Mirco Nontschew
Mirco Nontschew (* 29. Oktober 1969 in Ost-Berlin; † am oder vor dem 3. Dezember 2021 in Berlin-Lankwitz) war ein deutscher Komiker. Er wurde durch die Sendung RTL Samstag Nacht bekannt. Das Besondere an seinen Auftritten waren seine Fähigkeit, Geräusche und Töne zu imitieren, und seine sehr gestenreiche Kommunikation.
Leben
Sein bulgarischer Vater Vasko Nontschew ist Musiker und seine Mutter Journalistin. Er lernte auf Wunsch seiner Eltern den Beruf des Feinmechanikers für medizinische Geräte im VEB Medizinische Geräte Berlin[1], begann sich aber auch für das Showgeschäft zu interessieren. 1989 trat der damals 19-jährige Nontschew als Beatboxer und Breakdancer der Gruppe Downtown Lyrics (Ost-Berlin) beim 2. Rap-Contest in Radebeul bei Dresden auf.[2] Kurz darauf verließ er die DDR und siedelte nach Westdeutschland über.
Wegen seiner musikalischen Talente (er spielte Schlagzeug und Klavier) wurde Hugo Egon Balder beim Fernsehsender RTL auf ihn aufmerksam. 1993 war er Gründungsmitglied der erfolgreichen Fernseh-Comedy-Reihe RTL Samstag Nacht, eine deutsche Variante der US-Show Saturday Night Live, die ihn erstmals einem breiteren Publikum bekanntmachte. Er blieb bis zum Ende der Comedyshow 1998 ein festes Ensemblemitglied und wurde zu einem „der bekanntesten Comedians der Neunzigerjahre“.[3]
Auch nach dem Ende von RTL Samstag Nacht war er in den 2000er-Jahren medial präsent. 2001 erhielt er in Sat.1 seine eigene Sendung Mircomania, in der er mit Janine Kunze zu sehen war. Die Sketchsendung umfasste 13 Folgen.[4] 2004 spielte er im Kinofilm 7 Zwerge – Männer allein im Wald an der Seite von Otto Waalkes den Zwerg Tschakko, diese Rolle verkörperte er auch 2006 in der Fortsetzung 7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug. Ab Anfang 2005 war er Stammgast der Improvisationscomedy Frei Schnauze bei RTL. In der zweiten Staffel unter dem Titel Frei Schnauze XXL trat er in den ersten Folgen als Gast auf. In der 2005 erschienenen Film-Persiflage Siegfried spielte Nontschew den italienischen Auftragskiller Giuseppe. Im Film Otto’s Eleven spielte er 2010 erneut an der Seite von Otto, hier verkörperte er seinen Freund Mike.
Im Mai 2011 nahm Nontschew mit Janine Kunze an der Sat.1-Sendung Der Bastelkönig teil und erreichte mit ihr zusammen den ersten Platz. Sie gewannen 25.000 Euro und spendeten das Geld der Aktion Lichterkinder von World Vision.[5] 2012 wirkte er im neuen Ensemble der Comedy-Serie Die dreisten Drei neben Oliver Beerhenke und Sophia Thomalla mit. Der Fernsehsender RTL II strahlte zu Ostern 2012 testweise eine neue Kochshow mit ihm aus: Die Sendung trug den Namen Cook cook – Mircos Kochstudio. Nontschew begrüßte zwei Köche aus verschiedenen Ländern, die ihr Land und die dort lebenden Menschen vorstellten und heimische Spezialitäten zubereiteten. Nach schwachen Einschaltquoten wurden keine weiteren Folgen gedreht.[6] Von 2013 bis 2017 fungierte er regelmäßig als Quizmaster der Rubrik Barth, aber fair in der Sendung Willkommen bei Mario Barth.
Nachdem es in den späten 2010er-Jahren ruhiger um Nontschew geworden war, konnte er 2021 mit seinem Auftritt in der von Michael „Bully“ Herbig geleiteten Comedysendung LOL: Last One Laughing wieder auf sich aufmerksam machen.[7] Er wirkte ebenfalls an der dritten Staffel der Reihe mit, die im Frühjahr 2022 ausgestrahlt werden soll.[8]
Am 3. Dezember 2021 wurde Nontschew im Alter von 52 Jahren tot in seiner Wohnung in Berlin-Lankwitz aufgefunden, nachdem seine Angehörigen zuvor mehrere Tage keinen Kontakt zu ihm gehabt hatten.[9] Über die Todesursache herrscht Unklarheit.[10][11] Er hinterlässt zwei leibliche Töchter und eine Stieftochter.[12]
Rezeption
Judith Liere schrieb in Die Zeit, dass Nontschews Humor sich weniger über Inhalte, sorgfältige Gags oder ausgefeilte Figurendarstellungen ergeben habe, sondern: „Das Lustige an ihm war Nontschew selbst. Er trat auf und noch bevor er einen Laut von sich gab, lachte das Publikum, weil allein sein kantiges Gesicht, seine Augenbrauen, seine Mundwinkel da schon ein halbes Comedyprogramm abgeliefert hatten. Dann kam der Rest des Körpers hinzu und komplett machten es die Geräusche.“ Sein Humor habe die deutsche Comedyszene über die 1990er-Jahre hinaus geprägt.[13]
Der Spiegel hob Gesicht und Stimme des Komikers hervor: „Mit diesem Gesicht zieht Nontschew völlig überzogene Grimassen, wechselt von einer Sekunde auf die nächste die Gemütslage, von entspannt zu erschrocken zu entrüstet. Und dann ist da sein eigentliches Markenzeichen, seine Stimme: Dialekte, echt oder ausgedacht, und vor allem Geräusche, die er nachmachen kann.“ Nontschews Humor sei anarchisch und das Publikum überfordernd gewesen, diese Art von Komik sei in den 1990er-Jahren gefragter als in den Jahren vor seinem Tod gewesen.[14]
Oliver Rasche beschrieb ihn in Die Welt als „Clown im besten Sinne“, der es geschafft habe, alleine durch Mimik und Gestik „Millionen Menschen zum Lachen zu bringen“: „Weniger wie ein brachialer Comedian, eher wie ein klassischer Tänzer. Und er war komisch, wirklich komisch.“[15]
Willi Winkler meinte in der SZ, mit Nontschew sei aus dem Fernseher „endlich“ ein „alles zermalmender Blödsinn“ gekommen, der Komiker habe sich „für sein Publikum zerrissen“. Zugleich hätten ihm das Publikum, „ahnungslos, wie es seit je bei großer Kunst reagierte“, sowie die deutsche Fernsehlandschaft, die ihn in späteren Jahren in mittelmäßige Formate durchgereicht habe, seinen Einsatz nicht gedankt.[16]
Filmografie (Auswahl)
Fernsehen
- 1993–1998: RTL Samstag Nacht (Fernseh-Comedy-Reihe)
- 1996: Tatort: Wer nicht schweigt, muß sterben (Fernsehreihe)
- 1999: Sieben Tage bis zum Glück
- 2001: Mircomania (13-teilige Fernseh-Comedy-Reihe)
- 2005–2008: Frei Schnauze (XXL) (Improvisationscomedy – Stammbesetzung 1. Staffel, Gast 2. Staffel)
- 2010: Lafer! Lichter! Lecker! (Kochshow – Gast)
- 2011: Der Bastelkönig (Spielshow)
- 2011–2012: Die Dreisten Drei (Sat.1-Comedyserie)
- 2013: Die Kaya Show
- 2013–2017: Willkommen bei Mario Barth
- 2021: LOL: Last One Laughing (Spielshow)
Kino
- 1998: Kai Rabe gegen die Vatikankiller
- 2004: 7 Zwerge – Männer allein im Wald
- 2005: Siegfried
- 2006: 7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug
- 2010: Otto’s Eleven
Synchronisation
- 1997: Hercules
- 1999: Tobias Totz und sein Löwe
- 2000: Titan A.E.
- 2002: Der Schatzplanet
- 2004: Lauras Stern
- 2005: Der kleine Eisbär 2 – Die geheimnisvolle Insel
- 2006: Oh, wie schön ist Panama
- 2014: Der 7bte Zwerg
Auszeichnungen
- 1994 – Bambi
- 1994 – Goldener Löwe
- 1994 – Bayerischer Fernsehpreis
- 1995 – Goldene Romy
- 2001 – Goldene Rose von Montreux: Silberne Rose für Mircomania
- 2005 – Deutscher Comedypreis
Musik
- 1992: CD-Single Hein mit dem 3. Bein (4-Track-CD)
- 1995: CD-Single Only You in Herzform (Pikosso Records PC 12 – 872 0008), laut Cover die weltweit erste Herz-Form-CD
- 1996: CD-Single I found Love, when i found You
- 2001: CD-Album Das Album
- 2002: CD-Single Wer hat den Grössten
- 2002: CD-Single (Gimme Dat) Bodylotion (Mirco Nontschew a.k.a. Dr. Shaggyman)
Weblinks
- Offizielle Webpräsenz
- Mirco Nontschew in der Internet Movie Database (englisch)
- Mirco Nontschew bei filmportal.de
- Mirco Nontschew in der Deutschen Synchronkartei
- Mirco Nontschew bei Discogs
Einzelnachweise
- Mirco Nontschew - Vita. Abgerufen am 5. Dezember 2021.
- Bonusmaterial zum Film: Nico Raschick: Here we come – Breakdance in der DDR. 2007, Abschnitt „Radebeul und Ostradio“; Mike Wagner: Rap is in da house. HipHop in der DDR. In: Ronald Galenza/Heinz Havemeister (Hrsg.): Wir wollen immer artig sein. Punk, New Wave, HipHop, Independent-Szene in der DDR 1980–1990. Berlin 2013.
- Mirco Nontschew, 52. In: Der Spiegel. 10. Dezember 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 10. Dezember 2021]).
- imfernsehen GmbH & Co KG: Mircomania. Abgerufen am 10. Dezember 2021.
- Ligia Dana Tudorica: "Der Bastelkönig": Vogelhäuschen bauen mit Ulla Kock am Brink. In: DIE WELT. 7. Mai 2011 (welt.de [abgerufen am 10. Dezember 2021]).
- DWDL de GmbH: Katastrophale Quoten für Nontschew-Kochshow. Abgerufen am 10. Dezember 2021 (englisch).
- Mirco Nontschew - Nachruf: Diese hochmotorige Gesichtsmuskulatur. In: Der Spiegel. 4. Dezember 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 10. Dezember 2021]).
- Tod von Mirco Nontschew: Amazon Prime Video strahlt dritte Staffel von »LOL« im Frühjahr aus. In: Der Spiegel. 10. Dezember 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 10. Dezember 2021]).
- Zum plötzlichen Tod von Mirco Nontschew: Erste Details bekannt. In: Berliner Kurier. 5. Dezember 2021, abgerufen am 16. Februar 2022.
- Ermittlungen zur Todesursache von Mirco Nontschew dauern an. In: Berlin.de/dpa, 10. Dezember 2021.
- Unterschiedliche Aussagen über Stand der Ermittlungen
- Todesursache, Frau, Kinder – der verstorbene Comedian im Porträt. In: Südwest Presse, 14. Dezember 2021
- Judith Liere: Mirco Nontschew: Er stach heraus. In: Die Zeit. 5. Dezember 2021, abgerufen am 10. Dezember 2021.
- Mirco Nontschew - Nachruf: Diese hochmotorige Gesichtsmuskulatur. In: Der Spiegel. 4. Dezember 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 10. Dezember 2021]).
- Oliver Rasche: Mirco Nontschew ist tot: Nachruf auf den Star-Comedian. In: DIE WELT. 4. Dezember 2021 (welt.de [abgerufen am 10. Dezember 2021]).
- Willi Winkler: Zum Tod von Mirco Nontschew: Das Gesicht, das alles konnte. Abgerufen am 10. Dezember 2021.