Orientalischer Tanz
Orientalischer Tanz, im Volksmund auch bekannt als Bauchtanz, ist ein meist von Frauen in speziellen Kostümen zu orientalischer Musik ausgeführter Tanz.
In der arabischen Welt wird der Tanz Raqs Scharqi / رقص شرقي / raqṣ šarqī genannt. Aufgrund der wörtlichen Übersetzung „Tanz des Ostens“ ist die deutsche Bezeichnung „Orientalischer Tanz“ korrekt, bezieht sich jedoch nicht auf die Gesamtheit aller orientalischen Folkloretänze, sondern nur auf den ägyptischen Solotanz.
Geschichte
Der Orientalische Tanz bezieht sich auf eine Tanzform, die ihren Ursprung in Ägypten hat, und bezeichnet den dortigen Solotanz der Frauen. Dem widerspricht Anthony Shay. Aufgrund einer Fülle von Literaturhinweisen kommt Shay zu dem Schluss, dass der orientalische Tanz „von jedermann, in verschiedensten Aufführungen, getanzt wird: von Amateuren und Berufstänzern, von Jungen und Mädchen, von Frauen und Männern“.[1] Allerdings sei diese Tradition in großen Städten wie Kairo und Buchara nach dem Ersten Weltkrieg erloschen.
In Ägypten hatte der Tanz von jeher einen hohen Stellenwert bei allen festlichen Gelegenheiten. Fremde und Reisende waren seit Jahrhunderten von diesem Tanz fasziniert und berichteten in ihren Briefen, Reisebeschreibungen und Büchern darüber. Seit der Kolonisation Ägyptens und mit zunehmendem technischen Fortschritt und kulturellem Austausch verbreitete sich der Tanz auch im Ausland. Heute ist er in Europa, Australien, Skandinavien, Japan und den USA ebenso zu finden wie in Ägypten. Manche Vertreterinnen halten sich eng an die ägyptische Tradition, andere haben Einflüsse aus anderen Tanzstilen und Musikrichtungen mitverarbeitet. Es gibt inzwischen eine kontroverse Auseinandersetzung darüber, was der „echte“ ägyptische Tanz sei; verschiedene Schulen und Stile bildeten sich heraus.
Zur Zeit der Weltausstellung in Chicago (USA) um 1893 zeigte die aus Syrien stammende Tänzerin Fahreda Mazar Spyropoulos mit dem Bühnennamen Little Egypt zum ersten Mal orientalische Tänze vor internationalem Publikum. In dieser Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts war das Zeigen eines entblößten Bauches ebenso wie das Zeigen eines Fußes oder unbedeckter Hände und Arme gesellschaftlich sanktioniert. Die Tänze von Little Egypt, die in den USA später in Burlesque-Aufführungen auftrat, waren trotz oder gerade wegen der Zurschaustellung normalerweise bedeckter Körperteile eine Sensation. Offiziell wurde dem Tanz und der Tänzerin nur entrüstete Aufmerksamkeit gezollt, trotzdem sind ihr Name sowie einige Fotoaufnahmen verschiedener Tänzerinnen, die sich ebenfalls Little Egypt nannten, bis heute bekannt.
Mit der Entwicklung des Orientalischen Tanzes zum Show- und Bühnentanz, der neben traditionellen Formen besteht, wurden Elemente aus dem klassischen Ballett integriert. Das erweiterte das Spektrum des Tanzes und erlaubte vor allem raumgreifendere Bewegungen, die die Bühne nutzen, und führte zu mehr Eleganz und Leichtigkeit. Gleichzeitig verliert der Tanz einen Teil seiner erotischen Ausstrahlung.[2]
Der Orientalische Tanz gilt als ein Ursprung von Striptease und Burlesque, seine Bewegungen bieten sich für erotische Vorführungen an.[3] Er beinhaltet damit auch den exhibitionistischen Aspekt von Tanz.[4] In den Vereinigten Staaten war der Ende der 19. Jahrhunderts aus dem Bauchtanz abgeleitete Hoochie Coochie der unmittelbare Vorläufer des Striptease.[5] In diesem Zusammenhang steht die Wiederbelebung des Bauchtanzes während der sexuellen Befreiungsbewegung in den 1970er Jahren.[6]
Der Begriff „Bauchtanz“
Die Bezeichnung „Bauchtanz“ stammt vermutlich aus der französischen Bezeichnung Danse du ventre („Bauchtanz“). In ihren Romanen bezeichneten die französischen Schriftsteller Émile Zola und Gustave Flaubert den Orientalischen Tanz als Danse du ventre. Gustave Flaubert beschreibt in seinem Reisebericht Reise in den Orient auch orientalische Tänzerinnen, die er auf seinen Reisen gesehen hat. Ebenso denkbar ist, dass die Bezeichnung „Raqs Balady“, übersetzt „Tanz der Leute“ (Einheimische in Ägypten), zu der englischen Bezeichnung „Bellydance“ (Bauchtanz) geführt hat.
„Bauchtanz“ ist die umgangssprachliche Bezeichnung für orientalischen Tanz. Der Begriff „Bauchtanz“ reduziert die Vielfalt des orientalischen Tanzes und das Können der Tänzerinnen auf den Bauch, die Hüfte oder das Gesäß. Wie bei allen Tänzen werden natürlich auch Arme, Beine, Hände, Füße, Schultern und Kopf bewegt.
Die verbreitete Vorstellung, dass Bauchtanz in der Vergangenheit als Beischlaf-Animation für Sultane oder als Verführungstrick benutzt wurde, entspringt eher schwülstigen Haremsfantasien und ist eine der vielen Legenden, die sich um den Bauchtanz ranken.
Zur weiteren Legendenbildung um den Bauchtanz trugen folgende gern erzählte Geschichten bei:
- dass Salome die erste orientalische Schleiertänzerin der Bibel war.
- dass die Königin von Saba vor König Salomon einen Bauchtanz aufführte.
- dass Kleopatra VII. Julius Caesar mit einem orientalischen Bauchtanz verführt hat.
- dass Bauchtanz im Harem erfunden wurde.
Jedoch ist nichts davon durch antike Quellen belegbar.
Wesentliche Bestandteile
Bewegungen und Bewegungsansätze
Nach dem Bewegungsansatz (z. B. Muskulatur des Beckens oder eher der Beine) können Stilrichtungen unterschieden werden. So wird beim typischen ägyptischen Solotanz die Bewegung aus der Körpermitte geholt und kehrt energetisch auch oft wieder dahin zurück. Bei einer westlicheren Ausrichtung kommen die Bewegungen meist aus den Beinen, sind recht groß und werden seltener muskulär abgestoppt. Es gibt weiche, schlangenhafte Bewegungen, die zur Melodie getanzt werden, und härtere, rhythmische Bewegungen. Grundsätzlich handelt es sich um einen Tanzstil mit isolierten Bewegungen der einzelnen Körperregionen.
Vor allem beim Shimmy, dem rhythmischen, isolierten Zittern der Hüften oder anderer Körperteile, ist die gekonnte Isolation der Tänzerin sehr deutlich zu sehen. Der Shimmy kann in unterschiedlicher Intensität gezeigt werden, dabei kann die Tänzerin tanzen (d. h. der Shimmy wird über die größere Tanzbewegung gelegt) oder versucht, einen Shamadan oder Säbel möglichst ruhig auf dem Kopf zu balancieren. Je besser die Isolation beim Shimmy trainiert ist, desto bewegungsfreier wird das Tanzaccessoire balanciert. Als Nebeneffekt des Shimmy werden die auf dem Bauchtanzkostüm (vor allem an den Hüften und am Oberteil) angebrachten Verzierungen in Bewegung (bei Metallverzierungen auch zum Klingen) gebracht. Man benötigt eine große Körperbeherrschung, um den Shimmy technisch einwandfrei zeigen zu können.
Gerade beim westlichen Stil werden viele Hand- und Armbewegungen eingesetzt. Der traditionelle orientalische Stil hingegen sieht die Arme und Hände eher als Umrahmung des tanzenden Körpers. Die Bewegungen lassen sich grob dahingehend einteilen, dass die Füße dem Grundrhythmus folgen, das Becken der Tabla/Darbuka und der gesamte Körper die Melodie widerspiegelt. Im arabischen Tanz ist die Kenntnis des etwaigen Textes unabdingbar, da eine Tänzerin diesen interpretieren muss, d. h. die Körpersprache (Gestik ebenso wie Mimik) und der Text müssen stimmig sein. Im Gegensatz zur ägyptischen Tanzszene werden in der Türkei instrumentale Tanzstücke bevorzugt.
Bauchtanz wird meist als typisch weiblicher Tanz wahrgenommen, der die Gefühlswelt und Kraft von Frauen zum Ausdruck bringt. Vor allem in Ägypten sind Frauen über 40 sehr populäre Bauchtänzerinnen, etwa Suhair Zaki, Fifi Abdou, Lucy und Dina. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass eine gute Tänzerin über Lebenserfahrung und eine langjährige Bühnenerfahrung verfügen muss.
Das Bauchtanzkostüm
Das typische Bauchtanzkostüm entstand etwa in den 1920er Jahren in den Kabaretts in Algier, Beirut und Kairo. Hauptsächlich in den Kabaretts von Kairo wurde der arabische Bauchtanz in seiner heutigen Form entwickelt und als Unterhaltungstanz aufgeführt.
Ein typisches Raqs-Sharqi-Kostüm besteht z. B. aus einem paillettenbesetzten BH-artigen Oberteil, einem ebenfalls paillettenbesetzten Gürtel (zusammen mit dem Oberteil als Bedleh bezeichnet) und einem Rock. Das traditionelle Kostüm bzw. die folkloristische Kleidung verwendet Münzen als Verzierung und gleichzeitig als Geldanlage (siehe auch Ouled Nail). Die orientalischen Tanzkostüme haben sich mit der Zeit modisch bedingt immer wieder verändert. Sie waren mehr oder weniger freizügig, hatten weite oder enge Röcke, Shorts oder auch Hosen. Als Accessoire kann zu einem klassischen Solo ein Schleier oder Cape benutzt werden. Im klassischen orientalischen Tanz ist der Schleier ein Intro-Accessoire und wird nach dem Eingangspart der Musik von der Tänzerin auf der Bühne abgelegt.
Als Tanzaccessoires werden feine Schleier, Säbel oder Kerzentabletts eingesetzt. Tänze mit solchen Elementen werden zum Teil als Fantasy bezeichnet, da viele Accessoires von amerikanischen und europäischen Tänzerinnen des 19. Jahrhunderts in den exotischen Tanz eingeführt wurden (z. B. Ruth St. Denis) und nur sehr entfernt mit den ursprünglichen Tänzen des Orients verwandt sind. Auch die typischen Schleiertänze der Salome oder Tänze von Schleiertanz-Gruppen sind kein klassischer orientalischer Tanz. Mit dem Schleier wird nur in der Sparte Fantasy durchgehend getanzt. Mehr Infos dazu siehe Schleiertanz.
Neben dem klassischen Bauchtanzkostüm werden für die folkloristischen orientalischen Tänze und Stile im arabischen Raum (z. B. Hagalla, Iskanderani, Saidi) besondere Kleider bzw. Kostüme getragen, die keinem so deutlich erkennbaren Modetrend unterliegen wie z. B. die Sharqi-Kostüme.
Auch bei den orientalischen Tänzen der westlichen Welt (z. B. American Belly Dance) trägt man andere Kleidung als bei der „klassischen Show“, z. B. beim Säbeltanz oder Tribal Style Dancing.
Stile des orientalischen Tanzes
- Klassisch-orientalischer Tanz
- Baladi
- Orientalische Folkloretänze
- Tsifteteli (griech. τσιφτετέλι) ist die griechische Bezeichnung für einen traditionellen orientalischen Tanz. Die Bezeichnung Tsifteteli ist eine Ableitung von dem türkischen Wort Çiftetelli, was „mit zwei Saiten“ bedeutet. Dieser Tanz ist in Griechenland landesweit verbreitet.
- American Tribal Style Belly Dance und dessen Derivate wie Tribal Fusion.
Fantasy
Diese Tänze wurden nach alten Bildern und Geschichten erdacht, ohne reale geschichtliche Grundlagen für die Tanzformen und -schritte.
Historischer Tanz
Modetänze
Tänze wie Samba Oriental, Oriental Techno oder Oriental Pop sind Tänze, die Elemente aus dem Orientalischen Tanz übernommen haben, aber zu den modernen Mode- und Partytänzen bzw. zum Tanzsport und den Tänzen der Jugendkultur gehören. So sind die Kleidung, die Bewegungsvielfalt und auch die Musik völlig frei wähl- und verarbeitbar. Bekannteste Trendsetterin der „Oriental-Pop-Welle“, die viele typische Bauchtanzbewegungen in ihre Choreografien, Videoclips und Liveauftritte einbaut, ist die kolumbianische Sängerin Shakira. Ebenso zeigten und zeigen auch Beyoncé Knowles, Britney Spears, Christina Aguilera und Cher viele typische Bewegungen und Tanz-Kombis aus dem orientalischen Tanz.
Die Entwicklung des Kairoer Stils
Der arabische Raqs Sharqi wurde in der Cabaret-Szene von Kairo in seiner Grundform und Ausprägung entwickelt und aufgeführt. Verbreitet wurde dieser Cabaret-Stil hauptsächlich durch die ägyptische Filmindustrie. Ägypten hat bis heute eine starke Filmindustrie, und zwischen 1920 und 1950 boomten Filmproduktionen und Aufführungen. Da der Eintritt für einen Film wenig kostete und vom tristen Alltagsleben ablenkte, konnten sich die in den Filmen gezeigten Tanzstile schnell etablieren und wurden in den Cabarets und Nachtclubs weiterentwickelt. Auch das Fernsehen, in dem bis heute auch gerne alte Filme gezeigt werden, und welches in Ägypten rund um die Uhr angeschaltet ist, hat seit seiner Etablierung dazu beigetragen, die großen Tänzerinnen des frühen ägyptischen Kinos weiterhin im Gedächtnis zu behalten.
Bekannte und berühmte Tänzerinnen des Kairoer Stils, auch außerhalb Ägyptens, sind u. a. Samia Gamal, Tahia Carioca, Naima Akef und später Nagua Fouad. Suher Zaki oder Fifi Abdo setzten im orientalischen Tanz ebenfalls hohe Maßstäbe, die nicht nur in der arabischen Welt Anwendung und Nachahmung finden.
In Ägypten und der arabischen Welt, speziell ab ca. 1980 bis heute, hat der Tanz den Status einer gehobenen Unterhaltungskunst.
Orientalischer Tanz außerhalb der arabischen Welt
Der Bauchtanz, wie er heute in der westlichen Welt bekannt ist, stellt eine Sonderform des orientalischen Tanzes dar. Bauchtanz ist auch in der Türkei, in Griechenland und generell im Balkanraum verbreitet. In Griechenland und auf dem Balkan wird er in erster Linie als Gesellschaftstanz getanzt und eher selten vorgeführt.
Der türkische Bauchtanz heißt Göbek Dansı (Göbek; türk. Bauch) oder Oryantal Dans, der griechische Tsifteteli. Diese beiden Formen kennen weniger Bewegungen als der arabische Bauchtanz, und auch die Musik dazu ist rhythmisch meistens gleichförmig, im Gegensatz zur arabischen Bauchtanzmusik, die in einem einzigen Stück eine große Vielfalt von Rhythmen aufweist.
Mit dem ersten Auftauchen des orientalischen Tanzes in den USA vor über vierzig Jahren wurde aus dem exotischen Tanz eine Mainstreambewegung. Mit der Hippie-Ära, der Entdeckung fernöstlicher Philosophien und alternativer Lebensmodelle wurde auch der orientalische Tanz in den USA neu entdeckt. Hier gelang im Laufe der Zeit die Entwicklung eines eigenständigen Stils, des American Cabaret Bellydance (auch AmCab genannt) oder „American Bellydance“, der sich vom klassischen orientalischen Tanz unterscheidet. Diese Entwicklung eines eigenständigen Stils förderte die Kreativität und das Selbstbewusstsein amerikanischer Tänzerinnen, eigene Fusionen und Bewegungen einzubringen, ohne sich mit Authentizitätsproblemen auseinandersetzten zu müssen.
Bekannte zeitgenössische amerikanische Tänzerinnen (diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit) sind: Suhaila Salimpour, Ansuya, Dalilah, Cassandra, Dalia Carella, Suzanna Del Vecchio, Morocco, Latifa und Helena Vlahos, die in den 1970er Jahren im amerikanischen Fernsehen rollende Münzen auf ihrem Bauch tanzen ließ.
Unter der Bezeichnung moderner ägyptischer Tanz versteht man die Weiterentwicklung der traditionellen ägyptischen Tanzbewegungen. Im Sinne von Weiterentwicklung des traditionellen ägyptischen Tanzes wurden seit einigen Jahren neue Elemente (Bewegungen und Kombinationen) durch ägyptische Tänzerinnen in den Bauchtanz eingebracht. Diese neueren Bewegungselemente werden zur besseren Unterscheidung und Benennung oft nach den einzelnen Tänzerinnen benannt, die diese Bewegungen zeigten und verbreiteten.
Eine andere Entwicklung in Form von sogenannter „westlicher Verfremdung“ des ägyptischen Tanzes findet, laut konservativen Verfechtern des reinen ägyptischen Stiles, in Europa und USA täglich statt. Diese neuen Elemente, Bewegungen und Abläufe werden meist nicht nach deren Schöpfern benannt oder nur im Rahmen regionaler Aktivitäten der Tänzerinnen selbst verbreitet. Oft wird auch die Bezeichnung moderner ägyptischer Tanz als Kennzeichnung für einen vereinfachten Raqs Sharqi zu moderner Popmusik verwendet. Vor allem in Ägypten werden solche Entwicklungen als Verfremdung empfunden und kaum oder eher amüsiert zur Kenntnis genommen.
Bis heute haben sich zahlreiche sehr gute und bekannte Tänzerinnen und Tänzer aus dem konservativen Schatten des puren ägyptischen Stils herausentwickelt. Durch ihre Arbeit mit Bauchtanz haben sich inzwischen viele Tänzerinnen und Tänzer einen respektablen Ruf in Deutschland, Europa und auf internationaler Ebene erarbeiten können. Als Plattform für einen weltweiten Tanz- und Erfahrungsaustausch gelten bis heute die internationalen Tanzfestivals in Ägypten, USA und Europa.
In der westlichen Welt wird orientalischer Tanz stark verändert, was ihn entsexualisiert. Dazu trägt auch die häufige Betonung des Techniktrainings bei.[7]
Verbot von Bauchtanz
Bauchtanzvorführungen sind und waren in verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Zeiten immer wieder von Verboten oder Einschränkungen betroffen, wie z. B. im Osmanischen Reich. Vor allem in Ländern mit streng religiöser Regierung oder Ländern, deren Religionsführer der Zurschaustellung unverhüllter, vor allem weiblicher Körperteile sehr kritisch gegenüberstehen, steht der Bauchtanz immer wieder im Mittelpunkt zahlreicher Debatten. Daher wird der Tanz auch zum Anlass genommen, den moralischen Verfall einer Gesellschaft zu kennzeichnen und damit den Tanz wie auch seine Darsteller als moralisch verwerflich zu brandmarken. Als Reaktion bildeten sich Formen heraus, bei denen anstelle der Frauen Männer oder Knaben tanzten, so z. B. Köcek.
In Ägypten wurde für ein Jahr ein Auftrittsverbot für nicht-ägyptische Tänzerinnen erlassen, das bis September 2004 in Kraft war. Der Kulturminister der Palästinensischen Autonomiegebiete Attallah Abu al-Sibbah soll 2006 angedeutet haben, dass er plane, Bauchtanz ganz zu verbieten.[8]
Bauchtanz in der Populärkultur
Obwohl Bauchtanz gerne belächelt und nicht als echte Tanzkunst angesehen wird, gibt es sehr viele Künstler, Tänzer, Musiker und Sänger, die mit orientalischer Musik und den orientalischen Tanzbewegungen arbeiten. Vor allem auf Musik und Film hat der Bauchtanz großen Einfluss.
Bauchtanz in Musikproduktionen
- In dem Videoclip zu Madonnas Song Frozen hat die amerikanische Sängerin nicht nur die typischen Hennamalereien an den Händen, ihre Hand- und Armbewegungen zeigen auch deutliche orientalische Züge (resp. des Tribal Style Dance).
- Im Videoclip zum Song I'm a Slave 4 U zeigt Britney Spears typische Bauchtanzbewegungen.
- Die amerikanische Sängerin Beyoncé zeigt typische Bauchtanzbewegungen in ihrem Videoclip Baby Boy.
- In dem Lied des amerikanischen Rappers Eminem Ass Like That beginnt die erste Strophe mit dem Text: „The way she moves, she's like a belly dancer“. Auch ist die Musik zu diesem Lied deutlich orientalisiert.
- Das Lied Bananza des amerikanischen Sängers Akon enthält folgende Textpassage: „Don't be shy girl, go bananza. Shake your body like a belly dancer.“
- Die bekannteste Sängerin, die Bauchtanzbewegungen zeigt und auch arabische Musik in ihren Produktionen verwendet, ist die kolumbianische Sängerin Shakira. Sie zeigte bei den MTV Video Music Awards 2006 in New York ihren Song Hips Don’t Lie, der in Zusammenarbeit mit Wyclef Jean entstand. Ihre halb-libanesische Abstammung zeigt sich sehr stark in ihrem Tanz und auch in ihren Choreografien.
- 2002 beschloss Cher im Alter von 56 Jahren, ihre Tourneen mit einer letzten Farewell Tour zu beenden. Diese endete am 30. April 2005 nach 325 Shows auf der ganzen Welt (5,880 Millionen Besucher) mit einer Rekordeinnahme von rund 400 Millionen US-Dollar (323 Millionen Euro). Während des Konzertes verkleidete sich Cher als Orientalin und ritt auf einem Kunst-Elefanten auf die Bühne.
- Christina Aguilera zeigte sich in einem Werbespot für einen großen amerikanischen Getränkehersteller als Bauchtänzerin und als indische Tänzerin. Bereits in ihrem 1999 erschienenen Hit Genie In A Bottle nimmt sie Bezug auf die Fernsehserie Bezaubernde Jeannie (im Original: „I dream of Jeannie“), in der ein orientalischer Flaschengeist mit magischen Fähigkeiten die Hauptrolle spielt, und zeigt im dazugehörigen Videoclip orientalische Tanzbewegungen.
Bauchtanz in Filmproduktionen
Die Auflistung dieser Filme stellt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll nur einen kleinen Überblick über die vielen Filme geben, die Bauchtanz zeigen, oft sogar berühmt wurden durch den Auftritt einer bekannten Schauspielerin in einer orientalischen Tanzszene. Obwohl Bauchtanz in den Filmen an sich kaum wahrgenommen wird, spielt er oft eine wichtige Rolle für die Handlung (z. B. Wild Wild West), dient der Intensivierung des Gefühls, der Orient sei eine andere Welt, soll den Zuschauer (und den Protagonisten) sprichwörtlich verführen oder wird spielerisch, komödiantisch eingebaut. Die Filme, die sich mit orientalischen Themen und Motiven beschäftigen, beginnen sehr früh in der Zeit des Kinos, spätestens 1917 mit Cleopatra:
- 1917: Cleopatra, u. a. mit Theda Bara, die im Film selbst „orientalisiert“ tanzt.
- 1932: Mata Hari, u. a. mit Greta Garbo, die als Mata Hari in diesem Film ebenfalls orientalisch tanzt.
- 1934: Cleopatra, u. a. mit Claudette Colbert als Cleopatra, die auch selbst tanzt.
- 1938: Der Tiger von Eschnapur / Das indischen Grabmal, u. a. mit Theo Lingen und La Jana. La Jana tanzt in beiden Filmen „orientalisiert“ als indische Tänzerin Indira.
- 1949: Die schwarzen Teufel von Bagdad, u. a. mit Maureen O’Hara, die einen orientalischen Tanz zeigt.
- 1953: Salome, hier tanzt Rita Hayworth selbst.
- 1954: Der Talisman, u. a. mit Rex Harrison, hier zeigt die türkische Tänzerin Nejla Ates einen Bauchtanz als „dunkelhäutige Tänzerin“.
- 1954: Das Tal der Könige, u. a. mit Robert Taylor. Hier tanzt die berühmte ägyptische Tänzerin Samia Gamal.
- 1959: Der Tiger von Eschnapur / Das indischen Grabmal, u. a. mit Debra Paget als indischer Tempeltänzerin.
- 1962: Stärker als alle Vernunft, u. a. mit Jack Lemmon. Lisa Guiraut als Bauchtänzerin.
- 1963: Liebesgrüße aus Moskau, hier zeigt die englische Schauspielerin Lisa Guiraut als Zigeunerin verkleidet einen Bauchtanz.
- 1963: Cleopatra, u. a. mit Elizabeth Taylor als Cleopatra, die nicht selbst tanzt. Bauchtanzszenen sind aber im Film enthalten (siehe Bild).
- 1963: Agazet nos el Sana (Sommerferien) Orientalischer Tanzfilm, Chor.: Mahmoud Reda
- 1965: Gharam fi al-Karnak (Liebe in Karnak) Orientalischer Tanzfilm, Chor.: Mahmoud Reda
- 1965: Hi-Hi-Hilfe!, in diesem Film der Beatles kommt eine Bauchtanzszene vor.
- 1966: Khartoum – der Aufstand, u. a. mit Charlton Heston. Lisa Guiraut zeigt einen Bauchtanz.
- 1967: In der Star Trek – Folge Der Wolf im Schafspelz / Wolf in the Fold (Folge 44, Staffel 2/ Nr. 14, Erstausstrahlung 22. Dez. 1967) tanzt die Tänzerin Kala Bauchtanz.
- 1970: Harami el waraka (Der Dieb des Lottoscheins), Chor.: Mahmoud Reda
- 1979: Das China-Syndrom, u. a. mit Jane Fonda, in einer Szene zeigt die amerikanische Tänzerin Delilah aus Seattle einen Bauchtanz.
- 1983: Octopussy, u. a. mit Roger Moore als James Bond. Hier zeigt eine Gruppe Frauen einen Bauchtanz, um Wärter abzulenken.
- 1988: "Yasemin", auf einer türkischen Hochzeit zeigt eine betagte Frau eine umjubelte Darbietung ihrer Tanzkunst, bevor sie die bitter-süße Geschichte ihrer eigenen Hochzeit erzählt.
- 1996: From Dusk Till Dawn, der berühmte Schlangentanz von Salma Hayek als Santanico Pandemonium.
- 1999: Wild Wild West, u. a. mit Will Smith, der sich als Bauchtänzerin verkleidet und vor Kenneth Branagh tanzt.
- 2001: Roter Satin, ein Film der sich mit der Befreiung der moslemischen Frauen aus traditionellen und gesellschaftlichen Zwängen beschäftigt und diese Entwicklung mit Hilfe des Bauchtanzes verdeutlicht.
- 2002: Königin der Verdammten, die amerikanische Sängerin Aaliyah zeigt hier einen Bauchtanz.
- 2004: Alexander, u. a. mit Val Kilmer. Hier werden viele Bauchtänze gezeigt, u. a. auch Säbeltanz, Schlangentanz (Angelina Jolie) und Schleiertanz.
- 2004: Troja. Hier werden verschiedene Bauchtänzerinnen gezeigt. Eine Gruppe tanzt zu Beginn des Films in der Halle des Agamemnon.
- 2007: Couscous mit Fisch. Am Ende des Films tanzt Hafsia Herzi.
Organisationen
Seit 1994 gibt es den Bundesverband für orientalischen Tanz, der sich die Pflege und Förderung des Orientalischen Tanzes in Deutschland zum Ziel gesetzt hat.
Literatur (Auswahl)
- Eluan Ghazal: Der heilige Tanz. Orientalischer Tanz und sakrale Erotik. Simon & Leutner, 2005, ISBN 3-922389-95-3.
- Monika Kaiblinger-Ickert, Ludmilla Schuhbauer: Bauchtanz Harmonie und Sinnlichkeit. Blv Verlagsgesellschaft, 2005, ISBN 3-405-16799-X.
- Dietlinde Bedauia Karkutli: Das Bauchtanz-Buch. Rowohlt 2002, ISBN 3-499-61328-X.
- Stephanie Mattes: Orient im Film. Die Geschichte des Bauchtanzes von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Books on Demand GmbH, 2002, ISBN 3-8311-3690-4.
- Brygida M. Ochaim, Claudia Balk: Varieté-Tänzerinnen um 1900. Vom Sinnenrausch zur Tanzmoderne, Ausstellung des Deutschen Theatermuseums München 23.10.1998–17.1.1999. Stroemfeld, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-87877-745-0.
- Rosina-Fawzia Al-Rawi: Der Ruf der Großmutter. Oder die Lehre des wilden Bauches. Promedia, Wien, 1996, ISBN 3-85371-110-3.
- Karin Van Nieuwkerk: A Trade Like Any Other: Female Singers and Dancers in Egypt. University of Texas Press, 1995, ISBN 0-292-78723-5.
- Eluan Ghazal: Schlangenkult und Tempelliebe. Sakrale Erotik in archaischen Gesellschaften. Simon + Leutner, 1995, ISBN 3-922389-63-5.
- Wendy Buonaventura: Die Schlange vom Nil. Frauen und Tanz im Orient. Übers. Uwe Scheer. Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Hamburg 1990 ISBN 3-8077-0246-6
- Wendy Buonaventura: Serpent of the Nile: Women and Dance in the Arab World. Interlink Pub Group/ U.S., Saqi Books/ U.K., 1989, ISBN 1-56656-300-3.
- Wendy Buonaventura: Bauchtanz. Übers. v. Maja Pflug. Weismann; Frauenbuchverlag, München 1984; später Kunstmann Verlag, zb.: 7. Auflage 1998, ISBN 3-88897-106-3.
- Wendy Buonaventura: Belly Dancing: The Serpent and the Sphinx. Virago Press, London, UK 1983 ISBN 9780860682790.
Weblinks
- Linkkatalog zum Thema Orientalischer Tanz bei curlie.org (ehemals DMOZ)
- Anthony Shay: The Male Dancer in the Middle East and Central Asia.
Einzelnachweise
- Anthony Shay: The Male Dancer in the Middle East and Central Asia. In: Nima Kiann's Forum of Persian and Middle Eastern Dance.
- Ulrike Wohler: Orientalischer Tanz und kulturelle Globalisierung. In: Weiblicher Exhibitionismus: Das postmoderne Frauenbild in Kunst und Alltagskultur. transcript Verlag, 2009, ISBN 978-3-8376-1308-7, S. 121–122.
- Anthony Shay, Barbara Sellers-Young: Belly Dance: Orientalism: Exoticism: Self-Exoticism. In: Dance Research Journal, Band 35, Nr. 1 (Sommer 2003, S. 13–37, hier S. 14)
- Ulrike Wohler: Orientalischer Tanz und kulturelle Globalisierung. In: Weiblicher Exhibitionismus: Das postmoderne Frauenbild in Kunst und Alltagskultur. transcript Verlag, 2009, ISBN 978-3-8376-1308-7, S. 120ff: In einer Fußnote heißt es: „Von Seiten der Tänzerinnenschaft des Orientalischen Tanzes wird vehement bestritten, dass der Striptease aus dem orientalischen Tanz entstanden sei. Jedoch kann man es einerseits einer Tanzgattung nicht zum Vorwurf machen, sollte aus ihrem Bewegungsrepertoire etwas Neues entstanden sein, […] andererseits bietet sich aber genau das Bewegungsspektrum des orientalischen Tanzes dazu an, zu einer Performance der erotischen Entkleidung genutzt zu werden […].“ (S. 121)
- Anthony Shay: Ethno Identity Dance for Sex, Fun and Profit: Staging Popular Dances Around the World. Palgrave Macmillan, Basingstoke 2016, S. 66f
- Amira Jarmakani: Dancing the Hootchy Kootchy: The Bellydancer as the Embodiment of Socio-Cultural Tensions. In: The Arab Studies Journal, Band 12/13, Nr. 2/1, Herbst 2004 – Frühjahr 2005, S. 124–139, S. 127
- Ulrike Wohler: Orientalischer Tanz und kulturelle Globalisierung. In: Weiblicher Exhibitionismus: Das postmoderne Frauenbild in Kunst und Alltagskultur. transcript Verlag, 2009, ISBN 978-3-8376-1308-7, S. 129
- Chris McGreal: Bellydancing out, cinema in, says Hamas. In: The Guardian, 6. April 2006