Mittelrheinbrücke
Mittelrheinbrücke ist der Projektname einer geplanten Rheinüberquerung zwischen St. Goar und St. Goarshausen. Die Planung gibt es schon seit mehreren Jahrzehnten, jedoch wurde sie immer wieder verschoben oder diskutiert. Da der Brückenbau im UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal nahe der Loreley liegt, ist die Planung einer solchen Querung umstritten. Natur- und Denkmalschützer wenden sich dagegen, die örtliche Wirtschaft ist für den Brückenbau.
Projekt
Der Mittelrhein wird auf einer Strecke von rund 80 Flusskilometer zwischen Koblenz und Wiesbaden weder von Brücken noch von Tunneln gekreuzt. Der Straßenverkehr ist in diesem Abschnitt auf sechs Fährverbindungen angewiesen. Bewohner der Ostseite des Rheintals, die die A 61 oder den Flughafen Frankfurt-Hahn erreichen wollen, sind daher an den Fährfahrplan gebunden oder müssen weite Umwege in Kauf nehmen.
Um diesem Umstand abzuhelfen, gibt es unterschiedliche Planungen für eine feste Rheinquerung. Zurzeit wird der Bau einer Brücke zwischen Sankt Goarshausen-Wellmich und Sankt Goar-Fellen favorisiert. Diese Brücke würde die B 9, die an der linken Rheinseite entlang verläuft, mit der B 42 verbinden, die entlang der gegenüberliegenden Rheinseite verläuft. Nach einer Prognose aus dem Jahr 2010 würden täglich etwa 7.500 Fahrzeuge diese Rheinquerung befahren.[1] In der Sankt Goarshausener Kernstadt beginnt die B 274, die auf den Taunus führt und somit auch eine Verbindung zur A 3 herstellt. Auf der gegenüberliegenden Rheinseite existiert im Raum Sankt Goar keine größere Straße, die das Mittelrheintal mit dem Hunsrück und so mit der A 61 und dem Flughafen Frankfurt-Hahn verbindet. In Sankt Goar selbst gibt es die L 206, die nach dem dortigen Gewässer Gründelbach benannt ist und auf den Hunsrück führt. Diese Straße ist jedoch für den Schwerlastverkehr ungeeignet. Wie der zusätzlich aufkommende Verkehr auf der linken Rheinseite geleitet werden soll, ist noch nicht geklärt.
Die Kosten für den Brückenbau werden auf etwa 40 Millionen Euro geschätzt.[2][3] Jedoch sind dabei die Kosten für eine Optimierung der Verkehrsanbindung und für den Ausbau der Radwege noch nicht berücksichtigt.[4] Für einen alternativen Tunnelbau wird eine Summe von etwa 117 Millionen Euro veranschlagt.[3] Die Kosten würden zum größten Teil vom Bund und vom Land Rheinland-Pfalz getragen werden. Wer nach dem Bau für die Instandhaltung der Brücke zuständig sein soll, ist noch nicht geklärt. Falls die Brücke als Kreisstraße eingestuft würde, müssten sich der Rhein-Lahn-Kreis und der Rhein-Hunsrück-Kreis die Zuständigkeit teilen. Jedoch argumentieren der Landrat Marlon Bröhr und einige Kreistagsfraktionen, dass die Brücke als Bundesstraße oder Landesstraße ausgezeichnet werden müsse und somit in die Zuständigkeit des Landes oder des Bundes falle, da sie unmittelbar zwei Bundesstraßen verbinden wird.[5][3]
Planungsgeschehen
Die Planung einer Rheinbrücke im Mittelrheintal gibt es schon seit mehreren Jahrzehnten. Diese wurde jedoch immer wieder aufgeschoben. Da das Mittelrheintal zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, besteht die Befürchtung, dass durch einen Brückenbau dieser Status verloren geht, wie es schon im Dresdner Elbtal geschah. Um den Verlust des Welterbestatus zu verhindern, arbeitet die rheinland-pfälzische Landesregierung mit der UNESCO zusammen. Im Juli 2008 bei ihrer Tagung in Kanada forderte die UNESCO eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die möglichen Varianten und zudem eine neuere Verkehrsstudie.[6]
Im Oktober 2008 wurde ein europaweiter Wettbewerb zur Planung der Mittelrheinbrücke ausgeschrieben. Zwölf Arbeitsgemeinschaften aus Architekten, Ingenieuren und Landschaftsplanern hatten bis Mitte April 2009 Zeit, Entwürfe zu erarbeiten. Der Standort der Brücke soll nördlich von St. Goar/St. Goarshausen sein. In der Jury saß neben Mitgliedern der Landesregierung, Architekten und Ingenieuren auch ein Vertreter der UNESCO. Welterbeverträglichkeit war eines der wichtigsten Entwurfskriterien. Gewonnen hat eine Planungsgemeinschaft aus Dublin, bestehend aus dem Architektenbüro Heneghan Peng Architects, dem Ingenieurbüro Arup Consulting Engineers und den Landschaftsarchitekten Mitchel and Associates. In dem Siegerentwurf hat die Rheinbrücke einen leicht S-förmigen Grundriss.[7]
Erst 2010 legte die Landesregierung der UNESCO ausreichende Gutachten vor, die diese schon im Jahr 2008 gefordert hatte. Bis dahin konnte diese zu dem Siegerentwurf noch kein Votum abgegeben.[8] Am 29. Juli 2010 gab die UNESCO in Brasília bekannt, dass der Bau einer Brücke weiterverfolgt werden kann. Die Landesregierung interpretiert die Verlautbarung des Welterbekomitee als Zustimmung für den Siegerentwurf.[9][10][11] Die drei Wissenschaftsverbände Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (DGUF), Non-Governmental Organisations for the European Landscape-Convention (CIVILSCAPE) und Gesellschaft für die Prüfung der Umweltverträglichkeit (UVP-Gesellschaft) teilen die Auffassung der Landesregierung nicht: „Mit dem Beschluss 34 COM 7B.87 zum Welterbe Oberes Mittelrheintal gibt das UNESCO-Welterbekomitee keine Freigabe für den Bau einer Brücke zwischen St. Goarshausen-Wellmich und St. Goar-Fellen. Eine Welterbeverträglichkeit dieser Planung wird nicht erklärt.“[12] Im Januar 2011 beschlossen die Kreisausschüsse der betroffenen Landkreise, das Raumordnungsverfahren einzuleiten und zusammen mit der Landesregierung eine Bürgerbefragung durchzuführen. Das Land solle dafür 150.000 € bereitstellen und die beiden Landkreise gäben jeweils 5.000 € hinzu.[5][13]
Nach der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März 2011 wurde im Koalitionsvertrag zwischen SPD und den Grünen ausgehandelt, dass die Pläne zum Bau der Mittelrheinbrücke nicht weiterverfolgt werden. Stattdessen solle bis 2016 ein erweiterter Fährbetrieb getestet werden.[14] Zum 1. April 2012 wurden die Betriebszeiten der Fähre Loreley, die zwischen St. Goar und St. Goarshausen pendelt, insbesondere in den Abendstunden, ausgeweitet. Dadurch leistet die Fähre jährlich über 1000 Betriebsstunden mehr, was durch das Land subventioniert wird.[15] Andere Fähren zwischen Koblenz und Mainz/Wiesbaden wurden nicht in die Förderung miteinbezogen.
Nach der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März 2016 wurde eine Koalition aus SPD, FDP und Grünen gebildet. Ihre drei Fraktionen einigten sich darauf, die Planungen der Mittelrheinbrücke wieder aufzunehmen.[16] Die Frage, ob Planung, Bau und Unterhaltung der Brücke Aufgabe des Landes oder, wie Verkehrsminister Volker Wissing meint, Aufgabe der beiden Landkreise am Oberen Mittelrhein, d. h. des Rhein-Lahn-Kreises und des Rhein-Hunsrück-Kreises sei, wurde im Juli 2017 vor das Verwaltungsgericht Koblenz gebracht.[17] Das Verwaltungsgericht entschied am 1. Februar 2018, dass die Planung der Mittelrheinbrücke Aufgabe der Landkreise sei.[18] Im Februar 2021 wurde das Raumordnungsverfahren eingeleitet.[3][19]
Standpunkte
Landesregierung
Der ehemalige rheinland-pfälzische Kulturstaatssekretär Joachim Hofmann-Göttig (SPD) sah in der Bevölkerung eine Mehrheit für einen Brückenbau.[2] Umfragen zufolge waren 42 % der Befragten Brückenbaugegner und 58 % Brückenbaubefürworter. Diese Zahlen wurden am 17. August 2008 bei einer Versammlung veröffentlicht.
In der bis 2016 regierenden Koalition zwischen der SPD und den Grünen gab es Streitigkeiten, weil die SPD laut des Fraktionschefs Hendrik Hering weiterhin den Bau der Brücke befürwortet, während die Grünen laut ihrer Parteichefin Britta Steck das Projekt ablehnen. Nach der Aussage der Wirtschaftsministerin Eveline Lemke sei weiterhin offen, was nach 2016 passieren werde.[20]
Bund für Umwelt und Naturschutz
Vertreter des BUND sowie Professor Michael Petzet, ein Berater der UNESCO, favorisieren statt einer Querung (ob Brücke oder Tunnel) den Ausbau der Fährverbindungen über den Rhein.[1] So sollten alle Fähren am Mittelrhein in die Trägerschaft der Bundesrepublik Deutschland gegeben werden und die Überfahrt (evtl. kostenfrei) rund um die Uhr möglich sein. Petzet argumentiert, dass eine Rheinquerung – in welcher Form auch immer – schon aus wirtschaftlichen Gründen kaum zu rechtfertigen sei.[1]
Fährbetreiber
Die Fährbetreiber am Mittelrhein zwischen Niederheimbach/Lorch und Boppard haben angekündigt ihren Fährbetrieb bei Realisierung einer Brückenverbindung einzustellen. Prognostizierte Umsatzausfälle von 20 bis 100 % kann keiner der Fährstellenbetreiber ausgleichen, wie der rheinlandpfälzischen Landesregierung mitgeteilt wurde. Unterstützung erfahren die Fährbetreiber in ihrem Anliegen vom BUND, der BI Rheinpassagen und dem Landesverband Rheinland-Pfalz des Verkehrsclub Deutschlands, die neben dem Wegfall der einzigen ÖPNV-Verbindungen über den Rhein auch die weiten Umwege für Pendler bemängeln, sobald die Fähren den Betrieb einstellen.[21]
Industrie- und Handelskammer
Die Industrie- und Handelskammer sieht die Mittelrheinbrücke als zentralen Schlüssel zur Sicherung und Weiterentwicklung der Wirtschaftskraft im Welterbetal. So würde durch die Brücke die Lebens- und Arbeitsumgebung im Tal attraktiver. Insbesondere würde die Brücke dem Sinken der Einwohnerzahlen im Rhein-Lahn- und Rhein-Hunsrück-Kreis entgegenwirken.[22]
Einzelnachweise
- RP Online: Loreley: Streit um Brückenbau, abgerufen am 9. Oktober 2010.
- WZ Newsline: Welterbe Loreley in Gefahr, abgerufen am 9. Oktober 2010.
- Oliver Bock: Neuer Brückenschlag wird geprüft. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Februar 2021, abgerufen am 21. Februar 2021.
- www.loreleyinfo.de: Kosten der Mittelrheinbrücke, abgerufen am 13. März 2011.
- www.rhein-zeitung.de vom 1. Februar 2011: Rheinbrücke: Bürger sollen eingebunden werden, abgerufen am 23. Februar 2011.
- www.faz.net: Zittern vor der Unesco: Das Mittelrheintal will nicht sein Dresden erleben, abgerufen am 23. Februar 2011.
- Ausschreibung des Architektenwettbewerbs auf „Competitionline“: Planung der Mittelrheinbrücke (Memento vom 20. April 2009 im Internet Archive), abgerufen am 30. Dezember 2010.
- Hans-Josef Bracht: Landesregierung muss Karten auf den Tisch legen (Memento vom 12. Februar 2013 im Webarchiv archive.today) Mehr-Hunsrück.de, abgerufen am 19. April
- Welterbe-Komitee gibt grünes Licht für Mittelrheinbrücke (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) Abgerufen auf sz-online.de am 22. Mai 2013
- (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: Rheinquerung Beck/Hering: Welterbekomitee macht Weg für Mittelrheinbrücke frei) Pressemitteilung des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau RLP vom 29. Juli 2010
- UNESCO befürwortet Brücke im Mittelrheintal (Memento vom 1. Juli 2013 im Webarchiv archive.today), swr.de vom 29. Juli 2010
- UNESCO gibt keine Freigabe für den Bau einer Mittelrheinbrücke (PDF; 203 kB) Wissenschaftsverbände am 28. Oktober 2010 in Boppard
- (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: Beck: Modellprojekt zur Bürgerbeteiligung bei Mittelrheinbrücke) , abgerufen am 23. Februar 2011.
- Koalitionsvertrag - Den sozial-ökologischen Wandel gestalten. (Memento vom 27. Januar 2012 im Internet Archive) Abgerufen am 6. Mai 2011 (PDF; 966 kB)
- Nach Nein zur Mittelrheinbrücke unterstützt Land erweiterten Fährverkehr. Rhein-Zeitung, abgerufen am 14. Oktober 2012.
- Koalitionsvertrag. (PDF) S. 49, abgerufen am 6. Juni 2016.
- Richter schlagen Kompromiss vor. Beitrag vom 23. Januar 2018 auf SWR Aktuell
- Streit im Rhein-Hunsrück-Kreis: Mittelrheinbrücke muss auf die Tagesordnung. SWR, 1. Februar 2018, abgerufen am 1. Februar 2018.
- SWR: Raumordnungsverfahren für Mittelrheinbrücke eingeleitet. Südwestrundfunk, 15. Februar 2021, abgerufen am 21. Februar 2021.
- Streit um Mittelrheinbrücke bricht wieder auf. 15. Oktober 2012, abgerufen am 23. Mai 2013.
- www.wiesbadener-kurier.de: Mittelrheinbrücke würde Querungsmöglichkeiten reduzieren, abgerufen am 4. Juni 2021.
- www.rhein-zeitung.de: Wirtschaft macht sich für Rheinbrücke stark, abgerufen am 13. März 2011.
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