Luftbrücke
Der Ausdruck Luftbrücke bezeichnet allgemein einen vorübergehend eingerichteten Luftkorridor zu einem bestimmten geographischen Punkt. Dadurch erfolgt eine Luftverlastung von Gütern oder seltener auch Personen. Die Einrichtung wird dabei an einen speziellen Einsatzzweck gebunden, sodass der Begriff nur in Verbindung mit der zugehörigen Bezeichnung der militärischen oder zivilen Operation vorkommt.
Zweck
Häufige Einsatzzwecke, die zur Einrichtung einer Luftbrücke führen, sind:
- Versorgungskorridor für militärische Truppen in einer Kesselschlacht
- Versorgungskorridor für größere Katastrophengebiete nach Naturkatastrophen
- schnelles Ausfliegen großer Bevölkerungsteile aus Krisengebieten
- humanitäre Hilfe
- schnelle Verlegung militärischer Verbände in ein Krisengebiet
Geschichte
Die erste Luftbrücke der Weltgeschichte entstand im Frühsommer 1920 in Pommern. Der Friedensvertrag von Versailles hatte den Polnischen Korridor eingerichtet und Ostpreußen zur randständigen Insel des Deutschen Reichs gemacht. Als die Volksabstimmungen in Ost- und Westpreußen anstanden, wurde von polnischer Seite versucht, den Abstimmungsberechtigten die Anreise auf dem international garantierten Eisenbahnweg zu erschweren oder unmöglich zu machen. Deshalb entstand nicht nur der Seedienst Ostpreußen, sondern auch die Luftbrücke von Stolp zum Flughafen Devau bei Königsberg. Es waren alte deutsche Doppeldecker aus dem Ersten Weltkrieg, die die Alliierten wegen Überalterung den Deutschen belassen hatten.[1]
Luftbrücken waren und sind an die Verfügbarkeit einer genügend großen Anzahl von Transportflugzeugen gebunden (etwa ab den 1930er Jahren). Bei Versorgungsflügen können anstelle von Landungen im Zielgebiet auch die Güter über dem Zielgebiet abgeworfen werden. Bei Evakuierungsmaßnahmen müssen fehlende Landebahnen durch Einsatz von Hubschraubern ausgeglichen werden, die jedoch eine sehr viel geringere Transportkapazität besitzen.
Als erste bedeutende Luftbrücke gilt die der Truppen von General Francisco Franco zum Auftakt des Spanischen Bürgerkrieges vom 28. Juli bis Oktober 1936. Mit Unterstützung des NS-Staats und des Italienischen Faschismus wurden 25.000 Soldaten mit Junkers Ju 52/3m-Flugzeugen über die Straße von Gibraltar geflogen.[2]
Während des Zweiten Weltkrieges wurden militärische Luftbrücken zur gängigen Taktik, auch durch die Verfügbarkeit leistungsfähigerer Flugzeuge für die Luftverlastung.
Weitere historische Luftbrücken waren
- 1941/42: Versorgung der deutschen Truppen während der Kesselschlacht von Demjansk (96.000 Mann)
- 1942: US-Luftbrücke über The Hump zur Versorgung der chinesischen Truppen (bis 1945)
- 1943: Versorgung der deutschen Truppen in der Schlacht von Stalingrad (300.000 Mann)
- 1943 Versorgung der deutsch-italienischen Streitkräfte in Tunesien während des Tunesienfeldzuges (250.000 Mann)
- April / Mai 1945: Die Operationen Manna und Chowhound beginnen; dies waren humanitäre militärische Operationen der alliierten Luftwaffen unter Duldung der deutschen Besatzungsmacht zur Rettung der hungernden niederländischen Bevölkerung, die Royal Air Force unterstützt von australischen, kanadischen, neuseeländischen und polnischen Kräften vom 29. April bis 7. Mai mit Lebensmitteln aus schweren Bombern über den Teilen der Niederlande abgeworfen, die unter dem Hongerwinter litten. Die United States Army Air Forces flog vom 1. Mai bis zum 8. Mai ähnliche Einsätze, die Operation Chowhound. Da die Versorgungsflüge allein nicht ausreichen würden, wurde zwischen den Alliierten und der deutschen Seite zusätzlich die Lebensmittelversorgung mit Lastwagen im Raum Rhenen (Operation Faust) und auf dem Wasserweg nach Rotterdam im Rahmen eines Waffenstillstandes vereinbart.
- 1948: Die Berliner Luftbrücke zur Versorgung während der Berlin-Blockade (bis 1949)
- 1975: Abtransport über die US-Botschaft in Saigon am Ende des Vietnamkrieges
- 1975: Luftbrücke Luanda-Lissabon zur Evakuierung von täglich 4000 Retornados (September 1975) vor dem ausbrechenden Bürgerkrieg in Angola vor der Unabhängigkeit des Landes von Portugal im gleichen Jahr. Insgesamt etwa 174.000 Menschen wurde über mehrere Luftbrücken aus Angola und Mosambik nach Portugal gebracht.
- 1984: Evakuierung von 8000 äthiopischen Juden während einer Hungersnot im Rahmen der Operation Moses
- 1992, ab dem 12. Februar: Das Military Airlift Command der Vereinigten Staaten versorgt die Moskauer Bevölkerung von Frankfurt am Main aus mit Flugzeugen des Typs Lockheed C-5 Galaxy mit Lebensmitteln.[3]
- 1992: Versorgung während der langjährigen Belagerung von Sarajevo (bis 1996)
- 1999: Lawinenkatastrophe von Galtür – Versorgung und Evakuierung
- 2004: Evakuierung von 6000 Zivilisten aus der Elfenbeinküste
- 2010: Versorgung der vom Eis abgeschnittenen Großen Ochseninsel in der Flensburger Förde[4]
- 2020: Im Zuge der COVID-19-Pandemie ausgerufenes COVID-19-Rückholaktion der deutschen Bundesregierung; mit mehr als 240.000 zurückgeholten Personen, die größte Rückholaktion in der deutschen Geschichte.[5]
- 2021: Im Krieg in Afghanistan wurde eine Luftbrücke gebildet, um deutsche Mitarbeiter aus Kabul zu evakuieren (siehe Luftbrücke Afghanistan 2021)
Weblinks
- UN-Luftbrücke nach Somalia gestartet (Memento vom 13. Februar 2012 im Internet Archive) auf tagesschau.de
- Die Berliner Luftbrücke Feature auf Bayern2 Radiowissen (MP3)
Einzelnachweise
- Stolper Heimatblatt, Jahrgang XIV, Nr. 8. Lübeck, August 1961
- Nach einer anderen Quelle waren es etwa 14.000 Fremdenlegionäre und 500 Tonnen Material: Hugh Thomas: Der spanische Bürgerkrieg, Ullstein, Berlin 1962, S. 194. Siehe auch Die deutsch-spanischen Beziehungen 1933-39
- Walter Wille: So war’s, Herr Putin – Als wir Russland halfen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1. März 2022, abgerufen am 1. März 2022.
- "Luftbrücke": Ochseninseln im Eis: Flugzeug bringt Nachschub. In: shz.de. 11. Februar 2010, abgerufen am 10. Mai 2015.
- Irene Helmes, Katja Schnitzler, Eva Dignös: Coronavirus: Wie Urlauber wieder heimkommen. Abgerufen am 25. April 2020.