Nachterstedt
Nachterstedt ist ein Ortsteil der Stadt Seeland im Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt.
Nachterstedt Stadt Seeland | ||
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Höhe: | 130 m | |
Fläche: | 8,21 km² | |
Einwohner: | 2097 (31. Dez. 2007) | |
Bevölkerungsdichte: | 255 Einwohner/km² | |
Eingemeindung: | 15. Juli 2009 | |
Postleitzahl: | 06469 | |
Vorwahl: | 034741 | |
Lage in Sachsen-Anhalt | ||
Geografie
Der Ortsteil Nachterstedt liegt im nordöstlichen Harzvorland in unmittelbarer Nachbarschaft des Ortsteils Stadt Hoym zwischen Aschersleben und Quedlinburg. Südwestlich von Nachterstedt fließt die untere Selke, den Norden des Gebietes nimmt der Concordiasee ein, ein im Endstadium rund 600 Hektar großes ehemaliges Tagebaurestloch, das heute als Badesee innerhalb des Harzer Seelands der Naherholung dient.
Geschichte
Nachterstedt wurde 961 in einer Urkunde Ottos II. erstmals erwähnt. Der Ort Nachterstedt wurde dem Markgrafen Gero geschenkt. Es wird jedoch eine um etwa 500 Jahre frühere altsächsische Besiedelung des Gebietes vermutet.
Wie auf dem Wappen angedeutet (Schwan und Fisch), lebten die früheren Bewohner vom Fischfang, nach der Trockenlegung des Nachterstedter Sees teilweise vom Torfstechen und in der Folgezeit von der Landwirtschaft wegen der guten Böden auf in diesem Gebiet.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Nachterstedt Braunkohle gefördert, anfangs untertage in der Grube Concordia und später im Tagebau. 1865 wurde Nachterstedt an das Eisenbahnnetz angeschlossen (Strecke Halberstadt–Aschersleben–Köthen, heute Bahnstrecke Halle–Halberstadt).
Das Kohlerevier Nachterstedt, zu dem auch die Ortsteile Frose, Schadeleben, Friedrichsaue und Neu Königsaue gehörten, war zeitweise das ergiebigste Fördergebiet im damaligen Oberbergamtsbezirk Halle (1870: 250.000 t), um die Jahrhundertwende gar die größte Braunkohlegrube Preußens. Eine Brikettfabrik wurde 1888 errichtet, 1914 ein Kraftwerk.
Während des Zweiten Weltkrieges mussten mehrere hundert sowjetische Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeiter anderer Nationen in der zu den Riebeckschen Montan-Werken gehörenden Braunkohlegrube Concordia unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten; dabei kamen 130 bis 140 von ihnen ums Leben.
Das Dorf Nachterstedt musste der fortschreitenden Braunkohleförderung ab 1928 allmählich weichen und wurde in der Zeit bis 1951 rund 1,5 Kilometer weiter südlich neu aufgebaut. Auch die Bahnlinie Halberstadt–Aschersleben wurde nach Süden verlegt. In den 1960er Jahren arbeiteten im Braunkohlewerk Nachterstedt mehr als 6500 Beschäftigte. Mit der Schließung des Werkes im Jahr 1990 wegen der unrentabel gewordenen Kohleförderung endete eine 150-jährige Bergbautradition.
An der Stelle des devastierten Dorfes und Tagebaurestloches entstand inzwischen das Naherholungsgebiet Seeland mit dem Concordiasee.
Am 15. Juli 2009 wurde Nachterstedt in die neue Gemeinde Seeland eingegliedert.[1]
- Concordiasee während der Flutung 1999
- Concordiasee als Badegewässer 2008
- Unglücksort 2009 von Schadeleben aus
Unglücksfälle
Am 2. Februar 1959 kam es im Braunkohlenwerk Nachterstedt zu einer Kippenrutschung von 5,8 Millionen Kubikmetern Abraum. Bei dem Unglück durch Setzungsfließen wurde ein Bergarbeiter getötet, sowie zwei Absetzer und ein Abraumzug zerstört.[2]
Am 18. Juli 2009 kam es im Ortsbereich Nachterstedt zum Abbruch eines etwa 350 Meter breiten Landstreifens in den südlichen Ausläufer des Concordiasees.[3] Dabei wurden ein zweistöckiges Doppelhaus, ein Teil eines weiteren Doppelhauses sowie ein Straßenabschnitt und eine Aussichtsplattform mitgerissen. Drei Menschen wurden verschüttet und für verschollen erklärt. Zur Ursache besagen vorläufige Berichte, dass Grundwasser die Böschung aufgeweicht habe. Geklärt ist bereits, dass ein Mikrobeben der Stärke 0,9 als Auslöser für das Rutschen des Erdreichs gesehen werden kann.[4][5] Die tatsächliche Unglücksursache gilt offiziell als nicht abschließend geklärt.
Im Dezember 2012 wurde damit begonnen, das betroffene Gebiet zu räumen.[6] Insgesamt wurden 12 Doppelhaushälften und 48 Nebengebäude abgerissen.[7] Der Abriss war 2013[8] beendet, als der offizielle Abschlussbericht vorgelegt wurde.[9] Im Frühjahr 2014 war auch das Hinterland des Rutschungskessels beräumt und es wurde mit weiteren Vorbereitungen zur Böschungsgestaltung und -verdichtung begonnen.[8]
Bei Sanierungsarbeiten kam es am 28. Juni 2016 erneut zu einer Rutschung.[10]
Politik
Gemeinderat
Bei den Gemeinderatswahlen am 7. Juni 2009 ergab sich folgende Sitzverteilung:
Unabhängige Wählergemeinschaft | 6 Sitze |
CDU | 4 Sitze |
SPD | 2 Sitze |
Die Linke | 2 Sitze |
Wappen
Das Wappen wurde am 12. Januar 1938 durch den Oberpräsidenten der Provinz Sachsen verliehen.
Blasonierung: In Rot auf blauem Wasser schwimmend ein silberner golden bewehrter Schwan, unter ihm im Wasser ein silberner Fisch mit goldenen Flossen.
Das bisherige Siegel des Ortsteils zeigte ein von Purpur und Grün quadriertes Wappenschild, Feld 1 und 4: leer, Feld 2: ein Schwan, Feld 3: drei Fische übereinander. Aus den hier benutzten Symbolen, die an den ehemaligen Gatersleber See, an dem Nachterstedt liegt, erinnern, ist das Wappen neu geschaffen worden.
Das Wappen wurde von dem Magdeburger Staatsarchivrat Otto Korn gestaltet.
Ortspartnerschaften
Der Ortsteil Nachterstedt unterhält Partnerschaftsbeziehungen zur Samtgemeinde Boffzen (Niedersachsen).
Gedenkstätten
- sowjetischer Ehrenhain mit Mahnmal des Bildhauers Rudolf Herbst zur Erinnerung an sowjetische Kriegsgefangene, die Opfer von Zwangsarbeit wurden
- Gedenkstein von 1978 auf dem Stadtfriedhof für Personen, die während des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland verschleppt wurden und der Zwangsarbeit zum Opfer fielen
Wirtschaft
Zwischen Nachterstedt und Gatersleben befindet sich das weltgrößte Aluminium-Recyclingwerk der Firma Novelis, einer Tochter des indischen Konzerns Aditya Birla.[11] Auf dem Gelände befand sich früher der VEB Leichtmetallwerk Nachterstedt.
Verkehr
Der Bahnhof des Ortsteils Nachterstedt liegt an der Bahnstrecke Halle–Halberstadt. Nachterstedt ist durch Buslinien der Kreisverkehrsgesellschaft Salzland (Linie 145, 148) mit Aschersleben verbunden.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Regelmäßige Veranstaltungen
- Seelandfest Mitte August
Sehenswürdigkeiten
- Concordiasee
- Kiesberg (Ruhestätte für Kriegsopfer der ehemaligen SU)
Persönlichkeiten
- Günter Schneidewind (* 1953), Hörfunkmoderator und Autor
Weblinks
Einzelnachweise
- StBA: Gebietsänderungen vom 02. Januar bis 31. Dezember 2009
- Die Nachterstedter Kippenrutschung von 1959. In: Mitteldeutsche Zeitung. 23. Juli 2009, abgerufen am 7. Juli 2021.
- Florian Gathmann: Drama von Nachterstedt. In: Spiegel Online. 20. Juli 2009, abgerufen am 7. Februar 2013.
- Erdbeben löste Erdrutsch in Nachterstedt aus. In: Die Welt. 27. September 2009, abgerufen am 7. Februar 2013.
- Axel Bojanowski: Erdrutsch von Nachterstedt: Geheimnisvolles Grollen vor dem Grauen. In: Spiegel Online. 18. Juli 2010, abgerufen am 7. Februar 2013.
- Abriss von Nachterstedter Unglückssiedlung begonnen. 10. Dezember 2012, archiviert vom Original am 6. Februar 2013; abgerufen am 7. April 2016.
- LMBV-Information zum Abriss der Häuser in der Nachterstedter Siedlung „Am Ring“. 31. Januar 2013, abgerufen am 7. Februar 2013.
- LMBV-Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Nachterstedt. 12. Februar 2015, archiviert vom Original am 17. Juli 2015; abgerufen am 7. April 2016.
- Ursachenbericht Nachterstedt. Abgerufen am 17. Juli 2015.
- Wieder Erdrutsch am Concordiasee In: Mitteldeutsche Zeitung vom 28. Juni 2016, abgerufen am 26. Juni 2021
- Nachterstadt Recycling Center (Memento des Originals vom 22. Oktober 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.