Merseburger Dom
Der Merseburger Dom St. Johannes und St. Laurentius ist eine evangelische Kirche und eines der herausragenden Baudenkmäler der an der Straße der Romanik gelegenen einstigen Pfalz- und Bischofsstadt Merseburg, jahrhundertelang Zentrum des Bistums Merseburg sowie des Hochstifts gleiches Namens. Der Dom ist der vierte Flügel von Schloss Merseburg.
Geschichte
Errichtung, Umbau und Erhaltung
Die Kirche des Merseburger Domkapitels geht auf die von Heinrich I. gestiftete Johanniskirche zurück, die auch als Kirche des ersten Bistums in Merseburg genutzt wurde. Der Grundstein für den Bau einer repräsentativen Kathedrale des Bistums Merseburg wurde am 18. Mai 1015 durch den Bischof Thietmar von Merseburg (Thietmar von Walbeck) gelegt, der sich in seiner umfangreichen Chronik aber nicht ausführlich zum Bau und den dahinter stehenden kirchlichen und künstlerischen Absichten äußerte. Er erwähnte jedoch ein Gelübde Ottos I. vor der Schlacht auf dem Lechfeld 955, im Falle des Sieges in Merseburg ein Bistum zu errichten und die Königspfalz zur Laurentiuskirche auszubauen.[1] Die erste Weihe des viertürmigen Kirchbaus auf das Laurentiuspatrozinium fand am 1. Oktober 1021 in Anwesenheit des Kaiserpaares Heinrich II. und Kunigunde statt. Nach zwei Einsturzunglücken und jeweiligen Wiederaufbau erfolgte 1042 eine zweite Weihe. Neben der nach 1036 begonnenen Krypta sind vom ursprünglichen romanischen Baukörper nur noch Teile erhalten, und zwar die runden Chorbegleittürme aus der Mitte des 11. Jahrhunderts, die Untergeschosse der Westtürme und die unteren Wandteile des Querschiffs mit den beiden östlichen Apsiden.
Durch den Merseburger Bischof Werner von Wolkenburg wurde, wohl in Vollendung des ursprünglichen Baukonzeptes, der Bau eines fünften Turmes über der Vierung eingeleitet, der allerdings 1230 einstürzte. Besagtem Bischof, einem Anhänger Rudolfs, ist auch zu verdanken, dass Rudolf von Rheinfelden, der 1080 einer in der Schlacht bei Hohenmölsen erlittenen Verwundung erlegen war, seine Grablege im Merseburger Dom fand, obwohl der Tod des gebannten Gegenkönigs (1077–1080 gegen Heinrich IV.) von nicht wenigen Zeitgenossen als Gottesurteil angesehen wurde.
Durch spätere Umbauten, vor allem in der Zeit zwischen 1510 und 1517 unter Bischof Thilo von Trotha, wurde der Dom im Stil der Spätgotik überformt. Aus der basilikalen Anlage des Langhauses wurde ein spätgotisches Hallenlanghaus. Hierzu wurde das baufällige Langhaus umfassend erneuert und erhielt weitgehend sein heutiges Aussehen mit seinen hohen Maßwerkgiebeln. An der Nordseite des Domes ist noch heute ein Sandsteinrelief mit einem das Trotha-Wappen haltenden Engel in Erinnerung an Bischof Thilo von Trotha zu sehen. Aus dieser Zeit stammt auch die Supraporte am nördlichen Querschnitt, die einen erwachenden Mann in orientalischem Gewand auf einem Ruhebett zeigt; das darunter angebrachte Trotha-Wappen weist ebenso auf Thilo von Trotha. Zudem werden die Herrichtung der Bischofskapelle als bischöfliche Gruft, die Erneuerung der Ost- und Südflügel des Kreuzganges sowie der Ausbau des südlich gelegenen Kapitelhauses Bischof Thilo von Trotha zugerechnet.
Um das Jahr 1490 wurde in Merseburg die Stelle eines Dompredigers gestiftet.[2] 1545 predigte Martin Luther im Dom. Nach dem Tod des letzten katholischen Bischofs Michael Helding im Jahr 1561 setzte sich in Merseburg die Reformation endgültig durch. Teile der bis heute erhaltenen Kurien in der Domfreiheit wurden nach dem Dreißigjährigen Krieg im Stil des Barocks wiederaufgebaut. Damit verbunden war der Neubau des heute noch bestehenden Gebäudes des Domgymnasiums. Bei Luftangriffen während des Zweiten Weltkriegs auf die Stadt selber, aber auch auf die in der Nähe befindlichen BUNA- und Leuna-Werke wurden der Nord- und Ostflügel des Schlosses, das Kapitelhaus und der Chor des Doms beschädigt. Am 17. August 2006 wurde das renovierte Kapitelhaus in einem Festakt in Anwesenheit des Kultusministers Jan-Hendrik Olbertz und des Bischofs Axel Noack eingeweiht. Die Domfreiheit wurde anlässlich der Internationalen Baufachausstellung 2010 in Dessau vitalisiert, indem ein neues Besucher- und Informationszentrum eingerichtet, die Willi-Sitte-Galerie eröffnet sowie das Europäische Romanik-Zentrum angesiedelt wurden. Gemeinsam mit dem Schloss und Schlossgarten in Merseburg gehört der Dom zum Gesamtwerk „Gartenträume Sachsen-Anhalt“.
Fürstengruft
Im Merseburger Dom ist seit 1654 das Erbbegräbnis der wettinischen Sekundogenitur Sachsen-Merseburg untergebracht, die den Dom als Hofkirche nutzte. Diese sogenannte Fürstengruft ist ein bedeutendes Denkmal barocker Bestattungskultur. Die Gruft war ursprünglich in drei Räume unterteilt, welche zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert eingerichtet wurden. Ein prächtiges Portal weist den Eingang zur Fürstengruft, das über dem Portal befindliche Gemälde zeigt die herzogliche Familie. Herzog Christian I. zu Sachsen-Merseburg ließ 1670 die Ruhestätten seines Hauses auf der Ostseite des Doms einrichten. Die Fürstengruft birgt 37 Särge, davon 20 Kindersärge, 10 Frauen- und 7 Männersärge, die aus Blei, Zinn, Holz oder Blei-Zinn-Legierungen bestehen und deren Wappen, Inschriften und Bandelwerk teilweise erhalten sind. Folgende Mitglieder der herzoglichen Familie wurden darin bestattet:
- Christian I. (1615–1691), 1. Herzog von Sachsen-Merseburg
- Christiana von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1634–1701), Ehefrau von Christian I.
- Hedwig von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1640–1671), Schwägerin von Christian I.
- Magdalena Sophia (1651–1675), Tochter von Christian I.
- Johann Georg (1652–1654), Sohn von Christian I.
- namenlose Totgeburt (*/† 1656), Sohn von Christian I.
- Christiane (1659–1679), Tochter von Christian I., Ehefrau Christians von Sachsen-Eisenberg
- Moritz (1662–1664), Sohn von Christian I.
- Christian Erdmann (1686–1689), Enkel von Christian I.
- Elisabeth Sibylle (1693–1694), Enkelin von Christian I.
- Christian II. (1653–1694), 2. Herzog von Sachsen-Merseburg, Sohn von Christian I.
- Erdmuth Dorothea von Sachsen-Zeitz (1661–1720), Ehefrau von Christian II.
- Johann Wilhelm (1681–1685), Sohn von Christian II.
- August Friedrich (1684–1685), Sohn von Christian II.
- Philipp Ludwig (1686–1688), Sohn von Christian II.
- Friedrich Erdmann (1691–1714), Sohn von Christian II.
- Christiane Eleonore Dorothea (1692–1693), Tochter von Christian II.
- Christian III. Moritz (1680–1694), 3. Herzog von Sachsen-Merseburg, Sohn von Christian II.
- Moritz Wilhelm (1688–1731), 4. Herzog von Sachsen-Merseburg, Sohn von Christian II.
- Friederike Charlotte Ulrike (*/† 1720), uneheliche Stieftochter Moritz Wilhelms
- August (1655–1715), Herzog von Sachsen-Merseburg-Zörbig, Sohn von Christian I.
- Hedwig Eleonore von Mecklenburg-Güstrow (1666–1735), Ehefrau von August
- Christiane Magdalene (1687–1689), Tochter von August
- Totgeburt (*/† 1689), Tochter von August
- Caroline Auguste (1691–1743), Tochter von August
- Hedwig Eleonore (*/† 1693), Tochter von August
- Gustav Friedrich (1694–1695), Sohn von August
- August (*/† 1696), Sohn von August
- Philipp (1657–1690), Herzog von Sachsen-Merseburg-Lauchstädt, Sohn von Christian I.
- Eleonore Sophia von Sachsen-Weimar (1660–1687), 1. Ehefrau von Philipp
- Christiana Ernestina (1685–1689), Tochter von Philipp
- Johann Wilhelm (1687–1687), Sohn von Philipp
- Christian Ludwig (1689–1690), Sohn von Philipp
- Heinrich (1661–1738), 5. Herzog von Sachsen-Merseburg, Sohn von Christian I.
- Elisabeth von Mecklenburg-Güstrow (1668–1738), Ehefrau von Heinrich
- Christiane Friederike (1697–1722), Tochter von Heinrich
- Gustava Magdalena (*/† 1699), Tochter von Heinrich
Ausstattung
Der Merseburger Dom ist trotz seines Alters vergleichsweise reichhaltig ausgestattet, wird von den historischen Veränderungen während der Reformation sowie den kriegsbedingten Zerstörungen abgesehen.
Fenster
So haben sich Reste der mittelalterlichen Verglasung in vier Medaillons mit einem Durchmesser von ca. 60 cm über dem Westportal in der Vorhalle im Zentrum der Dreifenstergruppe erhalten. Sie stammen aus einer Merseburg-Naumburger Werkstatt um 1260. Die Glasmalerei mit Schwarzlot wurde seit 1839 mehrfach restauriert. Es sind die Verkündigung Mariae, die Geburt Christi, die Anbetung der Könige und die Kreuzigung dargestellt. Für die im Zweiten Weltkrieg zerstörte historistische Chorverglasung von 1885/86 hat Charles Crodel von 1947 bis 1960 in moderner Fortschreibung der mittelalterlichen Bildsprache ähnlich wie im Erfurter Dom und im Dom zu Halberstadt Ersatz geschaffen. Crodel führte die Glasmalerei eigenhändig bei Ferdinand Müller in Quedlinburg aus. Das ikonographische Programm der Fenster umfasst alt- (links) und neutestamentliche (rechts) Ereignisse, die in aufsteigender Lesefolge dargestellt sind, und zwar im linken Fenster die Geschichte des Propheten Jona – Erschaffung Adams und Evas, der vom Fisch verschlungene Jona, der vom Fisch ausgespiehene Jona sowie der geläuterte Jona in der Laubhütte – und im rechtens Fenster das Heilsgeschehen – Geburt Christi, der Gekreuzigte, der auferstandene Gottessohn und der „Gnadenstuhl“ als Darstellung der Dreieinigkeit.
Triumphkreuz und Lettner
Ein ursprünglich zu einer Triumphkreuzgruppe gehörendes Kruzifix ist in der Vierung aufgehängt. Das aus Eichenholz geschnitzte romanische Kruzifix ist aus drei Teilen zusammengesetzt; die beiden Arme sind seitlich in den Körper eingezapft. Auf dem um 1240 entstandenen Kruzifix wurden noch geringe Reste der mittelalterlichen Farbfassung nachgewiesen. Heute ist es auf ein Trägerkreuz aus Fichtenholz (1954/55) montiert. Das Kruzifix bildete zusammen mit der dazugehörigen Triumphkreuzgruppe (nicht erhalten) den krönenden Abschluss eines Bühnenlettners. Vergleichbare Lettner mit monumentalen Triumphkreuzgruppen finden sich u. a. im Dom zu Halberstadt und der Stiftskirche in Wechselburg. Von dem Lettner haben sich noch die beiden seitlichen Chorschranken erhalten. In den Nischen der nördlichen Schranke wurden um 1500 in Seccomalerei die 43 Vorgänger Bischof Thilos mit zugehöriger Umschrift abgebildet.
Taufsteine
In der Vorhalle des Doms befindet sich seit 1831 ein monolithischer Taufstein aus rotem Sandstein. Der Stein stammt ursprünglich aus der Neumarktkirche in Merseburg, die 1188 erstmals urkundlich erwähnt wird und nicht wesentlich älter sein kann. Aus dieser Zeit stammt auch der Taufstein. Das ikonographische Programm umfasst (1) vier liegende Löwen, die die zylindrische Kufe tragen; (2) zwischen den Löwen hockende Allegorien der vier Paradiesflüsse; (3) zwölf rundbogige Arkaden zur Gliederung der Kufe, in denen die zwölf Propheten stehen und auf deren Schultern je ein Aposteln sitzt. Zu den Füßen des Propheten Jeremia kniet eine Stifterfigur, bei der es sich vermutlich um den Abt des Merseburger Benediktinerkloster St. Peter handelt.
Im südlichen Querschiff vor dem Eingang zur Fürstengruft befindet sich ein weiterer Taufstein. Der kelchförmige Stein aus Sandstein wird auf 1665 datiert. Auf jeder Fläche der hexagonalen Kuppa befinden sich drei bis vier skulptierte Wappen, insgesamt 21, welche die Würden des in der Umschrift genannten Stifters Herzog Christian I. von Sachsen-Merseburg wiedergeben.
Altäre
Im Merseburger Dom sind mehrere Altäre erhalten. In erster Linie ist ein aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts zu datierender Tragaltar niedersächsischer oder mitteldeutscher Herkunft zu erwähnen. Er besteht aus einem in Eichenholz gefertigten rechteckigen Holzkorpus mit sechseckiger Aussparung auf der Oberseite zur Aufnahme einer Reliquie. Die Seitenflächen sind mit Silberblech ummantelt, auf den Langseiten waren insgesamt je fünf, auf den Schmalseiten drei und auf den Ecksäulen je ein Relieffeld erhalten, und zwar auf der Vorderseite in der Mitte die Kreuzigungsgruppe, daneben die Apostel Petrus und Paulus, darauffolgend links Christi Geburt und darauffolgend rechts Mariae Verkündigung. Auf der linken Schmalseite sind dargestellt die Enthauptung eines Heiligen, Paulus nach gleicher Vorlage wie auf der Vorderseite sowie ein nicht identifizierbarer Heiliger mit Spruchband; auf der Rückseite eine weitere Geburtsszene, die nicht mit der auf der Vorderseite identisch ist, daneben vermutlich Heilige (nur bruchstückhaft erhalten). Auf der linken Schmalseite sind keine Reliefs erhalten, auf den Ecksäulen sind die vier Evangelisten zu erkennen (ebenfalls nur bruchstückhaft erhalten).
Im Weiteren sind ein kleines Flügelretabel mit Skulptur der Muttergottes (um 1500 – Merseburger Werkstatt?), ein Allerheiligenretabel (um 1505 – niederländisch), ein Flügelretabel mit der Muttergottes (um 1517 – Meister der byzantinischen Madonna), ein Flügelretabel mit Gregorsmesse (um 1517 – Meister der byzantinischen Madonna), ein kleines Flügelretabel mit Darstellung des Hortus Conclusus (um 1530 – mitteldeutsch), ein Triptychon mit Madonna in der Engelsglorie (um 1530 – mitteldeutsch), ein ehemaliges Retabel des Heinrichsaltars (1536/37 – Lucas Cranach der Ältere und Werkstatt), ein kleines Retabel mit der Georgsmesse (1516 – Meister der byzantinischen Madonna), ein Flügelretabel mit der mystischen Vermählung der hl. Katharina (1518, Wittenberg – Meister aus der Cranach-Werkstatt, Meister des Merseburger Marien- und Katharinenaltars) sowie ein barocker Hochaltar (1668 – unbekannter Künstler) vorhanden.
Epitaphe und Grabmäler
In der Kirche und im Kreuzgang befinden sich Epitaphe und Grabmäler von Bischöfen, Domherren und Adeligen, von denen zahlreiche künstlerisch herausragend sind.
Die Grabplatte des Bischofs Thietmar († 1018) ist als schlichte Sandsteinplatte gearbeitet und wird in das 13. Jahrhundert datiert; bereits 1883 ließen sich nur noch geringe Reste der Umschrift lesen, die aber in einer Umzeichnung überliefert ist. Neben der Grabplatte von Thietmar markieren schlichte Platten die Gräber der ersten Bischöfe von Merseburg. Ursprünglich noch in der Johannis-Stiftskirche beigesetzt, wurden sie nach Errichtung des ersten Doms an diese Stelle umgebettet. Das bedeutendste Kunstwerk ist die im Chor befindliche Grabplatte Rudolfs von Schwaben, der am 15. Oktober 1080 starb. Es gilt als ältestes Bildnisgrabmal des deutschen Mittelalters; hervorzuheben ist hier besonders die technische Perfektion des Bronzegusses.
Das Epitaph und die Tumba des Bischofs Thilo von Trotha († 1514) befinden sich im nördlichen Querhaus und sind aus Messing gefertigt. Die Deckplatte der Tumba wurde vermutlich noch von Hermann Vischer dem Älteren um 1470/80, also vor Thilos Tod angefertigt. Das Epitaph und die Seitenwände stammen aus der Vischer-Werkstatt und werden auf die Zeit um 1514 datiert. Das in der Vorhalle des Doms befindliche Epitaph des Bischofs Sigismund von Lindenau († 1544) ist eine 2,46 m hohe und 1,29 m breite, gegossene Bronzeplatte mit Gravur und Ziselierung. Die sichtbare Signatur HF mit Meisterzeichen weisen sie als Arbeit des Nürnberger Bildhauers Hans Vischer aus.
Des Weiteren sind zu erwähnen die Grabplatte des Ritters Hermann von Hagen (Hayn/Hahn) aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, dessen Erschaffung dem Naumburger Meister bzw. dessen Werkstatt zugerechnet wird, ein Grabmal für den Magdeburger Erzbischof Friedrich II. von Hoym († 1362), ein Epitaph des Bischofs Vincenz von Schleinitz († 1535), ein Epitaph des Bischofs Adolf von Anhalt († 1526) sowie ein Grabmal und ehemalige Schranken der Grabkapelle des Bischofs Sigismund von Lindenau († 1544). Im Kreuzgang und Kreuzhof befinden sich zahlreiche barocke Epitaphe von Domherren. Dazugehörige in Backstein ausgeführte Grüfte, die zum Teil im Inneren verputzt und farblich gefasst sind, sind durch Ausgrabungen belegt. Neben den Backsteingrüften konnten während der Ausgrabungen 2004 auch zahlreiche Erdbestattung in Holzsärgen nachgewiesen werden.[3]
Orgel
Der Dom beherbergt hinter einem barocken Prospekt von ca. 1700 eine der größten romantischen Orgeln in Deutschland, geschaffen in zwei Etappen (1853 bis 1855 und 1866) von dem Orgelbauer Friedrich Ladegast. Aufgrund der guten Qualität der kleinen Ladegast-Orgel in der Dorfkirche Geusa gab der damalige Merseburger Domorganist und Orgelrevisor David Hermann Engel dem jungen Ladegast den Auftrag für die Domorgel.[4] Dieser nutzte zunächst 26 Register aus der Vorgängerorgel, ersetzte diese jedoch, mit Ausnahme der Schalmey und des Stahlspiels, bis 1866 durch eigene.[5] Von 2003 bis 2006 wurde die Orgel durch die Orgelbaufirmen Eule, Scheffler und Wegscheider umfassend instand gesetzt und restauriert. Diese Orgelbaufirmen machten mehrere, zum Gesamtkonzept Ladegasts unpassende, in den 1960er Jahren vorgenommene Dispositionsänderungen rückgängig.[5]
Franz Liszt war bereits beim Aufbau der Orgel im Sommer 1855 zugegen und wollte ein neues, umfangreiches Werk für die Orgelweihe komponieren. Er wurde damit jedoch nicht rechtzeitig fertig[6] und arbeitete stattdessen seine ursprünglich für eine von ihm konstruierte Kombination aus Harmonium und Pedalklavier geschaffene, umfangreiche Komposition „Ad nos, ad salutarem undam“ zu einer Fassung für Orgel solo um. Sein Schüler Alexander Winterberger führte das Werk an der neuen Orgel dann am 25. September 1855 im Beisein von Liszt zum ersten Mal auf.[7]
Dort wurde 1856 auch Liszts »Fantasie und Fuge über B-A-C-H« durch Carl August Fischer uraufgeführt.
Die Orgel hat folgende Disposition:[8]
|
|
|
|
|
|
|
|
- Koppeln: I/II, III/II, IV/II, I/P, II/P, III/P.
- Spielhilfen: 3 Ventile für die Laden des Pedals, Bass-Coppel, mit Registerzug oder zwei Tritten (an-ab) zu bedienen, schaltet die Ventile für die 2. und 3. Lade gemeinsam, Tritt und Zug für das Schwellwerk.
- Anmerkungen
- A = Alt, Übernahme vorhandener Register aus dem 17./18. Jahrhundert.
- D = Durchschlagend
- H/V = Hinter- bzw. Vorderlade für Sperrventile.
- I./II./III. = Erste, zweite bzw. dritte Lade für Sperrventile.
- 1866 Trompete 4′.
Glocken
Die zehn Glocken des Domes sind auf die beiden Westtürme, den Mittelbau und den Turmhelm verteilt. Mit einer umfassenden Restaurierung bekam jede einzelne Glocke sowohl einen neuen Klöppel als auch ein neues Holzjoch. Das Geläut wurde nach der ursprünglichen Aufhängung verteilt und in die zum Teil gotischen und barocken Glockenstühle gehängt. Im Dezember 2001 erklang das Domgeläut zum ersten Mal nach der Sanierung.[9] Die Clinsa erhielt nach der Schweißung einen neuen von Hand geschmiedeten Klöppel, der dem historischen Vorbild nahekommt.
Nr. | Name | Gussjahr | Gießer, Gussort | Durchmesser (mm) |
Gewicht (kg) |
Schlagton (HT-1/16) |
Glockenstube |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | Benedicta | um 1280 | unbekannt | 1.568 | ≈3.000 | es1 | −5Südwestturm |
2 | Clinsa | um 1180 | unbekannt | 1.312 | 1.960 | f1 | −7Nordwestturm |
3 | Nona | 1458 | unbekannt, vom gleichen Gießer | 957 | ≈600 | b1 | −1Mittelbau |
4 | Quarta | 851 | ≈450 | c2 | −2|||
5 | Evangelistenglocke | 1479 | unbekannt | 825 | ≈420 | d2 | ±0|
6 | Bienenkorbglocke | Anfang 12. Jh. | unbekannt | 472 | 113 | ≈des3 | |
7 | Horaglöcklein | 1538 | unbekannt | 460 | 59 | b2 | −4|
8 | Zuckerhutglocke | Anfang 13. Jh. | unbekannt | 416 | 58 | ≈d3 | |
I | Stundenglocke | 1474 | unbekannt | 1.060 | ≈500 | ges1 +1 | Turmhelm Nordwestturm |
II | Viertelglocke | 1722 | Peter Becker, Halle | 608 | ≈120 | ? |
Glocken-Ritzzeichnungen
Einige Domglocken haben seltene, kunsthistorisch bedeutsame Glockenritzzeichnungen, die in einem Werk der Kunsthistorikerin Ingrid Schulze gewürdigt werden[10].
Domstiftsbibliothek und -archiv
Die Merseburger Domstiftsbibliothek weist am Ort ihres Entstehens auf eine über 1000-jährige Geschichte. Sie geht vermutlich auf die Bibliothek des Kollegiatstifts St. Johannis (9. Jh.), spätestens aber auf die Gründung des Bistums Merseburg im Jahr 968 zurück. Bereits der sächsische Chronist und Merseburger Bischof Thietmar (Amtszeit: 1009–1018) konnte einen umfangreichen von seinen Vorgängern zusammengetragenen Bücherbestand nutzen. Dieser Bestand wurde neben kaiserlichen Geschenken und Anstrengung der Bischöfe vor allem durch Stiftungen einzelner Domherren bis heute erweitert. Seit dem 17. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg war sie im Kapitelhaus untergebracht. Luftangriffe auf das Dom- und Schlossensemble und Wassereinwirkungen führten zu Schäden am Bestand. Nach vorübergehender Unterbringung im Haus des Stiftsprokurators (Domstraße 12) wurde die Bibliothek 1993 in die Südklausur des Doms überführt. Seit 2006 befindet sie sich wieder im Kapitelhaus des Doms.[11], umfasst einen Fundus mit mehr als 10.000 Titeln, davon einen althistorischen Bestand von ca. 2.500 Titeln, inklusive 200 Inkunabeln. Über historische Inventare und Kataloge lässt sich die Entwicklung des Bestandes seit der Mitte des 16. Jahrhunderts rekonstruieren. Ein um 1935 von Walther Holtzmann erstelltes Verzeichnis der Handschriften der Domstiftsbibliothek ist digital zugänglich.[12] Neben Büchern finden sich zahlreiche, zum Teil mittelalterliche Urkunden sowie Aufschwörtafeln von Domherren.
In der Merseburger Domstiftsbibliothek werden drei bedeutende althochdeutsche Textzeugnisse aus dem 9. bis 11. Jahrhundert aufbewahrt, alle waren in einer mittelalterlichen Sammelhandschrift aus den Überresten von sechs ursprünglich selbständigen Codices (Cod. 136) eingebunden.[13]
- Die Merseburger Zaubersprüche (Cod. 136, fol. 85r) wurden von Georg Waitz 1841 in einer theologischen Sammelhandschrift des 9. oder 10. Jahrhunderts entdeckt und von Jacob Grimm 1842 zum ersten Mal gewürdigt. Die in Althochdeutsch abgefassten Sprüche handeln von der Befreiung von Gefangenen (Spruch 1) und der Heilung eines verrenkten Pferdefußes (Spruch 2).[14] Bischoff datiert sie in das erste oder zweite Drittel des 10. Jahrhunderts.[15]
- Das Fränkische Taufgelöbnis (Cod. 136, fol. 16r) ist in einer Handschrift des 9. Jahrhunderts überliefert und in einer angelsächsischen Minuskel abgefasst. Es ist als ein Frage-Antwort-Formular für Priester und Täufling gestaltet.[16]
- Das Merseburger Gebetbuchstück (Cod. 136, fol. 53r) ist ein Prosagebetsfragment aus der Mitte des 9. Jahrhunderts. Es handelt sich um ein Stück aus dem Gebet, das der Priester während der Messe nach der Elevation des Kelchs spricht. Der lateinische Text und die deutsche Entsprechung sind nebeneinander gesetzt.[17]
Zu den bedeutenden prosopographischen Quellen des Früh- und Hochmittelalters zählt das Merseburger Nekrolog (Nekrolog des Domkapitels von Merseburg – lat. Necrologium Merseburgensis cathedralis capituli), welches zwischen 1016 und 1100 unter der Verwendung älterer Vorlagen angelegt wurde und Personen vom 8. bis zum 11. Jahrhundert auflistet.[18] Überdies befindet sich eine der vier überlieferten Handschriften der Merseburger Bischofschronik (Cronica episcoporum ecclesie Merseburgensis) in der Domstiftsbibliothek. Das Merseburger Exemplar beinhaltet die Chronik von 968 bis 1136 mit einer Fortsetzung bis ins Jahr 1514.[19]
Siehe auch
Literatur
- Hans-Joachim Mrusek, G. Beyer: Drei sächsische Kathedralen. Merseburg, Naumburg, Meißen. 2. Aufl., Verlag der Kunst, Dresden 1981, 407 S. – in der Bundesrepublik Deutschland zeitgleich erschienen unter dem Titel Drei deutsche Kathedralen – Merseburg – Naumburg – Meißen. Wiesbaden 1981, ISBN 3-921452-16-3.
- Peter Ramm: Der Dom zu Merseburg, Bd. 464. 3., aktualisierte Auflage, Deutscher Kunstverlag München/Berlin 2008, ISBN 978-3-422-02140-2.
- Peter Ramm: Dom und Schloss zu Merseburg, Deutscher Kunstverlag München/Berlin 2008, ISBN 978-3-422-02155-6.
- Rolf Toman (Hrsg.): Die Kunst der Romanik. Architektur – Skulptur – Malerei, Köln 1996, S. 313.
- Vereinigte Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz (Hrsg.): Der Merseburger Dom und seine Schätze. Zeugnisse einer tausendjährigen Geschichte. Petersberg 2008, ISBN 978-3-86568-408-0.
- Zwischen Kathedrale und Welt. 1000 Jahre Domkapitel Merseburg – Ausstellungskatalog. – Schriftenreihe der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz Bd. 2, hg. von Karin Heise, Holger Kunde, Helge Wittman. Petersberg 2004. ISBN 3-937251-38-3.
- Zwischen Kathedrale und Welt. 1000 Jahre Domkapitel Merseburg – Aufsätze. (Wissenschaftlicher Begleitband zur Ausstellung) – Schriftenreihe der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz Bd. 2, hg. von Holger Kunde, Andreas Ranft, Helge Wittmann und Arno Sames. Petersberg 2005. ISBN 3-937251-51-0.
- Markus Cottin, Václav Vok Filip, Holger Kunde, Vereinigte Domstifter: 1000 Jahre Kaiserdom Merseburg. Michael Imhof Verlag GmbH & Co.KG, Petersberg 2015, ISBN 978-3731902287, 400 S.
Weblinks
Einzelnachweise
- Thietmar von Merseburg, Chronik, (Hg.) R. HOLTZMANN (MGH SS rer. Germ. N. S. 9), Berlin 1935, II, C. 10, S. 48: Postera die, id est in festivitate Christi martyris Laurentii, rex, solum Se pre caeteris culpabilem Deo professus atque prostratus, hoc fecit lacrimis votum profusis: Si Christus dignaretur sibi eo die tanti intercessione preconis dare victoriam Et vitam, ut in civitate Merseburgiensi episcopatum in honore victoris ignium construere domumque suimet magnam noviter inceptam sibi ad ecclesiam vellet edificare.
- Anton Schmid: Die Anfänge der Domprädikaturen in den deutschsprachigen Diözesen. In: Römische Quartalschrift für Christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 89 (1994), Heft 1–2, S. 78–110, hier S. 84.
- Geck, Excavations at Merseburg Chapter House, 2004/2005. - Preliminary Report. - Aufgerufen am 16. März 2013.
- Das MDR KLASSIK-Gespräch: Oh Orgel, du bist so wunderschön! - Michael Schönheit am 3. September 2018 im Gespräch mit Beatrice Schwartner, in der ARD-Audiothek am 1. Januar 2021 unter https://beta.ardaudiothek.de/suche?q=Orgel nachgehört.
- Zur Geschichte - merseburger-orgeltage. Abgerufen am 6. Januar 2021.
- mdr.de: Orgeln in Mitteldeutschland | MDR.DE. Abgerufen am 26. Januar 2022.
- Plattenhülle der LP "Die Schukeorgel im Neuen Gewandhaus zu Leipzig", Eterna 8 27 814 (VEB Deutsche Schallplatten Berlin, aufgenommen 1983)
- Die Disposition der großen Friedrich-Ladegast-Orgel im Merseburger Dom. In: merseburger-orgeltage.de. Abgerufen am 28. Oktober 2021.
- Constanze Treuber u. a.: Gegossene Vielfalt. Glocken in Sachsen-Anhalt. Hinstorff, Rostock 2007, S. 105–114. ISBN 978-3-356-01180-7.
- Ingrid Schulze: Ritzzeichnungen von Laienhand – Zeichnungen mittelalterlicher Bildhauer und Maler? Figürliche Glockenritz-Zeichnungen vom späten 13.Jahrhundert bis zur Zeit um 1500 in Mittel- und Norddeutschland. Leipzig 2006, ISBN 978-3-939404-95-8.
- Roswitha Nagel 1998, Domstiftsbibliothek (Merseburg), in: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Österreich und Europa (Fabian Handbuch). Abgerufen am 14. März 2014.
- Walther Holtzmann, Verzeichnis der Handschriften in der Domstiftsbibliothek Merseburg. Handschrift C 5 der Bibliothek der Monumenta Germaniae Historica. Digitale Edition, bearb. Von Arno Mentzel-Reuters, München (MGH) 2000.
- Merseburg, Bibliothek d. Domkapitels, 136 (58). In: dtm.bbaw.de. Abgerufen am 28. Oktober 2021.
- vgl. Text der Merseburger Zaubersprüche, abgerufen am 14. März 2014.
- vgl. hierzu Erläuterungen und Faksimilie der Merseburger Zaubersprüche auf dem TTITUS-Server des Faches Vergleichende Sprachwissenschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, abgerufen am 14. März 2014.
- Eduard Sievers; Theodor Balthasar Nacke, Das Hildebrandslied, die Merseburger Zaubersprüche und das Fränkische Taufgelöbnis, mit photographischem Facsimile nach den Handschriften. Halle 1872, abgerufen am 14. März 2014.
- Mathias Henkel, Das Merseburger Gebetsbruchstück im literatur- und liturgiegeschichtlichen Kontext des deutschen Frühmittelalters, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 130 (2011), S. 359–387. Online: http://www.zfdphdigital.de/ZfdPh.03.2011.359.
- G. Althoff, J. Wollasch, Die Totenbücher von Merseburg, Magdeburg und Lüneburg, MGH Libri Mem. N.S., 2, 1983. Abgerufen am 14. März 2014.
- Chronica episcoporum ecclesiae Merseburgensis, ed. von E. Wilmans, MGH SS., 10, 1852, S. 157–212. Abgerufen am 14. März 2014.