Otto Wolff (Mediziner, 1921)
Otto Wolff (* 3. April 1921 in Glatz, Schlesien; † 4. September 2003 in Arlesheim, Schweiz)[1][2] war anthroposophischer Arzt und Autor. Er war nach Friedrich Husemann Herausgeber und Hauptautor des dreibändigen Standardwerks der anthroposophischen Medizin Das Bild des Menschen als Grundlage der Heilkunst. Entwurf einer geisteswissenschaftlich orientierten Medizin.[3][1] In den Worten seiner Ehefrau Gudrune Hoffmann[1] war sein „... Lebensmotiv ..., die Naturwissenschaft und besonders die Medizin mit der Geisteswissenschaft erkennend zu durchdringen.“[2]
Biographie
Otto Wolff wurde als 5. und jüngstes Kind in eine Kaufmannsfamilie geboren. Während der Schulzeit entwickelte er ein intensives Interesse für Chemie und las sich autodidaktisch in das Gebiet ein.[2] Nach dem Abitur im März 1939 und einem 1/2-jährigen Einsatz im Arbeitsdienst begann er mit dem Medizinstudium in Berlin und Königsberg und machte im Dezember 1940 das Physikum nach 3½ Trimestern.[2] Im Universitätsmilieu fühlte er sich wohl, besonders in einem interdisziplinären Zirkel von Professoren um Konrad Lorenz, an dem er als einziger Student teilnahm.[2] Im April 1941 wurde er zum Kriegsdienst bei der Sanität eingezogen und kam nach Russland, wo ihn eigene Erkrankungen in lebensbedrohliche Situationen brachten.[2] Zum Studium abkommandiert, verbrachte er das Ende des Krieges in Breslau, Wien, Innsbruck, wo er auch das Studium abschloss.[2] Er kam schnell aus französischer Gefangenschaft frei und kehrte nach Deutschland zurück.[2] In München fand er eine biochemische Tätigkeit. Dort lernte er durch Johannes Rohen Rudolf Steiners Werke kennen.[2] Wenig später begegnete er Friedrich Husemann, der ihn aufforderte, als Assistent zu ihm in die Klinik Wiesneck bei Freiburg (heute Friedrich-Husemann Klinik) zu kommen. Er arbeitete dort für 7 Jahre und wurde Mitautor des Standardwerkes Husemann/Wolff.[2]
Des Weiteren arbeitete er als praktischer Arzt und Schularzt (unter anderem in Nürnberg).[2] Durch die Vermittlung von Wilhelm Pelikan kam er 1963 für ca. 10 Jahre an die Weleda in Schwäbisch Gmünd[2] und war viele Jahre in der Heilmittelforschung und -entwicklung tätig[1] sowie zunehmend auch als Vortragsredner.[2] 1981 war er der erste Redakteur des Journal of Anthroposophic medicine,[1] der Publikation der US-amerikanischen Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte (Physicians’ Association for Anthroposophic Medicine), an deren Gründung er maßgeblich beteiligt war.[4] Seine letzten Lebensjahre waren von einer umfangreichen Lehrtätigkeit in den meisten Ländern Europas, Nord-, Zentral- und Südamerikas und Afrikas geprägt. Er war lange ärztlicher Mentor in der Arbeitsgemeinschaft Anthroposophischer Zahnärzte.[1]
1998 erschien sein Lebenswerk: Grundlagen einer geisteswissenschaftlich erweiterten Biochemie[5], gewidmet Eugen Kolisko, als dessen Schüler er sich empfand.[2]
„Die heutige Forschungsmethodik sucht ein ihr unbekanntes Phänomen dadurch zu erklären, daß dieses reduziert wird auf bekannte Tatsachen. Insbesondere gilt es unausgesprochen und unbewußt als «Erklärung», wenn das Phänomen auf physikalische oder chemische Begriffe zurückgeführt werden kann, d. h. wenn der sogenannte «Wirkungsmechanismus» im Sinne eines physikalischen Vorganges oder einer chemischen Reaktion dargestellt wird. Es werden auch die meisten Versuche, dem Leben auf die Spur zu kommen, so unternommen, daß chemische oder elektrische Vorgänge (Potentiale, Elektronenwolken) zugrunde gelegt werden. Man meint auch, z. B. das Problem der Vererbung sei dadurch erklärt, daß man die DNS-Struktur und den Code aufgezeigt hat. Dies ist gerade so, als würde man die Sprache dadurch erklären, daß man sie auf die bekannten 24 Buchstaben reduziert und feststellt, daß alle Bücher nur aus 24 Buchstaben bestehen. Das ist zwar eine Tatsache, jedoch sagt diese über den Inhalt des Buches überhaupt nichts aus, sondern nur über das Mittel, durch das dieser zur Erscheinung kommt. Die Kenntnis der Buchstabenanordnung reicht sogar hin, um den Text genau zu vervielfältigen - ohne das geringste Verständnis für den Inhalt [...]
Das Phänomen wird so in eine Einseitigkeit gedrängt, die als solche nicht (unbedingt) falsch zu sein braucht, jedoch der Wirklichkeit nicht gerecht wird.
Diesem Reduktionismus steht methodisch das Lesen im Buch der Natur gegenüber, wie es durch Goethe, den Begründer einer geistgemäßen Naturerkenntnis, ausgearbeitet wurde. Dem obigen Beispiel folgend, bedeutet dies, daß es nicht beziehungsweise nicht nur der Sinn einer Forschung und Erklärung sein kann, die Buchstabenfolgen eines Wortes, Satzes oder Buches zu verfolgen, sondern diese als Ausdrucksmittel eines übergeordneten Ideengehaltes, eines Gedankens oder eines Wesens zu erfassen. Es handelt sich in Zukunft um das Lesen im Buche der Natur und dessen Verstehen, nicht dessen Analyse!“
Im gleichen Jahr erkrankte er an einem Leiden, das 5 Jahre später zu seinem Tode führte.[2]
Werkauswahl
- Anthroposophisch orientierte Medizin und ihre Heilmittel. 6. Auflage. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1996, ISBN 978-3-7725-0682-6.
- Die naturgemässe Hausapotheke: Ein praktischer Ratgeber für Gesundheit und Krankheit (Praxis Anthroposophie). Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-7725-1279-7.
- Was essen wir eigentlich? Praktische Gesichtspunkte zur Ernährung. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-7725-2612-1.
- Grundlagen einer geisteswissenschaftlich erweiterten Biochemie. 2. Auflage. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-7725-1091-5.
- Heilmittel für typische Krankheiten: Rudolf Steiners methodisch neu konzipierte Heilmittel. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-7725-1280-3.
- nach Friedrich Husemann als Herausgeber: Das Bild des Menschen als Grundlage der Heilkunst. Entwurf einer geisteswissenschaftlich orientierten Medizin, 3 Bände:
- Zur Anatomie und Physiologie. 11. Auflage. Band 1. Freies Geistesleben, Stuttgart, ISBN 3-7725-0529-5 (1. Auflage Weise, Dresden 1941).
- Zur Pathologie und Therapie. 6. bearb. u. erw. Auflage. Band 2. Freies Geistesleben, Stuttgart 2000, ISBN 3-7725-0530-9 (1. Auflage Stuttgart 1956).
- Zur speziellen Pathologie und Therapie. 4. Auflage. Band 3. Freies Geistesleben, Stuttgart 1993, ISBN 3-7725-0531-7 (Erstausgabe: 1978).
Weblinks
- Literatur von und über Otto Wolff im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Biographische Archiv-Notiz bei der Forschungsstelle Kulturimpuls: Otto Wolff
Einzelnachweise
- Otto Wolff (Biographische Archiv-Notiz). In: Forschungsstelle Kulturimpuls. Abgerufen am 30. Januar 2022.
- Gudrune Wolff-Hoffmann: Im Gedenken an Otto Wolff, 3.4.1921 - 4.9.2003. In: Der Merkurstab. Zeitschrift für Anthroposophische Medizin. Band 56, Nr. 6, 2003, ISSN 0935-798X, S. 382–402 (anthromedics.org [abgerufen am 30. Januar 2022]).
- Friedrich Husemann, Otto Wolff (Hrsg.): Das Bild des Menschen als Grundlage der Heilkunst. Entwurf einer geisteswissenschaftlich orientierten Medizin. (3 Bände).
- Christian Wessling: Im Gedenken an Otto Wolff, 3.4.1921 - 4.9.2003 - Otto Wolff in North America. In: Der Merkurstab. Zeitschrift für Anthroposophische Medizin. Band 56, Nr. 6, 2003, ISSN 0935-798X, S. 382–402.
- Otto Wolff: Grundlagen einer geisteswissenschaftlich erweiterten Biochemie. 2. Auflage. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-7725-1091-5.