Möglichkeiten, auf den Inseln Infrastruktur für den See- und Luftverkehr zu errichten.[10] Ungeachtet der wiederholten chinesischen Proteste besetzten französische Truppen am 3. Juli 1938 die Paracel-Inseln. Diese Aktion fand kurz nach dem Ausbruch des Japanisch-Chinesischen Krieges statt, als China hauptsächlich mit dem Widerstand gegen Japan beschäftigt war. Drei Tage später, am 6. Juli, protestierte das japanische Außenministerium:
„Die Erklärungen, die Großbritannien und Frankreich jeweils in den Jahren 1900 und 1921 abgegeben haben, stellten bereits fest, dass die Xisha-Inseln Teil der Präfektur Hainan sind. Daher sind die aktuellen Ansprüche, die von Annam oder Frankreich auf die Xisha-Inseln erhoben werden, völlig ungerechtfertigt.“
Während des Zweiten Weltkriegs vertrieb Japan die französischen Truppen und besetzte die Inseln. Nach dem Ende des Krieges übernahm die Republik China auf Taiwan im Oktober und November 1946 die Paracel-, die Spratly- und andere Inseln im Südchinesischen Meer.[11] Japan verzichtete offiziell 1952 auf die Inseln. Die Franzosen unterhielten nun eine Garnison auf Shanhu Dao (Pattle Island), die 1956 von südvietnamesischen Truppen übernommen wurde. Im gleichen Jahr besetzen Truppen der Volksrepublik China den östlichen Teil der Inselgruppe. Am 15. Januar 1974 landeten chinesische Truppen auf den westlichen Inseln und besiegten die vietnamesischen Kräfte.[12] Seitdem hält die Volksrepublik China die Paracel-Inseln, ungeachtet der Ansprüche der anderen Anrainerstaaten, besetzt.
2014 gab der staatliche chinesische Ölkonzern CNPC bekannt, dass seine Bohrplattform bei den Xisha-Inseln Öl- und Gasvorkommen gefunden habe.
Ende Januar 2016 durchquerte der US-amerikanische Zerstörer USS Curtis Wilbur weniger als 12 Seemeilen von Triton Island entfernt die Gewässer der Paracel-Inseln. Die Volksrepublik China protestierte daraufhin, da chinesische Hoheitsgewässer verletzt worden seien. Sprecher des Pentagon erwiderten, dass die Vereinigten Staaten bei den territorialen Konflikten im Südchinesischen Meer keine Parteinahme ergreifen, aber deutlich machen wollten, dass die USA „exzessive Seegebietsansprüche“ der Konfliktparteien, die die „Schifffahrtsrechte und Freiheiten“ einschränkten, nicht anerkennen würden.[13]
Am 17. Februar 2016 erklärte die Regierung der Republik China auf Taiwan, dass am 14. Februar 2016 aufgenommene Satellitenbilder zeigten, dass die Volksrepublik China auf Yongxing Dao (Woody Island), einer der Paracel-Inseln, Luftabwehrraketen-Einrichtungen installiert hätte. Der Oberkommandierende des United States Pacific Command Harry B. Harris bestätigte die Meldung und sprach von einer „Militarisierung des Südchinesischen Meers“, die zu unterlassen Präsident Xi Jinping eigentlich versprochen habe. Auch Japan äußerte sich besorgt.[14]
Am 18. Mai 2018 berichtete die Asia Maritime Transparency Initiative, dass – vermutlich erstmals – chinesische Kampfjets und Bomber, darunter der atomwaffentragfähige Typ Xian H-6, auf den Paracel-Inseln gelandet seien. Einige Wochen zuvor hatte der US-Fernsehsender CNBC berichtet, dass China ein Raketenabwehrsystem auf den ebenfalls umstrittenen Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer installiert habe.[15]
Im Juli 2020 schickte die US Navy die Flugzeugträger USS Ronald Reagan und USS Nimitz mit vier weiteren Kriegsschiffen zu den Inseln, um im dortigen Seegebiet Übungen durchzuführen. Dies sollte für US-Partner und US-Verbündete ein unmissverständliches Signal sein, dass sich die USA für die regionale Sicherheit und Stabilität einsetzten, und war eine Art Antwort auf mehrtägige Militärübungen Chinas nahe der Paracel-Inseln.[16]
Administrative Gliederung
Aus vietnamesischer Sicht
Die Paracel-Inseln sind als Bezirk Hoàng Sa Teil der Stadt Đà Nẵng. Die Fläche der Inseln (inklusive Hoheitsgewässer) beträgt 305 km², sie machen damit 24,29 % der Gesamtfläche der Stadt aus.[17]
- Am 13. April 1930 bis zum 12. April 1933 standen die Paracel-Inseln unter Verwaltung einer dort stationierten französischen Marine-Garnison
- 1938 erließ der Generalgouverneur von Französisch-Indochina Dekret 156/SC, mit dem die délégation administrative des Paracels gegründet wurde
- Bis zum Jahr 1938 waren die Paracel-Inseln Teil der Provinz Quảng Nam
- Im März 1938 übertrug Kaiser Bảo Đại die Paracel-Inseln unter die Kontrolle der Provinz Thừa Thiên
- Am 13. Juli 1961 erließ Präsident Ngô Đình Diệm Dekret 175-NV, wodurch die Inseln zur Gemeinde Định Hải im Bezirk Hòa Vang der Provinz Quảng Nam organisiert wurden
- Mit dem Dekret 709-BNV-HC vom 21. Oktober 1969 vereinigte die Regierung der Republik Vietnam die Gemeinde Định Hải mit der ebenfalls im Bezirk Hoà Vang gelegenen Gemeinde Hòa Long
- Von 1982 bis 1996 waren sie Teil der Provinz Quảng Nam-Đà Nẵng, seit deren Teilung 1996 gehören sie zu Đà Nẵng
Aus chinesischer Sicht
Als Teil der Stadt Sansha untergliedern die Inseln sich in zwei Einwohnergemeinschaften und fünf Dörfer. Außer Yonglequndao und Jinqing, die dem „Arbeits- und Verwaltungskomitee Yongle Qundao“ (永乐群岛工委、管委会) unterstehen, sind alle Verwaltungseinheiten der Stadtregierung von Sansha direkt unterstellt.
- Einwohnergemeinschaft Yongxing (永兴社区), auf Yongxing Dao, Sitz der Stadtregierung
- Einwohnergemeinschaft Yonglequndao (永乐群岛社区), auf Jinqing Dao
- Dorf Jinqing (晋卿村), auf Jinqing Dao;
- Dorf Lingyang (Sansha) (羚羊村), auf Kuangzai Shaozhou
- Dorf Qilianyu (七连屿村), auf Zhaoshu Dao
- Dorf Yagong (鸭公村), auf Yagong Dao
- Dorf Yongxing (永兴村), auf Yongxing Dao
Allgemeines
Trotz häufiger Wirbelstürme und tropischen Klimas zeigen Vietnam und beide chinesische Staaten großes Interesse an den Inseln, weil man in ihrem Bereich Öl- und Gasvorkommen vermutet.
China baute auf den Inseln Hafenanlagen, einen Flughafen und errichtete ein Mobilfunknetz.
Daneben finden sich auch zahlreiche Schiffswracks mit wertvoller historischer Ladung, hauptsächlich chinesische Exportprodukte der Song-, Yuan- und Ming-Zeit.
Weitere Inselgruppen im Südchinesischen Meer
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- http://nguyenthaihocfoundation.org/lichsuVN/tapsansudia29dackhaohoangsatruongsa1.pdf
- Gefährliche Scharmützel im Südchinesischen Meer. – China steht mit Vietnam in einem offenen Territorialkonflikt. Der heikle Streit dreht sich um Rohstoffe – und um die Vormachtstellung in der Region. In: Die Zeit. 15. Juni 2011.
- Museum of Guangdong Province: Briefing Investigation Report of Guangdong Province Xisha Islands’ Culture Relics. In: Culture Relics. Oktober 1974, S. 1–29, 95–102 (cnki.net [abgerufen am 28. November 2008]). Briefing Investigation Report of Guangdong Province Xisha Islands’ Culture Relics (Memento vom 9. Januar 2009 im Internet Archive). In: epub.cnki.net, abgerufen am 6. Juli 2020. (chinesisch)
- Zhenhua Han, LI Jinming: Niangniang Temple and Corallite Little Temple in Paracel and Spratly Islands. In: Southeast Asian Affairs. April 1990, S. 86 (cnki.net [abgerufen am 28. November 2008]). Niangniang Temple and Corallite Little Temple in Paracel and Spratly Islands (Memento vom 8. Januar 2009 im Internet Archive). In: epub.cnki.net, abgerufen am 6. Juli 2020. (chinesisch)
- 南沙主权历史和法理依据到底有哪些?- „Welches historisches Territorialrecht und Belege gibt es eigentlich zu den Nansha-Inseln ?“ In: www.hotbak.net. 6. Juli 2020, abgerufen am 6. Juli 2020 (chinesisch).
- Monique Chemillier-Gendreau: Sovereignty over the Paracel and Spratly Islands, S. 35.
- Himeji Maru Cargo Ship 1888-1896. In: Wrecksite. Abgerufen am 10. Juni 2019 (englisch).
- Myron H. Nordquist, John Norton Moore: Security flashpoints: oil, islands, sea access and military confrontation. University of Virginia, S. 165–174.
- Monique Chemillier-Gendreau: Sovereignty over the Paracel and Spratly Islands, S. 37.
- Monique Chemillier-Gendreau: Sovereignty over the Paracel and Spratly Islands, S. 38.
- Myron H. Nordquist u. a.: Security Flashpoints. oil, islands, sea access and military confrontation. University of Virginia, Center for Oceans Law. Martinus Nijhoff Publishers, 1998, S. 174–185. (online in der Google-Buchsuche)
- Monique Chemillier-Gendreau: Sovereignty over the Paracel and Spratly Islands, S. 44.
- South China Sea: US warship sails near disputed island. In: BBC News. 30. Januar 2016, abgerufen am 30. Januar 2016 (englisch).
- China 'has deployed missiles in South China Sea' – Taiwan. In: BBC News. 17. Januar 2016, abgerufen am 17. Januar 2016 (englisch).
- China landet erstmals Kampfjets auf umstrittenen Inseln orf.at 19. Mai 2018, abgerufen 19. Mai 2018.
- https://www.n-tv.de/politik/USA-schicken-zwei-Flugzeugtraeger-article21890956.html
- http://www.vietlaw.gov.vn/LAWNET/docView.do?docid=4531