Niemand ist bei den Kälbern (Film)
Niemand ist bei den Kälbern ist ein Filmdrama von Sabrina Sarabi, das im August 2021 beim Locarno Film Festival seine Premiere feierte und am 20. Januar 2022 in die deutschen Kinos kam. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Alina Herbing. Saskia Rosendahl und Rick Okon spielen im Film in den Hauptrollen ein junges Paar, das in der Einöde Mecklenburg-Vorpommerns zu ersticken droht.
Film | |
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Originaltitel | Niemand ist bei den Kälbern |
Produktionsland | Deutschland |
Originalsprache | Deutsch |
Erscheinungsjahr | 2021 |
Länge | 116 Minuten |
Altersfreigabe | FSK 16[1] |
Stab | |
Regie | Sabrina Sarabi |
Drehbuch | Sabrina Sarabi |
Produktion | Jonas Weydemann, Milena Klemke, Jakob D. Weydemann, Yvonne Wellie, Jennifer Mueller von der Hagen |
Kamera | Max Preiss |
Schnitt | Heike Parplies |
Besetzung | |
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Handlung
Es ist Hochsommer in Schattin, im Norden Mecklenburg-Vorpommerns. Die 24-jährige Christin lebt mit ihrem ein Jahr älteren Freund Jan auf dem Milchviehhof seines Vaters mitten in der Provinz mit fünf Häusern, einer Bushaltestelle, Kühen und ringsum nichts als Felder. Von der Aufbruchstimmung der Nachwendejahre, die ihre Kindheit prägte, spürt sie schon lange nichts mehr, und auch ihre Liebe zueinander ist erloschen. Christin hat dieses Leben satt und will nur weg aus der Enge des Dorfes. Wohin, weiß sie nicht.
Eines Tages taucht der 46 Jahre alte Hamburger Windkraftingenieur Klaus auf und verändert alles.[2] Bei dem Betrachten seiner im Auto abgelegten Brieftasche erfährt Christin, dass er eine Frau und ein Kind hat.
Produktion
Vorlage, Filmstab und Filmförderung
„Es ist spannend herauszufinden, was die Umwelt mit einem Menschen macht. Ich glaube, dass viele Leute wie Christin das Problem haben, keine Entscheidungen treffen zu können.“
Regie führte Sabrina Sarabi. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Debütroman von Alina Herbing, der 2017 im Arche-Verlag veröffentlicht wurde und den die deutsch-iranische Filmemacherin auch adaptierte.[3][4] Herbing stammt aus Lübeck, wuchs in Mecklenburg auf und lebt in Berlin und Köln. Sie studierte Germanistik in Greifswald und Literarisches Schreiben in Hildesheim und unterrichtet an der Kunsthochschule für Medien Köln.[5][6] Im Jahr der Veröffentlichung wurde Herbing für ihre Arbeit mit dem Friedrich-Hölderlin-Förderpreis ausgezeichnet.[2]
Die Regisseurin fand es spannend, herauszufinden, was die Umwelt und das Umfeld der Leute, mit denen man sich umgibt, mit einem Menschen macht: "Ich glaube, dass viele Leute wie Christin das Problem haben, keine Entscheidungen treffen zu können, dass sie etwa jahrelang nicht aus festgefahrenen Beziehungen rauskommen, weil sie sich nicht entscheiden können."[7]
Der Film wurde vom WDR und von Arte koproduziert[8] und erhielt von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien eine Produktionsförderung in Höhe von 500.000 Euro. Der Deutsche Filmförderfonds gewährte eine Produktionsförderung in Höhe von rund 371.000 Euro, die Film- und Medienstiftung NRW 200.000 Euro.[8]
Besetzung und Dreharbeiten
Saskia Rosendahl und Rick Okon spielen in den Hauptrollen Christin und Jan. Rosendahl spielte schon in Sarabis Debütspielfilm Prélude.[7] In weiteren Rollen sind Andreas Döhler als Jens, Nico Ehrenteit als Marco, Hendrik Heutmann als Dieter und Elisa Schlott als Caro zu sehen.
Die Dreharbeiten wurden am 12. August 2020 begonnen.[8] Bis Anfang Oktober 2020 entstanden Aufnahmen in Hamburg, Schleswig-Holstein, hier in Süsel, und in Mecklenburg-Vorpommern[8], wo man zuletzt in Stöllnitz, Dömitz[2] und in Lübtheen im Landkreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern drehte[9][10], kleinere Dörfer und Städte, die dem ländlichen Setting des Films als Kulisse dienten. Als Kameramann fungierte Max Preiss.[8]
Veröffentlichung
Eine erste Vorstellung erfolgte am 7. August 2021 beim Locarno Film Festival.[11][12] Im September 2021 wurde er bei der Filmkunstmesse Leipzig[13][14] und Anfang Oktober 2021 beim Filmfest Hamburg gezeigt.[15] Ebenfalls im Oktober 2021 wurde er beim Film Festival Cologne gezeigt.[16] Anfang November 2021 wird er bei den Nordischen Filmtagen Lübeck und hiernach beim Filmfestival Mannheim-Heidelberg vorgestellt.[17][18] Der Kinostart in Deutschland erfolgte am 20. Januar 2022.[19]
Rezeption
Altersfreigabe
In Deutschland wurde der Film von der FSK ab 16 Jahren freigegeben. In der Freigabebegründung heißt es die Geschichte verdeutliche in emotional dichter Darstellungsweise die Lebenssituation und emotionale Lage der Protagonistin, und in dem bedrückenden Kontext könnten einzelne Darstellungen von Gewalt, einvernehmlichem, doch aggressivem Sex, der häufige Alkoholkonsum sowie der teils derbe Sprachgebrauch Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren überfordern.[20]
Kritiken
Thomas Schultze von Blickpunkt:Film schreibt in seiner Kritik, es sei Saskia Rosendahls Präsenz, die Niemand ist bei den Kälbern so elektrisierend mache und von anderen deutschen Sommerfilmen jüngerer Vergangenheit abhebe, in denen die Sonne so erbarmungslos auf die Felder brennt wie in einem Sergio-Leone-Western. Oft folge die Kamera von Max Preiss ihrer stillen Heldin wie in einem Film der Dardenne-Brüder, was passe, weil auch der Blick von Sabrina Sarabi unbestechlich und fast dokumentarisch ist.[21]
Martin Schwickert schreibt in seiner Kritik, Rosendahl sei großartig in der Rolle dieser jungen Frau, die keine Perspektive für sich sieht, aber ihre ungestillten Sehnsüchte nicht aufgeben will. Es gelinge ihr, die Langeweile ihrer Figur interessant zu machen, indem sie das Verlangen und die Verzweiflung hinter der Mauer der Agonie sichtbar werden lässt.[22]
Michael Meyns schreibt in seiner Funktion als Filmkorrespondent der Gilde deutscher Filmkunsttheater, die Figur der Christin seie eine Paraderolle für Rosendahl, die sich in den letzten Jahren zu einer der interessanten Schauspielerinnen ihrer Generation entwickelt habe. Ihr gelinge es hier, ihre Figur nicht als bloßes Opfer der Umstände zu zeigen, sondern als ambivalente Person, die aneckt und oft wenig sympathisch agiert.[23]
Giorgia Del Don vom Online-Filmmagazin Cineuropa schreibt, der Film räume mit dem romantischen und ausgesprochen urbanen Mythos vom Leben auf dem Land auf. Lichtjahre entfernt von der Romantik, die viele mit Landleben assoziieren, schildere der Film mit unglaublicher Plausibilität und Detailreichtum den Alltag dieser Menschen, die sich in einer Leere gefangen fühlen. Das Summen der Fliegen und das unaufhörliche Muhen der Kühe, die zum Leben auf einem Bauernhof gehören, und die Tage, die endlos aufeinanderfolgen, jeder identisch verbracht, seien ein zentrales Merkmal in Christins Leben, und das zwanghafte Umziehen sei die einzige Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen, der sie langsam zu verschlingen droht. Stellvertretend für ein idealisiertes Leben, seien Christins knappe, mega-enge Outfits im Lolita-Stil die einzigen Waffen, die ihr zur Verfügung stehen, um ihrem Gefängnis zu entkommen. Mit ultrarealistischem und präzisem Blick hinterfrage Sarabi eine verschlafene Welt, bewohnt von denen, die vom Fortschritt vergessen wurden, aber dennoch vom Konsum träumen.[24]
Von der Deutschen Film- und Medienbewertung wurde Niemand ist bei den Kälbern mit dem Prädikat Besonders wertvoll versehen.[25]
Auszeichnungen
Niemand ist bei den Kälbern wurde Ende Februar 2022 in die Vorauswahl für den Deutschen Filmpreis aufgenommen.[26] im Folgenden eine Auswahl von Auszeichnungen und Nominierungen.
- Nominierung in der Kategorie Kamera Spielfilm (Max Preiss)[27]
Filmfest Hamburg 2021
- Auszeichnung mit dem Hamburger Produzentenpreis (Jonas Weydemann)[28]
- Nominierung für den Filmpreis NRW
- Nominierung im Concorso Cineasti del presente (Sabrina Sarabi)
- Auszeichnung als Beste Schauspielerin im Wettbewerb Cineasti del presente (Saskia Rosendahl)[12][29]
Literatur
- Alina Herbing: Niemand ist bei den Kälbern. Arche Literatur Verlag, 2017. ISBN 978-3716027622
Weblinks
- Niemand ist bei den Kälbern in der Internet Movie Database (englisch)
- Niemand ist bei den Kälbern bei crew united
Einzelnachweise
- Freigabebescheinigung für Niemand ist bei den Kälbern. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (PDF; Prüfnummer: 209481/K).
- Dirk Hoffmann: Flucht aus Landidylle und Einsamkeit: Dreharbeiten für „niemand ist bei den kälbern“. In: Ostsee-Anzeiger, 21. November 2020.
- Alina Herbing. In: khm.de. Abgerufen am 30. Januar 2022.
- „Niemand ist bei den Kälbern“. In: filmstiftung.de. Abgerufen am 5. Juli 2021.
- Alina Herbing. In: alinaherbing.de. Abgerufen am 9. August 2021.
- Alina Herbing. In: hamlit.de. Abgerufen am 7. August 2021.
- Sabrina Sarabi startet in Locarno durch. In: Zeit Online, 9. August 2021.
- Jochen Müller: Foto des Tages: „Niemand ist bei den Kälbern“ im Dreh. In: Blickpunkt:Film, 25. September 2020.
- Sascha Nitsche: Der Film ist im Kasten. In: svz.de, 15. Oktober 2020.
- Niemand ist bei den Kälbern. In: filmbuero-mv.de. Abgerufen am 5. Juli 2021.
- Scott Roxborough: Locarno Film Festival Unveils Lineup. In: The Hollywood Reporter, 1. Juli 2021.
- Niemand ist bei den Kälbern. In: locarnofestival.ch. Abgerufen am 23. Juli 2021.
- Filme auf der 21. Filmkunstmesse 2021. In: filmkunstmesse.de. Abgerufen am 17. August 2021. (PDF; 486 KB)
- Niemand ist bei den Kälbern. In: filmkunstmesse.de. Abgerufen am 27. August 2021.
- Barbara Schuster: Filmfest Hamburg lädt Locarno-Gewinner ein. In: Blickpunkt:Film, 17. August 2021.
- Niemand ist bei den Kälbern. In: filmfestival.cologne. Abgerufen am 8. Oktober 2021.
- Niemand ist bei den Kälbern. In: nordische-filmtage.de. Abgerufen am 24. Oktober 2021.
- Niemand ist bei den Kälbern. In: iffmh.de. Abgerufen am 12. November 2021.
- Niemand ist bei den Kälbern. In: filmdienst.de. Abgerufen am 30. Januar 2022.
- Freigabebegründung für 'Niemand ist bei den Kälbern'. In: spio-fsk.de. Abgerufen am 30. Januar 2022.
- Thomas Schultze: Review Locarno: „Niemand ist bei den Kälbern“ . In: Blickpunkt:Film, 17. August 2021.
- Martin Schwicker: Alles andere als Landlust: der Kinofilm „Niemand ist bei den Kälbern“. In: rnd.de. 14. Januar 2022.
- Michael Meyns: Niemand ist bei den Kälbern. In: programmkino.de. Abgerufen am 30. Januar 2022.
- Giorgia Del Don: Review: No One’s With the Calves. In: cineuropa.org, 9. August 2021.
- Niemand ist bei den Kälbern. In: fbw-filmbewertung.com. Abgerufen am 30. Januar 2022.
- Barbara Schuster: Deutscher Filmpreis 2022: 46 Titel in der Vorauswahl. In: Blickpunkt:Film, 28. Februar 2022.
- https://www.presseportal.de/pm/7899/5151262
- Preise beim Hamburger Filmfest verliehen. In: deutschlandfunkkultur.de, 9. Oktober 2021.
- Deutsche Filmschaffende gewinnen mehrfach in Locarno. In: Zeit Online, 14. August 2021.